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des

Vereines deutscher Ingenieure.

1867.

Band XI. Heft 13.

Supplementheft.

Als ein erfreuliches Zeichen thätiger Theilnahme der Herren Vereinsmitglieder an unserer Zeitschrift hat sich das vorhandene Material in lezter Zeit der Art gehäuft, daß, um dem berechtigten Verlangen der Herren Einsender nach baldiger Verwendung ihrer Manuskripte zu entsprechen, eine außerordentliche Maßregel nöthig wurde. Das Bedürfniß dazu wurde gesteigert durch die umfäng= lichen Vorträge und Verhandlungen unserer leßten Hauptversammlung, über welche bei ihrem besonderen Charakter als vereinigtes nachträgliches Stiftungsfest unseres Vereines und des Vereines Hütte" besonders diejenigen Herren Mitglieder, welche dem Feste nicht selbst beiwohnen konnten, einen möglichst vollständigen Bericht und zwar bald zu erhalten erwarten durften. Die ausdrück

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Angelegenheiten des Vereines.
Neunte Hauptversammlung des Vereines.

Am 13. bis 15. Juni 1867 in Alerisbad.

Bereits bei der Gründung unseres Vereines am 12. Mai 1856 in dem freundlichen Badcorte Alexishad im Harze wurde der Wunsch rege, das zehnte Stiftungsfest desselben, in Gemeinschaft mit dem 20. Stiftungsfeste der Hütte, wieder am Geburtsorte des Vereines feiern zu können. Erst bei der Hauptversammlung des Vereines zu Breslau im September 1865 wurde diese Absicht zu definitivem Beschlusse erhoben, und sollte das zehnte Stiftungsfest in der zweiten Hälfte der Woche nach Pfingsten 1866 in Alerisbad gefeiert werden.

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Mit regstem Eifer wurde von beiden Vereinen, dem Ingenieurvereine und der Hütte" die Vorbereitung zu diesem Feste getroffen; der sächsisch - anhaltinische Bezirksverein übernahm die mühsamen Vorarbeiten zur würdigen Abhaltung der Feier. Es ist noch in Aller Gedächtniß, wie plöglich im Mai des vergangenen Jahres drohende Stürme am politischen Horizont sich aufthürmten, die bald eine derartige Ausdehnung annahmen, daß von der Abhaltung des Festes Abstand genommen werden mußte. Viele jüngere Mitglieder des Ingenieurvereines, viele ältere Mitglieder der Hütte" folgten dem Rufe zu den Waffen, welcher plöglich durch ganz Deutschland ertönte, der jede Festfreude verstummen machte und zu ganz anderer Thätigkeit, zu ganz anderem Sinnen hinlenkte.

Die Absicht Derjenigen, welche den Beschluß gefaßt hatten, das zehnte Stiftungsfest des Vereines an seiner Geburtsstätte feiern zu wollen, mußte hierdurch selbstverständlich vereitelt werden; diese Absicht blieb aber in aller Herzen bewahrt und wurde von Neuem aufgenommen, als das politische Wetter sich gelegt, als Deutschland zu neuer Kraft wiederum erwacht war. Der Vorstand des Vereines faßte nunmehr den Beschluß, das Fest dennoch zu feiern, und zwar ein Jahr später, als ursprünglich beabsichtigt wurde, in der Pfingstwoche des Jahres 1867. Auch die Hütte" er= klärte sich bereit, wiederum in Gemeinschaft mit dem Ingenieurvereine die Nachfeier ihres 20. Stiftungsfestes abzuhalten, und so konnten bereits zu Anfang dieses Jahres die Tage vom 13. bis 15. Juni den Mitgliedern als die Festtage bezeichnet werden.

Mit erneutem Eifer wurden die Vorbereitungen nunmehr ge=

troffen; der sächsisch-anhaltinische Bezirksverein wählte ein Fest= comité, dessen Vorsitzender Hr. Rienecker, Einfahrer a. D., stellvertretender Vorsigender Hr. Fabrikbesiger Jannasch, beide zu Bernburg waren, welche sich mit dem Festcomité der Hütte" (Vorsitzender: Hr. Franz Tischler) vereinigten, um die Feier in harmonischer Weise zu veranstalten. Wie geschickt die schwierige Aufgabe seitens dieser Herren gelöst wurde, wird sicherlich in dem Gedächtnisse Derjenigen bewahrt bleiben, welche an dem schönen Feste Theil nahmen. Der Dank der Mitglieder beider Vereine, sowie der zahlreich anwesenden Gäste, wurde dem leitenden Comité wiederholt und auf's Anerkennenste ausgesprochen.

Die Theilnahme an der Versammlung muß als eine rege bezeichnet werden, wenn auch von manchen Seiten ein größerer Zuspruch erwartet wurde. Viele Mitglieder kamen aus weiter Ferne, um mit Fachgenossen, mit den Freunden ihrer Jugend, ein Fest zu feiern, welches sie zurückversezte in die schöne, sorgenlose Zeit der Studien, welches sie im Geiste zurückführte in die Lage, an welchen der Verein deutscher Ingenieure von einer zwar kleinen, aber im Vertrauen auf ihre gute Sache starken Anzahl von jungen Ingenieuren gegründet wurde.

