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3. Mai 1919.

Rundschau.

Der 400 ste Todestag Leonardo da Vincis. Am 2. Mai sind es 400 Jahre, daß einer der gewaltigsten Menschen der Renaissance und aller Zeiten sein Leben beschloß. Von der Natur mit Gaben des Körpers und des Geistes verschwenderisch ausgestattet, nimmt Leonardo da Vinci nicht nur in der Kunstgeschichte eine überragende Stellung ein: die schöpferische Begabung des Künstlers verband sich in ihm auch mit dem Wesen eines hervorragenden Denkers und Forschers. Seinem großen Geiste ist es, wie einer seiner Biographen sagt, allein gelungen, Kunst und Wissenschaft harmonisch zu verschmelzen. Leonardo ist unter der bewundern den Anerkennung seiner Zeitgenossen auf den Gebieten der Musik, Dichtung, Malerei, Bildhauerkunst, Architektur und des gesamten Ingenieurwesens der damaligen Zeit schaffend und lehrend tätig gewesen, und auf allen diesen Gebieten suchte er sein künstlerisches Schaffen auf ein tiefschürfendes Studium des Wesens der Dinge zu gründen, um seinen Werken stets die höchste Vollendung zu sichern. Als erster hat er den ausübenden Künstler auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Perspektive, Anatomie, Zoologie, Botanik, Geographie, Geologie, Architektur und Mechanik zu studieren: »Zunächst beschäftige dich mit der Wissenschaft und dann mit der Praxis, die aus der Theorie hervorgeht. Von Anbeginn ist die selbstlose Hingabe an die Wissenschaft ein hervorstechender Zug Leonardos gewesen, der sich im Laufe der Jahre in alles beherrschendem Maße verstärkt hat. »Zur Malerei, so sagt einer seiner Besucher, »hat er keine Geduld, er treibt Geometrie.<< Damit hängt es unter anderm zusammen, daß von Leonardo nur wenig fertige Kunstwerke auf uns gekommen sind. Sagt man ihm doch sogar nach, daß er sich nur in Zeiten der bittersten Not mit der Malerei befaßt habe. Dagegen nahmen seine theoretischen Kenntnisse einen gewaltigen Umfang an, und in ihnen fand seine unersättliche Wißbegierde Befriedigung. Die wunderbare Ausgeglichenheit seiner Gaben bewahrte den Künstler trotzdem davor, den übermächtigen Hang zum Denken und Grübeln in seinen Kunstwerken störend hervortreten zu lassen, wie das z. B. in den Werken Dürers der Fall ist, der in dieser Beziehung nicht so glücklich veranlagt war wie sein italienischer Zeitgenosse.

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Die Verbindung seiner schöpferischen Begabung mit kritisch wägendem Forschergeist befähigte Leonardo ganz besonders für das Gebiet, auf dem er sich Zeit seines Lebens mit besonderer Vorliebe bewegt hat, nämlich für das Ingenieurwesen. Lange Zeitabschnitte hindurch finden wir ihn im Dienst italienischer und französischer Machthaber, teils ausschließlich, teils in Verbindung mit andern Aemtern, als >Hof- und Kammeringenieur tätig. 1482 als 30 jähriger an den Hof Lodovicos il Moro in Mailand berufen, entwarf er gelegentlich des drohenden Krieges mit Venedig ein umfangreiches Programm seiner Tätigkeit als Kriegsingenieur, das sich auf den Bau von Kriegsbrücken, Festungen, Schlachtwagen, Geschützen usw. erstreckt, und stellte später nach dem Auftreten der Pest in Mailand (1484/85) einen großzügigen Plan für die Umgestaltung der Städte zur Beschaffung von Licht, Luft und Reinlichkeit auf. Nach Lodovicos Tode finden wir ihn 1502 im Dienste Cesare Borgias in Rom, wo er die Städte der Romagna befestigte und den Schiffahrtkanal von Cesena nach dem Meer baute. Bald darauf erhielt er von Florenz den Auftrag, den Arnofluß abzuleiten und bei Livorno in das Meer zu führen, um Pisa von der Küste abzuschneiden. Den Streit der Meinungen über die Ausführung des Planes entschied sein Vorschlag, obwohl allerdings auch dieser nicht zur Ausführung kam. In das Jahr 1505 fallen die denkwürdigen Versuche mit seiner selbsterbauten Flugmaschine, die später in Rom fortgesetzt wurden. Die Erinnerung daran soll noch jetzt im Volke lebendig sein. 1507 berief ihn König Ludwig XII nach dem von den Franzosen eroberten Mailand, wo er u, a. den Plan für die Schiffbarmachung des Martesanakanals von Mailand zum Comersee ausarbeitete und das Wasserbecken von San Christoforo schuf, das die Möglichkeit einer Ueberschwemmung vor Mailand verhinderte. 1517 ging Leonardo mit Franz I nach Amboise in Frankreich, da ihm das Vaterland eine sorgenfreie Stelle für sein Alter nicht zu bieten vermochte. Hier ist er, wieder mit großen Wasserbauplänen (Kanal von Romorantin) beschäftigt, am 2. Mai 1519 gestorben. Niemand kennt sein Grab.

Leonardos Bedeutung für die Technik liegt nicht in dem, was er an Werken ausgeführt hat, da über seinem technischen ebenso wie über seinem künstlerischen Schaffen ein Unstern waltete, der teils durch das Schicksal, teils durch die eigene

Unrast Leonardos bedingt war und ihn oft an der Vollendung des Begonnenen hinderte. Wir bewundern an ihm vielmehr das, was er über das Verständnis seiner Zeit hinaus gewollt und was er uns in seinen Schriften an fruchtbaren Gedanken hinterlassen hat. Leider ist von seinen umfangreichen Arbeiten nur ein Teil auf uns gekommen. Von einem großen Teil wissen wir nur vom Hörensagen. Auch dürfen wir nicht annehmen, daß alles, was er uns in den der Nachwelt erhaltenen Schriften sagt, eigenes Erzeugnis ist. Manches wird er in seinem bekannten Fleiße zusammengetragen haben. Aber auch das wird dem Leser der Gegenwart wertvoll durch die kritische Art, in der es wiedergegeben ist.

