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dort z. B. Nr. 22 allgemein im Gewichte von 1 Zollpfund pro Quadratfuß rheinl. gemacht wird, während die Originallehre 0,86 Pfd. verlangt. Es ist dringend wünschenswerth, daß diese für die Fabriken und den Handel gleichmäßig schädliche Unsicherheit durch Einführung einer Normallehre beseitigt wird.

Die Dillinger Lehre eignet sich aus den oben angeführten Gründen nicht zur Normal- oder Universallehre; ste ist ausschließlich als Blechlehre im Gebrauche, aber ziemlich verbreitet, wie oben bemerkt wurde.

4. Die französische Drahtlehre. Die französische Lehre für Draht, Drahtstifte, Holzschrauben 2c. war, wie die westphälische, seit längerer Zeit im

Gebrauche, ohne feste Zahlen für ihre Abstufungen zu haben. Erst im vorigen Decennium einigten sich (vergl. Ancre de St. Dizier, 1857, Nr. 1096) fast alle Fabricanten jener Artikel aus der Champagne, Franche Comté, aus der Moselund Loiregegend, von Paris 2c., um aus den in den einzelnen Districten üblichen und unter einander ziemlich abweichenden Lehren die seitdem, wie es scheint, auch gefeßlich festgestellte Jauge de Paris zu construiren, welche wie Tab. IV, Col. b angiebt, die Dicken der einzelnen Nummern auf ein festes Maß, auf zehntel Millimeter reducirt enthält.

Die Lehre beginnt mit der schwächsten Sorte Nr. 0 = 0mm,50 und reicht bis zu Nr. 30 = 10mm,00; 10mm,00; ist schon diese Numerirung keine zweckmäßige, wie später erörtert werTabelle IV.

F r a n z ö si s che Drahtlehre.

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den wird, so ist nicht minder zu tadeln, daß der Anfangspunkt mit 0mm,50 zu hoch gegriffen ist. Die Bedürfnisse der Praxis reichen weit unter diesen Punkt hinab, und ist deshalb eine besondere Lehre für die dünneren französischen Drahtsorten, besonders den Kraßendraht (fil à cardes) nöthig geworden.

Die Abstufungen sind im Allgemeinen rationell und von Nr. 15 bis 30 ganz dem Karmarsch'schen Geseze entsprechend, während in den feineren Sorten die Abnahme etwas zu langsam ist. Es beträgt der Verdünnungsfactor im Maximum 0,940, im Minimum 0,833, im Durchschnitt 0,9078, also mehr als bei den drei vorigen Lehren.

Die genannte Lehre, welche Karmarsch und Thomée nicht in ihrer definitiven Gestalt bekannt war, ist seit circa 10 Jahren in Frankreich ganz allgemein für Draht und Drahtstifte in Anwendung. Vor Einführung der Jauge de Paris war eine ältere französische Lehre, die sogenannte Jauge de Limoges *) üblich, welche zum Theil nicht unerheblich von der Jauge de Paris differirt.

In Betreff der Nummern jener älteren Lehren sind von verschiedenen Seiten Stärkebestimmungen mitgetheilt, welche in den Col. d, e, f der Tab. IV enthalten sind, und zwar Col. d nach Karmarsch's Messungen an mehreren guten französischen Originalklinken,

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e nach vielfachen Bestimmungen von H. Thomée, f nach Angabe von Wiebe.

Aus diesen drei zuverlässigen Zahlenreihen find in Col. n die mittleren Werthe abgeleitet, als wahrscheinlichste Stärken für die Nummern der Jauge de Limoges. Dieselben stimmen nur in den Nr. 0 und 1, 9 bis 12, 23 bis 30 annähernd mit denen der Jauge de Paris überein, während sie in den Nr. 2 bis 8 und 13 bis 22 um bis 1 Nr. oder bis zu 11 pCt. schwächer sind.

