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Abhandlungen.

Theorie der überhißten Wasserdämpfe. Von Professor Dr. Gustav Zeuner.

(Hierzu Blatt 1.)

Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, daß die Anwendung der überhigten Dämpfe, statt der gesättigten, bei den Dampfmaschinen mit wesentlichen Vortheilen verbünden sein müsse; die Beobachtungen und entsprechenden Versuche, unter denen die schönen und bekannten Versuche von Hirn*) obenan stehen, deuten auch entschieden darauf hin, daß die Dampfmaschinen mit überhigtem Dampfe der Vortheile wegen, welche sie hinsichtlich des Brennmaterialverbrauches bieten, mehr und mehr in Anwendung kommen werden.

Seit länger als einem Jahrzehnt hat man, besonders in Amerika, Beobachtungen über die Vortheile der überhißten Dämpfe gemacht und, wenn man die ganz außerordentlich günstigen Resultate betrachtet, welche Wethered mit gemischten Dämpfen (Mischung von gesättigtem und überhigtem Dampfe) gefunden haben will, hat man Grund zu erstaunen, daß die Ueberhigung der Dämpfe für Dampfmaschinen nicht weit allgemeiner in Anwendung gekommen ist. **)

Abgesehen von gewissen praktischen Schwierigkeiten, auf die man, wenigstens bei Anwendung hoch überhigter Dämpfe stößt, findet das Gesagte aber eine Erklärung in dem Umstande, daß alle bisher angestellten Versuche zusammen genommen zwar auf Vortheile der Anwendung der überhigten Dämpfe hindeuten, daß aber der Grad der Erhöhung des Nugens überhigter Dämpfe gegenüber gesättigten Dämpfen noch keinesweges festgestellt ist. Die Resultate der Versuche widersprechen sich in dieser Beziehung außerordentlich, und einzelne solcher Angaben sind nicht ohne gerechte Zweifel aufgenommen worden.

Ucber solche Zweifel werden uns noch so zahlreiche Versuche nicht hinweghelfen; denn über derartige Fragen kann nur eine gründliche Kenntniß der physikalischen Eigenschaften der Dämpfe überhaupt entscheiden. Eine Theorie der überhigten Dämpfe ist aber auch von hoher wissenschaftlicher Bedeutung; bis jezt kannte man das Verhalten dieser Dämpfe nur für die beiden Grenzzustände, nämlich für ihren Condensationspunkt, wenn sie eben in den Sättigungszustand übergehen, oder für den Zustand höchster Ueberhigung, in welchem ihre Eigenschaften vollständig mit denen der permanenten Gase übereinstimmen.

Die Formeln, welche die mechanische Wärmetheorie für die beiden Grenzzustände der Luftarten hinstellt, sind der Ableitung und dem Baue nach ganz von einander verschieden, und es war bisher nicht möglich, aus den Gleichungen, welche

*) Sur la théorie de la surchauffe dans les machines à vapeur. Bulletin de la société industrielle de Mulhouse. t. XXVIII. 1857.

**) Vergl. Dinse: Ueber die Verwendung des überhißten Dampfes in den Dampfmaschinen (diese Zeitschrift, Bd. IX, S. 373).

sich auf gesättigte Dämpfe, sowie auf Dampf- und Flüssigkeitsmischungen beziehen, diejenigen für die permanenten Gase abzuleiten und umgekehrt, oder das Verhalten der Dämpfe auf dem Uebergange von einem in den anderen Grenzzustand darzulegen.

Theoretische Untersuchungen über das Verhalten der übers higten Dämpfe wurden bis jezt nur von Hirn*) angestellt und diese sind in neuerer Zeit von mir näher besprochen worden **). Hirn geht von einem gewissen Saße aus, den ich das „Hirn'sche Gesez" genannt habe und auf welchen ich im Folgenden ebenfalls zu sprechen kommen werde; in Verbindung mit Resultaten seiner Versuche löst dann Hirn einige der wichtigsten technischen Probleme. Die Rechnungsresultate werden aber auf großen Umwegen gewonnen, weil auch Hirn nicht auf die Fundamentalgleichung für überhigte Wafferdämpfe gekommen ist, nämlich auf die Beziehung, welche zwischen Druck, Volumen und Temperatur stattfindet. Es ist mir nun gelungen, diese Beziehung festzustellen, und damit waren mir an der Hand der Grundformeln der mechanischen Wärmetheorie sofort die Mittel gegeben, hinsichtlich des Verhaltens der überhigten Dämpfe, zunächst speciell der überhißten Wasserdämpfe, alle Fragen zu lösen, die bis jezt nur für permanente Gase und gesättigte Dämpfe gelöst werden konnten. In der vorliegenden Abhandlung will ich die Resultate meiner Untersuchungen mit gleichzeitiger Anwendung auf die wichtigsten technischen Aufgaben vorführen. Ich beschränke mich aber nur auf Untersuchung der Wasserdämpfe; es wird keinen Schwierigkeiten unterliegen, auf dem von mir angezeigten Wege auch überhißte Dämpfe anderer Art der Untersuchung zu unterwerfen.