Der Kreis seiner wissenschaftlichen Betätigung ist groß. Auf dem Gebiet der Mechanik hat Leonardo eingehende Abhandlungen über die Schwere, die Bewegung, das Kraftmoment, den Stoß geschrieben, die uns leider nicht erhalten sind. Er hat den Begriff der dynamischen Energie eingeführt, die Gesetze der schiefen Ebene behandelt, brauchbare Ansichten über Reibung und Festigkeitslehre aufgestellt. Seine zahlreichen Wasserbauten veranlaßten ihn, sich auch besonders der Hydraulik zu widmen. Er hat die Strömungen in Kanälen unter schwierigen Umständen studiert und sich auch mit der Theorie der Wellenbewegung befaßt. Weiterhin hat sich seine Tätigkeit auf das Studium der Kinematik erstreckt, und zahlreiche Beiträge hat er zur Kenntnis der Maschinenelemente geliefert.

Mit diesen Beispielen ist der Umfang der technischen . Dinge, die Leonardo in den Kreis seiner fruchtbaren Betrachtungen gezogen hat, bei weitem nicht erschöpft. Einen Einblick gibt Th. Beck in seinen »Beiträgen zur Geschichte des Maschinenbaues « 1) sowie die Aufsätze von Beck im Jahrgang 1906 dieser Zeitschrift. Beide Arbeiten behandeln den Codex Atlanticus, der einen Teil von Leonardos nachgelassenen Schriften umfaßt.

Bezeichnend für die unserer Zeit durchaus nahestehende Aufgeklärtheit Leonardos in seinen Anschauungen ist die Tatsache, daß er sich gegen das Perpetuum mobile ausgesprochen und entschiedene Stellung gegen die Alchimisten und Astrologen seiner Zeit genommen hat. Man glaubt einen modernen Menschen zu hören, wenn man den Satz liest: >>Solche Hirngespinste beruhen auf keiner wissenschaftlichen Grundlage.< Dipl.-Ing. H. Groeck.

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Das technische Blatt der Frankfurter Zeitung. Von vielen Aufgaben, die die Technik in Gegenwart und Zukunft noch zu lösen hat, steht eine mit an erster Stelle: die Popularisierung der Technik. Wir brauchen freie Bahn für die Technik, wenn unser Wirtschaftsleben wieder aufblühen soll, und die Bahn wird nur dann endgültig von allen Widerständen befreit werden, wenn die ganze Masse des Volks einsieht, daß nur technische Arbeit uns retten kann. Leider hat man auch bei vielen Klagen aus technischen Kreisen über das geringe Verständnis technischen Schaffens bei der Allgemeinheit bisher versäumt, für die nötige Aufklärung zu sorgen. Jetzt aber muß auch diese Aufgabe angefaßt werden. Daß es möglich işt, wissenschaftliche Ergebnisse in die weitesten Kreise des Volkes zu tragen, sieht man am besten an der Popularisierung der Naturwissenschaft. Im Anfang des vorigen Jahrhunderts galt es in den gebildeten Kreisen für unbedingt erforderlich, naturwissenschaftliche Sammlungen anzulegen, physikalische Kabinette einzurichten und bei Gelegenheit ästhetischer Tees physikalische Experimente vorzuführen. Wir kennen genug Bilder aus dieser Zeit, die uns dies zeigen, und auch in der schönen Literatur findet man sehr häufig Hinweise darauf. Aber es dauerte doch noch bis in die späte Mitte des Jahrhunderts, bis diese zunächst mehr spielerischen Bestrebungen weitere Kreise zogen und gleichzeitig auch tiefere Anteilnahme fanden. Dazu half die materialistische Weltanschauung, die letzten Endes auf den naturwissenschaftlichen Ergebnissen beruhte. Das Ende des Jahrhunderts und das neue brachten dann eine große Zahl teilweise auch recht guter und brauchbarer gemeinverständlicher naturwissenschaftlicher Bücher, und das naturwissenschaftliche Vereinsleben entwickelte sich überall. Es war wohl nicht allein die Wissenschaft als solche,. die die Massen anzog, sondern auch die Freude, die eine vertiefte Beschäftigung mit der Natur und ihrem vielfältigen Gestaltenreichtum mit sich bringt.

Die jüngere Schwester der Naturwissenschaft ist aber

1) herausgegeben im Auftrage des Vereines deutscher Ingenieure im Jahre 1899,

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dabei stiefmütterlich ausgegangen. An die Technik hat sich die Allgemeinheit doch nicht herangewagt, obwohl ihr doch die Technik bei der alltäglichsten Betätigung sozusagen aufgezwungen wurde. Es hängt dies in erster Linie wohl auch damit zusammen, daß technische Vorgänge im allgemeinen wesentlich schwerer dem Laien auseinanderzusetzen und verständlich zu machen sind, als naturwissenschaftliche Vorgänge. wo alles viel klarer und offener liegt. Dazu kommt, daß der vielbeschäftigte Techniker vielfach dem Laienschriftsteller die Popularisierung der Technik überließ und weder die Zeit für solche Aufklärungsarbeit, noch die rechte Lust dazu fand. Man zuckte in technischen Kreisen mitleidig die Achseln über von technischen Laien geschriebene Zeitungsberichte, ohne selbst die Feder zu ergreifen. Vielfach lehnten auch die größeren Zeitungen den Fachmann von vornherein ab. Heute stehen wir vor der Notwendigkeit, hier Wandel zu schaffen; denn die Technik muß unbedingt zum Liebling des Volkes werden, wenn der höchste Wirkungsgrad erreicht werden soll. Nur so kann all die Reibungsarbeit, die der Techniker bei der Durchsetzung seiner Pläne bei Behörden und Parlamenten aufwenden muß, ausgeschaltet werden. Zwar haben sich schon seit längeren Jahren einzelne Zeitungen damit befaßt, technische Beilagen herauszugeben; aber diese Blätter bringen dem Laien selten etwas, was er restlos verstehen kann, und der Fachmann kann es entbehren, da ihm seine technischen Zeitschriften zur Verfügung stehen.