In Süddeutschland, wo die französische Drahtlehre nach Einführung der französischen Drahtstistmaschinen vielfach für Stifte und dadurch auch für Draht üblich wurde und gegenwärtig wohl die verbreitetste Lehre für diese Artikel ist, hat man, wie es scheint, aus den Lehren von Paris und Limoges eine dritte combinirt; ich theile dieselbe in den Col. g, b, i, o mit, und zwar

Col. g nach meinen Messungen an Originalmustern der bedeutenden Draht- und Stiftfabrik von Roth, Hec und Schwinn in Irheim bei Zweibrücken,

W

h nach meinen Messungen an Originalmustern der größten süddeutschen Stiftfabrik Klett & Co. in Nürnberg, womit

i die Messungen von Karmarsch an Drahtsorten der niederösterreichischen Fabrik C. Schedl zu Frauenthal nahezu übereinstimmen,

o enthält das Mittel aus obigen drei Messungen als wahrscheinlichste Stärken der süddeutschen Drahtlehre, wonach dieselbe in den Nr. 3 bis 11 genau und 23 bis 26 annähernd mit Jauge de Paris übereinstimmt, in den Nr. 0 bis 2 dagegen stärkere, in den Nr. 12 bis 22 aber um

bis

*) Benannt nach der Stadt Limoges im Centrum der älteren französischen Drahtfabrication in den Holzkohleneisen-Districten von Limousin, Berry und Périgord.

1 Nr. oder bis zu 10 pCt. schwächere Dicken zeigt; mit der Jauge de Limoges verglichen, zeigt die süddeutsche Lehre ebenfo wenig eine Uebereinstimmung aller Stärken, da dieselben nur für die Nr. 9 bis 26 annähernd gleich sind, wogegen in den feineren Sorten eine erheblich (um mehr als 10 pCt.) größere Dicke für die Nummern der süddeutschen Lehre hervortritt.

Um die Uebereinstimmung der Jauge de Paris und der zwei ihr ähnlichen Lehren mit dem Karmarsch'schen Geseze zu prüfen, ging ich von den in denselben annähernd identischen Nummern 0=0mm,50 und 23 =0mm,50 und 235mm,90 aus, so daß 24, d 0,50, D= 5,90, und bestimmte hiernach den

n=

n-1

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den ersten Factor p = 0,9183 und entsprechend die folgenden; durch Ausführung dieser Rechnung für obige 24 Nummern, sowie durch deren Fortsegung für die schwächeren und stärkeren Sorten erhält man die in Tab. IV, Col. c aufgeführte rectificirte französische Drahtlehre.

Vergleicht man hiermit die Jauge de Limoges, so zeigen sich wenig Differenzen bei den Nr. O bis 6; die folgenden dagegen weichen bis 26 pCt. von einander ab, indem die der Jauge de Limoges zu schwache Stärken haben. Dasselbe gilt von der süddeutschen Drahtlehre.

Die Jauge de Paris stimmt nur in den Anfangs- und Endgliedern mit der nach dem Karmarsch'schen Geseze rectificirten Lehre überein; dagegen sind die Abweichungen in den dazwischen liegenden Nummern nicht so beträchtlich (stellenweise nur 2, höchstens aber 15 pCt.) wie bei der Jauge de Limoges, so daß die Abstufungen bei der Jauge de Paris schon rationeller find, als bei jener, wenn sie auch noch immer nicht unerhebliche Fehler zeigen.

Ich mache besonders darauf aufmerksam, daß die französische Drahtlehre in der Praxis in jener dreifachen Form, als Jauge de Paris, Jauge de Limoges und süddeutsche Drahtstiftlehre auftritt. Die vielfachen Widersprüche und Abweichungen, welche mir und Anderen beim Arbeiten nach französischer Lehre und beim Vergleiche ihrer Stärken mit anderen Lehren und Maßen begegneten, erklären sich dann nur befriedigend, wenn man beachtet, mit welcher von den drei einander sehr ähnlichen und doch oft nicht unwesentlich von einander differirenden Drahtlehren man es zu thun hat.

