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Ernährungsprocefs der Linse ist eine der vorzüglichsten Ursachen des Staares. Der Kapselstaar durch traumatische Ursache wird vorzüglich durch Zerreissung der ernährenden Gefässe der Kapsel bedingt; ist diese im abnormen Zustande, so vermag sie nicht mehr die morgagnische Flüssigkeit abzusondern, der Ernährungsprocefs in der Linse ist gehemmt, und es erfolgt Verdunklung 1). Ist die Kapsel durch eine Verletzung geöffnet, und dringt die wässerichte Feuchtigkeit in diese ein, so wird auch hier Verdunklung der Linse sich bilden, da die wässerichte Flüssigkeit derselben nicht als Speise zu dienen vermag 2). Durch gänz– liche oder theilweise Lostrennung der Kapsel und ihrer Verbindung bildet sich der Balgstaar, der Zitterstaar, die schwimmende und trockenhülsige Cataracte.

Die Entzündung der Kapsel und der Linse ist gewöhnlich der Keim, aus welchem die verschiedenen Arten des Staares hervorsprossen. Walther 3) hat das Verdienst, vorzüglich auf diese Quelle der Cataracte aufmerksam gemacht zu bahen; nebst ihm Stevenson 4) und Wardrop. Bei Entzündung der Kapsel kann diese verdickt und undurchsichtig werden, wie dieses bei andern serösen Häuten Statt findet. Gewöhnlich beschränkt sich die Verdunklung auf die vordere Kapselwand;

1) Die Kapsel schrumpft zusammen und bildet Falten, da die Morgagnische Flüssigkeit nicht mehr abgesondert, und die Kapsel nicht mehr im frühern Grade ausgedehnt wird. (Delpech, im a. W. 3. B. S. 275.

2) Adams (im a. W. S. 28) glaubt, dafs der Staar nach Verletzung immer mit Oeffnung der Kapsel verbunden sey, und nimmt als Ursache der Trübung der Linse die wässerichte Feuchtigkeit, welche mit dieser in Berührung kommt, an. Diesem widerspricht aber die Erfahrung, da der traumatische Staar gewöhnlich ein Kapselstaar ist. 3) Abhandl, aus d. Geb. d. pract. Med. 1. B. S. 21. 4) A practical Treatise on Cataract. London, 1814.

das isolirte Vorkommen der Verdunklung der vordern Kapselwand läfst sich dadurch erklären, dafs diese ihre Gefässe von den Ciliarfortsätzen, besonders von der Ciliarzone erhält; während in die hintere Kapselwand ein Ast der Centralarterie sich verzweigt 1). Die von der Kapsel auf die Linse fortschreitende Entzündung bewirkt in letzterer die verschiedenen Entzündungsausgänge. Vereiterung und Verflüssigung der Linse findet sich bei der C. purulenta, fluida, cum bursa ichorem continente, Induration zeigt sich bei dem gewöhnlichen festen Staare, Gangrän und Sphacelus findet bei der hülsenförmigen Cataracte Statt 2). Auf die von Ackermann und Walther an den Augen guillotinirter Menschen mit der galvanischen Säule angestellten Versuche sich stützend, nimmt Chelius 3) an, dafs durch vorherrschende Hydrogenthätigkeit, wie im kindlichen Alter, und hydrogenisirende Ursachen der flüssige, durch überwiegende Oxydation, wie im höhern Alter, und durch oxydirende Einflüsse der harte Staar gebildet werde.

Die Genesis des Staares beruht immer auf fehlerhafter Thätigkeit der zu und ausführenden Gefässe ), indem durch vermehrte Aufnahme, durch träge Aussonderung der Stoffwechsel gestört, oder durch Zufuhr heterogener Stoffe die

1) Müllers anatomische und physiologische Darstellung des Auges, S, 68.

2) Wardrop (im a. W. 2. B. S. 107) behauptet, dass die Kapsel nach vorn einen Ueberzug, von der Kapsel der wässerichten Feuchtigkeit, nach hinten von der Glashaut erhalte, dafs jede der verschiedenen Lamellen, welche die Kapsel bilden, der Verdunklung zum Sitze dienen könne.

3) Ueber die durchsichtige Hornhaut des Auges. Karlsruhe, 1818. pag. 82.

4) Bieske, Animadversiones de Cataractae genesi et cura. Erlangae, 1819. pag. 24.

Organisation verändert, und dadurch die Durchsichtigkeit aufgehoben wird. Die entfernten Ursachen sind Verwundungen des Auges, Erschütterungen desselben, scharfe Dämpfe, grell einwirkendes Licht ), starke Abwechslung in der Beleuchtung, andauernde Anstrengung des Auges, Erkältungen, Missbrauch geistiger Getränke, hef→ tige Leidenschaften, gewisse Leiden der Constitution oder einer Organenreihe, mit welcher die Kapsel in besonderer Affinität steht, als Syphilis, Scropheln, Arthritis, Herpes, Psora 2). Die Cataracte kann als häreditäres Uebel erscheinen. Hat sich an einem Auge der Staar aus innerer Ursache gebildet, so wird das andere Auge gemeiniglich über kurz oder lang auch blind. Eutsteht er aber von einer äusserlichen Ursache, so bleibt das andere unverletzte Auge gemeiniglich unschadhaft 3).

