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pillarsystem der Sitz der Krankheit ist, dafs vermehrter Zuflufs des Blutes hieher Statt findet, so, dafs selbst jene Gefäfse, welche sonst nur weisse Säfte führen, rothes Blut aufnehmen. Wahrscheinlich liegt die Irritation des Theiles und die dadurch gesetzte veränderte Stimmung des Capillarsystems der Entzündung zum Grunde. Es findet ein wechselseitiges Verhalten zwischen der Lebensstimmung der Wände eines Gefäfses und der Mischung des zu bewegenden Fluidums Statt. Durch die Irritation wird das Leben des Capillargefäfses gesteigert, es tritt auf eine höhere Lebensstufe, es findet eine vitale Ausdehnung desselben Statt. Vorher nur noch weifse Säfte führend entspricht es jetzt dem rothen Blute, welches in dasselbe einströmt. Als Folge dieses gesteigerten Lebens des Haargefäfses gewinnt dieses eine verwandte Beziehung zu dem belebteren Blute. Die Indif ferenz, welche das Capillarsystem zwischen Arterie und Vene bildet, ist aufgehoben. Das Capillargefäfs, aus dem indifferenten Zustande heraustretend, wird Arterie; es pulsirt wie die Arterie. Alle Erscheinungen lassen sich auf die Stöhrung der Verrichtungen des Capillarsystemes zurückführen. Die Röthe, die vermehrte Wärmeentwicklung erklären sich durch den vermehrten Einfluss des Blutes in die Capillargefäfse, welche sich ihrer erhöhten Lebensstimmung wegen expandiren, und die raschere Circulation; die Geschwulst und Spannung durch die vitale Entfaltung des Theiles und den Andrang der Säfte. Die vermehrte Empfindlichkeit, der Schmerz, sind immer die ersten Erscheinungen, ein Beweis der vitalen Umstimmung des Capillargefäfses, welche Erscheinung den Alten nicht entgieng, so dafs Hippocrates sagt: ubi dolor, ibi affluxus. Das, was den Alten nur als Ahnung entgegentrat, kann nun unter die Augen gelegt werden. Wenn man

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das Gekrös eines lebenden Frosches unter das Mikroscop bringt, und dieses mittelst eines stechenden Werkzeuges reizt, so bemerkt man deutlich, dafs das Blut gegen den gereizten Ort hinströmt, dafs es, selbst gegen die Gesetze des Kreislaufes, in einzelnen Gefäfsen zurücktritt, um die Stelle der Reizung zu erreichen*).

Die Prognose richtet sich nach der Verschie denheit des Sitzes der Entzündung, nach der Héftigkeit und Beschaffenheit der einwirkenden Ursache, endlich nach der Individualität des Auges und jener des Patienten. Eine symptomatische Entzündung wird nur nach getilgter primärer Krankheit gründlich geheilt. Bei mehreren Augenentzündungen kann das Sehvermögen, selbst die Form des Auges verloren gehen, selbst das Leben des Patienten ist bei einzelnen Augenentzündungen bedroht, z. B. bei der Augenhöhlenentzündung, wenn diese ein Gehirnleiden zu setzen vermochte. Entzündungen, welche als traumatische Reactionen auftreten, bedrohen das Leben, wenn gleichzeitig nebst dem Auge wichtige zum Leben nothwendige Theile verletzt wurden. Die Folgen nach äussern Augenentzündungen sind weniger gefährlich, als jene nach innern, da bei letztern die das Sehorgan vorzüglich bildenden Theile afficirt sind; auch sind diese Uebel schwerer zu heben, weil sie der Kunst weniger als die äufsern Entzündungen zugänglich sind.

Als allgemeine Heilregeln bei Behandlung der Augenentzündungen werden folgende aufgestellt: 1) Man entferne sorgfältig die die Entzündung setzenden Ursachen, wenn z. B. die Entzündung durch Gallenreize oder durch Sabura gesetzt ist, so müssen Evacuantia angewendet werden. Die Behandlung der Entzündung, welche durch einen

*) Boyer Traité des maladies chirurgicales. p. 12. I.-V,

fremden Körper veranlafst ist, beginne damit, dafs man diesen sorgfältig entfernt.

2) Der Patient vermeide alle körperlichen und Gemüthsbewegungen; man vermeide und entziehe die dem Auge gewöhnlichen Reize, welche bei vorhandener erhöhter Empfindlichkeit irritiren und die Entzündung vermehren würden. Man untersage den Gebrauch des Auges, halte den Zutritt des Lichtes vom Auge ab. Da der Lichtreiz vom gesunden Auge auf das kranke wirkt, und eines ohne das andere sich nicht bewegt, so bedecke man nicht nur allein das erkrankte, sondern auch das gesunde Auge.

