Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[graphic][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][ocr errors][ocr errors][subsumed][subsumed][ocr errors][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][ocr errors][subsumed][ocr errors][subsumed][ocr errors][ocr errors][subsumed][subsumed][subsumed]
[graphic]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

Drei

nen acht Kindern in äußerste Armut und Not. Er bat den Aachener Rat um Hilfe und erhielt den städtischen Heuverkauf und was dazu gehörte. Mehr als 25 Jahre hat er das Amt eines Heumessers treulich verwaltet. seiner Söhne finden wir dann als Aachener Bäcker, unter ihnen Nikolaus Thyssen, den Urgroßvater August Thyssens. Er brachte es zum Obermeister der Bäckerzunft und zum Mitglied des Kleinen Rates. Seine Nachkommen wurden Kaufleute und Beamte. Der Großvater Thyssens war beigeordneter Sekretär der Stadt Aachen. Er starb früh, und seine Frau suchte sich kaufmännisch zu betätigen.

[ocr errors]

Persönlich

deutscher Ingenieure.

unter Anleitung der Lehrer in Jahresfrist in allen Einzelheiten durchgearbeitete Beispiel einer bestimmten Geschäftsführung wurden den Besuchern unmittelbar verwendbare Kenntnisse übermittelt.

So ausgerüstet kehrte Thyssen nach Hause zurück. Er leistete sein militärisches Dienstjahr in Aachen und trat dann in das väterliche Geschäft ein. Der Vater hatte angefangen, sich neben seinem Eisenwerk in Aachen in steigendem Maße in Bankgeschäften zu betätigen. Als der Krieg 1866 ausbrach, wurde auch Thyssen eingezogen, aber der Feldzug war siegreich beendet, ehe sein Regiment in den Kampf eingreifen konnte.

Jetzt hielt er die Zeit für gekommen, sich auf eigene Füße zu stellen. 1867 begründete er mit V. Fossoul und der Firma Fr. Bicheroux Söhne das Bandeisen werk Thyssen, Fossoul & Co. in Duisburg. Das Werk entwickelte sich ausgezeichnet, aber Thyssen wünschte noch freiere Beweglichkeit, und so löste sich dann nach wenigen Jahren die Firma wieder auf. Den Gründern verblieb das Fünffache der ursprünglichen Einlage.

[ocr errors]
[ocr errors]

Johann Friedrich Thyssen, der Vater August Thyssens, war 1804 in Aachen geboren. Er wurde als Kaufmann bei einem Aachener Bankier ausgebildet und übernahm später die Leitung eines Drahtwalzwerkes in Eschweiler. Er verheiratete sich mit seiner Kusine Katharina Eleonore Thyssen. Aus dieser Ehe gingen acht Kinder hervor, der älteste Sohn ist August Thyssen. Der Vater wird uns als eine in sich geschlossene, pflichttreue Persönlichkeit geschildert. Er war ein gewissenhafter, umsichtiger Geschäftsmann. vollkommen anspruchs- und bedürfnislos, legte er auch in seiner Familie Wert auf einfache bescheidene Lebenshaltung. Die Eltern waren fromme Katholiken, die aus Ueberzeugung und nicht nur aus überkommener Gewohnheit ihrem Glauben anhingen, und der Sohn ist dieser Gesinnung treu geblieben. Die Kinder erhielten eine gute Erziehung. Der scharfblickende Vater mag vielleicht in seinem ältesten Sohn schon frühzeitig Spuren seiner geistigen Bedeutung entdeckt haben, so daß er hoffen konnte, der Sohn werde das von ihm Erstrebte in größerem Maße fortsetzen. Vom jungen Thyssen wird uns ein stark ausgeprägter Eigenwille, Zähigkeit in der Verfolgung des von ihm Begonnenen, eine ruhige, sachliche Behandlung aller an ihn herantretenden Fragen und fleiBigste Arbeit berichtet.