Die Liste der Festtheilnehmer zählte 220 Namen, darunter 126 Mitglieder des Vereines deutscher Ingenieure, 62 Mitglieder des Vereines, Hütte". Erstere vertheilten sich, nach den einzelnen Bezirks- und Zweigvereinen geordnet, folgendermaßen : Sächsisch-anhaltinischer Bezirksverein. 23 Mitglieder. Berliner Bezirksverein Westphälischer

Magdeburger

10

6

5

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Pfalz-Saarbrücker Bezirksverein

Aachener Bezirksverein

Bezirksverein an der Lenne

Verein zu Chemnit

Oberschlesischer Bezirksverein
Thüringer

Technischer Verein für Eisenhüttenwesen
Breslauer Bezirksverein

~22221

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Am Mittwoch, dem 12. Juni, Nachmittags, kamen die Festtheilnehmer in dem freundlichen, mit Ehrenpforten und Flaggen geschmückten Alerisbade an, empfangen von dem Festcomité, welchem Die schwierige Aufgabe zu Theil geworden, die Theilnehmer in dem kleinen Orte unterzubringen, was jedoch zu allseitiger Zufriedenheit gelang. Bis spät in die Nacht hielt das schöne Wetter die aus Nah und Fern herbeigekommenen Fachgenossen mit freundschaft= lichem Gespräche unter den alten Eichen der Promenade zusammen; bei rauschender Musik der Badekapelle wurde hier manches Glas auf das Wohl des Vereines, auf das Wohl der einzelnen, nach langer Zeit wieder zusammengetroffenen Freunde geleert.

Am Donnerstag, dem 13. Juni, Vormittags 10 Uhr fand in dem geräumigen Cursaale die erste gemeinschaftliche Sizung beider Vereine Statt.

Hr. Sanitätsrath Schauer aus Alerisbad bestieg die Rednerbühne und richtete folgende Worte an die Versammlung:

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M. H. Im Namen der Herzogl. Regierung und des Vorstandes des Alerisbades begrüße ich Sie mit einem herzlichen Willkommen. Das verflossene Jahr hat unsere Hoffnung, Sie hier zu sehen, nicht erfüllt; in diesem Jahre sind die drohenden Kriegsgefahren glücklich vorübergegangen; Sie haben kein Hinderniß unüberwindlich gefunden, sich hier zu versammeln. Ihr schöner Beruf, m. H., nach allen Richtungen, in allen seinen Verzweigungen, bedarf so recht der Segnungen des Friedens, wenn seine Werke auch fernerhin der Welt zum Fortschritte und zum Heile gereichen sollen. Seit dem Jahre 1815, als die Kriegesfackel gelöscht war, ist Großes von Ihnen geschehen; unser Jahrhundert ist reich an Früchten, die Ihr Geist und Ihre Thätigkeit uns gebracht. Die Weltausstellung zeugt von Ihren Werken. Industrie und Gewerbethätigkeit feiern dort ihre Triumphe; es ist ein industrielles Fest, was dort begangen wird und was des Friedens bedarf. Möge denn auch dieses Fest, zu welchem Sie sich hier so zahlreich versammelt haben, Ihnen ein rechtes Fest der Freude und des Friedens sein! Mögen Ihre Berathungen und Ihre Zwecke von dem höchsten Baumeister der Welten, dem Geber alles Wahren und Guten, auch ferner gesegnet werden zu der Welt Nugen und zu Ihrer Ehre! Dann werden Sie, m. H., daheim, wenn Sie sich Ihres frohen und nüglichen Zusammenseins hier erinnern, auch in Liebe unseres kleinen Thales gedenken, und in den Annalen von Alerisbad wird die Nachwelt mit goldenen Ziffern der Dankbarkeit gegen Gott, der Sie hier zusammengeführt hat, diese Tage aufgezeichnet finden. Gott segne Ihren Eingang!" (Lebhafter Beifall.)

Vorsitzender: Im Namen der hier versammelten Vereine danke ich der Herzogl. Regierung und ihrem geehrten Vertreter für die freundlichen Bewillkommnungsworte und für die herzliche Aufnahme, die wir hier fanden.

Im Auftrage des Vorstandes des Vereines deutscher Ingenieure eröffne ich die Versammlung und heiße Sie alle herzlich willkommen.

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nisse haben seitdem Deutschland erschüttert durch Kämpfe, in welchen leider auch deutsches Blut von deutschen Brüdern vergossen werden mußte; so schwer aber auch die Erinnerung an jene Zeiten auf Manchem noch immer lasten mag, so lassen Sie uns doch nicht vergessen, daß unendlich Großes in jenen Kämpfen geleistet wurde, daß über den Gräbern unserer gefallenen Brüder die Morgenröthe einer neuen, hoffnungsreichen Zukunft emporleuchtete: ebenso wie vor hundert Jahren die Siege des großen Friedrich Preußen und Deutschland in allen Erdtheilen neue Achtung verschafften, und der Nation das in langen traurigen Zeiten geschwundene Selbst= bewußtsein wiedergaben, so geht auch aus den Ereignissen des Jahres 1866 Deutschland wesentlich gestärkt dem Auslande gegenüber hervor. Das Vertrauen der Nation auf ihre eigene Kraft und Intelligenz, und die Hoffnung auf die Wiederkehr eines einigen, ge= waltigen deutschen Reiches haben fester als je zuvor Wurzel gefaßt. Wie ein Geburtsfest im Leben des Einzelnen zu einem Rückblicke auf die Vergangenheit und zu ernster Erwägung der Zukunft Veranlassung giebt, so möge auch der Abschnitt in der Geschichte des

Vereines deutscher Ingenieure,

welchen wir heute feiern wollen, uns zur Betrachtung der Frage auffordern: was hat der Verein bis jezt erstrebt, welches ist sein Ziel für die Zukunft, welche Grundlage und Mittel hat er hierfür?