3) Durch directe und indirecte, durch allgemeine und örtliche Antiphlogistica erwirke man ein Depotenciren der abnorm gesteigerten Irritabilität und Sensibilität. Die Steigerung der sensibeln Stimmung drückt die erste Erscheinung der Entzündung, der Schmerz aus; dann erst hebt sich in gleichem Grade der irritable Factor. Hierauf gründet sich die Ausführung der direct antiphlogistischen Heilmethode. Wir suchen geradezu die Sensibilität durch Narcotica, Kälte u. s. w. herabzuziehen, um die Erhöhung des irritablen Factors dadurch zu verhüten, um die vitale Entfaltung der Capillargefäfse zu hindern. Dieses Verfahren findet im Anfange der Entzündung um so eher Statt, da die sich etwa hier aussprechende Geschwulst nicht durch Exsudation der Lymphe gebildet ist, sondern dieser ein wahrer Turgor vitalis mit Orgasmus sanguinis, ein Expansionstrieb des Zellgewebs und eine erhöhte Belebung des Blutes zu Grunde liegt. Die adstringirenden Mittel, welche die eigentlichen repercussiven Heilstoffe bilden, die Kälte*), die Narcotica, alle diese

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*) Durch Entziehung der Wärme bewirkt die Kälte eine directe Umstimmung des Lebensprocesses.

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scheinen auf eine und dieselbe Weise zu wirken. Die Ansicht, welche man gewöhnlich hat, als wirken die repercussiven Mittel defshalb wohlthätig, weil sie Zusammenziehung der Gefäfse hervorbringen, und die in Menge dahingeführten Säfte zurückstofsen, scheint, da hier nur an eine mechanische Veränderung in der Räumlichkeit des Capillargefäfses gedacht wird, unpassend. Diese Mittel wirken durch Herabziehung der sensiblen Stimmung und der vitalen Ausdehnung des Capillargefäfses Hindernifs setzend.

Wenn sich das direct antiphlogistische Verfahren für entstehende Entzündungen besonders empfiehlt, so entspricht der ausgebildeten Entzündung der indirect antiphlogistische Heilplan. Hier suchen wir nicht direct die Lebensthätigkeit herabzustimmen, sondern es geschieht dieses indirect durch Entziehung der gewöhnlichen Lebensreitze, besonders des Blutes, durch strenge. Diät, Ruhe, durch kühlende, die Plasticität der Säfte vermindernde Mittel, z. B. Mercur und Ni- · trum.

Die Zeichen einer heftigen Entzündung fordern eine allgemeine Blutentziehung, um dem Verluste oder einer beträchtlichen Verletzung des Organs vorzubeugen. Die allgemeine Blutentziehung wird aber noch mehr angezeigt, wenn Fieber und plethorische Constitution vorhanden sind. Immer mufs die Blutentziehung so beträchtlich seyn, dafs der Puls an Härte verliert. Kehren die heftigen Zufälle zurück, so werde ungesäumt die Aderlässe wiederholt. Die Engländer öffnen nicht selten die Arteria temporalis; auch die Vena jugularis externa wird bei heftigen Augenentzündungen geöffnet.

Die Localblutentziehungen wirken höchst vortheilhaft, und bei leichten Entzündungen genügen dicselben, Wo die Entzündung heftig und die

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Constitution plethorisch ist, da müssen allgemeine Blutentziehungen vorausgeschickt werden.

Wenn man nur eine geringe Zahl der Blutigel in die Nähe des Auges setzt, so steigern sie gewöhnlich die Entzündung durch den Reiz des Einbeifsens; allein wenn eine hinlängliche Anzahl derselben gesetzt wird, so kann man Verminderung des entzündlichen Leidens erwarten. Man hüte sich, dieselben an das obere oder untere Augenlied zu setzen, da wegen dem spongiösen Baue derselben. nachtheilige Ekchymosen zu folgen pflegen.

Die von Hippocrates1) empfohlene, nachher von Woolhouse, Plattner 2) und Mauchart3) abermals vorgeschlagene Ophthalmoxysis ist nach allgemein anerkannter Erfahrung eine verwerfliche Handlungsweise. Nach Woolhouse wird dieselbe mittelst eines Kornährenpinsels, welchen man so verfertigte, indem man zehn bis fünfzehn Stücke der Hülsen von Kornähren, welche eine mit kleinen Stacheln versehene Ecke haben, mittelst eines gewichsten Fadens fest zusammenband, und das hierdurch gebildete Bürstchen an den äufsersten Theilen beschnitt, verrichtet. Wollte man dieses Instrument anwenden, so kehrte man das Augenlied um, und führte dann diese Kornährenbürste auf der innern Fläche der Augenlieder oder auf der Conjunctiva herum, je nachdem man dieser oder jener Blut entziehen wollte, welches auch bald nachflofs, und durch Bähen mit lauem Wasser befördert wurde. Dieses Verfahren aber ist verwerflich; denn ist der Pinsel, womit die Operation verrichtet wird, frisch und weich, so werden die an den Hülsen befindlichen Haken nicht

1) De visu. T. 2. p. 353. Edit. Lind.

2) Dissertatio de scarificatione ocul. Lips. 1728. 3) De Ophthalmoxysi. Tubingae. 1726.

chirurg. Vol. 1, Nro. XVI.

Halleri Disp.

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