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die Güte hatte, mir sofort ein Exemplar dieses seltenen wichtigen Werkes zur Verfügung zu stellen.

Die unzweifelhaft Epoche machende Bedeutung dieses Werkes für die Hydrotechnik bewog mich, diejenigen separaten drei Capitel dieses Werkes, welche die neue Theorie der Bewegung des Waffers enthält, sammt den dazu gehörigen Tabellen 2c. zu übersegen und dem Drucke zu übergeben. Dies war im Sommer 1864, und heute kann ich Ihnen diese meine Arbeit, welche unter dem Titel: „Theorie der Bewegung des Wassers in Flüssen und Strömen, nach Humphrey's und Abbot's Bericht über die physischen und hydraulischen Verhältnisse des Mississippistromes, seiner Mündungen und Alluvialregionen 2c." mit sämmtlichen Tabellen der Pegelbeobachtungen, Querprofil- und Geschwindigkeitsmessungen und einem Atlas von 18 Tafeln bei Lindauer in München so eben erschienen ist, zur gefälligen Einsicht vorlegen und Ihrer gütigen Beachtung empfehlen.

Die amerikanischen Ingenieure fanden nämlich bei ihren Untersuchungen, daß sie von den bisherigen Theorieen und Formeln über die Bewegung des Wassers, deren sie über ein Dugend untersuchten und an ihren Messungsresultaten prüften, vollständig im Stiche gelassen wurden. Die wichtigste Aufgabe der amerikanischen Ingenieure war nämlich, die Erhöhung des Wasserspiegels des Mississippihochwassers und die daraus resultirende Höhe und Stärke der Dämme an verschiedenen Orten zu berechnen, wenn alles Waffer, welches bis jezt in Folge der Dammbrüche die 20,000 englische Quadratmeilen (5,180,000 Hektaren) messenden Niederungen überfluthete, zwischen den neuen stärker herzustellenden Dämmen in einem einzigen Flußschlauche zusammengehalten wird. Zu dieser nur auf rein mathematischem Wege lösbaren Aufgabe haben die HHrn. Humphreys und Abbot nun eine vollständig neue Theorie der Bewegung des Wassers in Flüssen und Canälen geschaffen und deren Richtigkeit an zahlreichen Messungen am Mississippi sowie an einzelnen älteren Messungen von Krayenhoff am Rhein, Buffon am Tiber, Destrem an der Newa 2c. nachgewiesen.

Die drei Capitel des englischen Originals, welche diese neue Theorie und ihre Begründung enthalten, und in deutscher Bearbeitung hier vorliegen, behandeln daher

1) die ganze Geschichte der Hydraulik, soweit sie sich auf Flüsse bezieht, mit einer Kritik der älteren Theorieen und Formeln;

2) die Methode der Wassermessungen am Mississippi, wozu die in den Anhängen A, B, C, D, E enthaltenen Tabellen der Pegelbeobachtungen, Querprofil- und Geschwindigkeitsmessungen gehören;

3) die neue hieraus abgeleitete Theorie der Bewegung des Waffers sammt neuer Formel für die mittlere Geschwindigkeit.

Die hauptsächlichsten Resultate dieser neuen Theorie der Bewegung des Wassers, welche man die parabolische nennen kann, sind nun die folgenden, in welcher Beziehung die graphischen Darstellungen der Ihnen vorliegenden Taf. IX meiner deutschen Bearbeitung verglichen werden wollen:

1. Die Curve, welche das Gefeß der Geschwindigkeitsänderung in einer dem Stromstriche parallelen Verticalebene

von Oben nach Unten ausdrückt, ist eine gewöhnliche Parabel des zweiten Grades, deren Are unter dem Wasserspiegel liegt und diesem parallel ist.

2. Die Lage dieser Axe ist veränderlich, und hängt von der Stärke und Richtung des Windes, sowie von der Höhe des Wasserstandes ab. Der flußaufwärts wehende Wind vers langsamt die Geschwindigkeit an der Oberfläche, drückt also die Parabelare tiefer; der flußabwärts wehende Wind beschleunigt die Wasserspiegelgeschwindigkeit und hebt die Parabelare gegen die Oberfläche.

