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bindung, der Augapfel kann gar nicht entblöfst werden; im letztern Falle berühren sich die Augenliedränder nur theilweise, die Verwachsuug hat dann gewöhnlich den innern Augenwinkel frei gelassen, und der Kranke vermag, jedoch nur unvollkommen, die Augenliedspalte zu öffnen. Das Symblepharon ist vollkommen oder unvollkommen, je nachdem die Augenlieder mit dem gröfsten Theile des Bulbus, oder nur mit einer beschränkten Stelle desselben in Verbindung stehen. Zuweilen besteht Anchyłoblepharon und Symblepharon gleichzeitig. Die Unterscheidung in ächtes und unächtes Anchyloblepharon ist ganz unwesentlich, da letzteres blos das Verkleben der Augenliedränder unter sich bezeichnen soll. Wichtig ist es zu bestimmen, ob eine unmittelbare Verbindung der Conjunctiva des Augapfels und des Augenliedes Statt findet, oder ob die Verwachsung nur durch balkenartige Pseudomembrane, welche vom Augenliede zum Augapfel laufen, vermittelt werde.

Es geschieht selten, dafs die Verwachsung der Augenliedränder als Bildungsfehler im vollkommenen Zustande auftritt; in diesem Falle beobachtet man gewöhnlich das Anchyloblepharon imperfectum. Zeigt sich das Symblepharon angeboren, so findet die Bildung desselben durch den gänzlichen Mangel der Blepharo- und Ophthalmoconjunctiva Statt, vermöge dessen eine unmittelbare Anlage der Augenlieder an die Sclerotica besteht. Häufiger zeigen sich diese Zustände in Folge der Verbrennungen *), der Entzündungen, besonders der psorischen, der variolösen Ophthalmie mit Ulceration etc. So lange die schleimhäutigen Flächen im Zustande der Integrität sich

*) Mineralsäuren, ungelöschter Kalk, siedheise Flüssigkeiten, auf diese Gebilde einwirkend, verursachen vorzüglich diese Uebel (Beer, im a. W. 2. B. S. 124).

befinden, können sie nicht unter sich in Verbindung treten, wenn aber durch Ulceration die individuelle Bildung auf einzelnen Punkten oder auf der ganzen Fläche der Conjunctiva untergegangen ist, dann entsteht eines oder das andere der benannten Uebel in grösserer oder geringerer Vollkommenheit nach der Integritätsstörung des Gebildes. Verengerungen der Augenliedspalte können in Folge der Verbrennungen mit Substanzverlust durch difforme Narben entstehen 1).

Nur durch die Operation können diese Störungen entfernt werden. Die Prognose richtet sich darnach, ob der Bulbus normal beschaffen ist, ob die Verwachsungen völlig gehoben werden können. Wenn der Augapfel normal beschaffen, die Hornhaut gröfstentheils frei 2), die Verwachsung der Augenlieder mit dem Augapfel nur theilweise und balkenartig besteht, läfst sich ein günstiger Erfolg von der Operation erwarten. Ist mit der geschlossenen Augenliedspalte gänzlicher Mangel des Bulbus, als Fehler der Bildung, oder in Folge der Vereiterung desselben vorhanden, so muss man sich hüten, die Augenliedspalte zu öffnen 3). Bei der geschlossenen Augenliedspalte ist die Stelle, an welcher die Trennung seyn sollte, gewöhnlich durch zwei parallel, von einem zum andern Augenwinkel laufende Linien, auf welchen die Augenwimper sich befinden, ausgedrückt. Diese Linien sind von einander durch eine geröthete, niedergedrückte Brücke geschieden, durch die Ränder der Tarsi, welche an den Bedeckungen gefühlt

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1) Delpech, im a. W. 1 B, S. 505. 2) Besteht eine ausgebreitete Verbindung zwischen der Hornhaut und den Augenliedern, dann lässt sich von der Operation nichts erwarten, sondern sie ist in diesem Falle nach Boyer (im a. W. 5. B. S. 285) contraindicirt. 3) Wäre der Stumpf grofs genug, um ein künstliches Auge aufzunehmen, so könnte die Operation im letztern Falle gemacht werden.

werden können, gebildet. Fehlen die Gilien, so sind diese vorspringenden Linien die sichern Wegweiser. Der Augapfel ist frei, wenn er sich nach allen Richtungen unter den Augenliedern bewegt. Aus den beschränkten oder gänzlich aufgehobenen Bewegungen desselben schliefst man auf die Verwachsung und deren Verbreitung. Durch das Gefühl kann man, der Verschliessung der Augenliedspalte ungeachtet, über die Form und Zweckmässigkeit des Augapfels urtheilen; die Lichtempfindung des Patienten zeugt für die geringe Störung der durchsichtigen Theile *). Die Augenlieder haben, bei beträchtlichen Zerstörungen des Bulbus, ihre Wölbung verloren, sie sinken gegen die Augengrube; ist gar kein Augapfel vorhanden in Folge eines Bildungsfehlers, so findet sich gewöhnlich kein Merkmahl, welches die Stelle, an der die Trennung sich befinden sollte, bezeichnet, vor.

