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Der Weltmarkt ist noch immer von den wirtschaftlich und politisch starken Völkern beherrscht worden. Noch in den 1820er Jahren schützte England seine Landwirtschaft durch hohe Schutzzölle gegen die Einfuhr von Agrarerzeugnissen des Kontinents. 20 Jahre später war der Uebergang zum Freihandel vollzogen (1849 nomineller Getreidezoll von 0,45 M auf 100 kg), weil man davon als »Industriewerkstatt der Welt«< die größeren Gewinne erhoffen konnte. Die andern Länder folgten, bis in den 1870er Jahren. den mächtigeren Staaten die schutzzöllnerische Richtung wieder vorteilhafter erschien. Trotz der Bemühungen des Mutterlandes wurde zwar der großbritische Zollverein von den Kolonien abgelehnt, weil diese selbst ihre Industrien entwickeln wollten. Die Vereinigten Staaten aber haben die Grundsätze der Monroe-Doktrin (»Amerika den Amerikanern«) 1890 im Mac Kinley- und 1897 im Dingley-Tarif nachdrücklich festgelegt. 1898/99 wurden die Zölle für Fertigfabrikate so sehr erhöht, daß man auch die hoch entwickelten Industrien Deutschlands, die in den Spezialwaren auf dem Weltmarkt immer noch ein Monopol besaßen, absperrte. Rußland war und ist nach dem Krieg erst recht auf die Fabrikate des Auslandes angewiesen. Seine Agrarerzeugnisse kann es zwar nur mit uns tauschen, da weder das agrarische Frankreich noch das auf den Handel mit seinen Kolonien angewiesene England als Abnehmer in Frage kommt. Aber das englisch-amerikanische Kapital hat durch den Krieg nicht allein Deutschland vom Wettbewerb ausgeschaltet, es hat sich Rußland tributpflichtig gemacht, das nun die Schuldzinsen mit Industrierohstoffen bezahlen und naturgemäß auch Industrieerzeugnisse nehmen muß, für die es wiederum Rohstoffe zu liefern hat. Deutschlands Industrieabsatz nach dem Osten dürfte demnach auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Mit einem Schlage hat die angelsächsische Rasse das Weltimperium geschaffen, und sie hat mehr erreicht, als was Josef Chamberlain am 31. März 1897 den Vertretern der Kolonien verhieß).

1) Als Vortrag für die vertagte Hauptversammlung 1918 des Vereines deutscher Ingenieure vorgesehen.

Der Aufsatz wird in erweiterter Form als 53 Seiten starke Broschüre in kleinem Format gegen Ende März im Selbstverlag des V. d. I. erscheinen und gegen vorherige Einsendung von 2,75 M (Postscheckkonto Berlin 49405) postfrei abgegeben werden.

2) >>In dem weiten Herrschaftsgebiet der Königin sind die Tore des Janus-Tempels nie geschlossen. Es ist die gigantische Aufgabe, die wir unternommen haben, das Zepter eines Weltreiches zu führen. Groß die Aufgabe, aber auch groß die Ehre! Die Aufgabe läßt sich nur langsam erfüllen, aber sie stellt sich mit Notwendigkeit ein. Es scheint mir, daß die Richtung der Zeit dahin geht, alle Macht in den Händen der großen Riesenreiche zu vereinigen. Die kleineren Länder die, die nicht fortschreiten, scheinen bestimmt zu sein, in eine untergeordnete Stelle hinabzusinken. Aber bleibt Greater Britain einig,

Denn auch Frankreich, das im ganzen wirtschaftlich schon seit Jahrzehnten ein totes Land war, ist durch den Krieg vollends zugrunde gerichtet. Seine wohlhabende und wenig strebsame Bevölkerung wird noch weniger als vorher imstande sein, die reichen Rohstoffe der 12 Mill. qkm großen Kolonien (Deutschland ist etwa 1/2 Mill. qkm groß und hat 22 Mill. qkm Kolonien) zu verwerten. Die Rückeroberung Elsaß-Lothringens hat für Frankreich wirtschaftlich keine große Bedeutung. Die Aussichten, daß sich die mongolische Rasse unter Führung Japans in einem mächtigen Imperium politisch und wirtschaftlich zusammenschließen könnte, ist ebenfalls gering geworden, nachdem die Bedrohung Indiens im Norden auf Jahrzehnte beseitigt worden ist. Auch ist es wahrscheinlich, daß nach verhältnismäßig kurzer Zeit, wenn es überhaupt noch nötig sein sollte, die Jugend des verarmten Rußlands und Deutschlands in angelsächsischem Solde ihr Brot suchen und die japanische Macht oder die anderen »Rebellen« niederwerfen muß.