Auch die Frankfurter Zeitung hat seit Jahren allwöchentlich eine Seite der Technik und Industrie gewidmet, war jedoch von vornherein mit dem Mangel der Abbildungslosigkeit behaftet, der auch durch die beste Feder nicht überwunden werden kann. Die Zeichnung ist eben die Sprache des Technikers und darf nicht vernachlässigt werden. Seit einigen Monaten wurde diese Beilage zu einem kleineren Blatt umgestaltet, das jetzt auf neue großzügigere Grundlagen gestellt werden soll. Vom 1. Mai d. Js. ab soll »das technische Blatt<< regelmäßig als 14 tägige Beilage erscheinen. Die erste Nummer liegt als Probenummer bereits vor und verspricht außerordentlich viel. Sie betont ausdrücklich, daß das Blatt sich in erster Linie an den Laien wendet, um ihn über allgemein technische Fragen zu unterrichten und ihn in das weite Gebiet der Technik einzuführen. Es soll auch, und das erscheint besonders wichtig, die Allgemeinheit auf die Notwendigkeit hinweisen, daß der Techniker im Staatsleben mehr hervortreten und unser staatlicher Verwaltungsorganismus von Fachleuten durchsetzt sein muß, wenn wir auf dem Weltmarkte wieder zu bestehen versuchen wollen. Die erste Nummer bringt einen zusammenfassenden Aufsatz mit Abbildungen über das Bayernwerk von Oscar v. Miller. Ein weiterer Aufsatz über die deutsche Hebezeugindustrie mit sehr guten Tiefdruckabbildungen schließt sich an. Technische Notizen, Mitteilungen, neue technische Literatur und auch die Technik im Haus füllen weitere Seiten. In den folgenden Anzeigenblättern scheint besonderer Wert auf künstlerische Darstellung gelegt zu sein. So dürfen wir hoffen, daß, wenn das technische Blatt seine Mitarbeiterschaft in erster Linie aus technischen Kreisen sich zusammenstellt, hier etwas geschaffen wird, das hervorragend geeignet ist, technisches Verständnis überall anzubahnen und damit unsere Berufsarbeit zu erleichtern.

Ein höherer Gedanke, der allerdings nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, liegt dem Unternehmen wohl auch noch zugrunde, nämlich die Ausnutzung der in der Technik steckenden Kulturwerte für die Allgemeinheit. Die Technik weiß längst, wie hoch auch ihr ethischer Wert einzuschätzen ist, und gerade die nächste Zukunft wird und muß auf diesem Gebiet noch vieles zutage fördern. Auch dazu kann das volkstümliche technische Blatt erzieherisch beitragen, und es wäre gerade zu wünschen, daß diese Seite der Technik recht stark betont wird. Es sei darauf hingewiesen, daß die ethischen Werte besonders stark erkennbar werden, wenn man die Technik entwicklungsgeschichtlich verfolgt. Wünschen wir dem neuen Blatt, daß es auch in diesem Sinne gute Früchte tragen möge.

Dipl.-Ing. Carl Weihe.

Institut für Metallforschung. Der Gedanke der Gründung eines Instituts für Metallforschung entstammt einer Anregung der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften zu Berlin vom vorigen Jahre. Die Anstalt soll, die Wissenschaft von den Metallen in ihrer Gesamtheit umfassend, der Förderung der wissenschaftlichen Forschung und Erkenntnis der zahlreichen noch ungelösten Aufgaben bei der Gewinnung und Verarbeitung der Metalle dienen. Das Eisen wird bei diesen Aufgaben ausgeschlossen sein, da hierfür durch die Errichtung eines Instituts für Eisenforschung seitens des Vereins deutscher Eisenhüttenleute in Verbindung mit der Kaiser

Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure.

Wilhelm-Gesellschaft genügend gesorgt ist1). Die Mittel für den Bau und die Ausrüstung der Anstalt sind zu einem erheblichen Teil bereits von der Industrie gezeichnet worden. Auch hat das Reichswirtschafts-Ministerium in seinem Haushalt für 1919 eine einmalige Unterstützung von 500000 M und eine auf 10 Jahre bemessene jährliche Unterstützung von 25000 M vorgesehen. Die Gesamtkosten für den Bau und die Ausrüstung sind seinerzeit auf 4 bis 5 Mill. M, die laufenden Kosten auf 300 000 jährlich geschätzt worden.

