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perfectum. Das Augenlied ist hier vollkommen umgestülpt, die Conjunctiva desselben bildet eine weiche, glatte, schlüpfrige, leicht blutende Fläche, ohne jedoch in ihrer Organisation auffallend gestört zu seyn. Die Art der Ausstülpung geht ge wöhnlich in das sarcomatöse Ectropium, welches jedoch auch gleich ursprünglich in der sarcomatösen Form aufzutreten vermag, über, wobei die Anschwellung der Conjunctiva beträchtlich, und körnicht beschaffen ist. Durch das längere Be stehen dieses Zustandes wird die Conjunctiva so abgestumpft, dafs die rohesten Betastungen, ohne Schmerz zu erregen, vertragen werden.

Mit dem sarcomatösen Ectropium kommt die Ausbildung einzelner Fleischgewächse überein, welche der Conjunctiva entsprossen, und gewöhnlich eine theilweise oder gänzliche Umstülpung des Augenliedes bedingen. Hier ist die sarcomatöse Verbildung nur auf einzelne Puncte der Conjunctiva beschränkt. Man unterscheidet das mit einer breiten Basis aufsitzende Sarcoma von jenem, welches einen Stiel oder Hals hat. So wie das sarcomatöse Ectropium oft schon während einer heftigen Entzündung sich zeigt, so dafs es selbst in diesem Zeitpuncte keine Einstülpung mehr erlaubt, eben so findet gewöhnlich im Verlaufe der Entzündung die Bildung der Sarcome Statt.

Der Lagophthalmos ist nichts anderes, als ein hoher Grad des Ectropiums, wobei die Integu→ mente verkürzt sind, und das Augenlied ausgestülpt ist; es wird nun bald ein krankhafter, aufgewulsteter, durch chronische Entzündung bedingter Zustand der, den äussern Schädlichkeiten ausgesetzten, Conjunctiva folgt. Der Patient ist bei hohem Grade des Uebels, die Augenliedspalte zu schliessen, nicht vermögend. Befindet sich Verkürzung am obern Augenliede, so wird der Augapfel immer unbedeckt seyn; der Kranke wird mit offenem Auge schlafen.

Scarpa giebt vorzüglich zwei Ursachen an, welche das Entstehen des Ectropium bedingen, die krankhafte Verlängerung der Conjunctiva, und die Verkürzung der äussern Bedeckungen. Die erste ist Folge schleichender Entzündungen der Conjunctiva; die letztere entsteht durch zusammenfliessende Pocken, Verbrennungen, Geschwülste, Abscesse, Furunkel, Carbunkel, welche einen Theil der Bedeckungen des Augenliedes zerstören, und einen Substanzverlust bedingen. Es scheint eine angeborne Disposition zum Ectropium durch Kürze der Bedeckungen des Augenliedes zu bestehen. Wenn eine oder die andere Ursache ursprünglich, einzeln eingewirkt hat, so werden sie doch bei, ausgebildeter Krankheit mehr oder weniger sich wechselseitig bedingen. Wenn eine Conjunctivitis längere Zeit besteht, so giebt sie zuweilen Anlafs zu Ulcerationen, welche in die Commissuren der Augenlieder eingreifen, wodurch dann, bei, dem aufgelockerten Zustande der Conjunctiva um so eher ein Ectropium sich bildet. Die Lähmung des Orbicularis soll ebenfalls das Ectropium setzen. Ein krankhaft veränderter Zustand des Tarsus ist gewifs die häufigste Ursache des Ectropiums 2).

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Wenn das Ectropium Folge der Wucherung der Conjunctiva ist, so ist die Prognose gewöhnlich günstig. Vor allem greife man die Ursache des krankhaft gesteigerten Vegetations - Processes an. Man hebe die derselben etwa noch zu Grunde liegende Entzündung; man verhüte die Rückfälle der Entzündung. Man bekämpfe ein etwa als Ursache dienendes Allgemeinleiden durch die passenden Mittel, durch eine geregelte Lebensweise; man suche durch Erregung anderwärtiger Secre

Traité des principales maladies des yeux. Trad. de Fournier, Pessay et Begin. Paris, 1891. T. 1. p. 165. Küntzel (Diss. Aetiologiae Ectropi et Entropii examen criticum continens. Halae, 1792, S. 27), hat durch Gründe diese Behauptung festgestellt.

tionsorgane durch Setzung der Fontanelle, des Haarseils, des Seidelbastes etc. die hier eingenistete krankhafte Reizung zu entfernen. Bei dem geringern Grade des Uebels dienen örtlich der Mercur. dulc., Bolus, Tutia, in Verbindung mit Fett, um die fehlerhafte Irritation zu heben; adstringirende Augenwasser, Scarificationen, werden ebenfalls empfohlen. Das Opium als Tinctur für sich allein, oder in Verbindung mit Naphten täglich über das Ectropium einige Mal gepinselt, soll in geringerem Grade desselben Hülfe gebracht haben.

