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Bis sie zu atmen, zu erwarmen Begann an meiner

Dichterbrust,

Und teilend meine Flammentriebe Die Stumme eine

Sprache fand,

Mir wiedergab den Kuss der Liebe Und meines
Herzens Klang verstand.

Da lebte mir der Baum, die Rose, Mir sang der

Quelle Silberfall;

Es fühlte selbst das Seelenlose Von meines Lebens
Widerhall.

Schiller, die Ideale.

Der Zauber einer Landschaft besteht nur darin, dass sie uns wiederzustrahlen scheint, was wir selbst an Geist, Gemüt, Stimmung in sie hineingelegt haben.

Sich selbst nur sieht der Mensch im Spiegel der Natur,
Und was er sie befragt, das wiederholt sie nur.

Rückert.

In der Art nun, wie ein Volk oder ein Mensch die Natur betrachtet, wie er Bezüge entdeckt zwischen der eigenen Seele und der im steten Wechsel doch ewig gleichen, immer schaffenden und immer zerstörenden Natur, verrät sich seine ganze Individualität. Bei den Griechen war die Entwicklung des Naturgefühls den Wandlungen ihres Geisteslebens durchaus analog. Ein Gleiches werden wir auch bei den Römern erwarten müssen. Aber diese standen von vorneherein der Natur anders gegenüber als die Griechen, und das beruht eben auf der Grundverschiedenheit der Charakteranlage beider Völker. Den Griechen mit ihrem hellen Blick und ihrer Empfänglichkeit für alles Ideale war ein künstlerischer Zug und ein spekulativer Trieb angeboren; sie sind ein Volk der Phantasie und des Gedankens, aber die Römer mit ihrer wesentlich praktischen Begabung, ihrem nüchternen Realismus sind ein Volk des Verstandes und des Handelns; ihre genialen Leistungen liegen nicht auf dem Gebiete des Schönen, der Kunst, sondern sind der Staat und das Recht. Die Naivität im Sinne der heiteren griechischen Welt, eines seligen Homerischen Kindheitsalters blieb den Römern

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stets fremd; in jeder Hinsicht ist ihr Geistesleben ein reflektierteres, subjektiveres. Man hat das Wesen des Antiken in dem Dunkel der Empfindung, in dem Umschleierten des Gefühls, in dem völligen Zurücktreten der Persönlichkeit vor dem Objekt finden wollen im Gegensatze zu dem schwankenden, schillernden Halbdunkel des modernen Empfindens und romantischer Gefühlsseligkeit aber naiv blieb selbst das Hellenentum nur eine kurze Spanne Zeit; hat es auch nie die wilden Schösslinge moderner Sentimentalität gezeitigt, die Keime zu jener liegen im Hellenismus und in der Kaiserzeit deutlich vor; bei den Römern überwiegt von vorneherein die Reflexion, das Gedankenmässige die Phantasie und das Gefühl; während bei den Griechen ein glücklicher genialer Instinkt' fast unbewusst die Götterwelt und die herrlichen Denkmäler der Kunst und Literatur schuf, ist bei den Römern alles abstrakter, bewusster, berechneter angelegt, scheint in der römischen Dichtung die subjektive Stimmung durch immer durchsichtiger werdende Hüllen der Seele hindurch'; ist ihr Kunstwert auch ein viel geringerer, die Bewegung zum Modernen hin setzt sich fort; die Dichter der Glanzzeit römischer Kultur muten uns verwandter, weil moderner an als die des klassischen Griechenlands. - Die Religion der Römer ist nicht eine Schöpfung der im Glauben dichtenden und im Dichten glaubenden Phantasie wie bei den Griechen, sondern das Produkt des reflektierenden Verstandes, der das Verhältnis zu den Göttern wesentlich als ein Rechtsverhältnis betrachtet und das Sittliche mit dem Nützlichen und Zweckmässigen identificiert. Der Römer liess den Grundgedanken in seiner ursprünglichen nackten Starrheit stehen, hielt den Begriff fest und litt es nicht, dass die Form ihn verdunkelte 1), während der Grieche alle Anschauung in Handlungen lebensvoller idealer Wesen umsetzte. 'Schwerblütiger und von beklommenerer Stimmung der Phantasie lassen sie sich weniger leicht als die Griechen an dem farbigen Abglanz des Lebens genügen, hinter dem schon ihr religiöser Glaube ein Netz dunkler Zu

sammenhänge der Dinge sah, rätselhafter Beziehungen, die um so mehr auf das menschliche Dasein drückten, als kein lebensfroher Götterkreis, aus dessen nachfühlbaren Gewohnheiten sie hätten verständlich werden können, der Welt einen Abschluss versöhnender Schönheit gab'. 2) Während der Grieche durch die Anschauung der Naturphänomene zum dichterischen Gestalten angeregt wurde und so die lieblichsten Märchen, die sinnreichsten Mythen und zugleich vollendet schöne Götterbilder schuf, überwog bei dem Römer die Scheu vor den übersinnlichen Mächten, die religio, die Thätigkeit der Einbildungskraft und zwang ihn zu einem Kultus, der eines feierlichen Ernstes, geheimnisvoller Ahnungen zwar nicht entbehrt, aber auch überreich ist an Blüten ängstlichen Aberglaubens, wie Zauberformeln, Ceremonien, Beschwörungen u. s. f., so dass die Religion immer mehr in einem peinlichen und kleinlichen Formalismus erstarrte. 'Überall sind die Wunder der Natur und des Lebens wohl ein Anlass zu Opfern und Weissagungen, in denen der Priester und Seher sie zum Frommen des Gemeinwesens technisch und praktisch ausbeutet, aber nirgends begegnet man jenem poetischen Drange des Herzens und der Einbildungskraft, welcher, in die Anschauung und das Gefühl für diese Wunder versenkt, Religion und Geschichte mit den idealen Gestalten der Dichtung belebt hätte'.") Es war in dem Charakter der Römer begründet, dass sie den Übergang von der dumpfen, ahnungsvollen Verehrung der Segen oder Vernichtung bringenden Naturgewalten zum Glauben an sittliche Mächte, an eine sittliche Weltordnung viel rascher und intensiver vollzogen als die Griechen, wenngleich die ursprüngliche naive Naturreligion durch die tempellose Verehrung vieler Gottheiten in heiligen Hainen, auf Bergen, an Seen und Bäumen, als den Stätten der göttlichen Wesen, und durch manchen Götterkult deutlich hindurchschimmert. Die konkreten Naturgottheiten des naiven Volksglaubens wurden früh zu sittlichen Abstraktionen, zu denen im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Personifikationen von toten All