Bei Windstille und Mittelwasser wurde z. B. am Mississippi die mittlere Lage der Axe bei 0,29 der Wassertiefe gefunden.

3. Die beiden verticalen Geschwindigkeitsparabeln, welche an einer und derselben Flußstelle gleichen Windstärken auf- und abwärts entsprechen, sowie die Parabel für Windstille schneiden sich alle drei in einem einzigen Punkte, welcher in der halben Wassertiefe liegt. In dieser Tiefe ist also der Wind von keinem Einflusse auf die Geschwindigkeit.

4. Der Parameter der verticalen Geschwindigkeitsparabeln ist direct proportional der Wassertiefe und umgekehrt der Quadratwurzel der mittleren Flußgeschwindigkeit. Die verticale Geschwindigkeitsparabel ist also in einem und demselben Querprofile des Fluffes um so flacher gekrümmt, je größer die Wassertiefe ist.

5. Ist daher für irgend ein Flußprofil die mittlere Geschwindigkeit (welche jedoch nur annähernd bekannt zu sein braucht) bekannt, sö läßt sich die Gleichung der verticalen Geschwindigkeitsparabel für irgend einen Punkt und gegebene Wassertiefe dieses Querprofiles aufstellen, und, wenn die absolut größte Geschwindigkeit unter Wasser und die Lage der Parabelare unter Wasser bekannt ist, die Geschwindigkeit an einem beliebigen Punkte der Tiefe berechnen.

6. Mittelst der Gleichung der verticalen Geschwindigkeitsparabel lassen sich, wenn für drei Punkte einer dem Stromstriche parallelen Verticalebene die Geschwindigkeiten gemessen wurden, nicht allein die größte Geschwindigkeit und die Lage der Axe, sondern auch die Oberflächen- und Bodengeschwindigkeit, die mittlere Geschwindigkeit der Verticalebene und selbst (wenn auch nur annähernd) die mittlere Geschwindigkeit des ganzen Flusses berechnen.

7. Das bisher angenommene constante Verhältniß zwischen der Geschwindigkeit an der Oberfläche und der mittleren Geschwindigkeit derselben Verticalebene existirt nicht; wohl aber ist das Verhältniß zwischen der Geschwindigkeit in der halben Tiefe und der mittleren Geschwindigkeit in einer und derselben Verticalebene constant, was, im Zusammenhalte mit Nr. 3, für die Theorie und Praxis der Wassermessungen von der höchsten Wichtigfeit ist.

Man begreift, daß bei verschiedener Höhenlage der Pa= rabelaxe und der stärkeren oder schwächeren Krümmung der Parabel die Oberflächengeschwindigkeit und die mittlere Geschwindigkeit in keinem constanten Verhältnisse stehen können. Da aber die mittlere Geschwindigkeit im Allgemeinen nur um etwas Weniges tiefer liegt, als die Geschwindigkeit in der halben Flußtiefe, und das zwischen beiden liegende Parabelstückchen als gerade und von nahezu constanter Neigung an

gesehen werden kann, so läßt sich zwischen beiden Geschwindigkeiten begreiflicherweise ein sehr nahe constantes Verhältniß aufstellen. Humphreys findet an seinen Messungen die mittlere Geschwindigkeit 0,94 bis 0,98 derjenigen in der halben Flußtiefe.

8. Die Horizontalcurven der Geschwindigkeit sind bei regelmäßig und symmetrisch geformten Querprofilen, wo der Thalweg in der Mitte liegt, gleichfalls Parabeln des zweiten Grades, deren Parameter mit der Reciproke der Quadratwurzeln der mittleren Flußgeschwindigkeit variirt.

Bei unregelmäßigen Querprofilen findet ein anderes Gesey der Geschwindigkeitsvertheilung nach der Breite des Flusses Statt, mit dessen Aufsuchen sich die neue Theorie jedoch nicht befaßt.