Vor allem wird sich Deutschland sehr schwer, viel schwerer als das agrarische Rußland, erholen und seine Menschen nicht ernähren können. England wie die Vereinigten Staaten haben ihre chemische Industrie im Kriege wettbewerbfähig gestaltet. Unsre Textilfabriken litten schon im Frieden an starker Rückständigkeit des Betriebes, so daß ihr Wirkungsgrad und ihre Wettbewerbsfähigkeit verhältnismäßig gering waren. In der Eisenindustrie kann nur ein Teil unsrer Industriearbeiter Beschäftigung finden. Die deutsche Stahlindustrie verliert ihre wichtigen Erzbecken. Die Hälfte ihrer Friedenserzeugung an Stahl, 10 Mill. t, ging ins Ausland, wo sie durch den Wettbewerb der andern Staaten in Zukunft verdrängt werden wird. Denn die Stahlerzeugung der Vereinigten Staaten ist im Kriege von 30 auf 45 Mill. t gestiegen, die Englands von 8 auf 10 bis 12 Mill. t und auch die Qesterreichs um 20 vH auf 3 Mill. t. Während so die feindlichen Staaten ihre Stahlerzeugung um 50 vH steigerten, ist die deutsche von 20 Mill. t auf 13 Mill. t jährlich zurückgegangen, wozu während des Krieges noch 5 Mill. t im besetzten Gebiete kamen.

Den Krieg haben wir wesentlich deshalb verloren, weil unsere Kriegführung und unsere Industrie nicht genügend mechanisiert waren. Während die Gegner im Reihenbau Flugzeuge, Artilleriematerial, ja sogar Schiffe in Massen herstellten, selbst auf die Gefahr hin, daß einmal eine Serie als kriegsunbrauchbar ausgeschaltet werden mußte, haben unsere deutschen Militärs bis zuletzt noch gezögert, Serien zu bauen, weil der Typ noch nicht gefunden war oder weil jeder Apparat (z. B. Flugzeuge) einen eigenen Charakter haben mußte.

Mit elf verschiedenen Fahrradtypen haben wir den Krieg begonnen. Jede Truppengattung glaubte, ihre eigenen Gerätekonstruktionen beanspruchen zu müssen (Fernsprechapparate, Gerätewagen usw.). Die Entscheidung brachte statt Sachkenntnis und Erfahrung das Machtwort eines Generals, der auf diese Weise seine Ueberlegenheit offenbarte. Dementsprechend wurde nicht nach dem Rohstoff, sondern nach der Truppengattung beschafft, was zu Wettbewerben der Behörden untereinander und zur Verteuerung führte. Gegen

dann kann kein Reich es übertreffen an Reichtum, Volkszahl, Mannigfaltigkeit der Hilfstoffe. <

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die Vereinheitlichung der Fabrikate (Normalisierung) sprachen.
sich auch die meisten Industrie vertreter aus:
Erst gegen
Ende des Krieges begann man mit vollständig wertlosen Ver-
zierungen an Waffen und Geräten aufzuräumen, wodurch bis
dahin die Einarbeitung umgestellter Betriebe und die Erfüllung
der Lieferbedingungen erschwert und die Herstellung natur-
gemäß verzögert wurde. Der Verlust der Absatzmärkte, der
Mangel an Rohstoffen, deren Ursprungländer durch die Angel-
sachsen kontrolliert werden, die starke Verschuldung, das An-
wachsen der Stahlerzeugung in England und Amerika und
die Rückständigkeit unserer Fabrikationsverfahren unterbinden
voraussichtlich unsere Ausfuhr für lange Zeit ').

2) Die Einschränkung der Einfuhr an Agrar-
produkten.