Ju Col. k der Tab. IV ist eine in der Fabrik von A. Fischer zu St. Egidi in Niederösterreich gebräuchliche, von Karmarsch a. a. D. mitgetheilte Lehre aufgeführt, welche ebenfalls von der altfranzösischen Drahtlehre abgeleitet zu sein scheint, indem sie in der Numerirung und in den Stärkenangaben für die Nummern 0 bis 3 und 28 bis 40 annähernd damit übereinstimint, während die Zahlen für die dazwischenliegenden Sorten erheblich größer sind.

Auf diese Lehre scheint sich ein Vorschlag zu beziehen, welchen die Drahtfabricanten Gebrüder Quirin in Kirchberg (Niederösterreich) bereits im Jahre 1858 (vergl. „Neueste Er

findungen“, 1858, Nr. 33 und „Polytechn. Centralblatt", 1858, S. 1401 bis 1404) zur Herbeiführung einer rationellen Normallehre machten, und wobei sie das später von Karmarsch begründete Gesez bereits in Anwendung brachten. Die dabei erhaltenen und mit den Angaben für die Fischer'sche Lehre nahe übereinstimmenden Zahlen enthält die Col. 1.

Es ist hiernach, der Bezeichnung von Karmarsch entsprechend, p 0,950, D = 10,000, d = 0,064, n 0,064, n = 43; segt man diese Werthe in die Karmarsch'sche Formel

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Verbesserungen an Schlagmaschinen für Reinigung der Baumwolle.

(System Lord Brothers.)

Von H. Minssen.

(Vorgetragen in einer Versammlung des Breslauer Bezirksvereines 1866.)

(Hierzu Blatt 5.)

Wie während des amerikanischen Krieges die Qualität der versponnenen Baumwolle zu denselben Garnen immer geringer und geringer genommen wurde, und man zu den gröberen, fürzeren und unreineren Fasern der ostindischen Baumwolle überging, mußten die Maschinenbauer darauf bedacht sein, dieselben durch sorgfältigere Reinigung, Auflockerung und Egalisirung in den Vorbereitungsstadien der Spinnerei so zu präpariren, daß sie zu höheren Gespinnstnummern brauchbar wurde.

Unter die zahlreichen Verbesserungen, welche namentlich die englischen Constructeure erfanden, und von denen sich einige als praktisch erwiesen, andere zahllose wieder untergingen, gehört auch die praktische, verbesserte Schlagmaschine von Lord Brothers in Todmorden, welche seit 1863 in Aufnahme kam und sich ausgezeichnet bewährt. Der erste Schritt zur Vervollkommnnung der gewöhnlichen Schlagmaschine, welche die Baumwolle vermittelst stählerner Meffer reinigt, die mit radialen Armen an einer starken Welle befestigt sind und die Baumwolle zwischen zwei Zuführcylindern hervorziehen, war die Beseitigung dieser Art Speisung durch geriffelte Cylinder, welche nur die vollständige Reinigung längerer Baumwolle gestatten. Wenn man die Skizze Fig. 4 betrachtet, so sieht man leicht, daß bei den Dimensionen des Schlägers a, dessen Messer (bei einer Umdrehungszahl von 1500 bis 1700 pro Minute) eine Mantelfläche von 0,42 Durchmesser beschreiben*), und der beiden Zuführ- oder Speisewalzen b, b von 0,065 Durchmesser diese beiden Organe nur so nahe gestellt werden können, daß eine Faser, welche von der Messerkante getroffen wird und um der Reinigung willen am anderen Ende noch von den geriffelten Walzen b, b festgehalten wird, mindestens eine Länge von 0,20 haben muß. Leßtere Länge findet sich bei der amerikanischen Baumwolle gewöhnlich, dagegen bei der ostindischen fast nie, welche zwischen QTM,05 und 0,175 Länge variirt.

*) Siehe die punktirte Kreislinie.

Lords wählten daher das neue Hebelsystem, bei dem nur die obere Speisewalze b beibehalten, dagegen die untere durch eigenthümliche Hebel ersezt wurde, Fig. 5. Dieselben haben als Haupttheil einen Finger c, welcher nach der Rundung der schwachgeriffelten oberen Speisewalze b gekrümmt ist und sich an dieselben von unten eng anlegt. Diese Hebel find über die ganze Breite der Schlagmaschine auf eine feftliegende Achse d lose aufgereiht, um welche sie sich frei drehen können. Der andere Arm e, welcher bedeutend länger ist, trägt am äußersten Ende ein dickes angegossenes Gewicht w, welches das Andrücken des ersten Hebelarmes c an die Riffelwalze bewirkt.