Gesellschaft für Kohlentechnik m. b. H. in Essen-Ruhr. Unter diesem Namen haben sich bereits Ende vorigen Jahres 21 Unternehmen des Bergbaues und der Großindustrie zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen, die sich die praktische Auswertung und Weiterbildung der wissenschaftlichen Ergebnisse auf dem Gebiete der Steinkohlenforschung zur Aufgabe stellt. Das Arbeitsgebiet umfaßt u. a. die Förderung der Belange aller Beteiligten auf dem Gebiete der Verwertung der Steinkohle und der daraus hergestellten Erzeugnisse, insbesondere Prüfung und Begutachtung aller für die Kohlentechnik in Betracht kommenden Verfahren und Einrichtungen, sodann die Verbesserung bestehender und Ausarbeitung neuer Verfahren zur Ent- und Vergasung und zur Veredelung der Kohle und der bei ihrer Verarbeitung entstehenden Erzeugnisse und die Ausarbeitung neuer Verfahren zur bestmöglichen Verwendung der Kohle und der daraus gewonnenen Erzeugnisse. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sollen Gemeingut aller Beteiligten werden, so daß das neue Unternehmen in erster Linie eine Studiengesellschaft ist und nur in Ausnahmefällen als Erwerbsgesellschaft auftritt. Geschäftsführer sind Prof. Dr.-Ing. Häußer in Hamm (Westfalen) und Privatdozent Dr. Gluud in Mülheim-Ruhr. Die Gesellschaft verfolgt den besondern Zweck, im Zusammenhang mit den praktischen Betrieben der Steinkohlenbergwerke auf wissenschaftlicher Grundlage neue aussichtsreiche Verfahren und Vorschläge auszuarbeiten, auf ihre gewerbliche und technische Bedeutung zu prüfen, bis zur technischen Verwertung durchzubilden und bestehende Verfahren zu verbessern, um die zweckmäßigsten Mittel und Wege zur besten Ausnutzung der Steinkohle zu finden. Forschungsstätten mit ähnlichen Aufgaben bestehen in Deutschland in der chemischen Großindustrie schon seit langer Zeit, dagegen in der Steinkohlenindustrie bis jetzt noch nicht. Im Hinblick auf die vielfachen Aufgaben, die gerade in neuester Zeit auf dem Gebiete der Kohlenveredelung bestehen 2), ist dieser Schritt unserer Industrie, der eine Zusammenfassung und zielbewußte Förderung der vorhandenen Bestrebungen verspricht, lebhaft zu begrüßen. Das kurz vor dem Krieg eröffnete Kaiser WilhelmInstitut für Kohleforschung 3) ist, wie von den Gründern des neuen Unternehmens betont wird, seiner Natur nach nicht dazu bestimmt, die bisherige Lücke auszufüllen, weil es gemeinnützig sein und nicht ausgesprochen den materiellen Interessen einzelner dienen soll.

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Die Kalilager im Elsaß, die beim zu erwartenden Ausscheiden der Reichslande aus dem deutschen Zollverband unser Weltmonopol schwer zu schädigen drohen, sind erst im Jahrhundertbeginn nachgewiesen worden. Im Jahre 1904 stellte

man das sogenannte Wittelsheimer Becken als Kalilagerstätte fest. Die Kalifunde ziehen sich 10 km nördlich Mülhausen in einer Ausdehnung von rd. 180 qkm hin. Sie lagern zwischen den vogesischen Ostgrenzen und dem Rhein-Rhone-Kanal. In Frankreich sind Bohrungen ohne Erfolg, im rechtsrheinischen Gebiete, also in Baden, nur mit ganz geringem Erfolge vorgenommen worden. Die im Elsaß gemachten Funde sind außerordentlich reichhaltig an Kalisalzen und bedeutend salzhaltiger als die Vorkommen im Innern des Deutschen Reiches. Neben diesem großen Vorzuge stellt sich noch ein weiterer Vorteil ein, nämlich die günstigen Abbaubedingungen der VorDie kommen, die im Elsaß in zwei Schichten auftreten. Hauptlager sind von einer Mächtigkeit von 3,7 bis 5,4 m, die. oberen geringeren Lager haben eine Mächtigkeit von 0,8 bis 1,5 m. Das Aufarbeiten ist bedeutend billiger als bei den rechtsrheinischen Vorkommen. Das Fehlen von Sulfaten und Magnesiumsalzen vereinfacht das Verfahren ungemein.

Von einer elsässischen Kaliindustrie kann erst seit dem Jahre 1910 gesprochen werden, denn im Jahre 1909 war erst eine Grube im Betrieb. Im Jahre 1913 hatte man bereits 12 Werke, die Kali förderten, von Schächten wurden 6 vollkommen in Betrieb genommen und 7 erst teilweise abgebaut.

1) Vergl. Z. 1917 S. 583 und 1918 S. 298. 2) Vergl. S. 225.

3) s. Z. 1914 S. 1315.

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Band 63. Nr. 18.

3. Mai 1919.

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Rundschau.

4 Schächte waren dazu noch im Bau. Seit 1916 wurde das Abteufen weiterer Schächte völlig verboten. Bis dahin hatte der Krieg, der sich in unmittelbarer Nähe der Werke abspielte, eine Erweiterung des elsässischen Kalibergbaues noch zugelassen. Im Laufe eines Zeitraumes von nur 3 Jahren vermochte sich die Förderziffer von 42420 t auf 287000 t zu heben, so daß die Förderung der elsässischen Kaliindustrie bereits ein Fünftel der Gesamtförderung Deutschlands ausmachte. Die Kaligruben sind fast ausschließlich mit deutschem Geld entwickelt worden. Das wenige fremde Kapital, das vertreten war, ist im Laufe des Krieges abgestoßen worden. Insgesamt sind in der elsässischen Kaliindustrie 34,35 Mill. A festgelegt. Die elsässischen Lager sind zwar bei weitem kleiner als diejenigen in Mitteldeutschland, doch sind sie gleichwohl in der Lage, den Weltbedarf an Kali, gerechnet nach dem letzten Friedensverbrauch, auf etwa 250 Jahre hin zu decken. Allerdings dürfte trotz der Durchbrechung unseres Weltmonopols das deutsche Kali zunächst seine Stellung auf dem Weltmarkt behalten, da die elsässischen Werke vorderhand nicht genügend ausgebaut sind, um der gewaltigen Weltnachfrage zu genügen. (Zeitschrift für angewandte Chemie vom 25. März 1919)

Großes Umkehrwalzwerk der Lukens Steel Company. Die Bauart des in Z. 1919 S. 226 erwähnten neuen Walzwerkes zeigen Abb. 1 und 2. Daraus ist zu ersehen, wie die eigentlichen Arbeitswalzen a durch die darüber und darunter liegenden beiden Hilfswalzen 6 gestützt werden, so daß der Durchmesser der Arbeitswalzen trotz der großen Ballenlänge verhältnismäßig gering gehalten werden konnte. Die Walzenständer c sind mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Bearbeitung und der Beförderung vierteilig. Jeder Ständer wiegt 180 t und hat aufgebaut eine Höhe über alles von mehr als 10,5 m. Die oberen Walzen hängen an 2 Zylindern, die auf den Querbalken zwischen den beiden Ständern ruhen. Die Verstellbewegung wird durch Schnecke und Rad von zwei