Mit diesen wenigen, aber bestimmten, durch Hunderte von Messungen am Mississippi und an fleinen Canälen bestätigten Sägen ist mit einem Male das Dunkel, welches bis in die neueste Zeit über die Geschwindigkeitsänderungen unter der Oberfläche des fließenden Wassers herrschte, gelichtet, und eine neue Epoche der Theorie der Bewegung des Wassers eingetreten.

Während Castelli eine sogenannte trianguläre Theorie der Abnahme der Geschwindigkeiten von oben nach unten aufstellte, Dubuat die mittlere Geschwindigkeit gleich dem Mittel der Wasserspiegel- und Bodengeschwindigkeiten seßte, Eytelwein die Abnahme der Geschwindigkeiten nach einer geraden Linie, Funk nach einer logarithmischen, Gerstner nach einer Ellipse berechnete, haben wir nun die einfachen Geseze der gewöhnlichen Parabel, welche nebst der Einwirkung des Windes vollständig die Erscheinung selbst, sowie die Möglichkeit so verschiedener Annahmen erklären. Lag die Parabelaxe bei abwärts wehendem Winde sehr hoch, und war die Parabel bei großen Tiefen flach, so konnte bei überdies mangelhaften Instrumenten und Messungsmethoden nahezu eine gerade Linie gefunden werden; lag die Axe tiefer, so fand man ein Dreieck, eine Ellipse u. s. w.

Ich habe selbst zahlreiche Messungen am Rheine unter den verschiedenartigsten Verhältnissen und am Queichbach vorgenommen und immer eine Parabel, deren horizontale Axe bald höher, bald tiefer lag, gefunden. Dabei paßten die Beobachtungen zu den nach der Parabel berechneten Geschwindigfeiten sehr gut, sobald die Umdrehungsdauer des Woltmann'schen Flügels auf 5 Minuten ausgedehnt ward, und in jedem Tiefenpunkte drei bis vier solcher Beobachtungen angestellt wurden, wie die auf Taf. XVII des oben bezeichneten Werkes aufgetragenen Queichparabeln zeigen. Am Rheine stellte sich das merkwürdigé Resultat heraus, daß die Are der Parabel am oder doch sehr nahe am Wasserspiegel liege. In diesem speciellen Falle gestalten sich die mathematischen Relationen zwischen Wasserspiegel-, Boden- und mittlerer Geschwindigkeit außerordentlich einfach, wie ich in den von mir verfaßten Zusäßen in Anhang F des Näheren nachgewiesen habe.

Auf Grund dieser durch Theorie und Praxis festgestellten neuen Gesege der Bewegung des Wassers haben nun die genannten amerikanischen Hydrotekten zur Lösung ihrer Probleme eine neue Relation zwischen den Querprofildimensionen und dem Gefälle, oder eine neue Formel zur Berechnung der mittleren Geschwindigkeit der Flüsse aufgestellt,

welche viel genauer mit den Resultaten der Messungen stimmt, als dies bei den älteren Formeln der Fall war. Zu diesem Zwecke wurde die neue Formel gleichzeitig mit nicht weniger als 13 älteren Formeln an 30 verschiedenen Wassermessungen des Mississippi und seiner Nebenflüsse, an den Messungen Krayenhoff's am Rheine, Dubuat's am Hayneflusse, Destrem's an der Newa, Buffon's am Tiber 2. geprüft und gefunden, daß, während die Summe aller Fehler an den 30 Messungen bei den 13 älteren Formeln zwischen 25 und 45 Einheiten variirte, diese Fehlersumme bei der neuen Formel nur 6 Einheiten betrug. Unter den untersuchten älteren Formeln sind in Bezug auf die Größe der Fehlersummen der Reihe nach die besten Formeln: die von Dupuit mit 25, von Chezy-Downing mit 26, von Chezy-Eytelwein (die bekannte Eytelwein'sche Formel) mit 28, die von Weisbach mit 29, die de Prony'sche mit dem Cytelwein'schen Coefficienten mit 30 Fehlersummen u. f. w.