[graphic]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors][subsumed]
[ocr errors]
[ocr errors]
[graphic]
[ocr errors]

Abb. 1. Wiedergabe des Gesuchs um Eintragung der Firma,

Nach dem Besuch der Rektoratsschule in Eschweiler und der Höheren Bürgerschule in Aachen trat die Berufswahl an August Thyssen heran, und der Vater, der selbst vielleicht den Mangel an technischer Ausbildung bei der Führung seines Eisenwerks manchmal empfunden haben mag, stimmte gern mit seinem Sohn überein, als er den Wunsch hatte, eine der besten Schulen, die es damals in Deutschland für technische Ausbildung gab, das Polytechnikum in Karlsruhe

die heutige Technische Hochschule -, zu besuchen. 1859 bis 1861 hat August Thyssen sich hier die Kenntnisse anzueignen gewußt, die eine Hochschule damals zu geben vermochte. Redtenbacher war der berühmte Lehrer, der viele Schüler nach Karlsruhe zog. Alte Studienfreunde wissen zu erzählen, daß August Thyssen damals bereits sich für wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten noch lebhafter interessierte als für Einzelheiten konstruktiver Anordnungen. Jedenfalls hat er mit Karlsruhe seine Ausbildung nicht für abgeschlossen gehalten.

Es ist heute, wo das preußische Kultusministerium die Umwandlung der Technischen Hochschulen zu Hochschulen für Technik und Wirtschaft zur Debatte stellt, interessant, daß August Thyssen bereits 1862 von der Technischen Hochschule zur Handelsschule überging. Eine der ersten derartigen Schulen gab es in Antwerpen, und in der Umwelt der alten großen Handelsstadt hat Thyssen sich in einem Jahre die Kenntnisse erworben, die er als Ergänzung für seine technischen Studien für unbedingt notwendig hielt. Nicht durch theoretische Vorträge, sondern durch das praktische,

Die Begründung des Werkes in Mülheim. Inzwischen hatte die Auseinandersetzung mit Frankreich Der sehnlichste Wunsch nach Einigung der begonnen. deutschen Stämme war auf den Schlachtfeldern Frankreichs verwirklicht worden. Das neu erstandene Deutsche Reich bot ungeahnte Möglichkeiten für die wirtschaftliche Entfaltung. Das politische Selbstbewußtsein übertrug sich auf das wirtschaftliche Arbeitsgebiet, das Geld schien auf der Straße zu liegen, und neue Gründungen wuchsen wie Pilze nach warmem Regen überall aus dem Boden. Es begannen jene hochgespannten kurzen Jahre, denen die Geschichte die Bezeichnung Gründerjahre nicht mit Unrecht beigelegt hat. Damals hielt sich mancher Spekulant für einen Unternehmer.

Eisenbahnen und Heeresgeräte, durch den Krieg verbraucht, mußten neu hergestellt werden, ein großer Teil der Kriegsentschädigung wanderte in die Industrie, überall gab es Geld für Aufträge. Das waren auch glänzende Zeiten für die Eisenwerke. Werke zu gründen und ins Uferlose auszubauen, war damals leichter als Maßhalten. In dieser Zeit stärkster Entwicklung hat auch Thyssen beschlossen, ein eigenes Werk zu gründen. In Styrum bei Mülheim an der Ruhr kaufte er einen Bauernhof und errichtete auf dem Ackerboden dieses Besitztums ein Bandeisenwalzwerk. Mülheim, die heutige Großstadt von etwa 130 000 Einwohnern, hatte damals kaum 15 000 Bewohner.

Mit Brief vom 19. April 1871 (Abb. 1) ersuchte er das Königliche Kreisgericht in Broich, die seit dem 1. April bestehende Kommanditgesellschaft unter der Firma Thyssen & Co,

2. April 1921.

mit dem Wohnsitz Styrum in der Landgemeinde Mülheim an der Ruhr in das Handelsregister einzutragen. Die Firma wird von dem persönlich haftenden Gesellschafter August Thyssen vertreten, der Kommanditist ist der Vater Friedrich Thyssen zu Eschweiler. Die Einlage des Kommanditisten betrug 35000 Taler.

