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Alle andern Anfangszüge, als die in diesen vier Musterspielen enthaltenen, nenne ich mit Recht unregel= mäßig; denn sie bringen dem Spieler, der sie anwendet, gewiß allezeit einen Nachtheil, dér um desto gröHer seyn wird, je weniger die gemachten Züge, dem im Anfange dieser Einleitung aufgestellten Endzweck der Anfangszüge entsprechen. Da aber doch dergleichen feh-lerhafte Anfangszüge einen minder geübten Spieler leicht in Verwirrung bringen können, so bestimmte ich die neunte Tabelle allein dazu, um durch einige Beyspiele zu zeigen, wie man die durch schlechte Anfangszüge gegebenen Blößen benußen müsse, ohne sich selbst zu falschen Zügen verleiten zu lassen.

So viel zur Einleitung; ich gehe nun zur Aufe stellung meiner theoretischen Grundsähe selbst über. A. Allgemeine theoretische Grundsäße.

Die Kunst eines guten Schachspielers besteht da= rin, daß er

1) den Werth der Figuren und ihre Verhältnisse gegen einander genau kenne.

2) daß er einen guten Plan zu gehöriger Zeit zu entwerfen, und

3) diesen Plan geschickt und geschwind auszuführen wiffe.

Von dem Werthe der Figuren.

Es ist sehr schwer, ja wohl ganz unmöglich, einen Maßstab aufzustellen, nach welchem man den Werth der Figuren in ihren unendlich wechselnden Verhältnissen gegen einander für den praktischen Gebrauch anwendbar berechnen könnte; nur durch anhaltende Übung gelangt jeder Spieler selbst dahin, sich darüber ein eigenes Sy

stem zu bilden, welches aber auch wieder nur für ihn selbst brauchbar ist, da es aus seiner individuellen Ansicht entstanden, und auch nur auf seine Fertigkeit bes rechnet ist.

Die einfachste Bestimmung des Werthes ist:

Die Königinn ist die stärkste Figür, der Thurm behauptet nach ihr den Rang. Laufer und Springer scheinen beynahe gleich zu seyn. Die Bauern sind die geringsten, und können nur durch gegenseitige Unterstüßung wirksam werden.

Einige feßen folgenden Maßstab fest:

Die Königinn ist gleich zwey. Thürmen und einem Pion oder einem Thurme, einer kleinen Figur und zweyen Pions, oder drey kleinen Figuren, und einem; auch zweyen Pions.

Der Thurm ist so viel wie zwey Eleine Figuren oder eine kleine Figur und drey Pions.

Der Baufer und Springer sind gleich, und sollte ein Unterschied unter ihnen Statt finden, so entsteht er nur durch die Lage des Spieles, und durch die Liebhaberen oder Geschicklichkeit des Spielers, mit welcher er einen oder den andern zu gebrauchen weiß. Sie sind mehr als drey und weniger als vier Pions.

Aber welcher, auch nur mittelmäßige Spieler, wird nicht einsehen, daß diese Bestimmungen des Werthes und der Verhältnisse der Figuren zu einseitig, und daher ganz unrichtig sind? Nach meinen Erfahrun= gen muß der Werth der Steine nach einem ganz andern Maßstabe gemessen werden; ich schäße deren Werth nach der Lage eines jeden Spieles. Es gibt Fälle, in denen ein Laufer besser als ein Thurm, ja, wo ein Springer besser als die Königinn selbst ist. Auch lehrt die Erfah=

rung, daß bey einigen Figuren die Stärke gegen den Ausgang der Parthie abnimmt, wie bey der Königinn und dem Springer, hingegen bey andern zunimmt, wie bey dem Thurme und dem Pion. Im Anfange der Parthie ist die Königinn gewiß stärker als zwey Thürme, ges gen das Ende ist sie ihnen nur gleich, ja vielleicht gar etwas schwächer, anfänglich wirken drey Pions nicht so viel als eine kleine Figur, und zu Ende des Spieles sind zwey Pions oft schäßbarer als eine Figur.