Mit dieser Humphreys - Abbot'schen Geschwindigkeitsformel, deren weitere Bestätigung an neueren Messungen ich sogleich besprechen werde, wird nun der bisherigen Unsicherheit in der Berechnung der Durchflußmengen von Flüssen und Bächen mit einem Schlage ein Ende gemacht, indem die befannte Eytelwein'sche Formel, welche schon längst wegen der Veränderlichkeit ihres Coefficienten verdächtig war, nun für immer in die Rumpelkammer alter Theorieen geworfen wird, nachdem sie leider, in Ermangelung von etwas Besserem, zu lange als Evangelium gegolten, die Hydrotekten irre geführt und das Mißlingen so manchen hydrotechnischen Unternehmens wesentlich, ja vielleicht ausschließlich verschuldet hat.

Bei der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes schien es mir nöthig, sowohl die Richtigkeit der verticalen Geschwindigkeitsparabeln und die Verlässigkeit der neuen HumphreysAbbot'schen Geschwindigkeitsformel an selbst vorgenommenen Wassermessungen darzuthun, als auch die in englischem Fußmaße gegebenen neuen Formeln für unsere Landesmaße umzuwandeln, und so die neue amerikanische Theorie auf deutschen Boden zu verpflanzen und zugänglich zu machen.

Zu diesem Zwecke sind dem Werke außer den in den Anhängen A, B, C, D, E und zwar unverkürzt dem Originale entnommenen Tabellen über Pegelbeobachtungen, Querprofile und Geschwindigkeitsmessungen noch im Anhange F einige „Zusäße des Uebersezers" beigefügt, über welche, da gerade das Bedürfniß der Fabrik- und Cultur-Ingenieure darin besonders berücksichtigt ist, noch Folgendes mitzutheilen nöthig erscheint. In Zusaß I wird die Gleichung der Geschwindigkeitsparabel aus der bekannten Scheitelgleichung ent

wickelt.

Zusaz II enthält eine Betrachtung über den Ort der mittleren Geschwindigkeit in der verticalen Geschwindigkeitsparabel unter Wasser.

Im Zusaße III werden die Humphreys - Abbot'schen Formeln aus englischem Fußmaß in Meter-, bayrisches und preußisches Fußmaß umgewandelt.

Zusatz IV enthält den Nachweis der verticalen Geschwindigkeitsparabeln an verschiedenen fließenden Gewässern, und zwar:

1) nach den Messungen älterer Autoren des vorigen Jahrhunderts, wie der Italiener Zendrini, Lecchi, Lorgna, Ximenes, dann von Brünings am Rheine, deren Messungen um so interessanter sind, als sie zum Theile andere Theorieen beweisen sollten, gleichwohl aber, wie Taf. XVI des Werkes darstellt, die parabolische Gestalt der Geschwindigkeitscurve bestätigen;

2) nach meinen eigenen Messungen am Queichbach, wo die gemessenen Geschwindigkeiten bei 5 Minuten Umdrehungszeit des Woltmann'schen Flügels mit den nach der Parabel berechneten bis auf Millimeter übereinstimmen.

Zusaß V enthält eine graphische Vergleichung der mittleren Geschwindigkeiten des Rheines (240m breit, in Maximo 5m tief) und des Hockenbaches (3,40 breit, 0,40 tief) für ein und dasselbe Querprofil und verschiedene Gefälle nach den Formeln von Dupuit, de Prony, Eytelwein und Humphreys - Abbot. Es wird hier nachgewiesen, daß die Eytelwein'sche Formel bei Gefällen unter 0,1 auf 1000 Länge zu kleine Geschwindigkeiten giebt, und daß der Fehler bis 30 pCt. betragen kann, daß beispielsweise diese Formel für einen Fluß wie der Rhein bei einem Gefälle von 0,05 auf 1000 nur 0,67, die Humphreys - Abbot' sche Formel aber 0TM,79 mittlere Geschwindigkeit giebt; ferner, daß bei Gefällen über 0,1: 1000 die Eytelwein'sche Formel zu große Geschwindigkeiten angiebt, welcher Fehler mit dem Gefälle wächst, so zwar, daß für einen Fluß wie der Rhein bei einem Gefälle von 1: 1000 die mittlere Geschwindigkeit nach Eytelwein 3,02, nach Humphreys - Abbot aber nur 1,72 beträgt, also Eytelwein um 74 pCt. zu viel angiebt, welcher colossale Fehler bei einem Gefälle von 2: 1000 sich auf 171 pCt. oder das 12 fache der wahren mittleren. Geschwindigkeit steigert. Das gleiche Fehlerverhältniß erhält man bei einem kleinen Bache wie der Hockenbach.

