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an Innocenz 1198 sagt Otto IV. von den Anhängern Philipps: ,,ducem Sueviae - in regem nominare

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presumpserunt" 1), mit der Absicht, diese Wahl als eine nicht vollgiltige zu bezeichnen. In päpstlichen Briefen nach 1250 werden mehrmals die Worte,,nominare, eligere et consentire" oder für letzteres „assumere“ nebeneinander gestellt, um alle Wahlhandlungen zu umfassen 2). Es ist klar, was mit der ,,Nominatio" gemeint wird. Sie geht der Electio voran, durch sie wird der, welcher gewählt werden soll, namentlich bezeichnet. Sie ist der Beschluss der Vorverhandlungen, dem gemäss der neue König ausgerufen und damit erst gewählt wird.

Dass auch die Laudatio noch in dieser Zeit erwähnt wird, sahen wir bereits 3). Sie blieb auch ein formell unentbehrlicher Theil, und man kann die nachträglichen Anerkennungen als Laudationen betrachten. Aber bei der Entwicklung der öffentlichen Dinge, welche die mächtigen Fürsten in den Vordergrund stellte, verlor sie natürlich an innerm Werthe, und da wiederholt die Erwählten nicht zur Stelle waren, konnte sie in der alten Weise nicht erfolgen. Doch kam nach wie vor in ihr die Zustimmung der Geringeren zum Ausdruck.

Blieb demnach der alte Gebrauch einer weit bemessenen Theilnahme an der Wahl bestehen, so trat dennoch eine Umwandlung der thatsächlichen Verhältnisse von selbst ein. Die Wahlen wurden jetzt erst recht das Werk, die Mache der grossen Fürsten; die Kleineren thaten zwar mit, indessen mehr als Anhängsel, als Gefolge, das grösseren Glanz verlieh. Wechselnd zusammengesetzte Parteien gaben den Ausschlag, eine gewaltsame Erhebung durch Wenige folgte der andern, und einhellige Wahlen wie vor Zeiten kamen nicht mehr vor. Jede

1) Bal. ep. 3. So wird auch 1263 in dem kastilischen Berichte über die Doppelwahl von 1257 immer von der ,,electio seu nominatio“ Richards gesprochen, weil Richard als nicht rechtmässig erwählt betrachtet wurde, Mitth. Oest. Inst. VI, 97 ff.

2) F. R. 9008, 9; Raynald 1256, 3-5; 1262, 7.

3) Oben S. 74. Man kann auch manchmal ohne Zwang unter die Laudatio den,,consensus" einbegreifen, doch ist dieser Ausdruck ein so unbestimmter, dass er nicht kurzweg der Laudatio gleichgesetzt werden darf.

Partei wusste von vornherein, wen sie wollte, oder einigte sich auf eigene Faust. Daher wurden die Fürsten thatsächlich diejenigen,,,ad quos spectat electio", und konnte, wie es 1239 Herzog Otto II. von Baiern that, von einzelnen fürstlichen Stimmen gesprochen werden 1).

Mit der Auflösung des Reiches löste sich auch der alte Sinn und Begriff der Wahl auf. Von einer wirklichen Einstimmigkeit aller Reichsglieder konnte nicht mehr die Rede sein. Früher wurde sie vorausgesetzt und als Thatsache genommen 2); jetzt erhielt sich die geforderte Einheit nur als Redensart. Aber selbst von einer Mehrheit konnte man nicht sprechen, weil es kein Mittel gab, sie festzustellen. Die Zahl der Stimmen, um diesen Ausdruck zu gebrauchen, war sehr gross und Niemand im Stande, sie genau zu berechnen. Die die Wahl Ausübenden waren zudem an Werth und Bedeutung ganz ungleichartig, und es liess sich unmöglich eine Schätzung machen. Wie wollte man etwa Bischöfe gegen weltliche Herren abwägen und letztere untereinander vergleichen, da auch die Würden eines Herzogs oder Markgrafen oder Grafen mehr Titel geworden waren und innerhalb dieser Titelstufen selbst die grössten Unterschiede an Macht bestanden?

Diese Verlegenheit zeigt sich recht deutlich schon bei dem unglücklichen Vorgange von 1198. Zwar spricht der Hallenser Protest von der Mehrzahl und grössern Würde der Freunde Philipps, aber er tadelt eigentlich nur, dass sie nicht berücksichtigt worden seien. Eine bestimmte Anrufung des Majoritätsrechtes wird vermieden; als einzigen Weg, wie eine zwiespältige Wahl zum Austrag kommen soll, kennen die Fürsten nur die freie Vereinbarung der Wählenden. Es ist zu beachten, dass auch späterhin, wie zu Anfang, lediglich gesprochen wird von den Fürsten, welche zu wählen haben, aber die Kehrseite der Medaille fehlt 3). Die Aufstellung der Gegen

1) In demselben Sinne redete Albert von Beham 1239 auch von den coelectores des Pfalzgrafen Otto, Bibl. Litt. Verein Stuttgart XVI, 2, 16; und ebenso dachten die Zeitgenossen vornehmlich an die grossen Fürsten, wenn sie von den Wählern sprachen.