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150 PS-Motoren geleistet, die auf den beiden Ständern sitzen. Die Kammwalzen von 1066 mm Teilkreisdurchmesser sind mit den Walzen durch 6,10 m lange Spindeln verbunden. Damit die untere Hilfswalze auf alle Fälle an der Umlaufbewegung teilnimmt, hat sie unter Einschaltung einer Reibungskupplung noch einen besondern Antrieb von den Kammwalzen her erhalten. (The Iron Age vom 2. Januar 1919)

Die Tätigkeit auf dem Gebiete der WasserkrafterschlieBung entwickelt sich in allen Kultur- und Industrieländern immer lebhafter. Ueberall ist das Bestreben erkennbar, sich unter Aufwendung größter Geldmittel von dem durch Krieg und staatliche Umwälzungen gefährdeten Bezug von Kohlen und anderen Brennstoffen weniger abhängig zu machen. Wenn auch alle vorliegenden Pläne nicht in wenigen Jahren zur Ausführung kommen können, so bleiben doch genug baureife und wirtschaftlich gesicherte Unternehmungen übrig, daß die einschlägige Industrie mit einer außerordentlichen Inanspruchnahme zu rechnen haben wird. Von neuerdings bekannt gewordenen Entwürfen, die sämtlich zu verzeichnen kaum möglich erscheint, seien nur die folgenden erwähnt: In DeutschOesterreich sind insgesamt 141 Wasserkraft-Elektrizitätswerke mit 1233000 PS Leistung im Jahresmittel vorgesehen, von denen 81 mit rd. 590 000 PS Entwürfe sind, während für die übrigen die Baugenehmigung erteilt ist oder die Wirtschaftlichkeit durch Stromlieferverträge vorbereitet ist 1). Aus den Wasserkräften Ungarns, die auf 1,7 Mill. PS bei Niedrigwasser geschätzt werden, sollen .für die in Vorbereitung befindliche Landes- und Eisenbahnbelieferung mit elektrischem Strom 245 000 PS gewonnen werden, während rd. 200 000 PS aus Wärmekraftanlagen zu beziehen sind. In Spanien ist die Ausnutzung der Wasserfälle der Segre und von Noguera-Pallerese mit 110000 PS und der Ausbau der Anlagen am Ebro auf 3 Mill. PS beabsichtigt. Außerdem

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!) Winkler, Zeitschr. für das gesamte Turbinenwesen 10. März 1919.

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sollen aus dem Duero 350 000 PS gewonnen werden, und weitere Kraftanlagen sind am Flemiosol, Jucar, Ereta und Cinca, die beiden letzteren durch eine französische Gesellschaft für Stickstoffgewinnung, geplant. Auch in Indien sind außer den in Z. 1919 S. 202 bereits erwähnten Anlagen Unternehmungen zur Ausnutzung des Siruvaniflusses, des Chulakudri und des Nilgirigeländes im Gange. Im Nilgiri lassen sich Stauanlagen für 70000 PS errichten.

Ueber die in Deutschland geplanten Anlagen ist mehrfach an dieser Stelle, über Bayern insbesondere in T. u. W.1) berichtet worden. Bei Säckingen ist ein Rheinkraftwerk dicht oberhalb von Mumpf mit 25000 bis 56000 PS in Aussicht genommen. Norddeutschland dagegen steht in der Ausnutzung seiner Wasserkräfte noch weit zurück, obschon diese im Höhenzuge der norddeutschen Seenplatte nicht zu unterschätzen sind und dort die Erzeugung des elektrischen Stromes auf Kohlenbezug aus entfernt liegenden Bergwerkbezirken angewiesen ist. Die Ursachen dieser Rückständigkeit liegen in der geringen Entwicklung des Großgewerbes, das im allgemeinen auf die größeren Seestädte beschränkt ist. Landwirtschaftliche Kreise haben vor dem Krieg einige Anläufe zur weitergehenden Ausnutzung der Wasserkräfte in Pommern und Westpreußen genommen, jedoch vor Großunternehmungen Halt gemacht, da die aufzuwendenden Geldmittel nicht den erhofften großen Verdienst abzuwerfen versprachen. Daß beträchtliche Mengen an elektrischer Arbeit aus den vorhandenen Wasserkräften der norddeutschen Seenplatte gewonnen werden können, zeigt eine Druckschrift von Dipl.-Ing. Lowes, der die Wasserkräfte Ostpreußens untersucht hat. Hiernach ergeben die ostpreußischen Flüsse Passarge, Alle, Angerapp und Pissa, Szeszuppe sowie der Masurische Kanal zusammen 220 Mill. kW-st im Jahr, ein Betrag, der ausreichen würde, um den Gesamtbedarf der drei alten Ostseeprovinzen Preußens zu decken.