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Die Zwecke des Vereines sind klar ausgesprochen in seinen Statuten: er soll anstreben ein inniges Zusammenwirken der geistigen Kräfte deutscher Technik zur gegenseitigen. Anregung und Fortbildung im Interesse der gesammten Industrie Deutschlands.""

Wenn als Bestandtheile, als thätig wirkende Glieder des Vereines die geistigen Kräfte deutscher Technik"" bezeichnet sind, so haben wir damit, im Gegensaße zu den vorwiegend durch die Kraft und Geschicklichkeit ihres Armes wirkenden Arbeitern und Handwerkern, unseren Mitgliederkreis aus Ingenieuren zu= sammensetzen wollen, welche, geftüßt auf wissenschaftlich-technische Studien in den verschiedenen Gebieten der Industrie: im Maschinenfache, im Schiffsbaue, im Ingenieurbauwesen, in der Architektur, im Bergbaue und Hüttenbetriebe, in den chemischen und physikalischen Fabricationszweigen praktisch thätig sind, also mit Ausschluß der jüngeren erst im Studium begriffenen Kräfte; es sind ferner die Docenten der technischen Wissenschaften an den polytechnischen Lehranstalten und den dazu vorbereitenden Mittelschulen willkommene und wichtige Mitglieder unseres Vereines, sowie diejenigen Staatsbeamten, deren Ausbildung und Stellung ste in engere Verbindung zur Industrie bringen, wie die Berg- und Baubeamten; nicht minder die vorwiegend der commerciellen Praris angehörigen, jedoch auch in inniger Beziehung zur Technik stehenden Gewerken, Fabricanten und kaufmännischen Directoren großer Etablissements, welche stellenweise, z. B. in der Gewebe- und Papierfabrication, in der Klein-Industrie von Solingen, Remscheid, Hagen, Iserlohn, und in manchen Bergwerksdistricten vorzugsweise als die Repräsen= tanten der Gewerbethätigkeit auftreten.

Durch jene Mitwirkung der technischen Lehrer an unserer gemeinsamen Arbeit reichen sich Praris und Wissenschaft die Hand zu segensreichen Wechselbeziehungen und Fortschritten im Gebiete der Technik, und aus dem Zusammenwirken mit den verwandten commerciellen Kreisen und Staatsbehörden entspringen wichtige Folgen für die gesammte Industrie.

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Bestanden auch in den ersten Jahren des Vereines deutscher Ingenieure, seinem Ursprunge aus der Hütte" und der nur geringen, überhaupt vorhandenen Zahl älterer Techniker entsprechend, die Mitglieder vorzugsweise aus jüngeren Kräften, so ist doch all= mälig durch Vorrücken dieser jüngeren Ingenieure in größere Stellungen und besonders durch Zutritt der meisten älteren Fachgenoffen ein kräftiger Stamm während der seitherigen Entwickelung des Vereines gebildet. In Norddeutschland sind die meisten Industriebezirke durch zahlreiche und bedeutende Techniker in unserem Vercine vertreten, und nicht nur in der gegenwärtig 1300 übersteigenden Zahl seiner Mitglieder, sondern auch in der hervorragenden Stellung vieler derselben in der deutschen Industrie er= kennen wir einen erfreulichen Fortschritt gegenüber der Stiftung am 12. Mai 1856, wo 23 junge Ingenieure den Verein gründeten. Hoffen wir auf eine ebenso gedeihliche Entwickelung auch ferner, damit der Verein immer mehr ein Mittelpunkt für die geistigen Kräfte deutscher Technik werde.

Es soll der Verein ein inniges Zusammenwirken dieser Kräfte

zu gegenseitiger Anregung und Fortbildung anstreben, und zwar zunächst eine persönliche Annäherung der Fach= genossen im Allgemeinen: Ingenieure der verschiedenen Fächer und Gegenden finden im Vereine Gelegenheit, sich kennen zu lernen, ihre Ansichten auszutauschen, interessante Fragen mit Berufsgenossen zu besprechen; es verschwindet die abgeschlossene und engherzige Zurückhaltung, welche in älteren Zeiten so vielfach auftrat. Wenn ich von meinen persönlichen Erfahrungen sprechen darf, so bekenne ich mit Freuden, daß ich in unserem Vereine manchen treuen Freund gewonnen habe, daß ich dem Besuche der Versammlungen im Hauptvereine und in den Specialvereinen die anregendsten, meine Kenntnisse befördernden Stunden verdanke, und daß ich in Folge der Verzweigung des Vereines über die deutschen Industriebezirke kaum eine Gegend oder ein Werk besucht habe, ohne als Fachgenosse, als Vereinsmitglied die freundlichste Aufnahme zu finden. Bildet für den Kaufmann in den größeren Städten die Börse einen Eentralpunkt zum Verkehre mit den Berufsgenossen, so gewähren unsere Vereinsversammlungen nicht minder eine Ge= legenheit, die Fortschritte und Interessen des Ingenieurfaches zu besprechen, Bekanntschaften anzuknüpfen und zu unterhalten.

Besonders wichtig ist die hierdurch ermöglichte Annäherung der Techniker aus verschiedenen Zweigen der Industrie: Während in den gelehrten Fächern wenig Beziehungen zwischen den Interessen der Juristen und Mediciner, der Theologen und Naturforscher eristiren, bietet im Gegentheil die Technik die erfreuliche Eigenthümlichkeit, daß alle ihre verschiedenen Zweige in inniger Wechselwirkung zu einander stehen: Der Maschinentechniker hat stetes Bedürfniß, den Fortschritten des Bauwesens zu folgen; Bergbau und Hüttenbetrieb stüßen sich auf physikalische und chemische Technik, auf Bau- und Maschinenfach, und umgekehrt. Keine bessere Gelegenheit kann sich dem Ingenieur darbieten, um stetig nicht nur in seinem Fache, sondern auch in den benachbarten Ge= bieten der Technik sich zu orientiren, als gerade die Vereinsver= sammlungen und der dadurch erleichterte Verkehr mit Fachgenossen.