Die erste Feuerversicherung vom 1. Februar 1872 der neuen Fabrik zeigt uns, wie bescheiden. die Anfänge des heutigen großen Unternehmens waren. Das eigentliche Fabrikgebäude für das Walzwerk mußte neu errichtet werden. Es wurde mit 18000 Talern versichert. Zum Bürogebäude benutzte Thyssen ein kleines Stallgebäude des Vorbesitzers und baute es entsprechend um. Es diente zagleich als Lagerraum für alle möglichen Betriebsinaterialien, für Oele, Patzwolle usw. Ein kleines Portierhäuschen vervollständigte die ganze Fabrikanlage. Die Betriebsanlagen bestanden aus einem Feinwalzwerk, das von einer liegenden Dampfmaschine mit zwei Schwung

rädern und zwei Riemenscheiben
angetrieben wurde, ferner aus
einem Luppenwalzwerk, das eben-
falls eine liegende Dampfmaschine
als Antriebsmaschine hatte. Der
Versicherungswert beider Dampf-
maschinen ist mit 10 5.00 Talern in
Rechnung gestellt. Es kamen noch
zwei Feinstraßen und eine Prä-
parierwalzenstraße« sowie eine Lup-
pènwalzstraße hinzu. Weiter wer-
den aufgeführt ein Luppenbrecher,
eine Pumpmaschine, eine Drehbank,
eine Bohrmaschine, Schleifsteine,
eine Luppenschere und sieben
Kessel. Die Ofenanlage besteht aus
5 Puddel- und einem Schweißofen.
Der Wert all dieser Maschinen und
Fabrikeinrichtungen wird zu 41000
Taler angegeben. Die ganze An-
lage mit Gebäuden, Einrichtungen
und vorhandenen Materialien wird
mit 62 550 Talern bewertet.
war der Anfang, und er ließ sich
gut an, denn kaum konnte Thyssen
so viel Bandeis en walzen, wie man
in der ersten Zeit gern haben
wollte.

Das

Aber dann kam der berüchtigte Wiener Krach, ein Kartenhaus nach dem andern stürzte zusammen. War man vorher zu optimistisch, so ließ man jetzt oft allzu schnell den Mut sinken und verschlimmerte dadurch die verheerenden Wirkungen des Zusammenbruchs. Es kamen überaus schwere Jahre, und nur was in der Anlage gesund war und sich stützen konnte auf zähe und unermüdliche Arbeit und auf großes technisches und kaufmännisches Können, hat diese Zeit großer wirtschaftlicher Not überstehen können. Und hierzu gehörte das junge Thyssensche Unternehmen in erster Linie.

[merged small][ocr errors][ocr errors][merged small]
[graphic]
[ocr errors]
[ocr errors]

Es sollten jetzt auch Bleche erzeugt werden. Im März 1882 kam das erste Blechwalzwerk, angetrieben durch eine einzylindrige Dampfmaschine von 700 PS, in

-Betrieb.

Im gleichen Jahre 1882 wurde auch die erste Universalstraße als Triowalzwerk mit einer einzylindrigen Dampfmaschine von 500 PS eingerichtet. Auch das Puddelwerk wurde entsprechend erweitert. 1884 wurde die Höchstzahl mit 18 Puddelöfen erreicht. 1905, als der letzte Puddelofen außer Betrieb kam, war der endgültige Sieg des Flußeisens über das Schweißeisen erfochten.

Auch die Abteilung für Pressen beginnt bereits in den 80er Jahren, denn schon im März 1884 konnte Thyssen seine erste Bodenpresse mit 125 t Betriebsdruck arbeiten lassen. Sehr frühzeitig wandte er sich der Röhrenfabrikation zu, die heute einen sehr wesentlichen Teil der großen Leistungen der Werke bildet. Bereits 1878 wurde der erste Gasrobrofen in Betrieb genommen und stumpf geschweißte Gasrohre erzeugt, und schon im folgenden Jahr waren die Einrichtungen fertig, mit denen man nunmehr Röhren größeren Durchmessers nach dem überlappt geschweißten Verfahren, sogenannte Patentrobre, herstellen konnte. Im gleichen Jahr richtete Thyssen auch eine Fabrik ein, um Gewindemuffen und Fittings zu fertigen. In schnellem Ausmaß ging die weitere Entwicklung vor sich. 1881 versuchte er bereits, diese Patentrohre aus Flußeisen herzustellen. Neue Anlagen für beide Rohrarten wurden eingerichtet und Werkstätten zur Weiterverarbeitung der glatten Rohre, Flanschrohre, Muffen- und Flanschdreherei in Betrieb genommen. Bis 1881 wurde lediglich das Schweiß

[graphic]
[graphic]
[graphic]

Vor dem Umbau
Nach dem Umbau
Abb. 2. Erstes Büro 1871.