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Das zukünftige Schnellbahnnetz für Groß-Berlin behandelte Prof. Dr.-Ing. Giese in einem Vortrag im ArchitektenVerein, und neuerdings ist eine von ihm im Auftrage des Verbandsausschusses des Zweckverbandes Groß-Berlin über denselben Gegenstand verfaßte Denkschrift erschienen, auf die hiermit hingewiesen werden soll. Die Schaffung einer einheitlichen Gemeinde Groß-Berlin an Stelle des 1912 gegründeten Zweckverbandes steht beyor. Die Frage, wie das zukünftige Schnellbahnnetz dieser Großgemeinde gestaltet werden muß, um deren Entwicklung zu fördern, ist daher recht zeitgemäß. Das Gebiet des Zweckverbandes ist indessen so groß und wirtschaftlich so verschieden, daß die Aufgabe einheitlich nicht zu lösen ist. Die Gebiete von Groß-Paris, Groß-London und auch Groß-New York sind wesentlich kleiner. Giese schneidet aus dem Groß-Berliner Gebiet. deshalb eine Fläche von 29 km Länge in westöstlicher und 22 km in nordsüdlicher Richtung, also rd. 650 qkm heraus. Auf dieser wohnen heute schon 3,8 Mill. Menschen. Seit 1893 hat sich die Bevölkerung verdoppelt. Der jährliche Zuwachs betrug vor dem Kriege rd. 90 000 Einwohner. Setzt man diese Zahl auf 70 000 herab, so kommt man für das Jahr 2000 auf rd. 10 Mill. Einwohner. Der Personenverkehr hat sich in der Zeit von 1893 bis 1914 von 211 auf 1290 Mill. Fahrgäste vermehrt, also versechsfacht, und wird voraussichtlich auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl weiter anwachsen. Vom Gesamtverkehr entfielen 1910 auf die elektrischen Straßenbahnen 50 vH, auf Dampfeisenbahnen (Stadt-, Ring- und Vorortbahnen) 32 vH, auf Omnibusse 13 vH und nur 5 vH auf die eigentlichen Stadtschnellbahnen. Diese umfassen zurzeit 37,5 km fertige und 19,7 km im Bau befindliche Strecken. Berlin ist auf diesem Gebiete wesentlich hinter London, New York und Paris zurückgeblieben. Da eine erhebliche Steigerung des sich auf den Straßen bewegenden Massenverkehres durch Omnibus und Straßenbahn mit Rücksicht auf die Ueberlastung vieler Straßenstrecken nicht mehr möglich ist und diese Verkehrsmittel für den Verkehr nach den Außenbezirken zu langsam sind, kann den Verkehrsnöten nur durch eine beträchtliche Erweiterung des Schnellbahnnetzes abgeholfen werden. Im Auftrage des Zweckverbandes hat Giese nun einen zusammenfassenden Entwurf ausgearbeitet, der den Bau von 118 km weiteren Schnellbahnen vorsieht.

Dieser Entwurf schließt sich dem von Cauer aufgestellten Plan einer diagonalen Linienführung an, der auch in den 1) 1919 S. 71 und 195..

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Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure.

jetzt vorhandenen und im Bau befindlichen Strecken zum Ausdruck kommt und nun zu vollen Durchmesserlinien mit einfacher Gabelung in den Außenbezirken ausgebildet erscheint. Die später erforderlichen Ringlinien sind noch nicht berücksichtigt. Zu beschleunigen ist der Ausbau der Schnellbahnen im Norden und Osten, vor allem der Linien durch die Frankfurter Allee nach Lichtenberg und Friedrichsfelde sowie durch die Greifswalder Straße nach Weißensee. Diese soll einen Teil der jetzt am Nollendorfplatz endenden Schöneberger Schnellbahn bilden, deren Weiterführung über den Potsdamer Platz durch die Linden nach dem AlexanderPlatz als notwendig anzusehen ist. Weitere wichtige Glieder des Schnellbahnnetzes sind die schon früher geforderten Linien von Moabit durch die Leipziger Straße nach Treptow und vom Wannseebahnhof zum Stettiner Bahnhof. Die neuen Strecken sollen so tief gelegt werden, daß ein Umbau des städtischen Kanalnetzes nicht erforderlich wird.

Die Schnellbahnen sind im Stadtinnern als Untergrund-, in den Außenbezirken als Einschnitt- und Dammbahnen auszuführen. Die Kosten werden sich ganz beträchtlich gegen früher erhöhen. Einzelne Untergrundstrecken stellen sich auf 12 bis 15 Mill. M/km gegen früher 8,7 Mill. M. Die Gesamtkosten werden bei einer Kostenerhöhung um 30 vH gegen Friedenspreise auf 1,2 Milliarden M veranschlagt. Die Leistungsfähigkeit des insgesamt 175 km umfassenden Schnellbahnnetzes ist auf 1700 Millionen Fahrgäste zu bemessen.

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Die Anwendung von Gebläsen zur Vermeidung des Nachlassens der Flugmotorenleistungen in großen Höhen hat in den letzten Jahren die beteiligten Kreise vielfach beschäftigt. Schon Anfang 1917 ist man bei uns an die Ausführung eines derartigen Planes geschritten, der von Dipl.-Ing. W. Noack ausgearbeitet war, und ein von Brown, Boveri & Co. in Mannheim gebautes Turbogebläse, das mit besonderem Antriebmotor in ein Riesenflugzeug, Bauart Staaken, eingebaut wurde, hat ermöglicht, dessen Steighöhe von 3800 auf 6000 m steigern. Die ersten Flüge dieser Art haben vor mehr als Jahresfrist stattgefunden. Etwa gleichzeitig mit Brown, Boveri & Co. hat Otto Schwade in Erfurt, später auch die AEG in Hennigsdorf bei Berlin Turbogebläse für diese Zwecke hergestellt, mit denen die Leistungen der Großflugzeuge wesentlich verbessert werden konnten. Neuerdings meldet nun auch der >>Matin<< vom 23. Februar 1919, daß mit einem RateauKreiselgebläse ähnliche Versuche angestellt worden seien. Ein gewöhnliches Bombenflugzeug mit 300 PS-Motor, das sonst in 5500 m Höhe nicht mehr als 140 km/st entwickelte, habe mit dem Gebläse in der gleichen Höhe 226 km/st erreicht. Zum Unterschiede von den deutschen Ausführungen scheint das Rateau Gebläse durch eine Gasturbine angetrieben zu werden, die mit den Auspuffgasen des Flugmotors gespeist wird, ein Gedanke, der ebenfalls bei uns erwogen und von der Gebr. Körting A.-G., Hannover, erprobt worden ist.

Eine Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeiten des Vereines deutscher Ingenieure durch das Reich ist im Haushalt des Reichswirtschaftsamtes für 1919 in Form von Zuschüssen zu bestimmten Vereinsarbeiten vorgesehen. Als Beitrag zu den wissenschaftlichen Arbeiten des Vereines deutscher Ingenieure, insbesondere für den Ausschuß für Betriebsorganisation, sollen 100000 M gewährt werden. Ein Betrag von 100000 M ist dem Normenausschuß der deutschen Industrie, der ja bereits gelegentlich einmalige Zuwendungen aus Reichs- und Staatsmitteln erhalten hat, zugedacht. Als Beitrag für den Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung sind schließlich als einmaliger Zuschuß ebenfalls 100 000 M angesetzt.

