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II. Die Wahl Konrads I.

Die Vertreter der anderen vier Stämme vereinigten sich im November 911 in Forchheim und vollzogen dort die Wahl Konrads von Franken. Forchheim war eine königliche Villa, in der die Karolinger oft ihren Aufenthalt genommen und auch Reichsversammlungen gehalten hatten. Der Ort lag allerdings in Franken, doch nicht auf altfränkischem Boden, und hart an der baierischen Grenze. Daher sprach für die Wahl dieses Platzes wohl mehr die Rücksichtnahme auf Baiern, das in den letzten Jahrzehnten den Haupttheil des Reiches gebildet hatte, als der Wunsch, auf fränkischer Erde zu berathen. Wie die Versammlung zu Stande kam, wer sie etwa berief, ist unbekannt; die Kürze der seit dem Tode Ludwigs verflossenen Zeit lässt auf gewisse Einmüthigkeit schliessen 1).

Dass Konrad die Krone einer Wahl verdankte, hat niemand bestritten, nur die Gründe, welche seine Wähler bestimmten, sind ungewiss. Offenbar ist, dass im übrigen Deutschland keine Neigung vorhanden war, die Ansprüche der westfränkischen Karolinger ebenso anzuerkennen, wie es die Lothringer thaten. Doch hatte es allezeit so gestanden, dass nicht das einzelne Familienglied, sondern das Geschlecht in Betracht kam. Vom Westfrankenreiche war man lange getrennt gewesen und die kurze Wiedervereinigung unter Karl dem Dicken hatte sich als nutzlos erwiesen, also Grund genug, den ohnehin von allerlei Schwierigkeiten umgebenen Karl den Einfältigen nicht zu beachten. Aber könnte nicht dennoch die Erbidee wirksam gewesen sein? Verdankte ihr nicht vielleicht Konrad seine Würde,

1) Ludwig starb wahrscheinlich am 24. September, M. R. S. 742, 2011 b. Aber selbst wenn der 20. August der richtige Tag wäre, läge zwischen der Erledigung und Neubesetzung des Thrones nur eine Frist, die später unter regelmässigen Verhältnissen oft überschritten wurde.

indem er eben deswegen ausersehen wurde, weil er diesseits des Rheines der nächste Verwandte des erloschenen Hauses war? So ist in der That die Meinung der meisten heutigen Gelehrten 1). Sie berufen sich darauf, die Könige Arnulf und Ludwig hätten die Konradiner als ihre Verwandten bezeichnet. Doch ist es bisher nicht gelungen, die Art dieser Verwandtschaft nachzuweisen, und nach allem was wir wissen, bestand sie nur darin, dass eine Konradinerin in das Karolingische Haus geheiratet hatte. Darauf liess sich kein Erbrecht begründen, und in demselben Grade wie Konrad waren die Herzöge von Sachsen und Baiern und wohl auch Andere mit dem verstorbenen Könige verwandt.

Die zeitgenössischen Quellen erwähnen nichts davon, dass Konrad seine Nachfolge einer Verwandtschaft verdankte. Als Erklärung des Schweigens gilt ihre Dürftigkeit 2), aber wie mehrere von ihnen ausdrücklich hervorheben, der bisherige Königsstamm sei ausgestorben, hätten sie auch mit einem kurzen Worte jenen Sachverhalt andeuten können. Und Widukind weiss von den Vorgängen sogar mancherlei zu erzählen. Das ganze Volk der Franken und Sachsen wünschte dem Herzoge Otto die Krone aufzusetzen. Der aber lehnte hohen Alters wegen ab und auf seinen Rath wurde der bisherige Herzog von Franken, Konrad, zum Könige gesalbt.

Diese Erzählung des sächsischen Chronisten hat in neuerer Zeit keinen Glauben gefunden, und es ist allerdings möglich, dass er eine unsichere Überlieferung als Thatsache ausgab. Doch erregen mir die von ihm hinzugefügten Worte: „penes Ottonem tamen summum semper et ubique fiebat imperium", die man besonders gegen die Zuverlässigkeit der Nachricht geltend macht, keinen Anstoss. Denn Widukind braucht das Wort „imperium" viel in dem allgemeinen Sinn von Herrschaft, gebietendem Einfluss, Befehl 3). So sagt er auch bis auf die letzten Kapitel des dritten Buches imperator" im Sinne von

1) Zuletzt hat darüber Maurenbrecher 38 ff. ausführlich gehandelt. 2) Maurenbrecher 38.

3) I c. 33, II c. 3, 6, 20, 22, 24, III c. 5, 7, 52.

Herrscher 1). Daher wollte Widukind, wie auch Ranke meinte 2), mit jenen schwerfälligen Worten nur andeuten, die Stellung des Herzogs Otto in Sachsen sei trotz des neuen Königs eine ganz selbständige geblieben. Gleich darauf rühmt er deswegen, um die weitere Steigerung auszudrücken, von Heinrich I.: „regum maximus optimus, qui primus libera potestate regnavit in Saxonia", d. h. indem er selbst König wurde und dort als König herrschte, während bis dahin die sächsischen Herzöge einen solchen über sich hatten.

