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Einleitung.

Erstes Kapitel.

Allgemeines über die Bedeutung der Soester Fehde und ihre Veranlassungen. stehung und Ausbildung des Gegensatzes zwischen Köln und Cleve-Mark.

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Ent

Geistliche Ge-
Territorial-

Soweit es sich in der Soester Fehde um den Besiß der Stadt Soest handelt, besigt dieser Kampf keine hervorragende Bedeutung, zumal im Vergleich zu dem fast gleichzeitigen oft behandelten Städtekrieg in Süddeutschland. Wenn auch der Uebergang einer seit Jahrhunderten kölnischen Stadt unter die clevische Oberhoheit als eine ungewöhnliche Erscheinung Beachtung wohl verdient, so verdankt doch der Kampf das besondere Interesse, welches ihm von den Zeitgenossen wie von späteren Forschern gleichmäßig zugewendet wurde 1), den weitverzweigten Verwicklungen territorialer und allgemein kirchenpolitischer Art, welche gleichzeitig und aufs engste verknüpft mit dem Ringen um den Besit der Stadt Soest Westfalen und den Niederrhein in Aufregung verfeßten, nach allen Richtungen hin ihre Wellenkreise warfen und durch die Ereignisse der Jahre 1444-1449 einem vorläufigen Abschluß entgegengeführt wurden. War das Zusammentreffen des

1) Der ganze für die Soester Fehde in Betracht kommende chronikalische Quellencomplex wird in der demnächst in den Chroniken der deutschen Städte erscheinenden Ausgabe der hauptsächlichsten dieser Quellen Erörterung finden. Dort wird namentlich auch das von Seibert, Quellen zur westfälischen Geschichte II, 264-407 herausgegebene sog. Kriegstagebuch des Bartholomäus von der Lake genauer untersucht und der Nachweis erbracht werden, daß dasselbe in der vorliegenden Gestalt nicht von Bartholomäus stammt. (Hier ist der Kürze wegen die Bezeichnung dieses Werkes als 'Bartholomäus von der Lake' beibehalten worden.) Wie reich die urkundliche und aktenmäßige Ueberlieferung über die Fehde fließt, beweisen unsere Dokumente. — Von neueren einschlägigen Arbeiten führe ich hier ein für allemal an: Barthold, Soest, die Stadt der Engern S. 241 ff.; Lacomblet im Archiv für die Geschichte des Niederrheins IV, 258 ff.; Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde XV, 602 ff.; Hausberg, Die Soester Fehde, in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst I, 180-238, 319–373; Hansen, Zur Vorgeschichte der Soester Fehde (im Folgenden als Vorgeschichte' citirt) in der Westdeutschen Zeitschrift, Ergänzungsheft III S. 1–100.

Hansen, Die Soester Fehde.

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großen Gegensaßes in Staat und Kirche, welchen der hartnäckige Zwist zwischen Papst Eugen IV. und dem Baseler Concil erzeugt und genährt, mit der langjährigen Spannung zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Fürsten von Cleve-Mark, sowie mit dem anfänglich durchaus in dem engen Rahmen kurkölnischer Landesgeschichte sich abspielenden Streit des Erzbischofs Dietrich von Moers mit einer ihre wirklichen und usurpirten Rechte wahrenden Stadt an und für sich ein durchaus zufälliges, so wirkten doch diese gleichzeitig thätigen Faktoren in lebhaftester Weise aufeinander ein; der wechselseitige Einfluß derselben beschleunigte den Ausbruch des Kampfes, er gab ihm weiteren Umfang und verlich somit der umfassenden Verwicklung, welche man sich durch vornehmliche Betonung des zumeist in die Augen springenden äußern Resultats als 'Soester Fehde' zu bezeichnen gewöhnt hat, erst ihr besonderes Gepräge.

Wirken aber in der Soester Fehde vornehmlich drei verschiedene Verhältnisse aufeinander ein, und ist es erforderlich, nach drei Seiten hin die Veranlassungen des Kampfes zu untersuchen und seine Wirkungen zu kennzeichnen, so ist doch ein Moment als eigentlich treibende Ursache zu betrachten, als innerer, lange und stetig wirkender Grund, mit welchem die beiden anderen als mehr zufällige und nur zeitweilig wirksame zu einem Ganzen verschmolzen.