Nicht minder hervorzuheben ist die Bedeutung der Versammlungen für die Annäherung zwischen den älteren und jûngeren Technikern: Diese lernen im Verkehre mit den ersteren immer mehr die Praris des Berufes verstehen, und andererseits gewinnen die Directoren der Werke Gelegenheit, die geeignetste Auswahl für ihre Bedürfnisse unter jüngeren Kräften zu treffen.

Zwischen den ausübenden Ingenieuren und den Docenten an technischen Lehranstalten bildet der Verein ein naturgemäßes Band, und mit besonderer Genugthuung begrüße ich die Fortschritte, welche unser Verein und seine Zeitschrift diesen Wechselbeziehungen verdanken.

Das vom Vereine deutscher Ingenieure angestrebte innige Zusammenwirken der geistigen Kräfte deutscher Technik soll das Interesse der gesammten Industrie Deutschlands zum Ziele haben. Wie bei der Gründung des Vereines und den ihr vorangegangenen Berathungen der deutsch-nationale Standpunkt des Vereines hervorgehoben und troß der damals noch weniger als jezt erfolgten Einigung unseres gemeinsamen großen deutschen Vaterlandes zur Anbahnung einer besseren Zukunft fest= gehalten ward; wie es damals entschieden wurde, daß soweit die deutsche Zunge klingt, auch wir in unserem Kreise im Interesse der vaterländischen Industrie wirken wollten: so hat sich dieses patriotische, von engherzigem Particularismus freie Streben auch bisher stets im Vereine geltend gemacht, und wenn es leider uns auch noch nicht gelungen ist, namentlich in den deutschen Mittelstaaten eine erhebliche Mitgliederzahl zu gewinnen und das mißtrauische Bedenken zu beseitigen, mit welchem unser vorwiegend in Preußen ausgebreiteter Verein betrachtet wurde so wird doch der Tag nicht fern sein, wo die Ingenieure jener Theile unseres gemeinsamen Vaterlandes erkennen werden, daß eine Zurückhaltung, cine Absonderung von unserem einmal gebildeten und kräftig emporgeblühten Vereine ebenso wenig in ihrem wahren Interesse liegen fann, als es der Bevölkerung, dem Staatsleben jener Districte auf die Dauer möglich ist, eine würdige und gedeihliche Eristenz ohne innigen Anschluß an die Macht zu führen, welche seit mehr als einem Jahrhunderte die Fahne des Fortschrittes in geistiger und materieller Hinsicht hoch zu halten und gegen innere und äußere Feinde des deutschen Reiches stegreich zu vertheidigen wußte.

Eine naturgemäße Folge der Ausbreitung unseres Vereines ist, daß die Ingenieure der verschiedenen Industriebezirke sich durch seine Einwirkung, durch den persönlichen Verkehr auf den Hauptversammlungen, durch gemeinsame Thätigkeit an der Zeitschrift

näher kennen lernen: Es werden dadurch, außer der schon oben berührten Anknüpfung persönlicher Beziehungen, auch wichtige Erfolge für das gemeinschaftliche Fach und für die deutsche Industrie erzielt. Scheinbare Gegenfäße gleichen sich bei näherer Bekanntschaft aus; die Modificationen, welche die Gewerbethätigkeit einzelner Districte und Localitäten bedingt, reihen sich als Glieder an eine große Kette an; man erkennt immer mehr die Zusammengehörigkeit der Interessen in dem gemeinsamen Vaterlande. Und wie schon die Technik durch ihre epochemachenden Schöpfungen der Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen, durch Kohle und Eisen ganz neue Bande zwischen den bisher isolirten, einander nur wenig kennenden Nationen angeknüpft und befestigt hat, so werden für die Träger der Technik, die Ingenieure, in Deutschland durch unseren Verein von Jahr zu Jahr mehr jene gemeinschaftlichen Beziehungen hervortreten und zum Nußen des Vaterlandes gepflegt werden.

Das Interesse der gesammten Industrie Deutschlands soll unser Verein, als Vertreter der Ingenieure, dem Staate und dessen übrigen Bestandtheilen gegenüber wahren: Unserem noch vor wenigen Jahren kaum gekannten Stande, the last but not the least in der Organisation der bürgerlichen Gesellschaft, mangelt es noch vielfach an einer geeigneten Vertretung seiner Interessen, und es ist z. B. dadurch, daß das Bauwesen schon viel früher in Preußen eine geregelte, einheitliche Ausbildung erhalten hatte, die abnorme und ungerechte Thatsache zu erklären, daß alle obersten technischen Stellen bei den Staatseisenbahnen nur von Baubeamten bekleidet werden, während den Chefs des Maschinenwesens trog ihres so wichtigen Wirkungskreises der Eintritt in die Directionen unmöglich ist; daß ferner Bau- und Bergbeamte mit der Reviston der Dampfkessel betraut sind, zu welcher ihnen sowohl die Kenntnisse als die Erfahrungen weniger zu Gebote stehen, als den Ingenieuren, und wodurch schließlich nur eine Belastung, eine Besteuerung der industriellen Etablissements, keinesweges aber die im staatlichen Interesse eigentlich bezweckte vermehrte Sicherheit erzielt wird.