Man sieht, daß es auf diese Weise möglich ist, auch die kürzeste Faser von 0,05 Länge durch den Schläger bearbeiten zu lassen.

Eine andere Verbesserung, welche allerdings schon älter ist, aber mit diesem neuen Hebelsysteme in Verbindung gebracht wird, ist Lords' Patent Regulator, R, Fig. 6 und 7, welcher die Zuführung der aufgelegten Baumwolle regulirt. Bekanntlich wird die Baumwolle bei der ersten Schlagmaschine (ein gewisses Gewicht für eine gegebene Länge) auf das Tuch ohne Ende z, z.. aufgelegt und von diesem der Speisewalze b nebst Hebeln c, c übergeben u. f. w. Da dies durch Handarbeit geschieht, ist es nicht möglich, über die ganze Fläche das aufgegebene Rohmaterial gleichförmig auszubreiten; es wird also unregelmäßig bearbeitet und kommt als unegale Watte oder Wickel (lap) wieder am Ende der Maschine zum Vorschein. Um diesem Uebelstande abzuhelfen und namentlich Watte von gleicher Dicke durchweg zu erhalten, dient der Patentapparat R, Fig. 6 und 7, wo man zugleich die ganze Maschine und die Anbringung des Apparates an dieselbe sieht.

In Verbindung mit diesem Apparate haben die oben erwähnten Hebel eine etwas veränderte Form, Fig. 1, 2 und 3. Statt des Gewichtes an dem längeren Arme des Hebels tragen sie an einem Haken h mittelst Desen die Stäbe f, f.

deren Enden keilförmig gestaltet find (Fig. 2) und durch den Schliß eines länglichen gußeisernen Kastens gg parallel neben einander hindurchgehen. Zwischen diesen Keilen liegen runde Röllchen i,i.., welche dazu dienen, die Stäbe in gleichen Abständen von einander zu halten. Der leßte Stab f' an der rechten Seite hat oberhalb seines feilförmigen Theiles einen Schliß, in welchem ein festgeschraubter Bolzen das Verbindungsglied k (siehe Fig. 7) hält, dessen anderes Ende an dem Winkelhebel In befestigt ist. Am anderen Arme n dieses Winkelhebels befindet sich eine Riemengabel t, die einen Riemen ss umfaßt, welcher auf den beiden Riementrommeln q und r hin- und hergeschoben werden kann.

Die Bewegung dieser Trommeln geht von den Scheiben a und x (Fig. 6) aus, welche lettere auf der Achse der Trommel q festsigt. q treibt mittelst des eben erwähnten Riemens die Trommel r, an deren Achse oberhalb sich eine Schnecke y befindet, die endlich in ein Schneckenrad Y eingreift, welches auf der Speisewalze b befestigt ist.

Die Wirkung des Apparates ist nun folgende:

So wie die Baumwolle von der Speisewalze b gefaßt wird, heben sich sämmtliche Hebel e, e.. mit den Stangen ff.. bis zu einer gewissen Höhe, der eine mehr, der andere weniger. Ist nun die durchschnittliche Dicke des Querschnittes der ganzen Breite normal, so wird der lezte Hebel f' so hoch gehoben und zur Seite geschoben, daß der mehrerwähnte Riemen in der Mitte der Riementrommeln steht, und alsdann

hat in dieser Stellung des Riemens die Speisewalze die normale Geschwindigkeit. Wird aber zu viel Baumwolle an einzelnen Stellen zugeführt, so daß der Gesammtdurchschnitt der von Speisewalze und Hebeln gefaßten Baumwolle die vorgeschriebene Dicke überschreitet, so wird durch die Hebung des Hebelsystemes der lezte Hebel f' zur Seite gedrängt, mit ihm das Glied k (Fig. 7) angezogen, der Winkelhebel In bewegt und die Riemengabel t nebst Riemen in die Höhe geführt. Die Folge davon ist eine langsamere Bewegung der Trommel r und mit ihr der Schnecke y und der Speisewalze. Es wird also vermittelst der Lepteren dem Schläger weniger Baumwolle zugeführt und der Zweck des Regulirens ist erreicht.