August Thyssen arbeitete, den Blick vertrauensvoll in die Zukunft gerichtet, unablässig an seinem Werk. In seinem bescheidenen kleinen Büro, von dem uns Abb. 2 eine Vorstellung gibt, saß der Besitzer des Werkes, führte seine Bücher, war sein eigener Reisender, sein Direktor, sein Techniker, war der erste Mann, der früh morgeus antrat und der letzte, der das Werk verließ. Das Geheimnis des Erfolges war billig und gut fabrizieren und vorteilhaft ein- und verkaufen. Das Rezept klingt einfach, aber wie wenige vermochten es durchzuführen! Wenn Thyssen es in früheren Jahren noch nicht bei seinem Vater gelernt hätte, hier mußte er das Rechnen lernen. Bescheidene kleine Zahlen waren es, die doch ebenso ausschlaggebend für die Fortentwicklung waren wie die Riesensummen, um die es sich heute handelt. Der Absatz in Deutschland stockte zeitweise so stark, daß

eisen der Puddelöfen benutzt.

Das Flußeisen stellte die Röhrenfabrikation vor ganz neue große Aufgaben. In technischer und wirtschaftlicher Beziehung waren die größten Schwierigkeiten zu überwinden. Auch hier gelang es Thyssenscher Zäbigkeit und seiner Fähigkeit, an dem als richtig erkannten Weg fest zu halten, die Widerstände zu überwinden. Das letzte Schweißeisen für die Röhrenfabrikation ist 1904 verwendet worden.

1881 richtete Thyssen auch eine Verzinkerei ein und baute Werkstätten für Kesselschmiede und Eisenkonstruktionen, die 1884 und 1886 in Betrieb kamen.

Friedrich Thyssen hatte nur bis 1877 diese vielversprechende Entwicklung mit erleben können. Am 25. Mai d. J.

[graphic]

starb er; und im nächsten Jahre trat der jüngere Bruder, Joseph Thyssen, in das Unternehmen ein, das 1883 in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt wurde. Joseph Thyssen hat bis 1915, als ein Betriebsunfall seinem unermüdlichen Schaffen ein Ziel setzte, seinem Bruder treu zur Seite gestanden.

Auch den Weg zur Fertigfabrikation hat Thyssen schon in den 80er Jahren beschritten. Die kleine Reparaturwerkstätte seines Eisenwerkes baute er 1884 durch Ankauf der an sein Werk unmittelbar anschließenden Maschinenfabrik von Jordan & Meyer weiter aus. Mit etwa 70 Arbeitern hatte er 1871 begonnen, die Zahl war bis 1880 bereits auf 665 gestiegen. Wieder 10 Jahre später, also 1890, beschäftigte er im Eisenwerk in Mülheim schon 2358 Beamte und Arbeiter und in der Maschinenfabrik, die 1883 mit 11 Arbeitern begonnen hatte, 222. An Gehältern und Löhnen hatte er 1872 71000 M zu zahlen, 1880 schon rd. 549 000 M, und wieder 10 Jahre später für das Mülheimer Werk über 2,7 Mill. M. Wie das Mülheimer Werk sich vom Jahre 1874 bis 1921 räumlich entwickelt hat, zeigt Abb. 3.

Der Weg zum Rohstoff.