Das vollkommene Ectropium, so lange der sarcomatöse Zustand und die Härte des Augenliedes nicht beträchtlich sind, eben só dás unvollkom mene Ectropium, im Falle es den genannten Mitteln nicht weichen würde, fordern die Anwendung der Aetzmittel, unter welchen der Höllenstein das diesen Fällen entsprechendste ist. Zu diesem Behufe wird das umgestülpte Augenlied abgetrocknet, und dann die umgestülpte Fläche im ganzen Unifange mit dem Höllensteine stark bedupft, damit sich ein Schorf bilde. Die bedupfte Fläche wird mit einem reinen Oele bepinselt, damit nicht etwa Theilchen des Aetzmittels, mit den Thränen sich mischend, den Augapfel berühren. Sollte die nachfolgende Entzündung heftig zu werden drohen, so dient zur Verhütung eines hohen Grades derselben das öftere Eintröpfeln der lauen Milch. Das Actzmittel muss gewöhnlich durch mehrere Tage wiederholt angewendet werden). Wenn man bei körniger Verbildung der Conjuncliva von diesem Verfahren Gebrauch machen will, so muss dieselbe jedes Mal zuvor scarificirt werden 2). Ist der sarcomatose Zustand der Conjunctiva beträchtlich, dann dient das Ausschneiden derselben. Man fafst mittelst der Pincette oder

4) Scarpa, im a. W. 4. B. S. 171. 2) Beer, i. a. W. 2. B S. 136.

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cines Häkchens die granulirende Fläche, hebt dieselbe, um sie von dem Augenliedknorpel zu ent fernen, in die Höhe, und schneidet sie mittelst der Schere oder des Messers aus, ohne jedoch den Tarsus zu verletzen, da durch dessen Verletzung ein Entropium gebildet werden könnte. Bleiben nach der Operation Theile der wuchernden Bindehaut zurück, oder zeigt sich neue Granulation, so wird das Messer oder der Höllenstein, oder beide abwechselnd 1) zur Entfernung derselben in Gebrauch gezogen. Das Glüheisen wurde von Hippocrates, Celsus, in neuern Zeiten von Percy empfohlen, von Gräfe aber mit Erfolg in Anwendung gezogen, nachdem durch ibn eine zweckmäsige Encheirese aufgestellt war. Das Auge wird vor der Einwirkung der Hitze durch ein nafsgemachtes Kartenblatt geschützt; das Glüheisen hat eine dem Umfange der zu berührenden Fläche entsprechende Form. Die Anwendung mufs gewöhnlich einige Mal wiederholt werden, wobei jedoch zu bemerken ist, dafs immer ein Zeitraum von 14 Tagen abgewartet werden mufs, ehe man zur Wiederholung der Operation schreitet 2). Hänger.de und breit aufsitzende Sarcome müssen weggeschnitten und der Boden, auf welchem sie wurzelten, mit Höllenstein berührt werden.

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Wenn eine Verkürzung der Integumente des Augenliedes das Ectropium verursacht, und der Verlust derselben nicht beträchtlich war, so dient das angeführte Ausschneiden der Conjunctiva, um die Heilung zu bewirken. Ist die ausgestülpte Membran sehr hart, so soll sie durch lauwarme Bähungen und ölichte Einreibungen vor der Operation erweicht werden, Wodurch die Integumente nachgiebiger werden sollen. Das Aus

1) Demours (i. a. W. 4.B. S 400) bedient sich gewöhn-, lich dieses gemischten Verfahrens

2) De Ectropio sarcomatoso per ferramentum candens sanando. Auct. G. Luce. Berolini, 181

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dehnen der letztern mittelst der Heftpflaster ist eine ungeeigneter, zweckloser Vorschlag. Nach Scarpa 1) soll die Conjunctiva des Augenliedes in dem ganzen Umfange exstirpirt werden; siê werde an dem Rande des Augenliedes mittelst eines kleinen Scalpels eingeschnitten, wobei die Verletzung des Thränenpünctchens gemieden wird; mit der Pincette wird an dieser Stelle die Conjunctiva gefafst, bis dahin losgetrennt, wo sie über den Augapfel sich umschlägt, dann mittelst der Schere vollends losgeschnitten. Der Monoculus wird angelegt, um das Augenlied an den Augapfel anzudrücken, und das Anschliessen des erstern an den letztern zu bewirken. Scarpa bemerkt, dafs in Fällen, in welchen die Verkürzung der Decken nicht beträchtlich ist, die Mifsstaltung zwar nicht gänzlich, jedoch gröfstentheils durch dieses Verfahren gehoben werde.

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Für solche Fälle, und auch dann noch, wenn ein beträchtlicher Theil der Integumente zerstört, wenn das Augenlied durch Narben herabgezogen ist, und so tief steht, dafs es in der Höhe des Orbitalrandes sich befindet, hat Adams 2) ein Ver→ fahren vorgeschlagen, für dessen, Werth die Erfahrung entschieden hat, da Fälle, in welchen die angegebenen Encheiresen fruchtlos angewendet waren, dadurch geheilt wurden 3). Ist eine Narbe

1) I. a. W. 1. B. S. 68,

2) Pratical observations on Ectropium, or Eversion of the Eye lids etc. London, 1812. p. 4 et seq. : 3) Roux (Relation d'un voyage fait a Londres. Paris, 1815. p. 291) behauptet, dafs nach der gewöhnlichen Operation des Ectropiums durch Ausschneidnng der Conjunctiva, keine Neigung zu Rückfällen vorhanden sey, dafs die Heilung in den Fällen, in welchen keine beträchtlicbe Verkürzung der Bedeckungen vorhanden ist, durch das gewöhnliche Verfahren vollkommen gelinge. Adams behauptet, dafs durch seine Methode immer eine vollkommenere Heilung folge, und dafs nie ein Rückfall möglich sey.

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