Mag nun Widukind aus Ruhmredigkeit oder falscher Kunde Unwahres berichten, jedenfalls sagt er nicht, was er noch hätte wissen können, dass Rücksicht auf Verwandtschaft die Augen auf Otto oder Konrad lenkte, obgleich er hervorhebt, Ludwig sei der letzte Karolinger gewesen und ohne Sohn dahingegangen. Es wäre auch ein widerspruchvolles Verfahren gewesen, wenn die Deutschen das unzweifelhafte Erbrecht Karls des Einfältigen unberücksichtigt gelassen und dennoch ein anderes mindestens sehr entferntes aufgesucht und beachtet hätten.

Nur die Meinung, die Nachfolge im Karolingerreich habe ausschliesslich auf dem Erbrechte beruht, hat dazu geführt, Konrads Erhebung durch seine Verwandtschaft mit dem Hause Karls des Grossen zu erklären. Man übersah, dass stets die Anerkennung durch die Grossen als Ergänzung erforderlich war. Diese Anerkennung wurde jetzt, da kein ostfränkischer Karolinger mehr vorhanden war, zur Wahl, wie sie in Theilen des westfränkischen Reiches schon lange vorher vorgekommen war. Doch ist deswegen nicht anzunehmen, dass die Fürsten nun auch gleich die Absicht gehabt hätten, für alle Zeiten das Erbrecht abzuschaffen. Es lag hier eben ein besonderer Fall vor.

Eher ist die Vermuthung statthaft, dass Konrad die Krone nicht durch die geschlechtliche, sondern durch die geschichtliche Erbidee erhielt. Er wurde König als Herzog des vornehmsten Stammes, von dem das Reich seinen Namen

1) I c. 25, 38. Wenn c. 39 die Sachsen nach dem Siege über die Ungarn Heinrich „,imperator" nennen, so ist damit auch nur der siegreiche Feldherr, nicht der „Kaiser“ gemeint.

2) Weltgeschichte VI, 2, 101.

An Macht stand

er hinter den

führte, des fränkischen. Herzögen von Baiern und Sachsen zurück, aber ihm wurde als Franken der Vorrang zugesprochen.

Der Sachsenspiegel erklärt bekanntlich, der König solle fränkisches Recht haben, sobald er gekoren sei, von welcher Geburt er auch wäre 1). Ob darüber jemals eine Bestimmung getroffen worden ist, wissen wir nicht. Aber wenn Otto I. bei seiner Krönung fränkische Tracht anlegte 2), so erkannte er damit den Vorzug des fränkischen Stammes an. Wahrscheinlich bestimmte ihn auch diese politische Rücksichtnahme, das Herzogthum Franken nach dem Tode Eberhards nicht mehr zu besetzen. Der Mündigkeitstermin der deutschen Könige wurde stets nach fränkischem Rechte bemessen 3). Blieb doch auch der altgemeinsame fränkische Name noch lange an Reich und Volk haften; nur die Sachsen werden oft daneben besonders genannt. Dass nachher die Krönungen immer auf fränkischem Boden stattfanden, hing gleichfalls mit der geschichtlichen Überlieferung zusammen, und es ist leicht begreiflich, warum Otto I. Aachen dazu auserkor. Aber Wahlen und Designationen geschahen auch anderwärts 4), so dass nicht behauptet werden kann, für ihre Giltigkeit sei allzeit der Vollzug auf fränkischer Erde erforderlich gewesen. Gewiss war der Vorrang Frankens mehr

durch die Tradition, als durch das Recht begründet.

Es ist Konrad oft nachgerühmt worden, er habe das Karolingische Staatssystem herstellen, das neu entstandene Herzogthum wieder abschaffen wollen. Das ist eine Überschätzung, die zudem von modernen unionistischen Anschauungen ausgeht. Konrad gerieth allerdings mit sämtlichen Herzögen in Streit, aber nur um die königliche Gewalt geltend zu machen und die Bischöfe gegen die Gewaltsamkeiten jener zu vertheidigen. Freilich liess er sich von den Bischöfen mehr leiten, als ihm gut war, und

1) III, Art. 54, 4.

2) Widukind II, 1.

3) Waitz VG. VI, 215. Bemerkt sei noch, dass Otto IV. 1209 sich mit Philipps von Schwaben Tochter ,,lege Francorum" verlobte; Otto Sanblas.

4) Vgl. unten Abschnitt X.

Lindner, Königswahlen.

2

sie haben den König offenbar in manchen Kampf hineingetrieben. Aber er selber war Herzog gewesen und liess nachher sein Herzogthum auf den Bruder Eberhard übergehen; die Herzöge von Baiern und Sachsen hat er Anfangs anerkannt. Höchstens ist zu vermuthen, dass er das Herzogthum in Schwaben, wo es noch von unsicherem Bestande war, nicht aufkommen lassen wollte.

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