Ich erinnere ferner an unsere Verhandlungen über Patentgesetzgebung, über die Einführung des Metermaßes, über die der Organisation polytechnischer Schulen zu Grunde zu legenden Principien, um zu zeigen, nach welchen Richtungen unser Verein berufen und bestrebt ist, die gemeinsamen Interessen des Faches dem Staat und Publicum gegenüber zu wahren. Wenn auch bisher kein nennenswerther Erfolg unsere Bemühungen in jener Beziehung krönte, so ist es doch nicht zweifelhaft, daß eine richtigere Anschauung, eine gerechte Würdigung der Stellung des Ingenieurs sich allmälig Bahn brechen wird, und dürfen wir nicht unterlassen, bei jeder Gelegenheit unsere Bestrebungen in diesem Sinne zu er=

neuern.

Dem Auslande gegenüber foll endlich unser Verein die Interessen der gesammten Industrie Deutschlands wahren: Durch seine Leistungen im speciellen Gebiete, durch einiges, patriotisches Zusammenwirken in allgemeinen Fragen foll jeder deutsche Ingenieur und mit ihm der gemeinsame Centralund Vereinigungspunkt, der Verein deutscher Ingenieure, an der ehrenvollen Aufgabe mitzuwirken suchen, dem Auslande gegenüber ebenbürtige Leistungen in dem friedlichen Kampfe der industriellen Thätigkeit aufzuweisen.

Fragen wir nun: auf welchem Wege, mit welchen Mitteln sind die eben aufgezählten Zwecke unseres Vereines bisher erreicht? so wird uns ein kurzer Ueberblick über die Institutionen desselben und die seitherige Wirksamkeit seiner verschiedenen Organe die Antwort liefern.

Der Verein deutscher Ingenieure besteht einerseits aus einem Hauptverein, welcher jährlich eine Wanderversammlung, analog denen der deutschen Naturforscher und Aerzte, der Juristen, der british association for the advancement of science abhält, im Gegensaße zu diesen Vereinen aber durch eine eigene Zeitschrift ein beständiges Band zwischen den einzelnen Mitgliedern herstellt. Der Director und der Geschäftsführer des Vereines und die Redacteure der Zeitschrift bilden die ständigen Beamten, welche die Geschäfte leiten, während ein jährlich wechselnder Vorfigender und ein in jeder Generalversammlung theilweise erneuerter Vorstand von 4 Mitgliedern die wechselnden Elemente der Vereinsleitung darstellen; eine genügende Stabilität wird durch diese Einrichtung mit stetem Hinzuziehen neuer frischer Kräfte verknüpft.

Es hat andererseits der Verein deutscher Ingenieure eine reiche Gliederung in seiner Organisation dadurch, daß in den ver

schiedenen Industriedistricten besondere, ihm angehörige Bezirksvereine entstanden sind, welche in ähnlicher Weise, wie der Hauptverein, aber speciell für enger begrenzte Gegenden die Annäherung der Mitglieder und ihr Zusammenwirken in technischer Hinsicht durch Versammlungen ic. bezwecken. Auch haben wir einen außerordentlich kräftig entwickelten Zweigverein für eine specielle Richtung der Technik, das Eisenhüttenwesen, am Niederrhein, in Westphalen und Hannover unter den Gliedern des Vereines deutscher Ingenieure rühmend zu erwähnen.

Von den aufgezählten Hauptorgayen des Vereines haben sich die meisten durch die bisherige Praris vortrefflich bewährt, wenn auch in mancher Hinsicht noch Verbesserungen wünschenswerth sind.

In Betreff der Bezirks- und Zweigvereine erlaubte ich mir in meinem der vorigen Generalversammlung abgestatteten Berichte*) besonders darauf hinzuweisen, daß eine rasche Veröffentlichung der regelmäßig zu führenden Protokolle über den technisch-wissenschaft= lichen Theil der Versammlungen viel dazu beitragen würde, deren Resultate zum Gemeingute aller Vereinsmitglieder zu machen und der Zeitschrift gediegene Beiträge zuzuführen.

Die Zahl unserer Bezirksvereine wächst in erfreulicher Weise von Jahr zu Jahr, und noch mancher Industriebezirk wird eine geeignete Stätte zum engeren Aneinanderschließen der Ingenieure bieten; besonders wünschenswerth würde es sein, wenn auch die Zahl der auf die Pflege einer speciellen Richtung der Technik berechneten Zweigvereine sich vermehrte, da in diesen die eingehendste Förderung der gemeinsamen Interessen erzielt werden kann, wie es das Beispiel des technischen Vereines für Eisenhüttenwesen beweist.

Hinsichtlich der Zeitschrift beschränke ich mich auf die Bemerkung, daß sie die verbreitetste und in der zahlreichsten Auflage erscheinende **) unter sämmtlichen technischen deutschen Journalen ist, und dürfte wohl kaum eine zweite aufzuweisen sein, welche bei gleichem Preise Aehnliches in Ausstattung und Inhalt bietet, abgesehen vielleicht von einigen amtlichen Organen, welche durch Staatszuschüsse und nicht wie bei uns, ausschließlich durch freien Verkehr der Mitglieder und Abonnenten erhalten werden. Wir verdanken dieses erfreuliche Resultat dem unablässigen und intelligenten Wirken unserer Redacteure, besonders des Hrn. Ludewig, welchem seit längeren Jahren die Hauptarbeit bei der Redaction obliegt, und der thätigen Mitwirkung vieler hervorragender Vereinsmitglieder.

