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XXIX

Januar 1885

5. was ein Hauptvorteil wäre: bei vorkommenden Geschäftsstockungen könnte die Fabrikbevölkerung dem Lande nur in kleinstem Masse zur Last fallen, weil solche sich leichter unter die landwirtschaftliche Bevölkerung verteilen liefse.

Mit Gewissheit darf man annehmen, dass eine Industrie in einem Lande, wo Wasserkräfte vorhanden sind, mit Wasserkraft als Betriebskraft auf einer gesünderen Grundlage ruhe, als mit jeder anderen Art Betriebskraft.

Es ist bekannt, dass nach den amtlichen Erhebungen in England auf Grund des bisherigen Verbrauches eine Erschöpfung der dortigen jetzt bekannten Kohlenbergwerke in absehbarer Zeit zu erwarten ist, und hervorragende Industrielle Englands, welche Gelegenheit hatten, die Wasserkräfte der Schweiz kennen zu lernen, haben ihrer Besorgnis um die abnehmende Grundlage der englischen Industrie im Hinblick auf jene Ausdruck gegeben; deshalb sollten die Regierungen, die technischen Vereine, die Vertreter der Industrie usw. mit allen Kräften dahin streben, dass der Brennmaterialverbrauch soviel wie möglich eingeschränkt werde.

Unter dieser notwendigen Beschränkung verstehe ich, das vorhandene Brennmaterial nur da zur Verwendung gelangen zu lassen, wo ohne dasselbe ein Bestehen gar nicht denkbar ist, z. B. für die Verkehrsmittel zu Wasser und zu Lande, für sämmtliche Metallindustrie, chemische Fabriken, Färbereien, Druckereien, keramische Fabriken, Bleichereien usw., und nehme ich an, dass, nachdem die grofsen Brennmaterialvorräte verbraucht sein werden, die jährlich auf der Oberfläche der Erde erzeugten Brennmaterialien auch noch,

wenn

auch im verringerten Malse, für die notwendigsten Bedürfnisse des Lebens, des Verkehres und für den oben bezeichneten Teil der Industrie genügen werden.

Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn man annimmt, dass heute noch wohl die Hälfte sämmtlicher vorhandener Dampfkraftanlagen das doppelte und mehr an Brennmaterial verbrauchen, als gute neue Anlagen, ebenso, dass heute noch bei der Hälfte aller Wasserkraftanlagen etwa die doppelte Wassermenge verbraucht wird für eine bestimmte Kraft, wie mittels der neuesten Wasserkraftanlagen, und dass eine Unzahl von noch unbenutzten Wasserkräften nutzbar gemacht werden könne.

Geschieht nichts in der von mir angedeuteten Richtung zur Verbesserung dieser Verhältnisse, so ist ein Rückgang und schliessliches Erliegen der Industrie unvermeidlich, während die Ausführung von verbesserten Anlagen den Werkstätten reichliche Arbeit und der Industrie dauerndes Gedeihen zuführen würde.

II. Wasserkraftanlagen.

Unter Wasserkraftanlagen verstehe ich solche Anlagen in der Nähe von bewegtem Wasser mit Wasserkraftberechtigung, welche erforderlich sind, um die vorhandene Wasserkraft nutzbar zu machen.

Der Reihenfolge nach sollte ich nun mit den näheren Angaben über Wasserkraftanlagen beginnen, mittels deren durch Benutzung der Bewegung des Wassers bei Ebbe und Flut Betriebskraft erlangt werden sollte. Jedoch sind solche, soviel mir bekannt, bisher nur als Versuche und noch nirgends in gröfserem Mafsstabe ausgeführt.