Die Möglichkeit der Heilung der Cataracte durch Medicamente wird von vielen Aerzten in Zweifel gezogen. Es sind aber unbezweifelbare Fälle, in welchen beginnende Staare, ausgebildete Kapselstaare durch Medicamente mit Erfolg bekämpft wurden, beobachtet worden. Wenn auch nicht geleugnet werden kann, dafs die Linse und Kapsel weniger als jedes andere' Organ mit dem Organismus in Verbindung steht, so darf doch hiebei nicht vergessen werden, dafs sie noch in der Sphäre des Organismus liegt, dafs nicht weniger, als krankhafte Stimmungen des Organismus die Mischungsverhältnisse der Linse verän

1) Daher beobachtet man die Cataracte so häufig bei Schlossern, Schmieden, Bäckern, (Wenzel, Traité de la Cataracte). Adams (im a. W. S. 44) stimmt hiemit überein, und bemerkt, dafs wegen grosser Hitze und grellem Lichte die Europäer in Ost- und Westindien häufig staarblind werden.

2) Richter, über die Ausziehung des grauen Staares. S. 144. 3) Wenzel, im a. W.

dern können, gewisse arzneistoffige Einwirkungen der Linse sich mitzutheilen, und günstige Umstimmungen in der Organisation derselben zu be wirken vermögend sind. Seit die Aetiologie der Cataracte aufgehellt ist, vermögen wir erfolgrei– cher dieselbe mit Medicamenten zu bekämpfen !). Die vielen Fälle, durch welche die Heilung der Cataracte durch Medicamente erwiesen ist, müssen jeden bestimmen, den beginnenden Staar nach den anzugebenden Regeln zu behandeln. Die durch Entzündung der Kapsel entstehende Cataracte wird in ihrer Geburt durch zweckmässige Behandlung der Capsulitis erstickt. Bedingt eine scrophulöse, arthritische, syphilitische Ursache die Entmischung der Kapsel oder der Linse, dann müssen jene Heilmittel, welche die Erfahrung als diese krankhaften Thätigkeiten aufhebend bezeichnet, angewandt werden. Liegen unvorsichtig abgeheilte Hautübel oder Geschwüre der Cataracte zumGrunde, dann suche man die krankhafte Thätigkeit durch Bildung eiternder Flächen auf den ursprünglichen Sitz zurückzuführen 2). Die durch die Erfahrung

1) Albinus (Dissert. de Cataracta. Haller, collect. Dissert. chirurg. T. II. Nro. 32. pag. 165) giebt die vou den Alten eingeschlagenen Heilmethoden an; die Menge der gerühmten und hochgepriessenen Heilmittel ist unglaublich. Die Behandlung konnte, da sie auf keinem rationellen Grunde fufste, nicht erfolgreich seyn, was uns Galenus Worte: promissiones omnium horum pharmacorum magnae sunt, verum effectus aliquando nullus, aliquando valde exiguus, hervorgeht. Richter (chirurg, Bibliothek 8. B. S. 384) bemerkt in in mehreren Fällen ganz vollkommene graue Staare durch innere Mittel geheilt zu haben. Sie waren insgesammt venerischen, scrophulösen oder gichtischen Ursprungs. Er sagt die Heilung gelinge vorzüglich beim Capselstaar, zweifelt jedoch nicht, dafs auch Krystallstaare ohne Operation durch innerliche Mittel gehoben werden können.

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Gegen Scropheln dient die Digital. Cicut, gegen Arthritis Mercur., Antimon, Guajać, Aconit, gegen Syphilis Mercurialien,

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als nützlich bezeichneten Mittel sind: Emetica, Millepedes, Palsatilla nigricans, Cicuta, Mercurius, Aconitum, Belladonna, Arnica. Himly und Weinhold 2) haben die Elektricität empfohlen. Niesemittel sind von einigen mit Erfolg angewandt worden. Ware 3) empfiehlt die Verdunstungen des Aethers gegen das Auge, und das Eintröpfeln desselben, und Lentin 4) wandte erfolgereich den Mercur. nitrat. mit Rosen- und Kirschlorbeerwasser verbunden tropfenweise in das Auge gelassen, an. Wird der Staar durch Verletzung der Kapsel hervorgebracht, so erfolgt nicht selten das Verschwinden desselben während der schicklichen antiphlogistischen Behandlung. Es sind mehrere Fälle bekannt, in welchen der Staar von freien Stücken sich verlor 5).

Bei ausgebildetem Staare wird, um dem Kranken das Gesicht wieder zu verschaffen, in den meisten Fällen die Operation nothwendig seyn.. Je mehr der Staar rein ohne örtliche und allgemeine Complication besteht, je weniger die Örganisation des Auges dem Einwirken des Wundarztes Schwierigkeit setzt, desto günstiger ist die Prognose. Weniger sicher ist der Frfolg der Operation, wenn das Individuum cachektisch "),

1) Loder, Journ. für Ch. 1. B. S. 402.
2) Med. chir. Zeitung. 1811. 1. B. S. 262.

3) Inquiry into the causes, wich have mort comoun pre
vented success in the Operation of the Cataract. Adams
(im a. W. S. 16) bemerkt, dafs Ware nur bei trau-
matischem Staare die Naphtha mit Erfolg angewandt habe,
in welchem die Natur durch Resorption der Linse die
Heilung zu bewirken vermögend gewesen wäre.
4) Hufeland, Journal der practischen Heilkunde. 1. B.
2. H. S. 177.

5) A Dissertation on the Theory and Cure of the Cataract ete. by J. Wathen. London, 1785.

6) Der Kupferausschlag im Gesichte ist oft ein Symptom einer bestehenden Cachexie und daher bei Stellung der Prognose zu berücksichtigen,

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