Trägt man die aus den genannten vier Formeln sich ergebenden mittleren Geschwindigkeiten für ein und dasselbe Querprofil als Ordinaten, die Gefälle als Abscissen auf, so erhält man für die älteren Formeln gewöhnliche Parabeln, für die neue Humphreys - Abbot'sche Formel aber eine biquadratische Parabel, welche die ersteren bei ca. 0,10 bis 0,12 auf 1000 Gefälle schneidet, indem sie bei den schwächeren Gefällen größere, bei den größeren Gefällen fleinere Ordinaten hat, als eine der älteren Formeln. Die Curven für die Formeln Dupuit's und de Prony's fallen Dagegen nahezu mit der Eytelwein'schen zusammen.

Zusay VI zeigt die Uebereinstimmung der neuen Humphreys - Abbot'schen Geschwindigkeitsformel mit wirklich gemessenen Geschwindigkeiten an verschiedenen Flüssen und Bächen. Dieses Capitel wird besonders denjenigen Technikern von Interesse sein, welche sich mit kleineren fließenden Gewässern, mit Bächen, künstlichen Canälen, Wässerungsrinnen 2c. und mit Wasserkräften beschäftigen. Die von mir an dem Speyerbach und an einem nur 1,5 breiten Wiesengraben gemeinschaftlich mit anderen Technikern gelegentlich einer Expertise, sowie die von mir am Hockenbach vorgenommenen Wassermessungen sind hier mit allem nöthigen Detail beschrieben. Die Resultate der directen Messung stimmen sehr gut mit den Resultaten der neuen Formel, obwohl die Gefälle ziemlich stark (ca. 0,60 bis 1,0 auf 1000) sind, während die Eytel

wein'sche Formel (mit dem Coefficienten 90,9 für preußisches Fußmaß) bedeutend zu große Resultate giebt. Es werden ferner noch weitere 31 von anderen Autoren vorgenommene Wassermessungen am Rheine, an der Weser, Elbe, an der Saalach, Isar, am Lech, an einem Mühlgerinne u. s. w. in verschiedenen Landesmaßen nach der neuen und nach der Eytelwein'schen Formel berechnet, und die Resultate der Messung und Berechnung verglichen, woraus wiederum die Verlässigkeit der neuen und die Unbrauchbarkeit der Eytelwein'schen Formel hervorgeht.

Die beiden Zusäge V und VI werden sicher jeden Techniker veranlassen, sich von nun an nur noch der neuen Humphreys - Abbot'schen Formel zu bedienen.

In Zusaz VII habe ich die neue Formel, welche wegen der in ihr enthaltenen Summen von Quadratwurzeln den logarithmischen Calcul zweimal zu unterbrechen nöthigt, in eine kürzere Form gebracht, welche, wie die angeführten Beispiele zeigen, ohne an Genauigkeit zu verlieren, eine viel schnellere Berechnung der mittleren Geschwindigkeit ohne Unterbrechung des logarithmischen Calculs gestattet.

Ich glaube, daß die neue Formel in dieser einfachen, leicht dem Gedächtnisse einzuprägenden und leicht zu berechnenden Form in Zukunft fast ausschließlich zur Anwendung kommen wird.

