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Grundriß d. röm. Literatur, 5. Bearb. S. 489 ff.: 'Von Vergil empfing Rom nicht nur harmonische Rhythmen in einem schönen, regelrecht gebauten, mannigfach gegliederten Hexameter, sondern auch den Schat einer Poetik, erlesene Bilder und feine Phraseologie, die ftets in einem geordneten Sazbau wirkte und durch geschickte Wortstellung beleuchtet wird. Hieraus entsprang jene sichere Technik der epischen und erzählenden Poesie, worin sämmtliche Nachfolger (den einen Ovid ausgenommen) abhängig von Reminiscenzen vergilischer Sprachmittel fich bewegen; manche dieser Nachfolger oder Copisten haben den glänzenden Schmuck, der seine Poetik auszeichnet, von ihm entlehnt und allein mit dem fremden Gut ihre Schwäche gedeckt. Vergil's Rede bleibt stets einer maßvollen Würde treu, gewinnt durch gemüthlichen Charakter und Milde der Farben, und wenngleich sie niemals das Gleichmaß eines mittlern Tons (aequalitas) aufgibt, so verfällt sie doch nicht leicht in trocknen Mechanismus. Wir müssen rühmen, mit welcher Beredsamkeit er wie kein Andrer im römischen Epos ein warmes Gefühl und Zartheit der Empfindung ausspricht, die wahr und innig aus aufrichtiger Liebe zur Natur quillt; Gemüth und Herzlichkeit erheitern seinen Ausdruck, und über diesen schönen Eigenschaften vergißt man wol den Mangel an genialer Phantasie. Zu diesem edeln Naturell fügen seine Studien ein wesentliches und immer anerkanntes Moment, welches den Vergil zum Klassiker macht. Darauf deutet ebensosehr sein vielseitiges Wissen, welches auf ausgedehnter Belesenheit und großem poetischem Reichthum ruht, als die Nachbildung der Griechen und die Wahl der Gräcismen; und doch bemerkt man, daß seine Gelehrsamkeit prunklos auftritt. Er hatte nicht blos die Fülle der griechischen Literatur, besonders Poesie und Mythen kennen gelernt, sondern auch aus einheimischen Quellen geschöpft. Wenige besaßen eine so tiefe Kenntniß der italischen Dertlichkeit und Vorzeit, der nationalen Sitten, der religiösen und gewerblichen Institute; das Lob, welches der Dichter so vielen gemüthlichen und praktischen Interessen in seelenvollen Gemälden weiht, mußte die Nation erfreuen und hat ihn den Römern theuer gemacht. (Niebuhr, Röm. Gesch. I. S. 112 d. 3. Ausg.: 'Gelehrsamkeit entscheidet nichts für den Werth des Dichters; aber um Vergil gerecht zu sein, sollte seine

große Erudition in Geschichte und Alterthümern aller Art, welche die Scholiaften mit vollem Grunde erheben, anerkannt werden'). Noch unmittelbarer ist die Form Vergils ein Widerschein jener griechischen Studien. Mit Geschmack und Urtheil, auch wenn er nur das fremde Gut überträgt, wand er aus feiner Lesung den sinnig erlesenen Kranz seiner Bilder und praktischen Säße; die griechische Poesie bot ihm eine sichere Norm, wodurch er mit Glück den Ton des Vortrags erhöht und bis zur reinsten Eleganz veredelt. Von diesem guten Maß geleitet, hat er in der Nachbildung der vielen benüßten Dichter eine gleiche Klarheit und Correctheit bewahrt, ohne nach Art der Alexandriner eine zünftige Gelehrsamkeit mühsam oder eitel aufzuprägen. Darin aber folgte er dem Geiste seiner Zeit, daß er die geschmückte, durch Kunst und Puk gehobene Rede sucht, dagegen das einfache Wort zumal im Epos vermeidet. Doch durfte zu seiner Diktion auch die ältere römische Lite= ratur von Enninus bis auf Lucretius manches Goldkorn beisteuern. Vor allen Dichtern der damaligen Schule zeichnet daher den Vergil neben der reichen Blütenlese von Gräcismen ein System methodischer Nachahmung aus; und wenn auch nicht Weniges verfehlt oder unselbstständig erscheint, so wird man doch selten die reife Kritik und den guten Geschmack eines reflectirenden Dichters vermissen. Als ein Mann von mildem Temperament und gründlicher Schule fern von allem Extremen, aber dem weiten Kreise Gebildeter und der vornehmen Welt gleich zugänglich, war er wie kein Anderer berufen, die monarchische Poesie in das günstigste Licht zu stellen und ihre Wege zu bahnen. Zur Entwickelung des lateinischen Sprachschazes, der Strukturen und Wendungen in der Poesie hat Niemand Größeres beigetragen. Indem nun Vergil in jeder Hinsicht das Talent eines feinen Kunstdichters entwickelt und mit Glück die Methoden der erzählenden und beschreibenden Dichtung organisirte, gab er seiner Nation die frühesten genießbaren Poesien und manches Element allgemeiner Bildung, er blieb ihr ein Führer in die Dichtung, der zum Verständniß dichterischer Form leitete, sein Stil war der Kanon für die Rede der Dichter.'