Umsomehr muß unsere Industrie danach streben, den Absatzmarkt im Inlande zu erweitern und den Schwerpunkt ihres Absatzes in die Heimat zu verlegen. Zweidrittel des Bedarfs an landwirtschaftlichen Maschinen wurden vor dem Krieg aus den Vereinigten Staaten gedeckt. Es ist besonders erfreulich, daß die Landwirtschaft aus diesem Kriege verhältnismäßig kapitalkräftig hervorgeht und daß sie, wie wir ' noch sehen werden, außerordentlich entwicklungsfähig ist, wenn nicht ihre Rentabilität durch den internationalen Wettbewerb unterbunden wird. Das wird aber in den ersten Jahren nach dem Kriege kaum der Fall sein. An Agrarerzeugnissen wird es allgemein auf dem Weltmarkte fehlen, da die Landwirtschaft sämtlicher Länder Mangel an geschulten Arbeitskräften, an Spannvieh und auch an Düngemitteln leidet. Der Boden ist ausgesogen und verunkrautet. Außerdem fehlt es an Schiffstonnage, um die raumfüllenden und spezifisch verhältnismäßig. wertlosen Agrarerzeugnisse in großen Mengen einführen zu können.

Für die Gesundung unserer Valuta ist es aber von ganz besonderer Wichtigkeit, daß wir die Einfuhr von Agrarerzeugnissen (vor dem Kriege 2,7 Milliarden M Einfuhrüberschuß) einschränken, und zwar ist dies doppelt wichtig, so lange uns die Industrieerzeugnisse zur Bezahlung der Einfuhr fehlen werden.

Ob überhaupt einmal in Zukunft die günstige Einfuhr von billigen Nahrungsmitteln im großen Maße zu erwarten ist, steht noch dahin. Etwa 10 Millionen der kräftigsten Arbeiter in den besten Jahren fallen nach dem Kriege aus, und es wird voraussichtlich aus diesem Grunde schon eine Verschiebung des Arbeitsmarktes zuungunsten der Landwirtschaft stattfinden. Hohe Löhne werden die Agrarerzeugnisse verteuern, die südamerikanischen Getreideversorgungsgebiete werden mehr und mehr von den Vereinigten Staaten in Anspruch genommen, wo schon große Anbauflächen im letzten Jahrzehnt nicht mehr oder doch nur extensiv bewirtschaftet wurden, weil sich ihr Anbau der hohen Löhne wegen nicht mehr lohnte. Die Vereinigten Staaten, noch in den 1880 er Jahren die Kornkammer Europas, werden Landesprodukte bald überhaupt nicht mehr ausführen können.

In dem auf uns angewiesenen und uns am nächsten liegenden Agrarstaat Rußland haben sich die Verhältnisse durch den Krieg ganz erheblich verschoben. Infolge der allgemeinen Bauernbefreiung wird zunächst der Abgabezwang fehlen, durch den allein sich die hungernden und unterernährten Bauern bisher das für die Ausfuhr bestimmte Getreide am Munde absparten. Außerdem fehlt es an Spannvieh, an Saatgut, und dann kommt hinzu, daß Rußland seit Jahrzehnten und sogar seit Jahrhunderten seine fruchtbaren Böden ausgeraubt hat, ohne bisher an Ersatz der Nährstoffe zu denken. Selbst der Viehdünger und das Stroh werden nicht wieder in der Wirtschaft verbraucht. So ist es nicht zu verwundern, daß schon seit einer Reihe von Jahren in weiten Bezirken ein Nachlassen der Ernten beobachtet worden ist. Dabei ist eine Umstellung der russischen Landwirtschaft zu größerer Intensität in absehbarer Zeit nicht wahrscheinlich, und ähnliche Verhältnisse haben wir in den Balkanländern und in

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1) Die Entwicklung kann sich auch erheblich anders gestalten, wenn die Angelsachsen selbstverständlich zur Bestrafung Deutschlands und zum Schutze der anderen Nationen die Hand auf das deutsche Wirtschaftsleben legen und in Deutschland ihr Fabrikunternehmen sehen. Die Arbeiter hätten dann für englische und amerikanische Kapitalisten zu frohnen, und sie würden die Abnehmer der Lebensmittel Süd-Amerikas und der englischen Kolonien. Vielleicht würden sich die Arbeiter sogar verhältnismäßig billig ernähren können, wenigstens vorübergehend. Mit deutschem Unternehmergeist, der deutschen Landwirtschaft und deutscher Unabhängigkeit wäre es dann allerdings für alle Zeiten vorbei. Das würde für eine spätere Ernährung geradezu verhängnisvoll werden können, dann nämlich, wenn die Nahrungsmittel der anderen Länder nur noch für deren eigenen Bedarf hinreichen.

deutscher Ingenieure.