Soviel ich aus Schriften und durch mündliche Mitteilungen erfahren konnte, wurde bei diesen Versuchen das Steigen und Fallen des Wassers unmittelbar auf Motoren wirkend benutzt. Da aber das Steigen und Fallen unregelmässig und verhältnismässig sehr langsam, d. h. vom höchsten Stande (Flut) bis wieder zum höchsten Stand, in je 12 Stunden geschieht, so wird es auch schon für kleinere Kräfte Motoren von grofsen Abmessungen erfordern. Zudem wäre eine auf diese Weise Tag und Nacht wirkende Kraft wegen der bei jeder Drehung der Erde um etwa 50 Minuten zurückbleibenden Flut sowie wegen des ungleich schnellen Steigens und Fallens des Wassers eine höchst unregelmäfsige und daher zum unmittelbaren Betrieb irgend eines Gewerbes kaum zu benutzende Kraft.

Um eine auf diese Weise gewonnene unregelmässige Kraft in eine zu einer beliebigen Zeit verwendbare regelmässige Kraft umzuwandeln, wäre es wahrscheinlich das einfachste,

wenn man diese unregelmässige Kraft, je nach der Oertlichkeit der Küsten, zum Heben von Wasser in einen höher gelegenen Sammler verwenden würde, um aus diesem dann das Wasser auf einen entsprechenden Motor zu leiten; die dadurch erzielte regelmässige Kraft könnte dann zu einer beliebigen Zeit verwandt werden.

Es ist begreiflich, dass aus angegebenen Gründen eine solche Wasserkraftanlage im Verhältnisse zu der damit erreichten Kraft ein grofses Anlagekapital erfordern würde.

Ich war einmal während meiner Praxis (vor etwa 20 Jahren) in der Lage, einen Entwurf für eine solche Wasserkraftanlage auszuarbeiten, und da ich bei diesem eine von der soeben angegebenen abweichende Benutzungsart zu Grunde legte, so will ich doch, dem interessanten und wichtigen Gegenstande zulieb, näher angeben, wie ich diese Aufgabe ausführen wollte. Möglich, dass das eine oder andere davon Technikern, welche früher oder später solche Anlagen ausführen werden, nützlich sein kann.

Bei diesem Entwurfe hatte ich eine mittlere Fluthöhe von 3m zu Grunde gelegt, wie solche mir für die betreffende Küste (Norddeutschland) aufgegeben wurde. Nun nahm ich an, bei der steigenden Flut auf etwa 2m Höhe durch eine Falle oder Schleuse Wasser in einen Sammler, so lange bis die Flut ihren höchsten Stand von 3m erreicht hätte, einfliessen zu lassen, und alsdann diese Falle oder Schleuse zu schliefsen. Sobald die Flut um etwa 1,5 bis 2m gefallen, wollte ich dann das Wasser aus dem Sammler über einen selbstthätig sinkenden Ueberfall auf einen Motor leiten, um auf diese Weise das gesammelte Wasser zur Betriebskraft so lange zu benutzen, bis die Ebbe wieder eingetreten und die Flut auf 1 bis 1,5m gestiegen sein würde. Dass es hierzu eines eigentümlich construirten Motors bedurfte, welcher imstande wäre, bei sehr veränderlichem Ober- und Unterwasserspiegel zu arbeiten, ist selbstverständlich.

Um die auf diese Weise gewonnene unregelmässige Kraft in eine regelmässige und zu einer beliebigen Tageszeit verwendbare Kraft umzuwandeln, hatte ich angenommen, einen zweiten Wassersammler etwas unter der Höhe der Flut anzulegen, um denselben so oft wie notwendig bei der höchsten Flut zu speisen und von diesem zweiten Sammler durch die gewonnene unregelmässige Kraft mittels Pumpen usw. Wasser in einen der Oertlichkeit entsprechenden höher gelegenen dritten Sammler zu heben. Von diesem dritten Sammler wäre es dann möglich gewesen, unbeeinflusst und ungestört durch den jeweiligen Stand der Flut, zu einer beliebigen Tageszeit eine regelmässige Wassermenge auf einen Motor zu leiten, von welchem das Wasser dann wieder in den zweiten Sammler zurückgeflossen wäre.

