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APR 18 1913

Vorwort.

Den Wunsch nach einer Sammlung wie die vorliegende empfand ich oft bei akademischen Übungen über die Geschichte der Reichsverfassung. So nüßlich die Sammlung der ausgewählten Urkunden zur Erläuterung der deutschen Verfassung im MA. von Altmann und Bernheim auch sonst ist; für diesen Zweck reichte sie schon der zeitlichen Begränzung wegen nicht aus. Meiner Absicht, selbst eine solche Sammlung zu schaffen, kam die Aufforderung des Herausgebers dieser Quellensammlungen, einen verfassungsgeschichtlichen Band zu bearbeiten, entgegen. Der Plan des Herrn Kollegen Triepel war freilich auf eine Sammlung, welche sich auf die gesammte deutsche Verfassungsgeschichte beziehen sollte, gerichtet. Doch glaubte ich nur in der Beschränkung auf die Reichsverfassung und auf die Zeit jeit etwa 1100 auf dem gebotenen Raume etwas Brauchbares schaffen zu können. Auf dieser Grundlage übernahm ich dann die Bearbeitung des Bandes.

Die zeitliche Begränzung bedarf einiger Worte der Begründung. Daran mögen sich die nothwendigsten Bemerkungen über die Auswahl, Anordnung und Behandlung der Terte schließen.

Meine Absicht war von vorn herein auf die Geschichte der Reichsverfassung feit der Stauferzeit gerichtet. In der Stauferzeit haben sich wesentliche Veränderungen in den Grundlagen und dem Aufbau der Reichsverfassung vollzogen, die meist mit dem völligen Durchdringen der lehnrechtlichen Anschauungen in Zusammenhang stehen, zum Theil aber auch, wie das Emporkommen der Städte, auf dem gleichzeitig eintretenden wirtschaftlichen Aufschwung des Volkes beruhen. Die unmittelbaren Einwirkungen der königlichen Gewalt auf das gesammte Reichsgebiet wurden mehr und mehr eingeschränkt. Die Fürsten und Herren erlangten die Landeshoheit in ihren Gebieten. Sie wurden in noch ganz anderer Weise als früher Zwischenglieder zwischen dem Reichsoberhaupte und dem Boden und dem Volke des Reichs. Beinah königliche Gewalt erlangten die größeren Fürsten. Sie wurden fast selbständige Glieder, ja die anerkannten Säulen des Reiches. Damals begann die Umbildung der Reichsverfassung zur ständischen Monarchie, über welche hinaus die weitere Entwicklung des ständischen Elements dann später das Reich zunächst zum Staatenbunde umwandelte, um es schließlich ganz auseinander zu sprengen.

Noch ein anderer Grund bewog mich, gerade mit der Stauferzeit zu beginnen. Erst seit dieser Zeit giebt es im eigentlichen Sinne Quellen des Reichsstaatsrechts: Reichsgeseze und Urteile des Reichshofes mit reichsgesetzlicher Geltung. Erst da mit wird eine Sammlung der Denkmäler des Reichsstaatsrechts überhaupt möglich. Für die frühere Zeit, in der die königliche Gewalt auf die Herstellung allgemeiner Ordnungen verzichtete und sich mit der Schaffung von Sonderrecht durch Ertheilung von Privilegien begnügte, könnte eine Sammlung der Quellen für die Geschichte der Reichsverfassung nur aus einer Unzahl von Auszügen aus Urkunden und zeitgenössischen Schriftstellern bestehen. Eine solche zu geben entsprach aber nicht meiner Absicht.

Da einzelne Stücke von rein oder überwiegend reichsrechtlichem Inhalt bereits aus der Zeit der letzten salischen Kaiser vorhanden waren, deren Aufnahme wünschens

werth schien, entschloß ich mich noch etwas über die Stauferzeit zurückzugreifen und mit Heinrich IV. zu beginnen.

Den Schluß der Sammlung sollte die Auflösung des Reiches im Jahre 1806 bilden. Auf besonderen Wunsch des Herausgebers der Quellensammlungen entschloß ich mich in einem Anhange noch die beiden Grundgeseze des deutschen Bundes hinzuzufügen. Sie mögen dienen die Verbindung mit dem Staatsrecht der Gegenwart herzustellen und zu zeigen, daß die Fäden zwischen dem alten und dem neuen Reich nicht so völlig zerissen sind, wie manche wähnen.