Die Hauptversammlung des Vereines deutscher Eisenhüttenleute findet am 11. Mai in der Städtischen Tonhalle zu Düsseldorf statt. Auf der Tagesordnung steht ein Vortrag von R. Quaatz über die Reichseisenbahnen. Am Sonnabend vorher wird die 27. Versammlung deutscher Gießereifachleute abgehalten. Dabei wird von L. Treuheit ein Vortrag über die Praxis der Kleinbessemereien und von L. C. Glaser ein solcher über die metallurgischen Vorgänge beim sauren und basischen Windfrischverfahren (einschließlich des Kleinbessemerbetriebes) auf Grund spektralanalytischer Beobachtungen gehalten. Ferner wird sich eine Aussprache über Brüche von Gießpfannengehängen anschließen.

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3. Mai 1919.

Zuschriften an die Redaktion.

Deutschlands zukünftige Kohlenwirtschaft.

Zu dem in Nr. 7 des laufenden Jahrganges dieser Zeitschrift veröffentlichten Vortrag des Hrn. Prof. Dr. techn. Brabbée erscheinen mir, soweit er sich mit der Frage der Raumbeheizung mit Gas und der Gasverwertung befaßt, folgende Bemerkungen bezw. Richtigstellungen erforderlich:

1) Die Behauptung, die Forderung der Hygiene, daß die Oberflächentemperatur von Raumheizkörpern mit Rücksicht auf die Staubversengung höchstens 80° C betragen dürfe, werde von keinem Gasofen auch nur annähernd erfüllt, ist nicht zutreffend. Es gibt vielmehr schon seit geraumer Zeit Gasöfen, deren äußere Wandungen, soweit sie zur Ablagerung von Staub Gelegenheit bieten, auch bei Vollbetrieb nicht wärmer werden als etwa 80° C. Ueberdies erscheint die Forderung selbst anfechtbar und darum keineswegs unbedingt verpflichtend; denn die Staubversengung, die ja auch bei Dampfheizkörpern älterer Bauart oft sehr lästig hervortritt, kann bekanntlich durch geeignete Gestaltung der wärmeabgebenden Flächen, insbesondere durch Bevorzugung glatter senkrechter Flächen, sowie durch Erleichterung der Reinhaltung bei Gasheizöfen ebenso wie bei Dampfradiatoren hintangehalten oder doch auf ein praktisch völlig bedeutungsloses Maß herabgemindert werden; diesem Gesichtspunkt ist bei den meisten neueren Bauarten von Gasheizöfen bewußt Rechnung getragen. Ist es nun nicht, gerade auch vom hygienischen Standpunkt aus, richtiger, die äußere Form von Heizkörpern so zu gestalten, daß Staubablagerungen nicht stattfinden oder doch jederzeit leicht beseitigt werden können, als einen (obendrein erfahrungsgemäß noch zu hohen) Grenzwert für die Oberflächentemperatur festzusetzen, nur damit die Staubmassen ruhig liegen bleiben können?

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2) Die Behauptung, daß die Abgase von Gasheizöfen in den Abzugrohren wegen des sonst stattfindenden Wasserniederschlages nicht unter 100° C abgekühlt werden dürften, ist unzutreffend. Die Ausscheidung von Wasser im Schornstein ist ja nicht, wie allerdings oft, aber zu Unrecht, angenommen wird, von der Temperatur der Abgase, sondern von derjenigen der Schornsteinwandungen und in erster Linie vom Taupunkt der Abgase abhängig. Dieser wird durch den unumgänglichen Luftüberschuß bestimmt und liegt in der Regel nicht höher als 50o C. Es sind zahlreiche Gasheizanlagen seit langer Zeit im praktischen Betrieb, bei denen die Abgase nur mit 40 bis 50° C in das Abzugrohr eintreten, es also mit noch niedrigerem Wärmegrad verlassen, ohne daß sich darin jemals auch nur ein Tropfen Wasser niedergeschlagen hätte.

Daß die kleinen Raumheizflächen in die Nähe der Fenster gehören, wird zwar von einigen Hygienikern gelehrt und mag theoretisch richtig sein; in der Praxis ergeben sich jedoch aus dieser Anordnung nicht selten Unzuträglichkeiten, die schwerer wiegen als ihre wirklichen oder vermeintlichen Vorteile. Hr. Dr. Brabbée fordert ja selbst für Neubauten die Ausfindigmachung von Grundrißlösungen, die geringe Anlagekosten der Zentralheizungen gewährleisten. Mit dieser Forderung läßt sich die Anordnung der Heizkörper an den Fensterwänden nicht wohl vereinigen; denn sie bedingt in der Regel beträchtlich mehr Rohrleitungen und teurere Radiatoren als die wohl von der Mehrzahl der Heizungsfirmen, Architekten und Hausfrauen bevorzugte Anordnung der Heizkörper an den Innenwänden.

Wenn jedoch Gasheizöfen aus irgend einem Grunde durchaus in der Nähe der Fenster bezw. unter den Fensterbrüstungen angebracht werden sollen, so gibt es dafür schon seit Jahren Ausführungsformen, deren Anwendung wenigstens in Neubauten ohne weiteres möglich ist und auch in bereits bestehenden Häusern keine allzu großen Schwierigkeiten macht.