Ungarn. Ob es deutscher Tatkraft möglich sein wird, alsbald in diesen Ländern eine großzügige Organisation zur Intensivierung der Landwirtschaft einzuleiten, schon um den Absatz von Düngemitteln und Maschinen zu heben, wird nach der Machtverschiebung zugunsten der Angelsachsen bezweifelt. Außerdem ist zu sagen, daß das Streben der Staaten dahin geht, ihre Industrien bis zur Unabhängigkeit vom Auslande zu entwickeln und ihre Agrarerzeugnisse zur Ernährung der eigenen Bevölkerung, insbesondere der Industriearbeiter, zu verwerten. Damit soll nicht der Politik der »Selbstgenügsamkeit<< das Wort geredet werden. Die starken Völker, aber auch nur die starken, werden es immer verstehen, sich die andern, und besonders die Kolonialländer, wirtschaftlich dienstbar zu machen. Für Deutschland gilt deswegen nach dem Kriege die Forderung umsomehr, das Fundament der Volkswirtschaft in das eigene Land zu verlegen und sich auf eine starke Landwirtschaft zu stützen').

3) Starke Landwirtschaft erleichtert die Ueber-. windung von Wirtschafts- und politischen Krisen. Umso weniger können uns, wie wir aus diesem Kriege gesehen haben, politische Krisen, und seien sie durch noch so starke Bündnisse feindlicher Völker hervorgerufen, anhaben. Weltmarkts- wie innere Wirtschaftskrisen aber werden leichter ertragen, wenn eine starke und entwicklungsfähige Landwirtschaft, deren Absatzgebiet unbeschränkt ist, die arbeitslos gewordenen Arbeiter beschäftigen und ernähren kann. Besonders während der Uebergangzeit wird die Landwirtschaft in erster Linie dazu berufen sein, unsere heimkehrenden Kriegsteilnehmer aufzunehmen, wenn weiten Industriezweigen noch die Rohstoffe zur Entwicklung fehlen und auch der Baumarkt abwarten muß, bis wieder, Baustoffe zu haben sind. Auch wird gerade die Landwirtschaft den an ihrer Gesundheit geschädigten Kriegsteilnehmern Arbeit bieten, die zur gesundheitlichen Wiederherstellung und Gewöhnung an regelmäßige Beschäftigung am ersten geeignet ist. Mittelbar aber werden durch eine starke und schnelle Entwicklung der Landwirtschaft wieder Industrien beschäftigt, deren Rohstoffe im eigenen Lande zu haben sind.

4) Bedeutung für die Bevölkerungspolitik und Gegengewicht gegen die Gefahren des Staatssozialismus und der Industriemonopole.

Welche Gefahren danach durch eine einseitige industrielle Hypertrophie erwachsen müssen und auf der andern Seite durch eine starke Landwirtschaft verringert werden können, ist besonders ersichtlich, wenn wir die Bevölkerungsverschiebung in Deutschland während des letzten halben Jahrhunderts überblicken. In den 1850 er Jahren waren noch zwei. Drittel der deutschen Bevölkerung hauptberuflich in der Landwirtschaft tätig, ein halbes Jahrhundert später nur noch etwa ein Drittel. Dabei war allerdings die landwirtschaftliche Bevölkerung nicht zurückgegangen, woraus natürlich nicht geschlossen werden darf, daß die Industriebevölkerung sich durch Geburten-Ueberschuß besonders entwickelt habe. Im Gegenteil bildet die Landbevölkerung die physische Kraftreserve zur Auffrischung des Blutes unserer Groß- und Industriestädte und vor allem das Rückgrat unseres Heeres. In Zukunft wird die Landbevölkerung vor allen Dingen noch mehr als bisher berufen sein, ein Gegengewicht gegen die Gefahren zu bilden, die der Entwicklung der Persönlichkeit drohen werden. Gerade dieser Krieg hat unter dem Einfluß rationalistisch denkender und fühlender internationaler Kapitalisten, selbst unter dem Deckmantel des Nationalismus, die Verwirklichung staatssozialistischer Ideen beschleunigt, und zwar mit der Abart, daß nicht der Staat, sondern die großen Industriekonzerne zu Trägern einer Monopolwirtschaft geworden sind. Von den Propheten und Verfechtern der neuen Wirtschaftsform wird allerdings für die Zukunft eine Teilnahme der Gesamtheit an den finanziellen Erfolgen in Aussicht gestellt. Wie mir scheinen will, aber wohl mehr, um die bitteren Seiten dieser Form der » Gemeinwirtschaft« etwas geschmackvoller zu machen. In diesem Kriege jedenfalls haben es unsere staatlichen Behörden nicht verstanden, die Staatskasse durch die einseitige Begünstigung der Monopolwirtschaft einzelner Industriekonzerne vor der großen, Finanzkrisis, die über uns hereingebrochen ist, zu bewahren, und die in ganz erheblichem Maße durch die Begünstigung der Großbetriebe herbeigeführt worden ist.