2) Oben S. 91. 3) Oben S. 109.

Lindner, Königswahlen.

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könige wird bekämpft als recht- und gesetzwidrig, aber nie wird das Wahlrecht Jemandes an sich bestritten.

Aus diesen heillosen Zuständen führte nur Ein Ausweg. Es musste auf irgend welche Weise die Möglichkeit gefunden werden, zu beurtheilen, ob eine Wahl als rechtmässig gelten konnte oder nicht. Bei dem bisherigen Verfahren, der unbegrenzten Wahlbefugniss, war das unthunlich. Also eine Beschränkung musste erfolgen, und dieser Entwicklung hat die Doppelwahl von 1257 zum Siege verholfen.

XXII. Die Doppelwahl 1257.

Durch den Tod Wilhelms war der Thron wirklich erledigt, da der Holländer nach dem Hinscheiden Konrads IV. im Mai 1254 keinen Nebenbuhler gehabt hatte. Es konnte demnach wiederum eine allgemeine Wahl stattfinden, was seit fünfzig Jahren nicht mehr der Fall gewesen war. Ob in dem zer

klüfteten Reiche eine solche zu Stande kommen würde, stand freilich dahin. Die Bemühungen der nordischen Fürsten, die man als nationale Partei betrachtet hat, Otto von Brandenburg zu erheben, hatten keinen Erfolg gehabt. Und so sollte denn auch kein Deutscher sich die Krone Karls des Grossen auf das Haupt setzen, und gerade jetzt, wo Gelegenheit geboten war, all' die schrecklichen Nöthe des letzten Jahrzehntes zu überwinden, wurde durch die Wahl zweier Ausländer die Verwirrung bis auf den höchsten Gipfel gesteigert.

Ich will wahrlich nicht bestreiten, dass diese Doppelwahl ein Schandfleck in der deutschen Geschichte ist, und dass bei ihr, wie auch alle Zeitgenossen wussten, das Geld den vornehmlichsten Einfluss geübt hat. Aber selbst bei den schmutzigsten Geschäften in der grossen Politik walten höhere Gesichtspunkte ob, und so spiegelt sich auch in jenen Vorgängen die damalige Lage Europas und vor allem Deutschlands wieder. Es ist nützlich, diese allgemeinen Verhältnisse zu fassen, denn nur in ihnen liegt das Lehrhafte der Geschichte. Auch der beklagenswerthe Eigennutz ist meist nur eine Folge der Verhältnisse, eine secundäre Erscheinung, nicht die primäre Ursache; er stammt in der Regel aus den herrschenden Zuständen, nicht aus absonderlicher Schlechtigkeit der jeweiligen Menschen. Wir kommen nicht vorwärts, wenn wir die späteren Zeiten des deutschen

Mittelalters immer nur vom einseitigen Gesichtswinkel aus messen und beständig die alten Klagen über die Niedertracht der Fürsten und Herren wiederholen, ohne die Grundursachen zu würdigen.

Es stand in Deutschland so, dass selbst die staufische Partei die Wahl Konradins, welche durch alle Traditionen geboten war, des päpstlichen Widerspruches wegen nicht wagen konnte. Für sie war noch weiter misslich, dass König Alfons von Kastilien in Folge seiner Abstammung von dem staufischen Geschlechte Ansprüche auf das Konradin gehörige Herzogthum Schwaben erhob, welche auch der Papst unterstützt hatte. Eben deswegen wurde Alfons von den ghibellinischen Pisanern auf den Schild erhoben; im Hintergrunde lag für sie die Hoffnung, dass er Sicilien erwerben sollte. Daher musste die staufische Partei in Deutschland seine Wahl um jeden Preis verhindern, und weil Konradin unmöglich war, wurde ihr dadurch ein Bündniss mit den bisherigen Gegnern der Staufer nahegelegt. Da kam das englische Anerbieten, und wenn auch Köln den Vermittler gemacht haben mag, den Ausschlag gab Herzog Ludwig von Baiern, der sich, abgesehen von dem Gelde, das er gern annahm, im Interesse seines Mündels Konradin für Richard entschied. So entstand die unnatürliche Verbindung zwischen den Wittelsbachern und dem bisherigen Gegner der Staufer Konrad von Köln, dem sich auch Mainz anschloss.

Schwieriger ist zu erklären, wie sich die Gegenpartei bildete. Beachtenswerth ist, dass sie sich erst später zur Wahl entschlossen hat; sie war also vermuthlich noch Anfang Januar 1257 nicht fest geeinigt. Dass Böhmen schwankte, ist thatsächlich, und Alfons soll Ottokar gegenüber ihre Verwandtschaft geltend gemacht haben. Ob dem Böhmenkönige vorher von dem Kölner Erzbischofe Konrad die Krone angeboten worden ist, lässt sich trotz aller Erwägungen darüber nicht mit Gewissheit entscheiden. Mir scheint, dass der eigentliche Träger dieser Partei Arnold von Trier war, der den Staufern immer entschiedene Feindschaft bewiesen hatte. Während der Kölner Erzbischof die alte Freundschaft mit England bevorzugte und sich begnügte, in Richard einen nicht dem alten Königsgeschlechte

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