Im leßten Zusaß VIII endlich wird die Methode der am Rheine vorgenommenen Messungen verticaler Geschwindigfeitsparabeln beschrieben, und die neue Theorie auf den speciellen Fall, wie er sich am Rheine ergab, angewendet, wenn nämlich die Axe der Parabel, oder die größte Geschwindigkeit am Wasserspiegel liegt. In diesem Falle gestalten sich die Verhältnisse der Geschwindigkeiten in einer und derselben Verticalebene höchst einfach. Es ist unter anderen die mittlere Geschwindigkeit der ganzen Verticalebene der Wasserspiegel- + der Bodengeschwindigkeit, und die mittlere Geschwindigkeit liegt bei VT=0,577 der Tiefe. Diese und mehrere andere solche, durch ihre Einfachheit höchst merkwürdigen Verhältnisse ergeben sich einfach als mathematische Folgerungen der bekannten Eigenschaften der Parabel.

2

Ich bemerke noch schließlich, daß die neue HumphreysAbbot'sche Theorie durchaus elementar behandelt ist, und zu ihrem Verständnisse die Säße der niederen Mathematik und einige der bekanntesten Eigenschaften der Parabel vollkommen hinreichen.

Dies in kurzen Umrissen die Entstehungsgeschichte und der Inhalt der neuen Humphreys - Abbot'schen Theorie der parabolischen Bewegung des Waffers, welche nun in deutscher Bearbeitung mit den ebenerwähnten, diese Theorie bestätigenden und erläuternden Zusäßen versehen, Ihnen vorliegt, und welche ich hiermit Ihrer gütigen Beachtung empfehle.

Ich schließe mit dem Wunsche, daß der Verein deutscher Ingenieure meine Arbeit durch Fachgenossen einer prüfenden Kritik unterziehen und diese in der Vereinszeitschrift veröffentlichen lassen möchte. An die deutschen Hydrotekten aber richte ich auch hier die (in der Vorrede zu meiner Arbeit ausführlich motivirte) Bitte, daß dieselben, nachdem eine 50jährige Periode der Unsicherheit in Bezug auf die Theorie der Bes wegung des Waffers vorüber, und die Messungs- und Berechnungsmethode des fließenden Waffers in ein neues Sta

dium getreten ist, von nun an möglichst viele solcher Messungen unter den verschiedenartigsten Verhältnissen behufs Bestätigung eventuell Modification der neuen Theorie

vornehmen, und, was die Hauptsache ist, zum Nuß und Frommen der Hydrotechnik, mit allem Detail veröffentlichen möchten.

Die Berg- und Hüttenindustrie des Siegerlandes.
Von Th. Hundt, Bergmeister.

(Vorgetragen in der Versammlung des technischen Vereines für Eisenhüttenwesen vom 14. October 1866 in Siegen.)

Dem Bergbau, als der Grundlage der Hütterei, verdankt vor allen das Siegerland die Blüthe, in welcher wir es vor uns sehen. Der Bergbau, welcher bereits seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar im Siegenschen im größeren Maße umgeht, ist sogenannter Gangbergbau und erstreckt sich nicht nur über Eisenerze, sondern auch über Silber-, Blei-, Zink-, Kupferund Kobalterze.

In den älteren Schichten der sogenannten Devongruppe, im Spiriferen-Sandsteine, treten die Gänge in einer gewaltigen Ausdehnung und Reichhaltigkeit auf und, wie sie schon seit Jahrhunderten Erze geliefert haben, so werden sie es auch noch für die Folge thun. Der Bergbau, welcher bisher oberhalb der Thalsohlen umging, senkt sich zwar schon unter dieselben; aber nach vielfacher Erfahrung ist anzunehmen, daß nach der Teufe die Edelfeit der meisten Gänge zunimmt, und daß wohl mindestens die Stärke der Spiriferen - Sandsteine, oder der sogenannten Coblenzer Schichten, also mehrere 100 Lachter ein Maß für das Niederseßen der Gänge abgeben muß.

Bürgt uns doch auch wohl das specifische Gewicht der Erde, daß im Allgemeinen auf Gängen nach der Teufe die Erze häufiger werden müssen.

Der Bergbau auf Eisenerze ist der wichtigste, und die übrigen Erze, besonders Kupfer- und Schwefelkies, treten mehr sporadisch innerhalb der Eisensteingänge selbst auf.