Umgekehrt, falls zu wenig Baumwolle dem Schläger auf einmal geboten wird, geht der Riemen nach unten; die zweite Trommes und mit ihr die Schnecke und Speisewalze gehen schneller und führen dem Schläger die Baumwolle schneller zu, so daß in jedem der beiden Fälle die Maschine mit der richtigen Quantität gespeist wird und in Folge dessen sehr gleichmäßige Watten liefert.

Dieser Apparat, einmal richtig gestellt und adjustirt, arbeitet so genau, daß eine gewisse Länge des von der Maschine producirten Wattenwickels, abgemeffen und gewogen, nie über 2 pCt. variirt, ein sehr wichtiges Ergebniß für alle folgenden Stadien des Spinnprocesses, welches jeder Spinner zu würdigen weiß.

Die Humphreys-Abbot'sche Theorie der parabolischen Bewegung des Wassers.
Von Grebenau, K. b. Baubeamten in Germersheim.

(Vorgetragen in der Versammlung des Pfalz-Saarbrücker Bezirksvereines vom 7. October 1866 in Kaiserslautern.)

Ich beabsichtige Ihre Aufmerksamkeit auf eine neue Theorie der Bewegung des Waffers zu lenken, welche, obwohl die Mehrzahl der werthen Gesellschaft aus Berg- und HüttenIngenieuren und Maschinentechnikern zu bestehen scheint, doch ficher Ihr Interesse erregen dürfte. Erwarten Sie nicht, daß ich etwa mit einer Abhandlung über Flußbau Ihre Geduld in Anspruch nehme. Ich werde vielmehr speciell Ihr Interesse im Auge behalten und von den Wasserkräften ausgehen, welche bei dem Berg-, Hütten- und Maschinenwesen eine so große Rolle spielen.

Die Größe einer Wasserkraft wird bekanntlich durch das Product des Gewichtes der von einer gewissen Höhe herabfallenden Wassermenge pro Secunde in diese Fallhöhe, welche das Gefälle heißt, ausgedrückt. Das Gefälle ist leicht zu ermitteln. Dagegen ist die Bestimmung des anderen Factors, der Wassermenge, eine sehr delicate Sache und viel schwieriger, als es auf den ersten Blick scheint.

Wenn Triebwerksanlagen, welche auf gespannter Wasserkraft beruhen, also Wasserräder, Turbinen u. s. w. nicht immer den gewünschten Erfolg hatten, und Sie werden sicher einzelne solche Fälle kennen gelernt haben, lag nach meiner Ansicht der Fehler einzig und allein an der mangelhaften Bestimmung der Wassermenge, dieses so wichtigen Factors der Wasserkraft. Man begnügte sich entweder mit einer ganz rohen Schäßung,

oder wenn eine directe Wassermessung vorgenommen wurde, famen unvollkommene Instrumente und Methoden zur Anwendung; man beachtete unwesentliche und übersah wesentliche Momente oder wendete eine ungenaue Berechnungsmethode auf die beobachteten Größen, z. B. die sogenannte Eytelwein’sche Formel, an, deren Unzuverlässigkeit sogleich besprochen werden wird, oder endlich man übersah den Unterschied zwischen kleinstem, mittlerem und höchstem Wasserstande.

Die richtige Bestimmung der Wassermenge z. B. eines Baches, welcher als Triebkraft benugt werden will, kann bekanntlich auf zweierlei Art erfolgen:

1. Durch directe Messung, indem man den Querschnitt des Baches parallel dem Ufer durch verticale Ebenen in mehrere Theile theilt, die mittlere Geschwindigkeit einer jeden solchen Section des Baches direct durch Schwimmer oder sonstige Instrumente mißt und für alle diese Sectionen die Producte aus den Querschnitten und den zugehörigen Geschwindigkeiten nimmt. Die Summe dieser Producte ist die gesuchte Wassermenge oder besser Durchflußmenge des Baches für eine Secunde.