Diese eigentliche Grundlage der Soester Fehde ist der Jahrhunderte alte Gegensatz zwischen der durch die Gunst der kaiserlichen Machthaber gerade am Rhein besonders reich ausgestatteten geistlichen Gewalt und den benachbarten weltlichen Fürstenthümern: von den zahlreichen Phasen, in welchen sich dieser Gegensaß äußerte, ist die Soester Fehde bei weitem die bedeutendste. Das hartnäckige, die Territorialpolitik der kölnischen Erzbischöfe Jahrhunderte lang beherrschende Streben ging dahin, ihr Uebergewicht am Niederrhein und in Westfalen dauernd gegen die aufstrebenden weltlichen Dynasten zu sichern, welche seit dem 13. Jahrhundert einen wechselvollen Kampf begonnen hatten, um sich von den drückenden Fesseln zu befreien, welche ihr Ringen nach Abrundung ihrer Gebiete, nach Grundlegung und Ausbildung ihrer Landeshoheit allerwärts hemmten 1). Diese

1) Bis zum J. 1414 führt diesen Kampf die übersichtliche Arbeit von Haeften: Ueberblick über die niederrheinisch-westfälische Territorialgeschichte bis zum Anfang des 15. Jhds., in der Ztschr. des Bergischen Geschichtsvereins II, 1 ff.; III, 224 ff. Außerdem hat die Territorialpolitik früherer Kölner Erzbischöfe in den Arbeiten von Hecker, Die territoriale Politik Erzbischof Philipps I. von Köln (Historische Studien, Heft 10, 1883), von Cardauns, Konrad von Hostaden (1880), von Kreisel, Adolf von der Mark (Münstersche Beiträge zur Geschichtsforschung 1884), von Ferdinand, Cuno von Falkenstein (ebd. 1885) und von Fecker, Friedrich von Saarwerden (Diss. Münster 1880) Beachtung gefunden. Die älteren Arbeiten von Fider über Reinald von Dassel und Engelbert den Heiligen (1850, 1853) sind zu bekannt, als daß es eines besonderen Hinweises auf dieselben bedürfte.

gegensäßlichen Bestrebungen bilden bis zum Ende des Mittelalters den leitenden Gesichtspunkt für die niederrheinisch-westfälische Territorialgeschichte; sie ziehen sich durch den dichtgedrehten Knäuel unaufhörlicher kriegerischer und diplomatischer Verwicklungen als rother Faden hindurch und bieten die einzige Handhabe zur Entwirrung des dem ersten Blick das Bild eines regellosen Conglomerates darbietenden Kämpfens und Ringens.

Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts leitete den gegen das übermächtige Erzstift eröffneten Widerstand, in welchem vorher lange Zeit hindurch das Haus Jülich Führer und Mittelpunkt gewesen war, das aufblühende märkische Geschlecht, das kurz zuvor zwei seiner Mitglieder auf dem Kölner Stuhl gesehen und sich durch eine gesunde, wenn auch mit beschränkten Mitteln verfolgte innere Politik eine kleine, aber festbegründete und in sich wohlgeschlossene territoriale Macht geschaffen hatte 1). Von dem Augenblicke an, wo durch Cunos von Falkenstein schlau berechnende Politik ihre Pläne auf die Grafschaft Arnsberg vereitelt worden, standen die Grafen von der Mark, anfänglich getreue Lehnsleute der kölner Kirche, dann nur hin und wieder Theilnehmer am Kampfe gegen die Erzbischöfe, für. die Folge immer in den Reihen der Gegner des Erzstifts; seit dem großen im J. 1397 im Cleverhamm über die benachbarten weltlichen Fürsten errungenen Sieg, und seit der im J. 1368 angebahnten und dreißig Jahre später verwirklichten Vereinigung der Länder Cleve und Mark in einer geschickten Hand wurden sie die gefährlichsten Widersacher der Erzbischöfe, das verbindende und leitende Element im Kampfe gegen die kölnische Präponderanz. Gegen Cleve-Mark mußten sich daher nothwendiger Weise seit seinem Regierungsantritte die Schritte des jungen und thatkräftigen Erzbischofs Dietrich von Moers in erster Linie richten. Der umsichtige und welterfahrene Aeneas Sylvius meinte einmal, daß Dietrich von allen deutschen Fürsten leicht der erste seiner Zeit' gewesen sein dürfte 2). Will man solch unbeschränktes Lob als zutreffend gelten lassen, so gebührt es ihm jedenfalls nicht für seine Thätigkeit auf dem Gebiete der Reichspolitik. Hier mußte er in einer Zeit, wo der Mittel- und Schwerpunkt allgemein nationalen Lebens längst aus dem Rheinthal gewichen war, wo die östlichen Territorien, das Kolonialgebiet des 13. Jahrhunderts, die früher von den rheinischen Gebieten Jahrhunderte lang behauptete Stelle einnahmen, weit zurücktreten sowohl vor manchen seiner Zeitgenossen einem Friedrich I. von Brandenburg, einem Albrecht Achilles, selbst vor seinem verschlagenen Trierer Nachbar, dem Erzbischof Jacob von Sirk - als auch vor manchen seiner Vorgänger auf dem Erzstuhl, auf welchem ein Reinald von Dassel

1) Vergl. Urkunden und Altenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Bd. V, S. 4 ff.

2) Vgl. Voigt, Enea Silvio de' Piccolomini I, 358.

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