Die Gänge erscheinen nicht isolirt; sie gehören vielmehr gewissen Gangzügen oder Gang gruppen an, welche der Entstehungsweise conform sind. Gangzüge, welche in einer bestimmten Längenrichtung liegen und uns jezt in ihren Pingenzügen wiederum das Bild der alten mächtigen Spalten geben, welche durch die ganze Stärke der Formation gehen müssen, haben wir etwa 9.

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bilden. Nach mäßiger Berechnung führt der Eisenzecher Zug oberhalb des Reinhold - Forster - Erbstollns mindestens 3 Millionen Tonnen (660,000 Cbfmtr.) Eisenstein, welche von vorzüglicher Qualität sind.

4. Seitwärts hiervon der mächtige Gosenbacher Zug, 800 Lachter (1672") Länge, bei bis 6 Lachter (1 bis 12,59) Mächtigkeit, mit den Gruben Hamberg, Kammer und Storch, Schöneberg und Grüner Löwe.

5. Friedrich Wilhelm Füßeberger Zug bei Herdorf, 800 Lachter (1672TM) Länge, mit den Gruben Florz und Zufällig. glück. 6. Stahlert und Bolenbacher Zug daselbst, 400 Lachter (836) Länge und mit Nebengang 600 Lachter (1254") Länge.

7. Ohliger Zug daselbst, 300 Lachter (627) Länge. Ferner, jedoch schon mehr zu den Gruppengängen gehörig, 8. der Eisernhardter Zug bei Eisern, an 600 Lachter (1254TM) Länge.

9. Hengsberg-Gilberger bis in die Nähe von Siegen, an 600 Lachter (1254") Länge.

Wo diese Gangzüge enden, und auch seitlich derselben, treten Gruppen von Gängen auf, welche zwar solche enorme Massen von Eisenerzen nicht zeigen, jedoch, wie der Müsener Stahlberg, bedeutend genug sind, um große Wichtigkeit für den Bergbau zu haben. Sie sind die Folgen der seitlichen Erschütterungen resp. Zerreißungen bei Bildung der Hauptspalten.

Von diesen Gruppen find vor Allen hervorzuheben: 1) die an der Müsener Martinshaardt, Pfannenberg bei Neunkirchen und

2)

3) Steimelberg daselbst,

4) die an der Goldenhaardt und

5) Knorrenberg bei Mudersbach,

6) die an Geb. Haardt bei Weidenau und
7) Bautenberg bei Wilden.

Specialia bezüglich einzelner Gänge.

Der Eisensteinführung nach haben wir nun eine Spathund Glanzformation unter den Gängen zu trennen.

Die Glanzformation tritt gegen die erstere bedeutend zurück; sie findet sich am mächtigsten entwickelt am Haardter Berge bei Siegen und am Gebirge Römel und Schußbach im Reviere Daaden.

Die erstere, die Spath formation, umfaßt alle übrigen Gruben, und aus ihr ist auch die Gruppe der Brauneisensteingänge hervorgegangen, indem Leptere nur Umbildungsformen gewiffer Spathgänge sind.

Der Brauneisenstein ist eine secundäre Bildung und findet sich meistens in den oberen Teufen gewiffer Spathgänge; es

geht aber auch erweislich seine Bildung bis zu 100 Lachter (202) Teufe von Tage nieder.

Die Gangart aller Spathgänge ist die Kieselerde, der Quarz; er documentirt die Bildung der Eisenerze auf nassem Wege.

Die chemische Zusammenseßung der Spathe zeigt vor Allen eine Verschiedenheit im Mangan- und Magnesiagehalte, und hieraus hat sich auf den Siegenschen Hütten die Lehre vom falten und warmen Eisensteine entwickelt. Der Mangan- wie auch der Magnestagehalt wechseln von 1 bis 12 pCt.

Das Gewicht von 1 Scheffel Spath wechselt von 750 bis 860 Pfd. (680 bis 800* pro Hektoliter), und so auch der Gehalt an Eisen von 30 bis 45 pCt.

