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2010.509.08

Constantier fund

Vorwort.

Wie schon mancher Kollege habe ich mich oft gefragt: Wie kommt es, daß Knaben, die in der Obertertia die Metamorphosen Ovids gern und mit Verständnis lasen, die nicht selten mehr als verlangt war, präparierten, sich auch zum Extemporieren immer wieder meldeten, in der Untersekunda bei der Lektüre der Fasten und Tristien nachlassen und endlich fast ganz versagen. Am Stoffe kann es nicht liegen. Denn wenn auch die spielende Leichtigkeit, mit der der Dichter der Metamorphosen seine wohllautenden Verse hervorquellen läßt, in den Fasti nicht in gleichem Maße zu finden ist, so sind doch auch diese reich an hübschen Geschichten, allerliebsten Episoden und sehr lesbaren Anekdoten. Dazu erlaubt gerade die Lektüre der Fasti Ausblicke auf die Kulturgeschichte der ewigen Stadt, die Knaben eines Alters, in dem man sämtliche kulturhistorische Romane wie Ebers, Eckstein, Dahn, Sienkiewicz mit Begeisterung liest, nur hochwillkommen sein können. Und auch am Lehrer konnte es nicht liegen. Denn wie ich mich mit Erfolg bemüht hatte, meinen Schülern für die Metamorphosen Interesse zu erwecken, so versuchte ich es auch, aber freilich mit weniger Erfolg, bei den Fasti. So glaube ich denn den Grund wo anders suchen zu müssen. Bei der Präparation der Metamorphosen wird der willige Schüler (und nur um den handelt es sich) durch die Anmerkungen der Ausgabe Siebelis-Polle unterstützt. Bei den Fasti, die keineswegs geringere, zum Teil sogar erheblich größere Schwierigkeiten bieten, ist der Schüler auf sich selbst angewiesen und fühlt sich

bald hilflos und verlassen. Zuerst versucht er es, da ihm in der Obertertia der Ovid lieb geworden ist, das Verständnis zu erzwingen, bald aber läßt der Eifer nach, um schließlich vielleicht ganz zu ermatten. Es fehlt an einer Ausgabe der Fasti und Tristien, die für Schüler berechnet ist. Diese Lücke will ich mit vorliegender Arbeit ausfüllen. Die Schulen, die die Fasten nach Peters Ausgabe lesen, mögen dieses (gute, für Schulen freilich viel zu viel bietende) Buch ruhig beibehalten. Meine Ausgabe soll an den Schulen eingeführt werden, die ihren Schülern den bloßen Text zumuteten und dadurch vielleicht manchem die Freude an dem elegantesten Dichter der Römer nahmen.

Da meine Ausgabe nichts weiter bezweckt, als dem Schüler die häusliche Präparation zu erleichtern, so ist der Kommentar so knapp wie nur irgend möglich; insbesondere fehlen alle Zitate, die in einer Schulausgabe (im engeren Sinne) gar keine Berechtigung haben, wie überhaupt alles zur Interpretation und Erweiterung dem Lehrer überlassen bleibt; es sei nochmals und ausdrücklich betont, daß die Anmerkungen nur dem schnelleren Verständnis des Schülers bei der häuslichen Präparation dienen sollen.

Die Erklärung der Eigennamen ist in das mythologisch-geographische Namenregister verwiesen. Der Lehrer hat zu verlangen, daß der Schüler bei der Präparation nicht nur fremde Vokabeln, sondern auch unbekannte Namen nachschlägt und darüber Auskunft zu geben vermag. Die Herren Kollegen klagen und zwar leider mit Recht so oft über die geringe Kenntnis der Schüler in der Mythologie. Der Ovidlektüre bleibt es im wesentlichen vorbehalten, diese Kenntnis zu vermitteln und zu vervollständigen. Dann muß man aber auch von den Schülern verlangen, daß sie sich bei der Präparation danach umtun und nicht erst im Unterrichte selbst aus den Fußnoten das Nötigste gedankenlos (und darum ohne bleibenden Gewinn) ablesen.

Die jedem Gymnasiasten geläufigen Eigennamen sind in das Verzeichnis nicht aufgenommen, weil es keinen Sinn hätte, wenn

in einer Schulausgabe beispielsweise jede Stelle notiert ist, an der das Wort Juppiter vorkommt. Ob freilich auch so nicht noch mancher Name hätte weggelassen werden können, wird ja die Praxis lehren, doch glaubte ich eher etwas freigebig als zu sparsam sein zu müssen. Auch darüber wird man ja verschiedener Meinung sein können, ob diese oder jene Anmerkung nötig war, und ob nicht irgendwo eine solche nachzutragen wäre. Ich bitte die Herren Amtsgenossen, die das Buch im Unterrichte benutzen werden, mir ihre Erfahrungen freundlichst mitzuteilen, damit das Buch bei einer Neuauflage sich immer mehr dem von mir ersehnten Ideale nähern möge, unseren Gymnasiasten die Freude am Ovid zu erhalten. Meinem Freunde, Herrn stud. phil. Wilhelm Schöne, bin ich für seine treue Hilfe bei der Korrektur zu großem Danke verpflichtet.

Leipzig, am 15. Februar 1908.

Dr. Paul Brandt.

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