Eine Aenderung, welche zum Zwecke haben soll, die Redaction der Zeitschrift in noch kräftigerer und concentrirterer Weise zu gestalten, wird in der morgen stattfindenden Versammlung Ihrer Prüfung unterbreitet werden.

Das in der Organisation des Vorstandes verfolgte Princip dürfte allseitig als ein zweckmäßiges anerkannt sein; ich kann nicht unterlassen, an dieser Stelle auf die großen Verdienste hinzuweisen, welche sich die beiden ständigen Mitglieder des Vorstandes, Hr. Director Grashof und der Geschäftsführer Hr. Duske, durch) treueste Führung ihrer Aemter um den Verein erworben haben: namentlich ohne die aufopfernde und umsichtige Thätigkeit unseres allverehrten Directors Grashof wäre es nicht möglich gewesen, die Existenz des Vereines in den ersten schweren Jahren zu sichern und ihn zu der gegenwärtigen Blüthe emporzubringen.

Die Hauptversammlungen werden vielen Mitgliedern, welche sie besucht haben, eine Duelle angenehmer Erinnerungen für die Anknüpfung und Befestigung freundschaftlicher Beziehungen zu Fachgenossen geworden sein; um dieselben im speciellen Interesse unserer wissenschaftlich-technischen Bestrebungen noch besser zu or= ganistren, dürfte es sich in der Folgezeit empfehlen, daß bei gesteigertem Besuche außer Plenarversammlungen auch besondere Sizungen für die Vertreter der einzelnen Hauptzweige der Technik stattfinden, in ähnlicher Weise wie bei den Versammlungen der deutschen und britischen Naturforscher.

Ich habe außer obigen Vereinsorganen noch die Commisfionen hervorzuheben, welche zur Berathung einzelner, besonders wichtiger Fragen gebildet wurden: Zur Besprechung über die Patentgeseggebung trat in Braunschweig im Jahre 1863 eine Conferenz zusammen, bestehend aus je einem Delegirten jedes Specialvereines;

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in ähnlicher Weise wurden im Jahre 1865 in Eisenach die der Organisation polytechnischer Schulen zu Grunde zu legenden Principien berathen und der späteren Beschlußfaffung in der Breslauer Generalversammlung ein allseitig geprüfter Stoff unterbreitet.

Sehr wünschenswerth wäre es, wenn solche Conferenzen öfter abgehalten würden, sobald hinreichend wichtige und allgemein interessante Fragen die Einwirkung des gesammten Vereines erfor= dern, und so oft es der Zustand der Vereinscasse gestattet. Durch eingehenden Meinungsaustausch auf derartigen engeren Zusammenkünften von besonders mit den betreffenden Fragen vertrauten Fachgenossen läßt sich viel cher, als in den zu vielfachen Zwecken in Anspruch genommenen Generalversammlungen, ein Gegenstand gründlich behandeln.

Auch für den Vorstand würden specielle Zusammenkünfte einmal jährlich in der Zwischenzeit von einer Generalversammlung zur anderen eine vortreffliche Gelegenheit bieten, um Vereinsangelegenheiten eingehender zu behandeln, als dies selbst durch die weitläufigste und mühsamste Correspondenz möglich ist, und um wichtige Fragen anzuregen und für die Verhandlungen in der Generalversammlung vorzubereiten. Der Anfang zu derartigen Conferenzen wurde durch eine in den lezten Tagen des vorigen Jahres in Berlin abgehaltene Vorstandssigung gemacht, und dürfte es sich empfehlen, diese Maßregel in der Folge zu wiederholen.

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Andere in den Statuten in Aussicht genommene Mittel zur Erreichung der Zwecke des Vereines sind bisher noch gar nicht oder nur in einigen Anfängen in's Leben getreten; jedoch werden die darin angestrebte „„, Stellung von Preisaufgaben und Anordnung von Versuchen zur Entscheidung technisch wichtiger Fragen und die Beförderung der Herausgabe brauchbarer technischer Werke"" sehr wirksame Hebel der Vereinsthätigkeit bilden, jemehr die steigenden Einnahmen Geldmittel für diese Zwecke disponibel stellen. Der Anfang in jener Richtung ist bereits gemacht durch die Preise, welche der technische Verein für Eisenhüttenwesen, unser Zweigverein, für die Behandlung der Frage über die Blasenbildung in Eisen- und Stahlblechen vertheilte, und durch die Versuche über Dampfkesselerplostonen, deren Ausführung die vorige Generalversammlung in Breslau beschloß.

Es verdient ferner hervorgehoben zu werden, daß unter dem Einflusse des Vereines ein Bureau zur Vertretung der Interessen deutscher Aussteller auf der diesjährigen Weltausstellung in Paris in's Leben gerufen wurde, worüber Ihnen im Laufe unserer Verhandlungen Bericht erstattet werden soll.

Ueberblicken wir diese Entwickelung des Vereines, so glaube ich, daß wir Ursache haben, nicht nur mit dem Umfange, sondern auch mit der inneren Ausstattung des Baues zufrieden zu sein, zu welchem an dieser Stelle vor einem Decennium der Grundstein gelegt wurde; haben sich auch noch nicht alle Hoffnungen und Pläne verwirklicht, so ist doch schon viel geschehen, und die Möglichkeit weiterer Fortschritte ist nahe gerückt.