Boruntersuchungen.

Bezeichnen wir mit v das specifische Volumen, d. h. das Volumen der Gewichtseinheit (eines Kilogrammes) Dampf, mit p den specifischen Druck (Druck in Kilogrammen pro Quadratmeter) und mit t die Temperatur nach Celsius, so läßt sich, wenn Druck und Volumen bekannt sind, sehr leicht entscheiden, ob man es in einem bestimmten Falle mit reinem gesättigtem Dampfe, oder mit überhigtem Dampfe, oder mit der Gewichtseinheit Mischung von Dampf und Flüssigkeit zu thun hat. Bei dem gesättigten Dampfe, dessen Volumen wir speciell mit

*) Hirn: Théorie mécanique de la chaleur. Première partie. Seconde édition. Paris, 1865.

**) Grundzüge der mechanischen Wärmetheorie. Zweite Auflage. Leipzig, 1866. S. 426 u. F.

Da in der Folge mehrfach auf diese Schrift verwiesen werden muß, so soll die Abkürzung Gr. d. m. W. kenußt werden.

v, bezeichnen wollen, stehen bei einer gewissen Dampfart Druck und Volumen in einer bestimmten und bekannten Beziehung; wenigstens läßt sich nach den Lehren der mechanischen Wärmetheorie das dem Drucke p entsprechende Volumen v, berechnen. Trägt man für reinen gesättigten Dampf (ohne Beimischung von Flüssigkeit) für verschiedene Preffungen das Volumen v1 als Absciffe und den Druck p als Ordinate auf (Fig. 1), so erhält man eine Curve DD, welche ich die „Grenzcurve“ nenne, und deren Verlauf für Wasserdämpfe unten weiter bes sprochen werden wird. Jedem Punkte der Curve oder jedem Drucke entspricht eine bestimmte Temperatur t, oder, wenn wir die Temperatur, was in der Folge immer geschehen soll, vom absoluten Nullpunkte ab rechnen, die absolute Temperatur T1 = 273 + t1, und diese Temperatur ist auf Grund von Versuchen für jeden Druck bekannt. Trägt man nun in einem gegebenen Falle das Volumen (der Gewichtseinheit) als Abscisse und den Druck als Ordinate auf und fällt der Punkt in die Grenzcurve, so ist das ein Beweis, daß wir es mit reinem gesättigtem Dampfe zu thun haben; fällt dagegen der Endpunkt a der Ordinate in den Raum zwischen Grenzcurve und Coordinatenaxen, so ist bei gleichem Drucke p die Temperatur T, die nämliche, das Volumen aber kleiner; die Gewichtseinheit Masse enthält neben Dampf auch Flüssigkeit. Der Dampf ist von gleicher Beschaffenheit, wie vorhin; ist x die specifische Dampfmenge, d. h. die Dampfmenge in der Gewichtseinheit Mischung, so ist (1-x) das Gewicht der Flüsfigkeit, und wenn o das specifische Volumen der Leßteren ist, so ist das Volumen v' der Mischung:

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übergehe, die für permanente Gase gilt, und in welcher R eine. von der Gasart abhängige Constante ist, wenn der Punkt T (Fig. 1) sehr weit von der Grenzcurve abliegt, d. h. der Dampf sehr stark überhigt ist.

Bei der Ableitung der Zustandsgleichung für überhigte Wasserdämpfe gehe ich nun von folgendem Saße der Wärmetheorie aus, den ich a. a. O. abgeleitet habe.*)

Sind für die Gewichtseinheit eines Körpers der Druck på und das Volumen và gegeben, und dehnt sich derselbe ohne Zu- und Ableitung von Wärme aus oder wird derselbe com

*) Gr. d. m. W. S. 84.

primirt, ohne daß gleichzeitig eine Mittheilung oder Entziehung von Wärme erfolgt, so beschreibt der Endpunkt der Ordinate eine Curve A, A2 (Fig. 2), die ich mit Rankine die adiabatische Curve nenne. Befindet sich derselbe Körper im Zustande a,, durch den Druck p, und das Volumen v1 gegeben, so entspricht dem Punkte a, eine zweite adiabatische Curve A, A,. Soll der Körper aus dem Zustande a, in den Zustand a, übergeführt werden, so ist hierzu die Mittheilung einer gewissen Wärmemenge erforderlich; ist dQ die Wärmemenge für eine unendlich geringe Zustandsänderung, so habe ich nun a. a. D. bewiesen, daß das Integral