So sehr Thyssen, wie seine Erfolge erkennen lassen, in der Arbeit für die Entwicklung seiner Werke aufging, so verfolgte er doch auch darüber hinaus die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die ihn umgaben. In allem, was er erlebte, sah er nur den Anfang zu größerem Werden. Rastlos tätig, setzte er seine ganze Energie, unbeschadet aller Rückschläge, die auch ihm nicht erspart blieben, dafür ein, seine Werke im Gesamtrahmen der deutschen Volkswirtschaft immer bedeutsamer zu gestalten. Im Herzen des auf Kohle und Eisen sich aufbauenden Industriegebietes lag der Wunsch nahe, auch im Rohstoffbezug von anderen unabhängig zu werden. Menschen, die in die Zukunft sahen, begannen sich in den 80er Jahren bereits für die Ausdehnung des Kohlenbergbaues nach dem Rhein zu und nach Norden zu betätigen. Thyssen gehörte zu denen, die damals in den für Kohlenfelder ausgegebenen Geldern die beste Kapitalanlage erkannten. Er begann, sich lebhaft nach einer Beteiligungsmöglichkeit im Kohlenbergbau umzusehen. Sein Weg führte ihn zu der Gewerkschaft Deutscher Kaiser«. In dem Kohlenvorkommen an der größten Wasserstraße Deutschlands sah er eine der bedeutsamsten wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten.

[ocr errors]

Diese Gewerkschaft war am 28. November 1871 ġegründet worden. Sie ist hervorgegangen aus der Konsolidation einiger Grubenfelder um Hamborn. Die Größe der Felder betrug damals rd. 10,5 Mill. qm. 1889 wurde das Steinkohlenfeld Deutscher Kaiser mit benachbarten Steinkohlenfeldern zusammengelegt und die Größe der Gerechtsame auf über 34 Mill. qm erweitert. Mit dem Abteufen des Schachtes I in der Nähe der Eisenbahnstation Neumühl wurde 1871 begonnen. Fünf Jahre später konnten zum ersten' Male Kohlen gefördert werden. Die Förderung betrug im ersten Jahr 3583 t. In den schweren Zeiten, die die Industrie damals durchzumachen hatte, ging es auch im Koblenbergbau langsam voran. Immerhin stieg doch die Förderung bis zum Jahr 1885 schon auf über 183000 t. In diesen Jahren fing Thyssen an, Kuxe zu erwerben. Der Wert wurde damals recht gering eingeschätzt, denn man wußte, daß die Gewinnung nicht leicht war; mußte man doch schon in Tiefen gehen, die damals als sehr beträchtlich empfunden wurden. Es kam hinzu, daß das Oberbergamt mit Rücksicht auf die bergbauliche Sicherheit die Forderung stellte, einen zweiten Schacht anzulegen. Dadurch fielen die Anteile der Gewerkschaft sehr erheblich, denn wer sollte die großen · Kosten aufbringen! Es gab damals nicht viele, die die Zukunftsmöglichkeiten dieses Bergbaubezirkes so hoch einschätzten wie Thyssen.

Eine besonders günstige Gelegenheit, den Grubenbesitz sehr wesentlich auszudehnen, bot sich Thyssen, wie er selbst erzählt, durch einen unerwarteten Glücksfall dar. Strousberg, der Eisenbahnbegründer, der weit über Deutschlands Grenzen hinaus sich in den denkbar verschiedensten industriellen und landwirtschaftlichen Unternehmungen betätigt hat,

an

[ocr errors]

hatte auch das Grubenfeld Rheinland, das ungefähr dem Gebiet des heutigen Schachtes III entspricht, damals für 600 000 M erworben. Der Betrag sollte in drei Raten von je 200 000 M bezahlt werden, und im Vertrag war die Bestimmung enthalten, daß das Feld, wenn die Zahlungen ausgesetzt würden, die Vorbesitzer zurückfallen und auch die. schon bezahlten Raten verfallen sollten. Dies trat ein, als Strousbergs Unternehmungen, von dem großen Krach nach den Gründerjahren erfaßt, nacheinander zusammenbrachen. Die dritte Rate konnte nicht mehr bezahlt werden. Thyssen wurde auf diese günstige Gelegenheit aufmerksam gemacht. Er hatte gerade Geld zur Verfügung, da er seine Beteiligung an dem Bochtimer Verein für 3 Millionen verkauft hatte, und so suchte er die Mehrheit der Anteile zu erwerben. Er mußte hierbei aber erfahren, daß der Phönix das Vorkaufsrecht hatte, und damit sah er die Angelegenheit als zu seinen Ungunsten entschieden an, denn er konnte sich nicht vorstellen, daß der Phönix nicht sofort hier mit beiden Händen zugreifen würde. Aber das für unmöglich Gehaltene wurde Ereignis. Die Generalversammlung lehnte den Erwerb ab, und Thyssen erhielt für 600 000 M die großen Kohlenfelder. Gleichzeitig konnte er noch 50 Morgen wertvolles Gelände am Rhein erwerben.