Für die Auswahl des Stoffes konnten nicht die gleichen Gesichtspunkte in den verschiedenen Zeiträumen, welche die Sammlung umfaßt, maßgebend sein. Bis zum Ende des XIII. Jahrhunderts konnte alles Wichtigere aufgenommen werden, und mußte aufgenommen werden, um ein einigermaaßen vollständiges Bild der Reichsverfassung zu geben. Bei dem zunehmenden Umfang der Aktenstücke und der überragenden Bedeutung einzelner Reichsgeseze konnte und mußte ich mich für das XIV. und XV. Jahrhundert auf die Auswahl des wichtigsten Materials beschränken. Seit dem Ende des XV. Jahrhunderts nimmt dann der Umfang der einzelnen Stücke in so übermäßiger Weise zu, namentlich der deutsch abgefaßten, welche durch unendliche Weitschweifigkeit des Ausdrucks ermüden, daß hier eine Beschränkung auf wenige Stücke von ganz hervorragender Bedeutung geboten war. Ich zog es vor die wichtigsten Stücke vollständig mit allem Zubehör an Phrasen und Formalien zu geben, statt einer Zusammenstellung zahlreicher kurzer Auszüge aus allen in Betracht kommenden Gesetzen, und Attenstücken. Die Reformgeseße Maximilians von 1495 Nr. 148-152, die erste Wahlkapitulation, Nr. 154, und der Entwurf von 1711, Nr. 177, die beiden Regimentsordnungen von 1500 und 1521, Nr. 152 und 156, der Abschied des Augsburger Reichstages von 1555 mit dem Religionsfrieden, Nr. 163, die Instrumente des Westfälischen Friedens, Nr. 170 und 171, und der Reichsdeputations-Hauptschluß von 1803 sind unter Anderen vollständig gegeben. Das erschien mir nothwendiger und nüßlicher als den Raum, der durch Fortlassung der weniger bedeutenden Theile dieser Stücke hätte erspart werden können, mit Auszügen oder manchen kleineren Stücken, die nun fortbleiben mußten, anzufüllen.

Ganz umgehen konnte ich Auszüge natürlich nicht und mußte zum Theil sehr umfangreiche geben, wo doch das Ganze aufzunehmen unmöglich war; so bei der Kammergerichts-Ordnung von 1555, Nr. 164, und dem Jüngsten Reichsabschied, Nr. 173. Von beiden Stücken mußten die umfangreichen prozessualen Bestimmungen größten Theils ausgeschieden werden.

Unter den kleineren Stücken und Auszügen sind manche an sich ganz unbe deutend, aber bezeichnend für den Geist der Verfassung in jenen Zeiten und somit zur Illustration geeignet.

Da nicht alle Institute der Verfassung gleichmäßig berücksichtigt werden konnten, zog ich es vor, das Material über einzelne, wie über Königswahl, Kurfürstenkolleg, das Reichs-Kammergericht möglichst vollständig zu geben, und dafür andere wie Polizei- und Heerwesen mehr bei Seite zu lassen. Auch das Verhältniß der Reichsgewalt zur Römischen Kirche, über welches bereits für das XII. und XIII. Jahrhundert so reiches Material vorhanden ist, glaubte ich nur so weit berücksichtigen zu sollen, als für die Erkenntniß der Einrichtungen der Reichsverfassung selbst unbedingt nöthig schien.

Die Anordnung des Stoffes ist rein chronologisch, was mir aus praktischen Gründen jeder andern Anordnung vorzuziehn schien.

Gründe äußerlicher Natur haben zu der scharfen Sonderung des Stoffes in zwei Theile geführt. Ich mochte die deutschen Terte des Mittelalters nicht anders als, wie wir gewöhnt sind sie zu lesen, in Antiqua drucken lassen; während ich mich nicht entschließen konnte, diese in der gelehrten Literatur leider so sehr bevorzugte Schrift auch für die deutschen Terte der neueren Zeit zu verwenden. Ich griff zu dem, freilich gewaltsamen Mittel, von der Zeit an, wo etwa die Buchdruckerkunst

auffam, die deutsche Druckschrift anzuwenden und damit zugleich die Anwendung großer Anfangsbuchstaben für Hauptwörter zu verbinden. Wenn ich den zweiten Theil mit der Gesetzgebung von 1495 eröffne, so brauche ich wohl nicht ausdrücklich zu sagen, daß ich nicht der Meinung bin, die deutsche Schrift und die Anwendung der großen Anfangsbuchstaben seien damals schon durchgedrungen. Aus dieser Sonderung in zwei Theile ergab sich zugleich die Möglichkeit, die mittelalterliche Hälfte des Werkes, sowie die neuzeitliche gesondert verkäuflich zu machen; was für manche Zwecke erwünscht sein dürfte.