Es ist allerdings richtig, dass auch auf diese Weise das arbeitende Gefälle von 3m vom dritten auf den zweiten Sammler etwas veränderlich wäre, doch nicht in dem Masse, dass es nicht möglich wäre, die dadurch veranlasste Unregelmässigkeit der Kraft durch eine gröfsere arbeitende Wassermenge auszugleichen.

Ich glaube, dass nach meinem Entwurfe die Anlagekosten im Verhältnisse zu der damit erzielten Kraft sich weniger hoch belaufen haben würden, als nach der zuerst angegebenen Benutzungsart, immerhin aber noch so hoch, dass es noch längere Zeit dauern wird, bis solche Verwertung von Ebbe und Flut zur Betriebskraft Anklang finden dürfte. Soviel ich mich erinnere (Einzelheiten finde ich nicht mehr vor), hätte die entworfene Anlage für eine regelmässige, zu einer beliebigen Zeit verwendbare Kraft von 10 N für eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden etwa 100000 M gekostet. Die Höhe der Anlagekosten sowohl als auch überhaupt die Möglichkeit der Ausführung sind natürlich sehr abhängig von der örtlichen Höhenbeschaffenheit der Küsten, von der Höhe der Flut usw.

Nun komme ich zu den Wasserkraftanlagen, mittels welcher das von Quellen in Bächen und Flüssen abfliefsende Wasser zur Betriebskraft nutzbar gemacht werden soll; bei diesen wird mit den dazu erforderlichen Wasserbauten bezweckt:

1. da, wo nicht schon natürliche Wasserfälle vorhanden sind, durch eine neue Kanalanlage das auf einer gewissen Länge

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in den Bächen oder Flüssen vorhandene Gefälle möglichst auf einen Punkt zusammenzuziehen;

2. durch Stau- oder andere Vorrichtungen das zu benutzende Wasser bei allen Wasserständen in den Kanal einund abzuleiten.

Da diese Wasserkraftanlagen so vielfach verschieden sind, wie die örtlichen Verhältnisse selbst mit ihren veränderlichen Gefällen und Wassermengen, so muss ich mich wegen der zu kurz zugemessenen Zeit auf Angabe über einige am häufigsten vorkommende beschränken.

Es ist einleuchtend, dass sowohl die Bauart als auch der Umfang einer Wasserkraftanlage in erster Linie abhängig sind:

1. von der Gröfse und der Veränderlichkeit der jährlich vorkommenden Wassermenge;

2. von der Grösse und Veränderlichkeit der zu benutzenden Wassermenge;

3. von der Gröfse des erreichbaren arbeitenden Gefälles; 4. von der Bestimmung, bis zu welcher Verminderung des Gefälles die angenommene Kraftleistung noch vorhanden sein, soll;

5. von der Beschaffenheit der örtlichen Verhältnisse, welche für die betreffende Wasserkraftanlage zur Verfügung stehen.

Ich will nun versuchen, die örtlichen Bedingungen für Wasserkraftanlagen in einige Hauptklassen einzuteilen und dann über einige der am meisten vorkommenden als Beispiele näheres angeben; bei meiner Einteilung nehme ich mehr auf das arbeitende Gefälle als auf die zu benutzende Wassermenge Rücksicht:

1. Klasse: Wasserkraftanlagen mit einem arbeitenden Gefälle von 50 bis 200m;

2. Klasse: Wasserkraftanlagen mit einem arbeitenden Gefälle von 10 bis 50m;

3. Klasse: Wasserkraftanlagen mit einem arbeitenden Gefälle von 5 bis 10m;

4. Klasse: Wasserkraftanlagen mit einem arbeitenden Gefälle von 2,5 bis 5m;

5. Klasse: Wasserkraftanlagen mit einem arbeitendem Gefälle von 1 und weniger bis 2,5m.

Die meisten Oertlichkeiten dieser fünf Klassen liegen an Bächen und Flüssen, mit unregelmässigem und oft unreinem Wasser.