Mit besonderer Genugthuung aber dürfen wir darauf zurückblicken, daß wir niemals, selbst nicht in Perioden, als der Kampf um unsere Eristenz ein schwerer war, irgend welche staatliche Beihülfe nachgesucht oder erhalten haben, im Gegensaße zu vielen ähnlichen Vereinen; ich glaube, wir können stolz darauf sein, daß wir nur unserer eigenen Kraft, der guten und zeitgemäßen Idee, welche der Verein repräsentirt, und der aufopfernden Thätigkeit unserer Beamten und Mitglieder unsere Fortschritte verdanken, und daß wir ohne fremde Unterstüßung, dadurch aber auch ohne irgend eine unsere Freiheit beschränkende Einmischung Anderer unsere An= gelegenheiten selbst verwalten.

Wir können ferner mit Befriedigung die freisinnige, von engherzigen Anschauungen freie Richtung hervorheben, in welcher unser Verein und die gesammte deutsche Industrie sich entwickelt hat: Während die Wissenschaft zuerst in Tempeln einge= mauert, dann in Klöstern eingeschlossen und endlich in Akademieen eingezwängt wurde"" (um mich der Worte eines geistreichen französischen Schriftstellers zu bedienen), ist im Gegentheil in der Technik eine solche kastenartige Absonderung von der Gesammtheit der Culturelemente des Faches kaum versucht worden, da die richtige Anschauung obwaltete, daß Freiheit der Entwickelung, harmonisches Zusammenwirken aller Kräfte dem Charakter unseres recht eigentlic) den Fortschritt repräsentirenden Gebietes am meisten entspreche, und von diesem Gesichtspunkte ist unser Verein ausgegangen, als er keine Akademie mit ängstlicher Auswahl hervorragender Meister, sondern ein freies und gleichberechtigtes Zusammenwirken der geistigen Kräfte deutscher Technik zu gegenseitiger Anregung und

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Daß noch nicht in allen Gauen unseres deutschen Vaterlandes unser Verein Anklang gefunden hat, ist, wie ich bereits hervorgehoben habe, wesentlich eine Folge politischer Verhältnisse; doch ist zu hoffen, daß Angesichts der neueren Ereignisse die bisher eine gesonderte Stellung einnehmenden, mit uns aber ähnliche Ziele verfolgenden Ingenieurvereine in Hannover und Sachsen eine Fuston mit uns nicht ablehnen werden, und daß wir andererseits in Süddeutschland und in der deutschen Schweiz neue Mitglieder und Bezirksvereine gewinnen.

Ob unser Verein jemals in den deutschen Theilen von Oesterreich und den benachbarten Gebieten von Baiern Wurzel faffen kann, wird wesentlich davon abhängen, ob jene Länder, welche berufen sind, deutsche Cultur die Donau hinab zu verbreiten, dauernd dem deutschen Reiche fremd bleiben, oder ob auch sie einst wieder in anderer Form Theile eines einigen deutschen Vaterlandes bilden werden.

Gestatten Sie mir im Anschlusse an diese Erwägungen über die Ausdehnung unseres Vereines auch kurz die Stellung zu erörtern, welche derselbe, gegenüber einigen anderen Vereinen von ähnlichen Tendenzen und Namen, einnimmt.

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In Norddeutschland befizt neben uns der von Beuth im Jahre 1821 gegründete Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen"" eine ansehnliche Ausdehnung und eine Bedeutung in gewissen Kreisen, welche durch die namhafte demselben gewährte staatliche Unterstützung aufrecht erhalten wird. Doch glaube ich mich nicht zu irren, wenn ich behaupte, daß die Aufgabe dieses in früheren Epochen unserer Industrie zeitgemäßen und segensreichen Vereines erfüllt ist: Der Gewerbefleiß braucht nicht mehr von oben herab befördert zu werden, sondern er verlangt nur Freiheit der Entfaltung, Hinwegräumung der noch aus früheren Zeiten, aus veralteten Anschauungen ihm entgegenstehenden Hindernisse.

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Als Gewerbevereine" oder „polytechnische Gesellschaften“ eristiren ferner in vielen Städten Vereine von Technikern, Fabricanten und Kaufleuten, deren Zweck, dem gemischten Charakter ihrer Bestandtheile entsprechend, mehr darin besteht, die Fortschritte der Technik und vernünftige Anschauungen über die Industrie in weitere Kreise zu tragen, als specifisch die Interessen des Ingenieurfaches und der Technik zu pflegen, wie es der Verein deutscher Ingenieure sich zur Aufgabe gestellt hat. Zur Erreichung dieses Zieles kann unser Verein nur ein freundschaftliches Zusammengehen, nicht aber eine Verschmelzung mit jenen verwandten, jedoch nicht seinen eigentlichen Kern darstellenden Elementen wünschen, da sonst der Umfang des Vereines auf Kosten des concentrirten Inhaltes bereichert würde.

Habe ich versucht, Ihnen ein Bild von der jezigen Gestaltung unseres Vereines zu entwerfen, so komme ich nun zu der für seine ganze Zukunft wichtigen Frage: Ist der Boden, auf welchem der Verein ruht, ein gesunder und tragfähiger?

Der Verein deutscher Ingenieure wurzelt in der deutschen Industrie: Nach ihrer Blüthezeit im Mittelalter hatte dieselbe lange Jahrhunderte schwerer Prüfung durchzumachen, ist aber in der Neuzeit, gestüt auf gesunde natürliche Verhältnisse, entwickelt durch die Intelligenz und Tüchtigkeit der Ingenieure und Arbeiter und mit richtiger Würdigung und Venuzung der Erfahrungen des Auslandes und der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen, wieder einer Zeit der Blüthe entgegengeschritten.

