Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

50 Jahre jünger als Pacuvius ist der nicht minder bedeutende Tragiker Accius; er sah den greisen Cato in seiner reaktionären Thätigkeit und ging noch mit dem jungen Cicero um; und in dieser langen Reihe von Jahren ward seine Phantasie und seine Lebensanschauung durch die gewaltigsten politischen Eindrücke befruchtet und angeregt, und neben der staatlichen Entfaltung nahm jene geistige revolutionäre Bewegung immer weitere und tiefere Dimensionen an, welche die echt römische Denkart in den Strom hellenischer Bildung untertauchte. Während Accius in seiner Polyhistorie und in seinen grammatischen und antiquarischen Studien ein Schüler der Alexandriner war, behauptet in seinen Tragödien Sophokles ein gewisses Übergewicht. Schwung und Kraft, Erhabenheit und Anmut paaren sich in seinen phantasievollen Schilderungen.

Finsternis bricht ein mit dem Sturm, der in der Clytaemnestra die Schiffe der heimkehrenden Griechen zerstreut fr. III (32): Deum regnator nocte caeca caelum e conspectu abstulit, 'der Götterherrscher hat mit dunkler Nacht den Himmel dem Anblick entrückt'; dann peitschen die aufgeregten, 'mitleidlosen' Wellen die Schiffe und zerschellen sie an den Klippen fr. IV (33): Flucti inmisericordes iacere, taetra ad saxa adlidere. Im Atreus fr. XIII (223) tönen die trüben Flächen des Himmels plötzlich erschüttert von dem grimmen Donner': Sed quid tonitru turbida torvo Concussa repente aequora caeli Sensimus sonere?

Wie bei Apollonios die Hirten beim Anblick der Argo, die sie für ein Meerungeheuer halten, die Flucht ergreifen, schildert bei Accius in der Medea fr. I (291) ein Hirt, der auch noch nie ein Schiff gesehen hat, den Eindruck dieser wunderbaren Erscheinung: 'Die gewaltige Masse gleitet rauschend von der hohen See her mit gewaltigem Schall und Schnauben, wälzt vor sich die Wellen, erregt mit Gewalt hohe Kämme, stürzt vorgleitend, wirft und streut hinter sich das Meer (pelagus respargit, reflat); bisweilen möchte man glauben, ein Stück Sturmwolke wälze sich daher (ita dum interBiese, die Entwicklung des Naturgefühls bei den Römern. 2

ruptum credas nimbum volvier), bisweilen dass ein hoher Fels von den Winden oder Stürmen abgerissen dahingetrieben werde (dum quod sublime ventis expulsum rapi saxum aut procellis), oder dass kugelförmige Wasserwirbel entstehen durch den Zusammensturz der Wellen (vel globosos turbines existere ictos undis concursantibus), wenn nicht das Meer irgend welche Erdhaufen in Bewegung setzt oder etwa Triton mit dem Dreizack die Höhle vom Grunde aufwühlend im wogenden Meer die steinerne Masse aus der Tiefe zum Himmel emporhebt (nisi quas terrestris pontus strages conciet, aut forte Triton fuscina evertens specus supter radices penitus undante in freto, molem ex profundo saxeam ad caelum erigit). Die runde, anschauliche, volle Schilderung verrät eine reiche, lebhafte Phantasie.

Im Önomaus schildert Accius fr. I (493) den frühen Morgen kurz vor der Morgenröte, der Künderin glühender Strahlen, wenn die Bauern die Ochsen aus dem Schlafe rufen, dass sie mit dem Eisen die betaute rauchende Erde (rorulentas terras fumidas) durchschneiden und die Schollen aus dem weichen Boden heben.

Die gelandeten Argonauten scheinen den Hafen zu besingen Phinid. I (569): 'Hier, wo am krummen Ufer Welle an Welle mit Gebell rauschend dahingleitet'; der reiche Ausdruck malt hübsch:

Hac ubi curvo litore latratu

Unda sub undis labunda sonit,

sie freuen sich am neckischen Echo II: 'Zugleich auch kichert ringsum von den wiederhallenden Felsen das lieblich schallende Echo mit klingendem Klange': Simul et circum magna sonantibus Excita saxis suavisona echo

Crepitu clangente cachinnat.

Vergleiche des Geistigen mit dem Natürlichen begegnen uns im Atreus fr. XX (234), wo ein ähnlicher Gedanke des Euripides (Hec. 592) dahin gewandt wird, dass wie ein gemeines Saatfeld durch Pflege edle Früchte hervorbringen könne, ebenso auch eine edle Mutter von einem niedrig gesinnten Manne des Stammes unwürdige

Nachkommen zu gebären pflege: Probae etsi in segetem sunt deteriorem datae Fruges, tamen ipsae suapte natura enitent; und im Önomaus fr. VII (504) sagt der König, Neid und heimliche Tücke unterwühle ihm den Boden, wie den gewaltigen Felsblock in der Brandung des Meeres die Flut allmählich von unten benage, bis er zusammenstürze: Saxum id facit angustitatem, et sub eo saxo exuberans, Scatebra fluviae radit rupem.