Als 6. Klasse bezeichne ich diejenigen Oertlichkeiten, welche an gröfseren Flüssen, vorzugsweise an Ausflüssen von kleineren und gröfseren Seen, liegen, mit grofsem, verhältnismälsig reinem Wasser und mit stark veränderlicher Höhe der Wasserstände.

7. Klasse: Hierher zähle ich: a) diejenigen Wasserkraftanlagen, bei welchen eine Anzahl von einander unabhängiger Motoren, einer nach dem anderen, an einem gemeinschaftlichen Kanal liegen, so dass die Wasserkraft dem Gefälle nach verteilt ist; b) diejenigen Wasserkraftanlagen, bei welchen die zum Heben und Senken eingerichteten Wasserräder nach einander in ein gemeinschaftliches Schutzgerinne eingesetzt sind; c) diejenigen Wasserkraftanlagen, bei welchen den Motoren von einem gemeinschaftlichen Sammler aus das Wasser zufliefst.

8. Klasse: Hierher zähle ich die Anlagen an grofsen Flüssen, für welche keine besonderen Wasserbauten notwendig sind.

Wasserkraftanlagen erfordern für die Klassen 1, 2, 3, 4, 5 einander ähnliche, nur manchmal wegen besonderer Eigenschaft des Wassers etwas verschiedene Wasserbauten. Diese Wasserbauten sind:

a) Wehrbau,

b) Kanaleinlaufeinrichtung,

Zulaufkanal,

d) Motorenkammer mit Leerlauf und Ueberfall, e) Ablaufkanal.

Wehrbau.

Unter Wehrbau versteht man im allgemeinen einen Einbau in die Bäche oder Flüsse an einer der Oertlichkeit nach passenden Stelle, womit bezweckt wird, die Sohle des Baches

oder Flusses in ihrer Lage festzuhalten und das Wasser in dem Masse aufzuschwellen, dass dasselbe bei allen Wasserständen in genügender Menge in einen Kanal eingeleitet werden kann. Solche Einbauten werden auf die verschiedenartigste Weise von der einfachsten bis zur künstlichsten Bauart ausgeführt. Als einfachste Bauarten können Dämme von Stein oder Faschinen oder beides zugleich angesehen werden, und als künstlichste Einbaue solche aus Quadern erstellt und gewisse Curven bildend. Zwischen beiden Arten liegen dann die am meisten vorkommenden aus Holz und Stein, öfters in Form von Steinkasten für höhere Wehre.

Es ist allgemein bekannt, dass gegen die Erstellung solcher Wehrbauten von den angrenzenden Besitzern, mit oder ohne Recht, häufig Einsprache erhoben wird, meistens in der oft sehr begründeten Befürchtung, dass nach Einsetzung des Wehres öftere Ueberschwemmungen vorkommen würden, als vorher. Die Untersuchung solcher Sachlagen ist mit grofsen Schwierigkeiten verbunden und führt selten zu einer Verständigung.

Wenn auch der Unternehmer sich entschliefst, um alle Einsprachen zu beheben, das angrenzende Land käuflich zu erwerben, so ist es auch wieder schwierig, die Grenze zu bezeichnen, bis wohin das Land gekauft werden muss, weil bei jedem gröfseren Wasserstande die Schwellung weiter aufwärts reicht und bei Hochwasserständen auf lange Strecken noch bemerkbar sein kann. Gelingt es aber dem Unternehmer doch, sich mit dem zunächst angrenzenden Besitzer zu verständigen, so werden auch noch die anderen, an diesen angrenzenden Besitzer sich durch Reverse sichern wollen, welche bestimmen, dass durch die beabsichtigte Wehranlage keine gegen früher vermehrte vorkomUeberschwemmungen

men dürfen. Kommt dann ein Hochwasser, das eine Ueberschwemmung verursacht (welche auch vorher vorgekommen wäre), so behaupten unter 10 mal gewiss 9 mal die nicht abgefundenen Besitzer, dass die Wehranlage Ursache der Ueberschwemmung sei und wollen Entschädigungsforderungen geltend machen. Da nun aber der Wehrbau vollendet, daher der vorher bestandene Zustand nicht mehr hergestellt werden kann, so beginnen die lästigen, langdauernden und kostspieligen Processe.