Ueberblicken wir die

Entwickelung der deutschen Industrie in ihren innigen Wechselbeziehungen zur Geschichte des Handels und des politischen und Culturlebens des deutschen Volkes, so können wir dieseibe in 6 Abschnitte zerlegen:

1. Die Periode bis zum Beginne des 12. Jahrhunderts: die Anfänge der geistigen und industriellen Entwickelung.

2. Von 1100 bis 1500: die Zeit der Hohenstaufen und der Hansa, die Glanzperiode deutscher Macht und deutscher Cultur im Mittelalter, die Blüthe der Industrie und des Handels in unserem Vaterlande, unter dem Einflusse von stark organisirten Städtebündnissen.

3. Von 1500 bis 1740: Verfall der politischen und commerciellen Thätigkeit durch Religionskriege und überwiegende Kräftigung des Auslandes.

4. Von 1740 bis 1835: von der Thronbesteigung Friedrichs des Großen bis zur Eröffnung der ersten deutschen

Eisenbahn und bis zur Gründung des Zollvereines: Wiedererwachen des nationalen Selbstbewußtseins durch die Thaten Friedrichs des Großen und der Heroen deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur; Befreiung von der Fremdherrschaft, zunächst auf geistigem und politischem Gebiete.

5. Von 1835 bis 1855: Fortschreitende Consolidation im Inneren; erste Entwickelung der Gewerbethätigkeit und des Ingenieurwesens nach englischem Vorbilde; Ausbildung der Naturwissenschaften und der Mechanik und Anwendung derselben zur wissenschaftlichen Begründung der Constructionen und Fabricationsmethoden; am Ende der Periode die beiden ersten großen Weltausstellungen.

6. Von 1855 bis jest: großartiges Aufblühen von Industrie und Handel; wachsende Concurrenzfähigkeit dem Auslande gegenüber; Fortschritte in der Erleichterung des Verkehres und Ausbildung der Handelsverträge; Kräftigung des nationalen_Selbstbewußtseins und Consolidation des größten Theiles von Deutschland unter Preußens Führung.

1. Periode: bis 1100.

Betrachten wir diese Abschnitte näher, so tritt uns in der Vorzeit der deutschen Geschichte, nach der Hermannsschlacht, nach dem Wogen und Fluthen der Völkerwanderung, die Concentration des deutschen und fränkischen Reiches in der Hand Carls des Großen entgegen. Mit Einsicht und Kraft einigte er die Trümmer der aus der Völkerwanderung und aus den folgenden blutigen Kriegen geretteten Stämme; das Christenthum faßte Wurzel in dem blutgetränkten Boden und brachte Cultur unter die fast im rohen Naturzustande verbliebenen Völker.

Die folgenden gewaltigen Kaiser aus sächsischem und salischem Hause, die Heinriche und Ottonen, bauten weiter auf dieser Grundlage; Städte wurden gegründet, die Organisation des deutschen Reiches gefördert und seine Herrschaft bis zu den Südspißen Italiens ausgedehnt. Die ersten Bergwerke am Harze und im sächsischen Erzgebirge wurden in Angriff genommen; wir begegnen den An= fängen deutscher Industrie und deutschen Handels.

Noch immer aber fehlte es an den Bedingungen eines regeren. Verkehres: Geschmack und Bedürfniß für fremde Waren, sowie an den durch eigene Betriebsamkeit der Nation gebotenen Mitteln, sie einzutauschen.

2. Periode: von 1100 bis 1500.

Die letzten Jahre des 11. Jahrhunderts brachten eine gewaltige Bewegung in den seither in sich abgeschlossenen und in fortschreitender Entwickelung begriffenen Westen Europa's: Die Kreuzzüge führten die Blüthe der Ritterschaft und des streitbaren Volkes von Deutschland, Frankreich, England und Italien nach dem Orient, um die Wiege des Christenthums den Händen der Ungläubigen zu entreißen, welche, wie der glühende Wüstenwind ihrer Heimat unaufhaltsam fortstürmend, den Südrand des Mittelmeeres erobert und von der iberischen Halbinsel bis zu den uralten Culturstätten am Euphrat und Tigris großartige, in Wissenschaft, Gewerbethätigkeit und Handel blühende Reiche gegründet hatten.

Nach andauerndem wechselvollem Ringen wurde der Kampf aufgegeben, und nicht lange nachher erlag sogar das auf den Trümmern der Römerherrschaft errichtete byzantinische Kaiserreich der stürmenden Hand muhamedanischer Völker.

Hatte der lange Jahre hindurch fortgesette Kampf auch unermeßliche Opfer gekostet und Tausende der kräftigsten Arme hinweggerafft, so war doch andererseits sein Einfluß auf die Entwickelung des Abendlandes ein in vieler Beziehung fördernder und wichtiger: Er hatte die bisher wesentlich isolirten Völker in innige Berührung gebracht und bewirkte eine nachhaltige Annäherung, einen Austausch des Culturlebens, der Industrie und des Handels zwischen Orient und Occident, wobei Italien, der Sig großartiger, früh entwickelter und politisch geschickt gegliederter Handelspläge, den natürlichen Vermittler bildete.

Deutschland war inzwischen unter dem Herrschergeschlechte der Hohenstaufen, als das heilige römische Reich deutscher Nation, die politische Centralmacht geworden; es beugten sich seinem Gebote die weiten Länderstrecken von den nordischen Meeren bis zu Siciliens Küfte: In seinen Kaisern, in Barbarossa, in Friedrich II. stellte es dem Auslande imposante Herrschergestalten gegenüber und vereinigte eine Macht, wie sie seitdem unser Vaterland nur ahnt und träumt, aber noch nicht wieder erreicht hat.

Aus jenen Zeiten stammt das deutsche Nationalepos, die

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