II. Die Bukolika des Vergil.

Die butolife Didtung (η βουκολικὴ ἀοιδή, “ber Sittengejang. Theocr. 1, 64: Αρχετε βουκολικᾶς, Μοῖσαι *) pilai, dozer' doidas, 'beginnet, geliebte Musen, beginnet den Hirtengesang") hat ihre Hauptpflege und Ausbildung auf der Insel Sicilien erhalten. Der größte bukolische Dichter der Griechen war

Theokritos (Ocóxpıtos) aus Syrakus, Sohn des Praxagoras. Seine Lebenszeit fiel, wie aus mehreren seiner Gedichte hervorgeht, zum Theil in die Regierungszeit des Ptolemäos Philadelphos und in die Hiero's des II. von Syrakus (um 260 v. Chr.). Er lebte zum Theil in Alexandria, zum Theil in Syrakus, auch wol in Großgriechenland. Die Gedichte Theokrits sind allem Anscheine nach nicht von ihm selbst als Ganzes herausgegeben worden, da ein Epigramm (Anthol. Palat. IX, 205) des Grammatikers Artemidoros, des ersten Sammlers der bukolischen Gedichte überhaupt, wenigstens diese ausdrücklich als früher zerstreut bezeichnet. Außer ihnen wird ihm von Manchen noch eine Reihe anderer Werke beigelegt (näml. Пgoirides, 'Elxides, "Yuvoi, Ἡρωῖναι, ἐπικήδεια μέλη, ἴαμβοι, ἐπιγράμματα). Die paupts gattung aber bilden diejenigen Gedichte, welche die Alten Elsa, Εἰδύλλια βουκολικά pher Βουκολικά nannten; ειδύλλια deminut. v. eldŋ, 'Bildchen', also: "kleine Bilder' aus dem Volksleben, ‘gleiche Gedichte' vermischter Gattung (ebenso wie Pindar's Gesänge wegen der Verschiedenheit ihrer metrischen und sonstigen Beschaffenheit ɛldn ge= nannt wurden). Als echt theokritisch werden 29 (23) Jdyllien betrachtet, von welchen die meisten im dorischen, einige im ionischen, die beiden lezten im äolischen Dialekt gedichtet sind.

Beurtheilt man Theokrit nach der Mehrzahl derjenigen Dichtungen, welche sicher von ihm herrühren und wahrscheinlich seiner reifsten Lebensperiode angehören, so macht sich als seine hervorstechendste Eigenschaft leicht die ungemeine Naturwahrheit fühlbar, mit der er Situationen aus einfachen, sowol ländlichen als städtisch-bürgerlichen Lebenssphären zu

*) Moloaι, dorische Form für Movoal.

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he Literatur ist die bukolische Dichtung durch rtlicher Uebertragung theokriteischer Verse, eingeführt en lag den praktischen Römern eine träumerische Candlebens- deffen Realität sie sehr genau kannten schäzen wußten so fern, daß auch in den schlimmKaiserzeit die Richtung kaum sich geltend machte. wie Vergil diese Gattung behandelte, der deutlichste dieselbe dem römischen Geiste eigentlich wenig naturJoylle war die erste Literaturgattung, auf welche der rhältnissen hervorgegangene Vergil in seiner Jugend für nöthig, die Darstellung des Schäferlebens durch pfungspunkte dem römischen Leser näher zu bringen; bie angeblichen Naturzustände zur bloßen Hülle und Vorgänge aus der Gegenwart, aus dem öffentlichen dividuellen Leben. So sind seine Personen (deren Naden theokritischen Dichtungen entnommen sind) bloße bständige, lebenswarme, naturwahre Gestalten wie bei ityrus (Ecl. I.), sein Menalces (Ecl. V, 85 ff.; IX.) felbft; Ecl. III, 84 ff. wird ohne Vermittlung von Bollio übergesprungen; Ecl. V. ist eine Allegorie, in 13 Cäsar ist, u. s. w. Theilweise ist von dem eigentCharakter gar nichts übrig geblieben, z. B. Ecl. IV, Consulat des Pollio und mit dessen gleichzeitig

ginnende goldene Zeitalter in einer überechender Stellen dennoch im Ganzen wenig wird. Eben durch ihre Zeitbeziehungen er Zeit lebhaften Beifall. Die Stücke worden zu sein und von Anfang an u haben. Ecl. VI, 12.

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Vari praescripsit pagina nomen.

be der Sammlung von Vergil selbst Ecl. I. It aus Georg. IV, 566:

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