Philoktet, der im Schmerze sich am liebsten in die salzigen Wogen vom hohen Fels herabstürzen möchte (fr. XIX), will fr. XX (566) lieber die grause Öde vom Nordpol ertragen, wo das schaurige Brausen des Nordwinds die eiskalten Schneemassen aufwirbelt, als sich mit den Griechen versöhnen: Sub axe posita ad stellas septem, unde horrifer Aquilonis stridor gelidas molitur nives. Poetische Klangfarbe trägt die Anrufung des Sonnengottes Phön. I (581, vgl. Eurip. Phön. 1): 'O Sol, der du auf glänzendem Wagen und mit schnellen Rossen die schimmernden Flammen in glühendem Glanze entfaltest, weshalb denn zeigst du unter so widrigen Vorzeichen Theben dein strahlendes Licht'

Sol, qui micantem candido curru atque equis
Flammam citatis fervido ardore explicas,
Quianam tam adverso augurio et inimico omine
Thebis radiatum lumen ostentas tuom
inc. inc. fab. XCIX (183).

? vgl. fr.

Die Lokalschilderungen sind ohne Bedeutung; die fruchtbare Ebene von Amphissa Erigona I (49), der Parnass fr. inc. fab. VIII: Hinc colomen alte geminis aptum cornibus; der von grünen Büschen umlaubte Cithaeron Bacch. VI (243), (frondet viridantibus fetis), den die silvicolae Fauni und die Bacchen durchschweifen, deren Brust vom Halse herab Guirlanden von herbstlich bunt gefärbtem Weinlaub umschlingen fr. XV (257). —

Es liegt in dem Wesen der römischen Komödie, deren Gegenstand das gewöhnliche bürgerliche Leben mit seinen kleinen Intriguen und Verwicklungen und deren Sprache die vulgäre Umgangssprache ist, dass sie dem Landschaftlichen nur geringen Raum giebt,

dass Bilder und Gleichnisse selten und nur von geringem dichterischen Werte sind. Plautus und Terenz führen uns daher in keiner nennenswerten Weise über die Tragiker hinaus, mögen auch hie und da Meer und Strand wie im Rudens v. I u. 161 ff, ein Fluss in den Bacch. 52, häufiger Nacht und Morgen geschildert werden es geschieht mit durchaus nüchternen Worten; oder mögen bildliche Wendungen sich finden, wie wenn der Liebhaber im Mil. glor. 669 verheisst: 'Sanfter werd' ich sein als das stille Meer, lispelnder als ein Zephyrwindchen immer nur zu wehen pflegt':

Leniorem dices quam mutumst mare

Liquidiusculusque ero quam ventus est favonius, oder wie der auf und nieder wogende Sinn Merc. V, 2, 49 (animus fluctuat), oder das bildliche Terenzische Wort Andria v. 480: Ich schiffe im Hafen, d. h. ich bin im Hafen der glücklichen Ehe angelangt, (ego in portu navigo) u. ä. Den durchaus derb realistischen, echt römischen Menschen der Komödie liegt jede Sentimentalität fern, das Leben auf dem Lande, wohin die Alten sich zeitweise zur Kräftigung der Gesundheit zurückziehen, wird im Gegensatz zum Stadtleben wohl oft erwähnt, eine etwaige Neigung zu demselben spricht sich aber immer in trockenster und geschäftlichster Weise" aus. 11)

Zweites Kapitel.

Lucretius. Cicero. Catullus.

Die bedeutendste Dichterindividualität der sinkenden Republik, wenn nicht überhaupt des voraugusteischen Zeitalters ist Lucretius Carus mit seinem grossen Gedicht über das Wesen der Dinge', de rerum natura. Es gehörte ein hohes Selbstgefühl und eine bewundernswerte Kraft zum Beginnen und Vollenden eines solchen Werkes, das die materialistische Lehre der Griechen, die Atomistik eines Epicur und Empedokles in der schwerfälligen Form römischer Verse zu behandeln wagte. Für unser Thema ist es von eminenter Bedeutung durch die Natur- und Weltanschauung des Dichters überhaupt wie auch durch die Reflexionen über Naturerscheinungen und die imposanten Schilderungen derselben.

Ein glühender Enthusiasmus für die Wahrheit des Systems, das er entwirft, und ein heiliger, leidenschaftlicher Unwille gegen den Aberglauben seiner Zeit sind die Schwingen, die ihn über die Schwierigkeiten seines Unternehmens hinwegtragen; denn trotz der Breite und Trockenheit vieler physiologischer Demonstrationen lässt der Ernst und die Kraft der Darstellung alle Mängel vergessen. Er entgöttert die Natur, indem er alle ihre Erscheinungen auf mechanische Weise erklärt und die

« ZurückWeiter »