Neben den Einsprachen der angrenzenden Besitzer liegt es wohl auch im Interesse der ganzen Gegend, dahin zu wirken, dass bei Erteilung der Erlaubnis zu solchen Wehranlagen derartige Vorschriften für die Bauart gegeben werden, dass durch den Wehrbau die vorher bestandenen Abflussverhältnisse des Wassers so wenig wie möglich verändert werden. Dieser Zweck wird wohl am sichersten dadurch erreicht werden können, dass man feste, mehr oder weniger hohe Wehrbauten in Bächen und Flüssen nur da herstellen lässt, wo die Ufer auf genügende Länge so hoch sind, dass die durch das Wehr verursachten Schwellungen weder den angrenzenden Besitzern schaden noch Ueberschwemmungen verursachen können; dass man dagegen überall, wo die Ufer nicht hoch genug sind, keine festen Wehre, sondern nur das Einsetzen fester Wehrbäume auf die mittlere Sohlenhöhe des Baches oder Flusses und dann auf diese Wehrbäume auf die Höhe des mittleren Wasserstandes bewegliche Aufsätze zu setzen gestattet, mittels deren das Wasser hinreichend aufgestaut werden kann, um das für die Wasserkraftanlage benötigte Betriebswasser in den Kanal hinein zu bringen.

Für gröfsere Wasser, bei welchen auch bei kleinsten Wasserständen doch nie die ganze Wassermenge als Betriebswasser gebraucht wird, haben Einwände gegen die Undichtigkeit beweglicher Aufsätze keinen Wert. Dagegen lässt sich nicht in Abrede stellen, dass bei mittleren und kleinen Gewässern, bei welchen oft ängstlich die gesammte kleinste Wassermenge als Betriebswasser benutzt werden muss, die beweglichen Aufsätze wasserdicht sein müssen. Für solche Fälle sind aber auch ohne besondere Schwierigkeiten die beweglichen Aufsätze deshalb möglich wasserdicht zu erstellen, weil dieselben wegen der bei diesen Anlagen seltener vorkommenden Hochwasserstände selten weggenommen werden müssen.

Näheres über den Bau solcher Wehranlagen mit beweglichen, dichten und undichten Aufsätzen ist aus Tafel IV ersichtlich. (S. a. Z. 1882, S. 513 u. 1884, S. 690.)

XXIX

Januar 1885

Die Wehrbauten werden vorzugsweise gern da errichtet, wo die örtlichen Gefällverhältnisse die Erstellung eines höheren Wehres ermöglichen, und meistens aus dem Grunde, um mittels eines höheren Wehres einen kürzeren Zulaufkanal zu bekommen. Ein solches höheres Wehr kann wohl in einzelnen Fällen, je nach der Beschaffenheit des Bach- oder Flussbettes und der Höhenlage der Ufer, gerechtfertigt erscheinen, besonders da, wo das Flussbett aus Felsen besteht und natürliche Abfälle bildet. In den allermeisten Fällen aber ist die Rechnung unrichtig; denn, abgesehen von der gröfseren Ueberschwemmungsgefahr, ist es viel zweckmäfsiger und billiger, den Zulaufkanal zu verlängern und nur ein niederes Wehr zu erstellen. Zudem besitzt ein niederes Wehr eine viel grössere Widerstandsfähigkeit gegen Zerstörung durch Hochwasser.