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Der landwirtschaftliche Betrieb wird sich nie, oder doch wenigstens nur ganz ausnahmsweise, als Objekt des unpersönlichen Kapitals eignen. Seine Leitung erfordert stets 1) Oldenburgs Ideal der Unabhängigkeit der einzelnen Volkswirtschaften.

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15. März 1919.

Persönlichkeiten, und gerade durch die Entwicklung von selbständigen Charakteren und stark ausgeprägten Persönlichkeiten hat die Landwirtschaft bisher dem Servilismus entgegengewirkt, der sich bei unseren Staatsbeamten und auch bei denen der großen Aktiengesellschaften mehr und mehr herausgebildet hat, und dessen Wurzeln sich in der sozialistischen Republik noch mehr vertiefen werden.

5) Der Einfluß der Agrarverfassung und der Grundbesitzverteilung auf Produktion und Bevölkerungsbewegung.

Von den Großgrundbesitzern ist in diesem Kriege wiederholt darauf hingewiesen worden, daß sie verhältnismäßig mehr auf der Fläche erzeugt, richtiger abgeliefert hätten und erzeugen könnten als der Bauernstand. Dadurch werden Tatsachen verschleiert, die für die Beurteilung unserer Siedlungspolitik wichtig sind. An sich ist es ja richtig, daß gerade der Großgrundbesitz verhältnismäßig mehr Intelligenz zur Verfügung hat, und daß er eher imstande ist, Versuche zu machen, und in der Tat auch in vielen Betrieben rationell wirtschaftet. Richtig ist es auch, daß die Versorgung der Stadt- * bevölkerung in erster Linie durch den Großgrundbesitz gewährleistet wird. Das liegt einmal daran, daß die Bauern größere Ansprüche an den Lebensunterhalt stellen als die Arbeiter, besonders die Wanderarbeiter der großen Güter, und ist außerdem darauf zurückzuführen, daß der Bauer in weit größerem Umfange Viehzüchter ist als der Großgrundbesitzer. Durch den Veredlungsprozeß im Fleisch aber gehen vier Fünftel der Nährwerte infolge des physiologischen Prozesses im Tierkörper verloren, und nur ein Fünftel kommt im Fleisch der menschlichen Ernährung zugute. Erfordert es unsere Ernährung, so muß eben, unter Umständen durch Zwang, die Viehwirtschaft eingeschränkt werden. Ganz zweifellos wird dann eine dichte Bauernbevölkerung erheblich größere Mengen Nährwerte in Landesprodukten erzeugen. Auch die tierischen Erzeugnisse können noch erheblich gesteigert werden, insbesondere durch den Ausbau der Molkerei-Genossenschaften usw. aber vermag natürlich die bäuerliche Besiedlung erheblich größere Menschenmengen auf dem Lande festzuhalten, und wir wissen längst, daß gerade aus der bäuerlichen Bevölkerung heraus bedeutend mehr Intelligenz und Arbeitskraft erwächst als aus einem Landproletariat. Auch die Kapitalkraft in einer bäuerlichen Besiedlung ist ja naturgemäß bedeutend höher als im Großgrundbesitz. Vielfach muß sogar eine größere Wirtschaftlichkeit baulicher Anlagen, in der Haltung von Ochsen anstatt Pferden usw. angestrebt, und erreicht werden, da der Bauer mehr als jeder andere geneigt ist, über seine Verhältnisse in dieser Hinsicht zu leben.

Außerdem

Die Steuerkraft auf dem Lande kann durch eine starke Produktionssteigerung gewaltig gehoben werden und so die ausfallenden Abgaben der Industrie ersetzen. Allerdings müssen die Einkommen auch wirklich erfaßt werden. Bisher hat ja das Land, wie allgemein bekannt ist, nur einen Bruchteil seines Einkommens versteuert. Durch Einsetzung staatlicher Steuerkommissare wird, wie längst geplant worden ist, auch hier Wandel geschaffen werden.

