Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

es, großer Frühling beherrschte den Erdkreis, und die Ostwinde enthielten sich des winterlichen Wehens, (340) als die ersten Thiere Licht tranken und das erdentsproffene Geschlecht der Männer aus harten Fluren das Haupt erhob, und wilde Thiere in die Wälder und die Gestirne an den Himmel gesezt wurden. Und die zarten Dinge (Ge= wächse) würden diese (jeßige) Beschwerde nicht ertragen können, wenn nicht eine so lange Ruhe zwischen Kälte und Wärme herrschte, (345) und die Milde des Himmels nicht die Erde empfinge.

Im Uebrigen, welche Sehlinge du auch immer in die Fluren einsenkst, bestreue sie mit fettem Dünger und verbirg sie achtsam in vieler Erde, oder grabe einsaugende Steine oder schlammige Muscheln ein; denn Wasser gleitet dazwischen, und dünne Luft weht durch, und die Saaten erhöhen ihren Muth; (350) und schon hat man Einige gefunden, welche mit Steinen und dem Gewichte von großen Scherben von oben herdrückten: das ist ein Schußmittel gegen strömende Regengüffe, das, wenn der glühende Hund die von Durst gepeinigten (lechzenden) Fluren spaltet.

Wenn man den Samen gestreut hat, bleibt noch übrig, die Erde um die Wurzeln herum öfters zu vertheilen (aufzulockern) (355) und den harten Karst zu schwingen, oder den Boden mit einschneidender Pflugschar zu beackern und die widerstrebenden Stiere zwischen die Rebengelände zu lenken; dann glatte Rohre und die Stangen von abgeschälter Ruthe und eschene Pfähle und starke Gabeln zu befestigen, (360) auf deren Kraft sie (die Reben) sich zu stüßen und die Winde zu verachten sich gewöhnen sollen, und von Stock zu Stock sich bis zur Spize der Ulme emporzuranken.

Und während das erste Alter dem neuen (jungen) Laube heranwächst, muß man die zarten Sproffen schonen, und während das Reis (die Ranke) sich fröhlich in die Lüfte erhebt, mit lockeren (losen) Zügeln ins Freie gelaffen, (365) darf es selbst noch nicht mit der Schärfe der Sichel versucht werden, sondern mit gekrümmten Fingern muß das Laub abgekneipt und ausgelesen werden. Sobald sie darauf, bereits mit kräftigem Stamme die Ulme umschlingend, sich erheben, dann schneide die oberen Zweige ab, dann beschneide die Seitenäste — vorher

schrecken sie vor dem Eisen zurück —; dann endlich übe harte Herrschaft aus, (370) und schränke die wuchernden Zweige ein.

Auch Hecken müssen umher geflochten werden und das ganze Vieh abgehalten, besonders solange das Laub zart und der Anstrengung (Beschwerden) unkundig (unfähig) ist, und daffelbe außer den unerträglichen (harten) Wintern und der mächtigen Sonne auch die Büffel des Waldes und die schädigenden (benagenden) Ziegen beständig verspotten (mishandeln). (375) Es nähren sich davon auch die Schafe und die gierigen Kühe; und nicht hat so sehr die in grauem Reife erstarrte Kälte oder drückende Hiße, auf brennenden Klippen gelagert, ihm geschadet wie die Heerden und das Gift des harten Zahnes und die in den angefreffenen Stamm eingezeichnete Narbe.

(380) Und nicht wegen anderer Schuld wird dem Bacchus auf allen Altären ein Bock geschlachtet, und betreten die alten Schauspiele die Bühne und sehen die Thesiden (Attiker) dem Talente Preise in den Gauen und um die Kreuzwege aus, und springen freudig bei den Bechern auf weichen Wiesen durch getränkte Schläuche. (385) Auch ausonische Pflanzer, das aus Troja gesandte Volk, scherzen in schmucklosen Versen und entfeffeltem (ausgelaffenem) Gelächter, und nehmen schreckliche (fragenhafte) Larven von ausgehöhlter Rinde, und rufen dich, Bacchus, in fröhlichen Liedern an und hängen dir bewegliche Bilder an der hohen Fichte auf. (390) Darum schwillt der ganze Weinberg von reichlichem Wuchse, und werden die hohlen Thäler gefüllt und die tiefen Schluchten, und wohin immer der Gott sein ehrwürdiges Haupt wendet. Deswegen wollen wir nach Gebühr dem Bacchus sein Lob singen in heimatlichen Liedern und wollen Schüffeln und Kuchen darbringen, (395) und am Horne geführt, soll der geweihte Bock am Altare stehen, und wir wollen fette Eingeweide an Spießen von der Haselstaude rösten.