Im Allgemeinen hat jede Figur, welche schon this. tig ist, mehr Werth als eine andere noch unthätige oder gar eingesperrte. Wenn ich daher die Wahl habe, dem Feinde einen unter zwey Steinen zu nehmen, so nehme ich gewiß allezeit, ohne Rücksicht ob es ein Thurm, Laufer oder Springer ist, denjenigen, welcher schon so weit vorgerückt ist, um mir Gefahr zu drohen, oder welcher einen mich angreifenden Stein unterstüßt; keinesweges aber jenen, den der Gegner erst ins Spiel bringen muß, um mir zu schaden. Hierüber ist die Ers. fahrung, die beste Lehrmeisterinn; ich werde daher auch in den Anmerkungen zu den Tabellen öfters Gelegens heit haben, über Erkennung des Werthes der Steine nach den verschiedenen Lagen des Spieles deutlichen Unterricht zu geben.

Laufer und Springer sind zwar, wie schon oben bemerkt, von gleicher Stärke, und ihre Umtauschung. gegen einander kann im Allgemeinen für keinen Nachtheil erklärt werden, doch wird folgende Aufzäh lung der einem jeden eigenthümlichen Vorzüge sehr viel dazu beytragen, ihren, nach der Lage des Spieles relativen, Werth richtiger bestimmen zu können.

a) Vorzüge des Springers vor dem Laufer. 1) Durch Unterstügung eines Springers geht ein Bauer, welcher zu Ende des Spieles auf einer Thurmlinie steht, sicher zur Dame; der Laufer bewirkt dieß nicht, wenn er nicht von der Farbe des Eckfeldes ist.

2) Das vom Springer gegebene Schach kann nicht ge. deckt werden.

3) Der Springer deckt das Schach in mehreren Rich. tungen.

4) Ein Springer kann abwechselnd, weiße und schwarze Felder betreten und angreifen, welches besonders ben Verfolgung der Bauern von großem Vortheil ist.

5) Die Springer vertheidigen sich einander gegenseis tig; die Laufer nicht.

6) Des Springers Gang bringt ihn über andere Stei

ne hinweg, der Laufer wird dadurch aufgehalten. 7) Ben verwickelten Stellungen dringt deßhalb der Springer leichter ein.

8) Den Gang des Springers hat kein anderer Stein. 9) Er allein kann ersticktes Schachmatt geben. 10) Der Verlust eines Springers, kann in den meh=

resten Fällen durch den andern erfekt werden; der Verlust eines Laufers bringt den Nachtheil, entweder die weißen oder die schwarzen Fels der nicht mehr angreifen zu können, wodurch oft der angelegte Plan auf einmahl gänzlich zerstört wird. b) Vorzüge des Laufers vor dem Springer. 1) Die Laufer bedrohen den Gegner von weitem. 2) Ein Laufer und ein Bauer können sich wechsels. weise unterstüßen.

3) Der feindliche König kann den Laufer nicht vers folgen.

4) Der Laufer kann den Springer eingeschlossen halten, und ihm den Ausgang verwehren, bis ihn der König oder ein anderer Stein befreyt.

5) Ein Laufer, zur Deckung des Schaches vor den König gestellt, greift zugleich an.

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6) Zwen Laufer erzwingen das Matt, zwey Springer nicht.

7) Zwey Laufer gegen die Königinn machen remis, zwey Springer verlieren gegen sie.

8) Ein Laufer und ein Thurm können gegen einen Thurm matt machen; Thurm und Springer gegen Thurm bleibt remis.

Entwerfung eines Planes, und dessen Ausführung.

Bevor man daran denken darf, einen Plan zu entwerfen, müssen die Steine alle frey und so gelagert seyn, daß man sich ihrer nach Willkühr bedienen kann. Die ersten Züge geschehen daher eigentlich nicht um anzugreifen, sondern bloß um die Steine in eine solche Stellung zu bringen, daß man nachher mit allen Fis guren bequem zum Vorhaben dienlich, desto nachdrück licher agiren kann.

Eine folche Stellung wird erreicht:

1) Wenn man verbundene Bauern in die Mitte des Schachbretes zu bekommen sucht, welche der Gegs ner ohne Schaden nicht trennen kann. Solche Mittelbauern sind von Wichtigkeit, sowohl beym Ans griff als bey der Vertheidigung, weil sie die Fis guren des Gegners am meisten hindern, in unser Spiel einzufallen. Kann man aber diese Mittel

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