Auch das war wesentlich mehr als ein Glückszufall, denn gerade die Ablebnung von anderen, mindestens in der gleichen Weise wie Thyssen über die ganze Sachlage orientierten Herren kennzeichnet die durch den Erfolg erwiesene richtige Voraussicht, ohne die große Ergebnisse auf die Dauer nicht zu erzielen sind.

So kam Thyssen nach Hamborn, das er um 1887 zum erstenmal von Mülheim besuchte. Es hatte damals einen rein ländlichen Charakter, und die Gegend war als gute Hasenjagd bekannt. 1888 wurde August Thyssen zum Vorsitzenden des Grubenvorstandes gewählt, und von da an begann in schneller Aufeinanderfolge der große Ausbau des gewaltigen Unternehmens. Im gleichen Jahr wurde Schacht II in Aldenrade gebaut, der 1896 Kohlen zu fördern begann. Der Schacht III wurde 1889 in Angriff genommen und kam 1895 zur Förderung.

Außergewöhnlich groß waren die Schwierigkeiten, die hier auch in den kommenden Jahren bis heute zu überwinden waren. Manchmal erschien es, als ob die klugen Leute, die stets vor der Unmöglichkeit eines gewinnbringenden Kohlenbergbaues am Rhein und im Norden nach Wesel hin gewarnt hatten, recht behalten sollen. Wenn es nach der Mehrheit der Sachverständigen gegangen wäre, niemals hätte die Entwicklung in dem kurzem Zeitraum die Erfolge erzielt, die der ungebrochenen Tatkraft und dem zähen Aushalten einer Unternehmernatur wie August Thyssen beschieden waren. Die genauen Kenner dieser Entwicklung wissen zu erzählen von den Zeiten größter Sorge, in denen es schien, als ob der Kohlenbergbau, dessen Erfolge heute zuweilen als selbstverständlihh angesehen werden, alles aufzehre i sollte, was Thyssenscher Unternehmungsgeist auf anderen Gebieten geschaffen hatte. Was erreicht wurde, ist erarbeitet worden und nicht durch Spekulation entstanden. Diese Wahrheit, die alle die bestätigen können, die diese Entwicklung mit orlebt haben, sollte in heutiger Zeit besonders klar erkannt werden, damit nicht aus der unrichtigen Beurteilung eines mühsam gewonnenen Erfolges falsche Schlüsse für weit in die Zukunft reichende Maßnahmen gezogen werden.

Ein Ereignis, das die heutige Größe der Thyssenwerke mehr als jedes andere bestimmte, war die Erbauung des Eisen- und Stahlwerkes in Bruckhausen a/Rh., die der Inangriffnahme des Kohlenbergbaues folgte. Auf freiem Felde entstand bier unter Berücksichtigung aller Erfahrungen neuzeitlicher Technik eines der leistungsfähigsten Eisenhüttenwerke, die Deutschland sein eigen nennt. 1890 wurde mit dem Bau des Hüttenwerkes begonnen, das, am Rheinstrom gelegen, die günstigsten Verkehrsverhältnisse für die Erzzufuhr und den Versand der Erzeugnisse hat. Das Stahlwerk war die erste Anlage. Es bestand aus 7 Siemens MartinOefen. Die Anlage erregte Aufsehen. Man fürchtete den Thyssenschen Wettbewerb und man versuchte den Kampf gegen die neue Anlage in jeder Form aufzunehmen. Welche Schwierigkeiten hier zu überwinden waren, mit welchen

« ZurückWeiter »