Es gibt auch noch eine andere Mühe bei der Pflege von Weinstöcken, welche niemals ganz erschöpft wird: denn in jedem Jahre muß der ganze Boden dreimal und viermal durchpflügt und die Scholle mit dem umgewendeten Karste beständig durchbrochen, (400) die ganze Weinpflanzung von Laub befreit werden. Es kehrt den Landleuten

die Arbeit, im Kreise getrieben (im Kreislaufe), zurück und das Jahr (die Jahresarbeit) rollt zu sich selbst durch die eigenen Spuren zurück. Und selbst schon dann, wenn der Weinstock das späte Laub abgelegt und der kalte Aquilo den Wäldern den Schmuck abgestreift hat, (405) schon dann dehnt der rüstige Landmann die Sorgen auf das kommende Jahr aus und bearbeitet mit dem gekrümmten Zahn (Hippe) des Saturnus den verlassenen (entblößten) Weinstock, ihn beschneidend, und bildet ihn durchs Schneiteln. Zuerst grabe den Boden, zuerst verbrenne die weggeschafften Reiser und bringe zuerst die Pfähle unter die Dächer; (410) zulet nimm die Lese vor. Zweimal kommt der Schatten auf die Reben, zweimal umzieht Unkraut in dichten Gebüschen die Saat; hart sind beide Arbeiten: (darum) lobe die gewaltigen (großen) Felder, ein kleines pflege. Auch die rauhen Ruthen des Mäusedorns werden im Walde und das Schilfrohr am Ufer des Flusses gehauen, (415) und es beschäftigt (den Landmann) die Sorge um die ungepflegte Weide. Schon sind die Reben gebunden, schon legen die Pflanzungen die Sichel bei Seite, schon besingt der Winzer am Ziele die besorgten Reihen; dennoch muß die Erde aufgewühlt und Staub erregt und Jupiter auch bei schon reifen Trauben gefürchtet werden'.

Vers 259-419. Vom Weinbau. 259. multo ante, näml. sehr lange vor dem Frühlinge (lange Zeit, ehe man die Weinstöcke pflanzt) sollen auf den zu bepflanzenden Hügeln Gruben und Furchen gezogen werden, damit die zum Vermodern des Grases rückwärts gelegten Schollen durch Frost und Wind auswittern können' (Voß). multo ante. . ante, vgl. ähnlich Ecl. 1, 67 ff.:

En umquam patrios longo post tempore finis, pauperis et tuguri congestum caespite culmen, post aliquot mea regna videns mirabor aristas? 260. excoquere, auskochen; hier übertr. exc. terram, die Erde ‘auswittern, durchwittern lassen'. magnos montes, dichter. Ueber

treibung von den weithingestreckten Weinhügeln.

261. ostendere,

zu zeigen, d. i. bloszulegen, dem Winde auszuseßen. 264. labefacta

[blocks in formation]
[ocr errors]

movens, bewegend, hier s. v. a.

‘auflockernd'; vgl. Ovid. Met. 3, 102: motaeque iubet supponere

terrae viperes dentes; und Lucan. 7, 861: nec terram quisquam movisset arator. iugera, Hufen, übertr. von den Feldern der Weinberge, die man nach dem Maße der römischen iugera abtheilte.