3) Daß die Gasheizung wohl eine rasche Erwärmung des Raumes gestatte, aber sein sehr rasches Erkalten nicht verhindern könne, kann ihr m. E. um so weniger als Nachteil ausgelegt werden, als Hr. Dr. Brabbée ja selbst die gute Regelbarkeit der Gasheizung zugibt, die es erlaubt, in einem mit voll brennendem Ofen rasch angewärmten Raume die gewünschte behagliche Temperatur mit kleingestelltem Ofen beliebig lange Zeit hindurch zu erhalten oder sie nach etwaiger Unterbrechung des Ofenbetriebes sehr rasch wiederherzustellen

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Uebrigens liegt in der seit Jahren bekannten Kombination >>Gasheizofen mit Kachelumbau« eine bewährte Ausführungsform der Gasheizung vor, bei der jener vermeintliche Nachteil nicht besteht, sondern eine mehr oder minder beträchtliche Aufspeicherung von Wärme stattfinden kann.

4) Der Satz, daß eine einheitliche Regelung (wohl der Raumtemperatur?) bei der Gasheizung nicht so leicht durchführbar sei wie bei der Warmwasserheizung, ist unverständlich. Bezieht er sich auf Zentralheizöfen bezw. -kessel mit Gasfeuerung, so ist er unzutreffend, weil diesen ja gerade der Vorzug allerfeinster einheitlicher Regelbarkeit eigen ist. Bezieht er sich aber auf einzelne Zimmeröfen, so erscheint er sinnlos. Hier ist es ja gerade ein Vorzug der Gasheizung, daß sie die Temperatur in verschiedenen Räumen nach Belieben ungleich einzustellen gestattet, z. B. in Wohnzimmern auf 18 bis 20°, in Schlafzimmern auf 12 bis 15o.

5) Der Satz, daß es zurzeit aussichtslos ist, den Verbrauchern die (gesamten) zur Raumheizung erforderlichen Wärmemengen in Gasform zuzuführen, ist richtig und längst schon von zahlreichen Gasfachleuten, von mir selbst in den letzten Jahren besonders oft, ausgesprochen worden. Er trifft aber auch für die von Hrn. Dr. Brabbée fast unmittelbar danach befürwortete Ausführungsart. (besondere Preßgasleitungen zur Versorgung von Gruppen- oder Einzelkesseln für Warmwasser-Heizanlagen) in vollem Umfang, ja sogar in besonderm Maße zu. Technisch ausführbar wären Anlagen dieser Art ja ohne weiteres, denn alle erforderlichen Einrichtungen sind schon längst gut durchkonstruiert und praktisch erprobt; aber wirtschaftlich wird auch da, wo billiges Gas zur Verfügung steht, stets die unmittelbare Gasheizung (mit Einzelöfen in jedem Raume) der mittelbaren weit überlegen sein, sowohl hinsichtlich der Anlagekosten wie hinsichtlich der praktischen Wärmeausnutzung.

Daß Hr. Dr. Brabbée unmittelbar nach seiner bedingten Befürwortung der mittelbaren Gasheizung auf die Koksofengas-Fernversorgung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet und anderwärts hinweist, könnte die Meinung aufkommen lassen, als ob in jenen Gebieten das Koksofengas in größerem Umfang zum Betrieb solcher mittelbaren Gasheizungen oder überhaupt zur winterlichen Raumbeheizung verwendet werde. Es erscheint daher angebracht, auch an dieser Stelle einmal hervorzuheben, daß diejenigen Städte im Rheinland und anderwärts, die sich an solche Gasfernleitungen angeschlossen haben bekanntlich haben es längst nicht alle getan das Gas zumeist nicht (oder doch nicht nennenswert) billiger beziehen, als sie es früher in ihren eigenen Gaswerken selbst erzeugten, und es daher auch nicht (oder doch nur unwesentlich) billiger verkaufen können, jedenfalls nicht zu solchen Preisen, daß an den regelmäßigen Betrieb großer oder auch nur mittlerer Zentralheizkessel mit Ferngas gedacht werden könnte. In der Tat bestehen denn auch dort nur einige wenige Anlagen dieser Art, und zwar an Stellen, wo nicht die Betriebskosten, sondern Rücksichten oder Annehmlichkeiten andrer Art den Ausschlag gaben. Zur allgemeinen Gasheizung wären ja auch die in jenen Städten bestehenden Verteilrohrnetze ebenso unzulänglich, wie sie es allenthalben sind; neue Rohrnetze eigens für diesen Zweck zu schaffen, war schon früher wirtschaftlich aussichtslos und ist es gegenwärtig angesichts der maßlos gestiegenen Rohpreise erst recht.

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6) Die Hervorhebung der nachgewiesenermaßen überaus geringen Explosions- und Vergiftungsgefahr bei Gasheizöfen erscheint mir aus dem Grunde einseitig, weil ja doch auch bei Oefen andrer Art, namentlich bei eisernen Dauerbrennern und auch bei Zentralheizkesseln, sowohl Ausströmungen giftiger Gase wie auch Explosionen mit üblen Folgen tatsächlich in größerer Zahl vorgekommen sind und trotz aller von Fachverbänden und Behörden betroffenen Maßnahmen dennoch immer wieder vorkommen. Man kann aber nicht wohl der Gasheizung als >>lebhaftes Bedenken« anrechnen, was man bei andern Heizungsarten stillschweigend als notwendiges Uebel hinnimmt!

Dessau, am 24. Februar 1919.

Franz Schäfer, Oberingenieur.

Zu 1) Die Forderung der Hygiene: »Raumheizflächen sollen Oberflächentemperaturen bis 70°, höchstens 80o C aufweisen<<, ist so allgemein anerkannt, daß es sich meines Erachtens erübrigt, hierauf näher einzugehen. Heizkörper, deren Formgebung die Staubablagerung nicht gestattet, gibt es nicht.

Sämtliche Gasöfen, die der mir unterstehenden Prüfanstalt bisher zugingen, erfüllen obige Forderung der Hygiene auch nicht annähernd.'

Allerdings wurde mir vor Jahren ein Gasofen zur Untersuchung angeboten, der Oberflächentemperaturen unter 80o C aufweisen sollte, jedoch blieb es beim Angebot. Ein derartiger Ofen ist uns nicht zugegangen.

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