2. Durch Anwendung einer Formel, welche die mittlere Geschwindigkeit aus den Dimensionen des Querprofils und des Gefälles der Wasserspiegel zu berechnen gestattet. In diesem Falle braucht im Allgemeinen nur der Querschnitt des

Baches an einer möglichst regelmäßigen Stelle und das Gefälle des Wasserspiegels auf- und abwärts an dieser Stelle gemessen zu werden.

In Deutschland wird seit 50 Jahren zur Berechnung der mittleren Geschwindigkeit aus Querprofil und Gefälle fast ausschließlich die bekannte Eytelwein'sche Formel benußt, welche aber schon seit geraumer Zeit als sehr verdächtig gilt, indem der Coefficient derselben, welcher für die verschiedenartigften fließenden Gewäffer, bei großen und kleinen Querschnitten, starken und schwachen Gefällen constant sein sollte, außerordentliche Verschiedenheit zeigte, so daß man schließlich kein anderes Auskunftsmittel fand, als für jeden Fluß und Bach den speciellen Coefficienten erst zu bestimmen, wenn man nur einigermaßen Verlässigkeit in die Rechnung bringen wollte. Diese Bestimmung des Coefficienten fann aber nur durch eine directe verlässige Wassermessung erfolgen, so daß das Hilfsmittel zur Lösung der Aufgabe eigentlich die Lösung selbst ist, was den Nugen einer solchen Geschwindigkeitsformel total aufhebt.

Diesem großen Mißstande hilft nun die neue Theorie der parabolischen Bewegung des Wassers mit einem Male gründlich ab, indem sie für die größten Ströme und kleinsten Bäche, für die stärksten und schwächsten Gefälle mit einer und derselben Formel und mit sich gleichbleibenden Constanten die mittlere Geschwindigkeit übereinstimmend mit den directen Messungen giebt.

Diese neue Theorie der Bewegung des Wassers stammt merkwürdigerweise nicht aus der alten, sondern aus der neuen Welt, aus Nordamerika. Die Geschichte der Entstehung dieser Theorie ist kurz folgende:

Die colossalen Verwüstungen, welche der Mississippistrom auf seinem fast 1000 englische Meilen (1610 Kilomtr.) langen Laufe von seiner Vereinigung mit dem Ohio bis zu seiner Ausmündung in den Golf von Mexiko bei Hochwässern anrichtete — indem die ungeheure Wassermasse von 14 Millionen Cubiffuß (42,450 Cbkmtr.) dem schlangenähnlichen Flußbette nicht folgen konnte, an mehreren Stellen die schwachen Dämme durchbrach, in die Niederungen links einströmte, dann wieder, die Dämme in das eigene Bett hineinfegend, in die Niederungen rechts ausbrach und ganze Landstriche zerstörte — die Unvollkommenheit der Dämme, der Mangel eines Systentes in der Anlage dieser von Seite der einzelnen Regierungen und der Privaten, endlich die Schwierigkeiten, welche die fortschreitende Versandung der Mündungen dieses Stromes der Schifffahrt bereiteten, gaben der nordamerikanischen Regierung im Jahre 1850 Veranlassung, den ganzen Fluß von einer speciellen technischen Commission untersuchen und Vorschläge aufstellen zu lassen, wie die 20,000 englische Quadratmeilen (5,180,000 Hektaren) großen Niederungen (eine Fläche, größer als das ehemalige deutsche Bundesgebiet) durch Schuß gegen die Verwüstungen des Flusses der Cultur gewonnen, und die Flußmündungen für die Schifffahrt verbessert werden könnten. Die Mittel zu diesen Untersuchungen wurden vom Congreß bewilligt. An der Spize dieser Commission, welche wieder in einzelne Sectionen für verschiedene Dertlichkeiten und Arbeiten zerfiel, standen die Ingenieur-Officiere der Vereinigten Staatenarmee Capitain Humphreys und sein thätigster Mitarbeiter Lieutenant Abbot. Zehn Jahre lang dauer