gemeinbegriffen, wunderliche Allegorieen hinzutraten. Vor allem aber wurden die latinisch-sabinischen Gottesideen immer mehr und mehr von fremden Kulten, wie denen der Griechen, Ägypter und Orientalen übersponnen, ja schliesslich fast gänzlich überwuchert. —

Aus dem Himmelsvater Jupiter, dem Gebieter über Blitz und Donner, Wolken und Regen, wird der beste Vater der Menschen, der Schirmherr des Rechtes, der Treue und Wahrheit.

Ihm zur Seite steht die weibliche Lichtgöttin, Juno, die Königin im Reiche der Frauen.

Voll und ganz gehörte Mars ursprünglich dem Naturleben an als der Gott des männlichen Naturtriebes, des alle Knospen in Feld und Wald sprengenden Frühlings; Bäume waren ihm heilig, dann der Wolf und der Specht, der Vogel der Waldeinsamkeit, und aus dem picus Martius ward ein eigener Walddämon, ein ländlicher Schutzgott, der die Wellentochter Canens liebt, 'die nichts weiter ist als eine Personifikation des Gesanges in seiner ältesten Wirkung und Bedeutung, wie er aus den Stimmen der Natur, aus Wäldern, Flüssen und Quellen in süssen und lockenden Klängen hervortönt als Gesang der Musen und Nymphen, als Orakel oder als Zauber Iwofür die Römer immer ein abergläubisches Ohr hatten'.')

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Echt italisch ist Faunus, der Holde, der gute Geist der Berge und Triften, den man im freien Felde oder in Höhlen und Hainen verehrte. Verliebt, ist er tückisch; mit gewaltiger Stimme ruft er aus dem Walde, dass die Herzen erbeben, oder sendet auch allerlei dämonische Plage im Schlaf und im Traume; wie Rübezahl mit seinem Spuk bleibt aber auch er gutmütig. Neben ihm steht Frau Hulda, Fauna, die keusche Mutter Erde, die der Wald- und Berggeist im Frühling befruchtet und trunken macht, so dass die Quellen wieder strömen und die Blätter wieder rauschen und die ganze Natur vom Taumel der Liebe ergriffen wird. Ein struppiger, neckischer, doch freundlicher Alter, der im Dickicht des Waldes haust, Fichten und Eichen und die An

pflanzungen der Menschen hütet, ist Silvanus. Die sabinische Feronia, die blumenbekränzte Jungfrau, ward zur Venus, zur Göttin des Frühlings und Gartens, aller Blüten, alles Naturreizes mit Inbegriff seiner Vergänglichkeit: ein Bild der sprossenden und treibenden, absterbenden und in neuer Pracht wieder erblühenden Vegetation. Zahlreich sind die Gottheiten der Agrikultur, von der bona dea bis zu den Genien herab, die jede einzelne Thätigkeit des Ackermannes, das Pflügen, Eggen, Säen etc. begleiten. Ein Kultus der Quellen, deren Vater der Gott alles Ursprungs, Janus, ist, ist altitalisch; aber der Zug zur See, zu den Wundern des Meeres fehlt; Fluss- und Meergottheiten sind griechisch oder etruskisch.

Es ist eine in der Geschichte der Völker sich oft wiederholende Thatsache, dass nicht bloss mit der sich erweiternden äusseren Macht und der sich hebenden geistigen Kultur die ursprüngliche Sittenreinheit und gediegene Einfachheit der Gewohnheiten schwindet, sondern dass auch neu eindringende Bildungselemente, für welche eine Zeit noch nicht reif ist, eine Gährung hervorrufen, welche eine organische Entwicklung des Nationalen zunächst benachteiligt und hemmt: erst allmählich kann sich ein erspriesslicher Amalgamationsprozess vollziehen.

Die Kunst blieb in Rom immer etwas Fremdes, 'sie genoss niemals die Liebe, welche das Selbsterzeugte erhält'. Erst in der Zeit, wo der echt römische Charakter zu wanken beginnt und das allgemeine sittliche Leben der Auflösung zu verfallen droht, erwächst eine Kunst, die wesentlich Nachahmung bleibt und selten zu freier, eigener Produktion sich erhebt. Gross sind die Römer, so lange sie sich fest in den Grenzen halten, die ihrem ganzen Wesen entsprechen, so lange sich das Individuum völlig dem Gemeinwesen unterordnet, ja aufopfert aber ohne Individualität keine

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