1

2

1

d Q ᎪᎢ

in welchem A das Wärmeäquivalent der Arbeitseinheit ist, d. h. die Wärmemenge, welche der Arbeit von einem Meters kilogramm entspricht (A), daß dieses Integral immer auf denselben Werth führt, wenn der Uebergang von einer bestimmten Curve A, A, nach einer zweiten vorgeschriebenen adiabatischen Curve A, A, erfolgt, gleichgültig wie sich auf dem Uebergange a, a, der Druck p mit dem Volumen v ändert, d. h. welches auch die Uebergangscurve a, a, sein mag, fernerhin gleichgültig, wo der Ausgangspunkt a, auf der ersten und der Endpunkt a, auf der zweiten adiabatischen Curve liegt. Der Einfachheit wegen bezeichne ich den Werth des Integrales mit P; den Werth selbst nenne ich aus Gründen, die ich a. a. D. näher dargelegt habe *), das Wärmegewicht. Wir wollen nun das Wärmegewicht sogleich für eine Mischung von Wasser und Wasserdampf entwickeln.

Befinden sich in der Gewichtseinheit Mischung x Kilogrm. Dampf und beträgt der Druck p und ist t die Temperatur; ist ferner c die specifische Wärme des Wassers- nach Regnault ist zu seßen: (2),

c = 1 + 0,00004 t + 0,0000009 t2

und ist r die Verdampfungswärme, welche nach Regnault sich nach der Gleichung

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r = 606,5 +0,905 t − fedt .

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0

(3)

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2

Ich lege jezt durch die beiden Punkte T2 und T, der Grenzcurve DD (Fig. 3) die beiden adiabatischen Curven A2 und A1; von beiden Curven ist, da sie sich nach dem Raume hin erstrecken, welcher den überhigten Dämpfen entspricht, der Verlauf noch unbekannt; erwärme ich nun den gesättigten Dampf von der Temperatur T2 bei constantem Drucke p2p so weit, bis die zweite adiabatische Curve im Punkte T erreicht ist, so beträgt das Wärmegewicht, wenn die specifische Wärme des Dampfes bei constantem Drucke mit c, bezeichnet und constant angenommen wird, und T die Temperatur des Dampfes am Ende des Ueberganges ist:

2

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P x

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(11) gültig sein, in welcher Gleichung der Werth x constant ist und das Verhältniß der specifischen Wärme des Gases bei constantem Drucke zu der bei constantem Volumen darstellt.

Ich stelle nun die Hypothese auf, daß für überhißte Dämpfe, wenigstens zunächst für Wasserdämpfe die Gl. (11) ebenfalls gültig ist, und daß auch hier der Werth als constant angesehen werden darf. Nur die eben x angeführte Bedeutung des Werthes x für Gase verlasse ich vorläufig bei der Anwendung der Gl. (11) auf überhizte Dämpfe und überlaffe es den Resultaten der weiter folgenden mathematischen Entwickelungen, die allgemeinere Bedeutung des Werthes × in's Licht zu sehen.

Substituire ich Gl. (11) in Gl. (10) und beachte ich, daß nach der ganzen Entwickelung und nach Fig 3 der Druck p mit p, identisch ist, so folgt nach einigen leichten Reductionen:

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P2 x 2+c, logn Ꭲ, und hieraus ist zu schließen, daß im Falle der Richtigkeit meiner Hypothese allgemein der Werth

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Daß diese Formel bei richtiger Wahl der Constanten z und % wirklich die Werthe von 9 mit großer Genauigkeit wiedergiebt, wird sich durch die Ergebnisse der folgenden Rechnungen zeigen.

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Seße ich == 1,3333, sonach x= = 0,25 und Фо 1,0933, sowie statt des natürlichen den Brigg'schen Logarithmus, so ergiebt sich zur Berechnung von & die Formel:

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wobei der Druck p in Atmosphären zu seßen und die Tem

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pdt

Seze ich diese Werthe in Gl. (16) ein und seze ich zuerst voraus, es sei c, constant und zwar nach Regnault 0,4805, so findet sich für die angenommenen Temperaturwerthe: x=1,3434; 1,3362; 1,3234.

Seze ich dagegen, wie es im Weiteren wie oben geschehen soll, ×== 1,3333, so berechnet sich aus Gl. (16) umgefehrt:

Cp=0,49397; 0,48514; 0,46255 und das Mittel aus den legteren Werthen ist 0,4805, alsv sonderbarer Weise ganz genau mit Regnault's Mittelwerth in Uebereinstimmung.

Aus dem Vorstehenden ist zu schließen, daß sich die Größen und c,, im Falle sich eine davon oder beide durch spätere genauere Untersuchungen als Veränderliche herausstellen sollten, was wahrscheinlich ist, nur sehr langsam ändern und daß es bis auf Weiteres erlaubt ist, sie als constant anzusehen. Die Resultate der folgenden Untersuchungen werden diese Annahme weiter rechtfertigen.

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