Was die Behandlung der Terte anbetrifft, so glaubte ich auf völlige Gleichmäßigkeit in Interpunktion und Schreibart verzichten zu dürfen. Stücke, die bereits in mustergültigen Ausgaben vorlagen, ließ ich, so weit es möglich war, auch in Bezug auf jene Dinge unverändert; wogegen ich in solchen Texten, die ich selbst erst herzustellen hatte oder mangelhaften Ausgaben entnahm, mit größerer Freiheit verfuhr.

Sehr verschieden war die eigene Arbeit, welche die einzelnen Texte erforderten. Höchst einfach lag die Sache, soweit es sich um Terte handelte, die der Sammlung der Constitutiones in den Monumenta Germaniae historica zu entnehmen waren. Ich konnte nicht nur die beiden bereits erschienenen Bände, sondern auch den noch nicht ausgegebenen von J. Schwalm bearbeiteten III. Band benutzen. Bis Nr. 94 konnte ich die überwiegende Mehrzahl der Stücke nach dieser Vorlage abdrucken, wobei nur hier und da eine Kleinigkeit, etwa eine irrige Interpunktion und der gleichen zu ändern war. In einer ähnlich günstigen Lage war ich gegenüber denjenigen Nummern des ersten Theiles, welche den Reichstagsakten, herausgegeben von der Münchener historischen Kommission, entnommen werden konnten, sowie einigen aus den Acta imperii von Böhmer-Ficker und Winckelmanu und aus der Altmann und Bernheimschen Sammlung entlehnten Stücken.

Um so größere Schwierigkeiten bereitete die Textgestaltung bei vielen der übrigen Stücke des ersten Theiles, vor allen des deutschen Urtertes des Reichs-Landfriedens von 1235, Nr. 54 A, dessen mühevolle Rekonstruktion ich doch zunächst im Hinblick auf diese Sammlung ausführte. Nicht wenig Arbeit erforderten auch die Auszüge aus dem Sachsenspiegel und dem sog. Schwabenspiegel, Nr. 63 und 76. Eikes von Repgow berühmtes Rechtsbuch hat noch nicht die Ehre erfahren, in der ursprünglichen, reinen, von fremden Zusäßen freien Gestalt, die literarisch allein genießbar und für geschichtliche Zwecke allein brauchbar ist, herausgegeben zu sein. Die Quedlinburger Handschrift, welche diese Gestalt am reinsten überliefert, ist von v. Daniels, theilweise auch von Goeschen und Homeyer gedruckt. Aus diesen Drucken mußte unter Heranziehung anderer Terte ein brauchbarer Text der Auszüge, so gut es gehen wollte, hergestellt werden; und ähnlich lag die Sache beim Schwabenspiegel. Die Laßbergsche Handschrift, die in zwei Abdrücken vorliegt, die beide ihre besonderen Fehler haben, mußte zu Grunde gelegt, an einzelnen Stellen aber aus anderen Terten verbessert werden.

Für eine Reihe von Stücken konnte der Apparat der Monumenta Germaniae historica benutzt werden, wobei ich mich der sachkundigen und stets hülfbereiten Unterstübung I. Schwalms zu erfreuen hatte. So konnten theils ganz neue, theils im Einzelnen erheblich verbesserte Terte der Nummern 60. 95. 96. 97 b. 100. 103. 106. 111. 123. 124. 127 gegeben werden. Die lettgenannten fünf Nummern sind von besonderer Bedeutung; sie enthalten das Wahlversprechen und die Absehung Adolfs von Nassau, den ersten Prozeß gegen Ludwig von Baiern und dessen Sachsenhäuser Appellation, sowie das hier zuerst in brauchbarer Form erscheinende Gesetz Licet iuris. Die Benutzung des Monumenten-Apparats noch weiter auszudehnen, mochte ich im Hinblick auf die Fortsetzung der Constitutiones nicht verantworten. Beim deutschen Terte des Kurvereins zu Renje, Nr. 126, glaube ich troß des Verzichtes auf Heranziehung der Originale durch kritische Verwertung alter Drucke einen im wesentlichen richtigen, vorläufig ausreichenden Text hergestellt zu haben. Eine

Vergleichung des Wiener Konkordats von 1448, Nr. 146, nach den Wiener Criginalen verdanke ich der Freundschaft M. Tangls, ebenso auch das richtige Datum der dazu ertheilten Ratifikationsbulle des Pabstes. Das größte und in mancher Hinsicht wichtigste Stück des ersten Theiles, die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., Nr. 130, erscheint hier zum ersten Mal wieder ganz gereinigt von den häßlichen Flecken, welche sie in Folge einer verunglückten „kritischen" Ausgabe in neuerer Zeit entstellten und welche auch in Altmann und Bernheims 2. Auflage nicht völlig beseitigt waren. Diese neuste Ausgabe wurde im Allgemeinen zu Grunde gelegt, auch deren Rechtschreibung trop mancher Bedenken, nicht aber deren Interpunktion beibehalten. Der Text konnte an einer Reihe von Stellen wesentlich verbessert werden.