In Wirklichkeit sieht man eine Menge Arten Wehrbauten, und auffallend erscheint öfters bei verhältnismäfsig kleinen Wasserkraftanlagen die grofse Länge derselben. Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass ein langes Wehr, schief in das Bach- oder Flussbett eingesetzt, eine gröfsere Widerstandsfähigkeit gegen Hochwasser besitzt, als ein kürzeres, weil bei Hochwasser dieses weniger hoch über das Wehr läuft, als beim kurzen Wehre. Aus gleichem Grunde bietet ein langes Wehr den Vorteil, dass durch dasselbe weniger Ueberschwemmungen veranlasst werden. Dagegen hat ein zu langes Wehr den Nachteil, dass schon bei mäfsigem Hochwasser bei Wasserkraftanlagen mit wenig Gefälle durch Stauwasser leicht der gröfste Teil des Gefälles verloren gehen kann, weil

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bei einem langen Wehre der Oberwasserspiegel weniger hoch steigt, als der Unterwasserspiegel.

Wenn die Uferhöhen derart sind, dass ein gleichmässiges Aufstauen des Wassers beim Wehr und Ablaufkanal möglich ist, ohne Ueberschwemmungen zu veranlassen, so kann man mit Vorteil ein Wehr winkelrecht zu den Ufern in der Normalbreite des Bettes einsetzen, wodurch dann bei Hochwassern wenig oder kein Gefälle verloren geht; doch ist dies nur in seltenen Fällen möglich wegen des Mangels an nötiger Uferhöhe.

Im allgemeinen ist es ratsam, den Wehren in Flüssen mit vielem und öfterem Hochwasser eine Länge zu geben von 11/2 mal der Normalbreite des Bettes und sie schief mit dem Winkel aufwärts gegen das Wasser gehend in das Bett einzusetzen. Wenn nun z. B. bei einer Anlage mit 3m nutzbarem Gefälle bei kleinem Mittelwasserstande durch das Hochwasser der Unterwasserspiegel im Ablaufkanal um 1m steigt, so wird dann der Wasserspiegel im Zulaufkanal nur etwa um 1/2m steigen und das nutzbare Gefälle noch etwa 2,5m betragen. Sind die Dämme des Zulaufkanales hoch genug angelegt, so kann man den Motoren soviel mehr Wasser zuführen, als dieselben bedürfen, um bei dem durch Hochwasser verminderten Gefäll innerhalb gewisser Grenzen noch die volle Kraft leisten zu können.

Bei Bächen und kleinen Flüssen genügt es aber vollständig, das Wehr winkelrecht zu den Ufern mit einer Länge gleich der Normelbreite des Bettes einzusetzen.

(Fortsetzung folgt.)

Ueber Glycerin, specifische Gewichte und Siedepunkte seiner wässerigen Lösungen sowie über ein Vaporimeter zur Bestimmung der Spannkräfte der Glycerinlösungen 1).

Von Dr. G. Th. Gerlach, Köln a/Rh.

Bei meinen Untersuchungen über Glycerin bin ich von einem reinen sog. »doppelt destillirten« Glycerin ausgegangen, welches das specifische Gewicht 1,23 zeigte.

Dieses Glycerin wurde in einer tubulirten Glasretorte eingekocht und der Schnabel der Retorte mit einem gebogenen Glasrohre zum Abschlusse der Luft versehen. Durch den Tubulus der Retorte war das Thermometer eingefügt und der verwendete Gummistopfen mit Staniol umwickelt.

Es wurde so lange destillirt, bis der Siedepunkt constant blieb, und die Destillation dann noch eine Zeit lang fortgesetzt. Das zuerst übergehende Wasser wurde entfernt; aber auch das später übergehende Glycerin war nicht geruchfrei, während das eingedampfte Glycerin in der Retorte sich tadellos erwies und fast vollkommen wasserhell geblieben war.

Der corrigirte Siedepunkt des reinen Glycerins wurde übereinstimmend mit den Angaben Mendelejeff's 290o C. gefunden.

Specifische Gewichte der Glycerinlösung.