ten mit Unterbrechungen die hydrometrischen Messungen, die geographischen und hydrographischen Arbeiten. Am Hauptstrome wurden nicht weniger als 93, an den Nebenflüffen 72 Querprofile aufgenommen, und die Geschwindigkeiten an den vier Städten Columbus, - Vicksburg, Natchez und Carollton über ein Jahr lang fast täglich an zahlreichen Punkten des 2200 bis 4400 englische Fuß (670 bis 1341") breiten Wasserspiegels und zeitweise in 50 bis 120 Fuß (15 bis 36TM) Tiefe hinab mit Schwimmern gemessen. Außerdem wurden die Gefälle des Wasserspiegels auf die ganze Länge des Flusses von Cairo bis zum Golf bei hohem, mittlerem und niederem Wasserstande ermittelt. Aus den in allen Punkten der Querprofile gemessenen Geschwindigkeiten und den Flächen der Profile ergaben sich direct die Durchflußmengen für die betreffenden Dertlichkeiten, Pegelstände und Gefälle. Diese zahlreichen Geschwindigkeitsmessungen konnten begreiflicherweise nicht alle bei windstillem Wetter, bei gleichem Pegelstande, bei gleichheitlichem Fallen oder Steigen des Flusses vorgenommen werden. Bald wehte der Wind zu Berg, bald zu Thal, bald quer über den Fluß, bald stand dieser hoch, bald nieder, bald war er in schwachem, bald in starkem Steigen und Fallen begriffen. Alle diese Elementarereignisse mußten begreiflicherweise auf die Messungsresultate und namentlich auf die sich daraus ergebende mittlere Geschwindigkeit und die gesuchte Durchflußmenge von Einfluß sein. Durch die genaue Beobachtung aller dieser Einflüsse während der Meffung war jedoch die Möglichkeit gegeben, die Größe der störenden Wirkungen derselben auszuscheiden, und das Gefeß der so complicirten Erscheinung des fließenden Waffers in Flüssen und Canälen endgültig darzustellen. Zu diesem Zwecke wurden die Messungsresultate nach Windstärken und Windrichtungen für Hoch-, Mittel-, Niederwasser, für fallendes und steigendes Wasser gruppirt, und die Resultate jederzeit graphisch dargestellt, wodurch sich jede Unregelmäßigkeit der Erscheinung sofort herausstellte und deren Ursache sowie das Gesetz derselben sich ermitteln ließ.

Die Resultate aller dieser im großartigsten Maßstabe, wie noch nie an einem Fluffe, vorgenommenen Messungen sammt der darauf begründeten neuen Theorie der Bewegung des Wassers, sowie deren Anwendung auf den Mississippi find in einem 600 Quartseiten und 20 Tafeln umfassenden Werke in englischer Sprache niedergelegt, welches unter der Autorität des nordamerikanischen Kriegsdepartements, Bureau der topographischen Ingenieure, im Jahre 1861 bei Lippincott & Co. in Philadelphia erschien und den Titel führt: Report upon the Physics and Hydraulics of the Mississippi-River etc. prepared by Captain Humphreys and Lieutnant Abbot. Es wurden nur 1250 Exemplare gedruckt, von welchen etwa ein halbes Dußend von je einem Briefe des Premiers der Union, Hrn. Seward, begleitet, an die bedeutendsten Bibliothefen Deutschlands versendet ward. Dies erklärt, warum von diesem schon 1861 gedruckten Werke bis jezt so wenig in die Deffentlichkeit gedrungen ist.

Durch einen interessanten größeren Aufsaß, betitelt: Neuere Forschungen über den Mississippi“ in der Beilage der allgemeinen Zeitung vom 12. August 1863 u. ff. aufmerksam gemacht, wendete ich mich an den Verfasser desselben, Hrn. Stadtbibliothekar Dr. J. G. Kohl in Bremen, welcher

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