Unerwartet große Schwierigkeiten stellten sich der Textgestaltung vieler Stücke des zweiten Theiles entgegen. Die Stücke, welche in den Reichstagsakten jüngerer Reihe in neuen kritischen Ausgaben vorlagen, Nr. 154. 155. 156, fonnten im Wesentlichen unverändert abgedruckt werden, nur daß deutsche Schrift und große Anfangsbuchstaben angewandt wurden. Auch die meiner Meinung nach wohl zu radikal vereinfachte Rechtschreibung der Vorlage mußte beibehalten werden.

ich für die Stücke bis in das XVIII. Jahrhundert fast allein auf ältere mehr oder weniger fehlerhafte Drucke angewiesen, wobei es denn galt, die Fehler des einen Drucks aus anderen zu verbesseren. Zu Grunde gelegt wurde für die Gesetzgebung von 1495 die nach wiederholter Prüfung sich als die relativ beste erweisende Überlieferung bei Datt, De pace publica, für die Mehrzahl der übrigen Stücke die sog. Neue Sammlung der Reichsabschiede. Schlechter als bei den melsten Texten war es um die Ausgaben des Osnabrücker Friedens-Instrumentes, Nr. 170, bestellt, deren jede Auslassungen und andere grobe Fehler enthielt. Neben den alten Drucken konnte ich hier für die auch in das Münsterer Instrument, Nr. 171, aufgenommenen großen Partieen den nach dem Pariser Original hergestellten Abdruck des letteren bei H. Vast, Les grands traités de Louis XIV. Band I verwerthen und hoffe so zum ersten Mal einen guten Tert des wichtigen Stückes zu bieten. Die anscheinend in allen Originalen herrschende regellose Willkür bezüglich der Anwendung großer Anfangsbuchstaben habe ich in Nr. 170 einigermaßen auszugleichen gesucht; während ich in den nach Vast gedruckten selbständigen Theilen des Münsterer Instruments, Nr. 171, alle Willkürlichkeiten des Tertes, als auf dem Pariser Original beruhend, beibehalten habe. Von Nr. 177, dem Entwurf der immerwährenden Wahlkapitulation, stand mir nur ein Druck zur Verfügung, zu dessen an einigen Stellen nothwendiger Verbesserung andere Wahlkapitulationen benutzt wurden.

Die Rechtschreibung der alten Drucke ist in den deutschen Terten im Großen und Ganzen beibehalten. Eine Vereinfachung der Crthographie, auch nur eine wesentliche Einschränkung des Toppelkonsonanten ff erschien mir als eine Stilwidrigfeit. Zu dem krausen, gewundenen und pleonastischen Stil der Zeit, in dem fast Alles zwei und dreimal gesagt wird, paßt und gehört jene krauje und pleonastische Orthographie.

Für den Reichsdeputations-Hauptschluß, Nr. 184, war ebenfalls nicht die einfache Wiedergabe eines Druckes möglich. Auch hier war eine gewisse kritische Thätigkeit zur Herstellung des Tertes nöthig. Dagegen konnte ich für die Rheinbundes-Atte, Nr. 186, und die beiden Stücke des Anhangs, Nr. 189. 190, die vorzüglichen Ausgaben Bindings zu Grunde legen.

Die Anforderungen strengster wissenschaftlicher Kritik, denen sonst meine Editionsarbeiten zu entsprechen suchten, wird man an diese anders geartete Publikation nicht stellen. Daß sie ohne Kritik und unwissenschaftlich sei, wird man hoffentlich troßdem nicht behaupten können.

Erläuternde, verweisende und selbst einzelne kritische Anmerkungen schienen mir nicht ganz zu entbehren. Ich hoffe auch in dieser Hinsicht das Nothwendige gethan zu haben. Ein, freilich nur summarisches, alphabetisches Inhaltsverzeichniß wird nicht unwillkommen sein.

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