265. si quos. . fugit, dichter. gewählter Ausdruck für si qui (agricolae) diligentiores sunt, 'wenn sie besonders sorgsam sind'. 266. locum similem exquirunt, nämlich für eine Pflanzschule, Baumschule (seminarium), einen Plaß mit gleichartigem Boden. - 268. mutatam matrem, die veränderte, neue Muttererde. ne semina ignorent, d. i. damit die jungen Schößlinge nicht plößlich in einen fremdartigen, ungewohnten Boden kommen. 271. axi, dem Nordpol,

dem kalten Norden; vgl. unten 3, 351: quaque redit medium Rhodope porrecta sub axem. 275. in denso ubere, in dichter, gedrängter Fülle, Neppigkeit'; zu uber in diesem Siune vgl. oben V. 185: fertilis ubere campus.

[ocr errors]

nec

276. sin. . collisque supinos, hierzu ist aus dem Vorangehenden metabere zu wiederholen. 277. indulge ordinibus, gib den Reihen Raum, d. i. mache gedehnte, weit auseinandergehende Reihen. setius (dies die herrschende Schreibung des Wortes statt secius), ‘nicht anders', 'ebenso', näml. ganz wie bei den dichtgepflanzten. omnis .. quadret, die Construction ist: omnis via secto limine quadret in unguem arboribus positis. in unguem, 'nach dem Nagel' (auch ad unguem), adverbialer Ausdruck nach dem griech. els övvya od. En ovvxos, bis auf die Nagelprobe (von Bildhauern entlehnt, welche die Arbeit zuletzt mit dem Nagel glätten), 'bis aufs Haar', 'aufs Genaueste'. Vgl. Hor. ars poet. 294:

...

carmen reprendite quod non

multa dies et multa litura coercuit atque
praesectum decies non castigavit ad unguem.

[ocr errors]

278. arboribus positis, ablat. instrum.: durch die gefeßten, gepflanzten Bäume. secto limite, mit durchschnittener Abgrenzung, 'mit kreuzendem Quergang'. Es ist hier die bei den Römern übliche Aufstellung der Bäume im sogen. Quincunx (in schräger Linie) gemeint, nach folgender Ordnung:

*

so daß die Verbindungslinie nach den verschiedenen Richtungen die Zahl 5 aufweisen. Vgl. Varro de re rust. 1, 7, 2: Si sata sunt (arbusta) in quincuncem propter ordines. Cic. Cato mai. 17, 59: Proceritates arborum et directi in quincuncem ordines. Caes. B. G. 7, 73: Ante hos (cippos) obliquis ordinibus in quincuncem dispositis scrobes fodiebantur. Quintil. 8, 3, 9: Quid illo quincunce speciosius, qui, in quamcumque partem spectaveris, rectus est? - 279. ut cum saepe etc., s. v. a. veluti cum etc. bei Vergleichungen; vgl. Aen. 1, 148: Ac veluti magno in populo cum saepe coorta est seditio etc. longa legio explicuit cohortes, die Aufstellung der Legion nach den Manipeln der Hastati, Principes und Triarii bildete einen Quincunx. longa, proleptisch: durch die Aufstellung in der Schlachtordnung wird sie entfaltet, entwickelt.

283. dubius Mars errat in mediis armis, Mars schwankt, mitten zwischen den Schlachtreihen, ungewiß, von welcher Seite der erste Angriff geschehen soll. 284. paribus numeris viarum, in gleicher Anzahl der Wege, d. i. in gleichen Zwischenräumen.

288. scrobibus quae sint fastigia, welche äußere Enden, d. i. welche Tiefe die Gruben haben müssen, in welche die Bäume zu pflanzen sind, an denen die Weinreben gezogen werden sollen. fastigium eigentl. die Giebelspike, der Giebel (dies die vorherrschende Bedeutung des Wortes in klassischer Prosa); übertr.: der äußerste Theil eines Gegenstandes, und zwar nach oben oder unten; dah. an unsrer Stelle: 'die Tiefe'. 290. altior, dichter. statt des Adv. altius. penitus defigitur, vgl. Aen. 10, 526: iacent penitus defossa talenta caelati argenti.

--

[ocr errors]

291. aesculus, die Wintereiche, dicht. allgem. für quercus, 'Eiche'. quantum vertice. . in Tartara tendit, dieselben Worte wiederholt Aen. 4, 445 ff.:

« ZurückWeiter »