Nachdem ich mir eine genügende Menge reines, wasserfreies Glycerin zubereitet hatte, stellte ich Lösungen von Glycerin und Wasser nach bestimmten Verhältnissen her in der Weise, dass das Gesammtgewicht jeder Lösung 3008 betrug. Jedesmal, ehe die über einander geschichteten beiden Flüssigkeiten durch Umschütteln gemischt wurden, war die betreffende Flasche mit einem Gummistopfen versehen, durch welchen ein empfindliches Thermometer gesteckt wurde, dessen Quecksilberbehälter in die Mitte der Flüssigkeiten ragte. Dieses Thermometer blieb während des Umschüttelns der Flasche im Stopfen befestigt. Die Temperatur der Flüssigkeit wurde vor dem Umschütteln notirt und sofort nach dem Umschütteln wieder beobachtet, um die Erwärmung beim Acte der Lösung des Glycerins in Wasser festzustellen.

1) Diese Mitteilung ist im wesentlichen ein Auszug aus einer ausführlicheren Abhandlung über denselben Gegenstand in der Zeitschrift >>Chemische Industrie« Jahrg. 1884, Heft 9.

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deutscher Ingenieure.

erhöhungen erfahren, sind die Ausdehnungsverhältnisse von Interesse, welche die Lösungen durch die Wärme erleiden. Ich habe die Ausdehnungsverhältnisse bestimmt und lasse hier die Zahlen folgen; stets wurde das Volumen bei 0o C. = 10000 gesetzt.

Die Dilatometer, deren ich mich bediene, um die Ausdehnungsverhältnisse der Flüssigkeiten zu messen, habe ich in einer Schrift »die specifischen Gewichte der Salzlösungen, Freiberg 1859 ausführlich beschrieben. Ich beschränke mich deshalb hier auf die Mitteilung, dass bei diesen Instrumenten Volumenveränderung des reinen Glycerins.

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2700 >> 2800

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Volumenveränderungen des Glycerins und seiner wässerigen Lösungen durch die Wärme.

Das Volumen bei 0° C.

10000.

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die Glasausdehnung durch die Ausdehnung von Quecksilber compensirt ist. Die hier angegebenen Zahlengröfsen über die Volumenveränderungen sind mithin die wirklichen und nicht die scheinbaren Volumenveränderungen der Flüssigkeiten, also. unabhängig von der cubischen Ausdehnung der Glasgefälse, in welchen die Messungen vorgenommen wurden.

Siedetemperaturen der Lösungen von Glycerin.

Im Erlenmeyer'schen Kochkolben (300ccm Inhalt) wurden ungefähr 225ccm Flüssigkeit ins Sieden gebracht.

Da beim Kochen von Lösungen sich der verdampfbare Teil verflüchtigt, so nimmt die Temperatur der Lösungen durch Concentration während der Dauer des Kochens zu, und bei so kleinen Mengen (225ccm) steigt die Temperatur während der Beobachtungszeit.

Um diese Concentration und mithin die Veränderlichkeit

des Siedepunktes zu verhindern, wurde die Kochflasche mit einem Hoffmann'schen Kühler verbunden, der als Rückflusskühler aufgestellt wurde, so dass die entweichenden Wasserdämpfe der Glycerinlösungen condensirt fortwährend wieder in die Kochflasche zurückflossen. Die Flamme wurde so weit gemäfsigt, dass ein ruhiges Kochen stattfand.

Der Gummistopfen der weithalsigen Kochflasche war dreifach durchbohrt. Die eine weitere Röhre führte die Dämpfe weit in den Kühler, die andere Röhre war eine Rückflussröhre und mündete dicht am Stopfen des Kühlers, während das andere Ende in die Flüssigkeit selbst tauchte oder, besser noch, nur bis in die Nähe des Flüssigkeitsspiegels reichte; durch die dritte Oeffnung des Stopfens endlich war ein Thermometer eingefügt, dessen Kugel von der kochenden Flüssigkeit vollständig umhüllt war.