Brauneisenstein, dichter, späthiger oder kugeliger, hat sich in den besseren Sorten meist aus reinem Spath entwickelt; geringere Sorten, insbesondere die manganarmen, sind mehr aus der Zersetzung von Schwefelkiesen entstanden.

Die Eisenglanze, welche besonders schön am Haardter Berge brechen, treten meist derb auf, und ihr Werth bestimmt sich nach dem größeren oder geringeren Kieselerdegehalt. Lezterer wechselt von 2 bis 20 pCt.

Die Förderung der Eisenerze jeder Art hat sich mit den Jahren sehr gesteigert und besonders mit dem Eintritte des Bahnverkehres, mit welchem der Hüttenbetrieb ein kräftigerer wurde, und mit welchem auch auswärtigen Hütten der Markt für Siegener Eisenerze geöffnet wurde.

An Stelle der tiefen Stollen find jest Schächte getreten, und die rauchenden Schornsteine zeigen schon den immer mehr sich mehrenden Tiefbau an.

Förderung.

Nächst der Eisenerzförderung ist die der Bleierze die wichtigste. Die Gang gruppe, welche die Erze liefert, ist am mächtigsten bei Müsen entwickelt, wo sie um den mächtigen Stock des Stahlberges sich geschaart hat und in verschiedenen Zügen auftritt, welche aber eine Gesammtlänge von circa 500 Lachter (1046TM) zeigen.

Eine andere Gruppe zeigt sich im entgegengeseßten Theile des Kreises, jedoch mehr zersplittert; so bei Alten Seelbach, Salchendorf, Wilden und Burbach.

Beide Gruppen durchseßen in ihren Gängen zwar auch die Schichten, schließen sich jedoch auch lagerartig an gewisse Schichtenpartieen der Thonschiefer- und Grauwackenbildung. Sie unterscheiden sich hierdurch in etwas von den Eisensteingängen, welche die Schichten alle im Einfallen oder Streichen durchseßen und von ihnen unabhängig auftreten.

Quarz ist die vorwaltende Gangart; jedoch zeigen sich auch Schwerfpath und vielfach Spatheisenstein.

Bei Müsen sind die bedeutendsten Erzgruben: Schwabengrube, Heinrichssegen, Altenberg, Silberart, Wilder Mann u. A. Im Freien-Grunde: Landeskrone, Lohmannsfeld, Erone und Peterzeche u. A.

Die meisten Bleierze sind filberhaltig und zwar derartig, daß durchschnittlich 2 bis 24 Loth Silber auf 1 Ctr. (0,08 bis 0,04 auf 50*) Erz kommen.

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Ich will mir nun erlauben, die Steinproduction verschiedener getrennter Jahrgänge anzuführen, wobei sich bedeutende Steigerungen ergeben, welche allerdings auch in den nächsten Jahren schon ihr Maximum erreichen werden.

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Hiervon gingen z nach auswärts und wurden auf Siegenschen Hütten verarbeitet. Ferner war hiervon Eisenglanz, ! 2 Brauneisenstein und Spatheisenstein.

Von dieser Förderung wird circa auf hiesigen Hütten und } auf auswärtigen Hütten verschmolzen.

Minder wichtig, wie die Bleierzförderung, ist die Kupfererzförderung. Die meisten Kupfererze (Kupferkiese) brechen sporadisch auf gewiffen Eisensteingängen.

Eine besondere Formation, sogenannte Quarz-Kupferkiesformation, zeigt sich nur im Daadenschen, woselbst in früheren Zeiten eine bedeutende Gewinnung von Kupfererzen auf den Gruben Kunst, Ramberg, Kupferkaute, Alte-Mahlscheid umging.

Eine Fahlerz-Schwerspathformation ist bei Littfeld besonders entwickelt, und dienen diese Erze zum Ausbringen von Kupfer und Silber.

Kupferkies- und Kupferglanzerz sind die häufigsten Erze, und wechselt der Gehalt von 5 bis 50 pCt.

Eine große Steigerung hat in den lezten Jahren die Zinkblende förderung auf vielen Gruben erfahren, während der Kobaltbergbau ganz zum Erliegen gekommen ist. Ihn

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