Die Operation des Anchyloblepharon imperfectum wird auf folgende Weise vollführt: Der Gehülfe ziehe das obere Augenlied in die Höhe, das untere nach abwärts, um der zu durchschneidenden Stelle den gehörigen Grad der Spannung zu geben, Durch den noch offenen Theil der Augenliedspalte führt der Operateur nach der Richtung der Verwachsungslinie eine gerinnte Sonde, deren Furche nach vorwärts gerichtet ist, ein. Ein schmales, in der Rinne der Sonde geleitetes Bistouri trennt dann die abnormen Verbindungsstellen. Weniger sicher verfährt man, wenn man ohne vorläufiges Einführen der Sonde, den geknöpften Theil eines Bistouri so in die bestehende

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**) Beer (im a. W. 2. B. S. 125) glaubt, dafs man die Ausbreitung der Verwachsung des Augenliedes mit dem Augapfel, vorzüglich durch Sondiren, was aber nur bei einem Anchyloblepharon imperfectum möglich ist, und durch das starke Abziehen des obern Augendeckels vom Augapfel, den man bewegen läfst, erforschen kann.

Augenliederöffnung bringt, dafs der Rücken nach hinten, die Schneide nach vorn der verwachsenen Augenliedspalte gegenüber steht, und diese durch das Fortschieben des Messers trennt.

Besteht ein Anchyloblepharon perfectum, so fasse man mit dem Daumen und Zeigefinger jeder -Hand die beiden Augenlieder auf die Weise, dafs eine Längefalte, deren Mittelpunkt zwischen beide Tarsen fällt und dem äussern oder innern Augenwinkel sich nähert, gebildet wird. Der Operateur übergiebt den obern Winkel der Falte einem Gehülfen, fafst mit der rechten Hand das Bistouri und trennt die Falte, genau an die geschlossene Spalte sich haltend. Die Hohlsonde wird alsdann in die gebildete Oeffnung eingeführt, und die Operation auf die Weise, wie beim Anchyloblepharon imperfectum angegeben ist, vollendet 1).

Wenn das Symblepharon operirt werden soll, so mufs, nach bewerkstelligter Trennung der Augenliedränder, im Falle diese verwachsen waren, der Arzt das loszutrennende Augenlied fassen, vom Augapfel ab, und nach oben, wenn es das obere, nach unten, wenn es das untere Augenlied ist, ziehen. Der Patient mufs den Augapfel, wenn die Operation am untern Augenliede gemacht wird, nach oben, wenn sie aber am obern Augenliede verrichtet wird, nach unten rollen, um den nöthigen Grad der Spannung in den zu durchschneidenden Theilen zu bewirken. Wenn die Verbindung neu und weich ist, so suche man dieselbe mittelst des tischbeinernen Spatels zu heben 2). Ist dieselbe fest, so schneide man die

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1) Nach Weller (im a. W. S. 79) soll, bei einer mittel-
baren Verwachsung der Augenliedränder durch eine
Membran, der Schnitt ganz am Rande des obern Augen-
liedes durchgeführt, und die am untern Augenliede an-
sitzende Haut mit einer geraden Augenscheere abgeschnit-
ten werden. Ebenso Beer (im a. W. 2. B. S. 128).
2) Zang (Lehre der blut, heilk. Operat. 2. B. S. 74).

Adhäsionen mittelst eines kleinen convexen Scalpells durch). Sind einzelne Balken vorhanden, so müssen sie von der Bindehaut des Augenliedes sorgsam mit dem Scalpell losgeschnitten werden; dann mufs jeder einzeln gefasst, und behutsam von dem Augapfel entfernt werden 2).

Das Wiederverwachsen erfolgt nach der Trennung sehr leicht, besonders nach der Operation des Symblepharon. Man hat angerathen, fremde Körper zwischen den Augapfel und die Augenlieder; z. B. Leinwand, Charpie, Goldschlägerhäutchen etc. einzulegen, um das isolirte Vernarben zu bewirken. ··

Alle diese Mittel vermehren die Entzündung, steigern daher den Trieb zur Verwachsung, und werden durch die der Entzündung folgende Geschwulst aus der Augenliedspalte hervorgetrieben. Zweckmässiger ist es, nach verrichteter Operation den Kranken, wo möglich, in der nächsten Nacht wach zu erhalten, die wunden Ränder mit reinem Fett öfters zu bestreichen, Umschläge von Bleiwasser über das Auge zu machen. Nach der Operation des Symblepharon bringt man zuweilen eine feine glatte Sonde zwischen die verwundeten Theile, und bewegt sie nach verschiedener Richtung, um absichtswidrige neu erzeugte Verbindungen zu

trennen.

1) Beer (im a. W, 2. B. S. 130) empfiehlt das Leber'sche vorn abgerundete und stumpfe, an den Rändern sehr scharfe Messer, mittelst dessen mehr drückend als schneidend, die Adhäsionen getrennt werden sollen. Zang (im a, W. 2. B. S. 74) empfiehlt die Lancette. 2) Fabricius Hildanus räth, um die Balken, durch welche die Verbindung des Augapfels mit dem obern Augenliede besteht, zu durchschneiden, einen seidenen Faden um die Balken herumzuführen, dessen Enden auf der Wa Vange zu vereinigen, und mit einem Gewichte zu beschweren, ein Verfahren, welches kein Anrühmen ver

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