Die Siedetemperaturen der Flüssigkeiten waren bei dieser Vorrichtung vollständig constant und konnten stundenlang beobachtet werden.

24. Januar 1885.

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Reines Glycerin siedet, wie weiter vorn angegeben, bei 2900 C.

Wurden diese gefundenen Siedetemperaturen, mit den Procentgehalten der Lösungen combinirt, graphisch aufgezeichnet, indem die Procentgehalte als Ordinaten, die Siedetemperaturen als Abscissen in ein Curvennetz eingetragen wurden, so konnten die Siedetemperaturen für die übrigen Procentgehalte leicht aufgefunden werden.

Das Gesetz, nach welchem sich die Siedetemperaturen erhöhen bei gleichmässiger Zunahme des gelösten Bestandteiles, ist bis jetzt vollständig unbekannt. Zwar besitzen wir Angaben von Legrand über die Siedepunkte einer grofsen Anzahl von Salzlösungen bei verschiedenen Concentrationsgraden, ohne dass es bis jetzt gelungen wäre, ein allgemein giltiges Gesetz aufzufinden, welches zwischen der Erhöhung der Siedepunkte und der Zunahme an gelöstem Bestandteil besteht.

Bei meinen Bemühungen, den Zusammenhang aufzufinden, welcher einerseits zwischen gleichmässig wachsenden Mengen Glycerin zu einer constanten Wassermenge (100 Gewichtsteile) und andererseits zwischen den betreffenden Siedepunkten dieser Lösungen besteht, bin ich auf empirischem Wege zu der Formel gelangt:

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Der innere Zusammenhang dieser Zahlen ist mir zur Zeit nicht erkennbar; indes musste es mir auffallen, dass in den meisten Fällen die nach dieser Formel berechneten Siedepunkte mit den durch den Versuch ermittelten Siedepunkten ganz leidlich übereinstimmten.

Die Dampfspannung der Glycerinlösungen bei 100o C. und 760 mm Barometerstand.

Indem ich mir vorbehalte, am Schlusse dieser Abhandlung den Apparat näher zu erklären, mit welchem ich die Dampfspannungen der Glycerinlösungen gemessen habe, will ich hier sofort zur Mitteilung der gefundenen Werte über. gehen, um eine Gesammtzusammenstellung der Resultate vornehmen zu können.

Alle Glycerinlösungen haben einen höheren Siedepunkt als Wasser; sie haben also bei 100o C. eine verminderte Dampfspannung im Vergleiche mit der Spannung des Wasserdampfes, und diese Verminderung der Dämpfe, veranlasst durch den Glyceringehalt der Lösungen, ist es, welche ich gemessen habe; es ergiebt sich hieraus die Spannung der Dämpfe dieser Lösungen von selbst, wenn man die Anzahl der gefundenen Millimeter der Dampfverminderung von der Spannkraft des reinen Wasserdampfes bei dem Normalbarometerstand (760mm Quecksilbersäule) in Abzug bringt.

In beifolgender Tabelle haben die

Spalte A und B dieselbe Anordnung wie in den früheren Tabellen.

Spalte C enthält die Spannkraft der Dämpfe der Glycerinlösung bei 100o C.; also (760-D). Spalte D enthält die Verminderung der Spannkraft der Dämpfe der Glycerinlösungen in mm gegenüber der Spannkraft der reinen Wasserdämpfe, veranlasst durch den Glyceringehalt der Lösungen. Spalte E enthält die Spannkraftsminderung in mm veranlasst durch 1 Teil Glycerin bei Gegenwart von 100 Teilen Wasser, also

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D

BG'

C

D

E

Wasser Glycerin Wasser Glycerin
W G
W

Spannkraft in

Verminderung

mm

G

bei 100o C.

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1

0,00526316.

19.

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190

10 X 0,00526316

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