II. Die Möglichkeit der Entwicklung der Landwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses von Technik und Industrie.

Im Laufe des 19 ten Jahrhunderts hat deutscher Fleiß eine Intensität der landwirtschaftlichen Produktion erreicht, wie sie in den von der Natur mehr begünstigten Ländern kaum* für möglich gehalten wird. Die Ernten im Pflanzenbau sind vervierfacht und der Viehstand ist bei bedeutender Qualitätszunahme verdoppelt worden (Delbrück). Die Lebenshaltung hat sich gehoben. Vor dem Kriege gebrauchte der Deutsche durchschnittlich doppelt soviel Fleisch und dreimal soviel Fett wie 1870. Trotz alledem und obwohl wir nächst Dänemark und Holland 1) bei weitem die höchsten landwirtschaftlichen Erträge von der Flächeneinheit ernten, stehen wir noch am Anfang einer Entwicklung, die uns durch den Krieg und dessen Ausgang näher gerückt zu sein scheint. Die wissenschaftlichen Verfahren dazu sind bekannt und in der Praxis erprobt. Sie warten nur auf die praktische Einführung.

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1) Auch der Chinese holt durch besondere Pflanzverfahren außerordentlich hohe Erträge an Reis aus dem Boden. Aber die wirtschaftlichen Verfahren Chinas können nicht mit europäischen verglichen (Demschinski) und auch schon der Leuteverhältnisse wegen nicht eingeführt werden.

1) Erhebliche Steigerung der durchschnittlichen Ernteerträge durch allgemeine Verwendung nur brauchbaren Saatgutes.

Unserer wissenschaftlichen Saatgutforschung verdanken wir bereits eine erhebliche Steigerung der Erträge und der Güte der Ernten. Daneben hat man in Dänemark verstanden, höchste Widerstandsfähigkeit der Pflanzen in verhältnismäßig kurzer Zeit zu erreichen. Im allgemeinen hat sich nun die Einführung von ausländischen Sorten wenig bewährt, und die züchterische Leistung ist immer am größten gewesen, wenn man von den am besten angepaßten alten Landsorten ausging. Demnach sollte man die Erfahrungen Dänemarks, besonders für das klimatisch verwandte Nordwestdeutschland, noch mehr nutzbar machen. Wichtiger und schwieriger als die Vermehrung staatlicher Saatzuchtanstalten ist die praktische Einführung. Die Deckung aus der eigenen Wirtschaft ist noch in den meisten, besonders kleinbäuerlichen Betrieben an der Tagesordnung. Die Erkenntnis ist noch nicht allgemein durchgedrungen, daß die geringe Mehrausgabe für gutes Saatgut aus den Saatgutwirtschaften nur einen verhältnismäßig geringen Teil der Kosten für Arbeit, Düngung usw. ausmacht und sich mehr als bezahlt macht. Beispiels- und Vergleichsansaaten müssen möglichst weit über das Land verbreitet werden. Saatzuchtinspektoren sind nicht weniger wichtig als Tierzuchtinspektoren. Gemeinsamer, genossenschaftlicher Einkauf fördert die Einführung am meisten.

Allein durch Verwendung von nur ertragreichen Sorten kann die Kartoffelernte Deutschlands nach Sachverständigenschätzung um 20 Millionen t, also um 50 vH gesteigert werden. Noch immer werden als Pflanzkartoffeln solche mittlerer Größe ausgesucht, dadurch aber werden sehr oft gerade die Kartoffeln von kranken Stauden (Kräuselkrankheit) wieder ausgepflanzt, wodurch ohne weiteres der Ernteertrag kleiner werden muß. Die Saatkartoffeln Westdeutschlands sollten vom Osten bezogen werden, weil die dort angebauten Sorten ertragreicher sind.

Bei der Aussaat von Getreide wird allgemein noch zuviel Saatgut vergeudet. Die Erfahrungen rationell arbeitender Wirtschaften haben ergeben, daß auf leichtem Boden 15 bis 20 kg Saatgut (Drillsaat) auf den Morgen infolge stärkerer Bewurzelung, geringeren Wasserverbrauchs und besserer Bestockung die höchsten Erträge bringen, und daß man bei gewissen Bodenarten vielleicht sogar noch etwas niedriger gehen kann. Dennoch werden in der Regel noch 40 kg, ja sogar (breitwürfig) 50 kg auf den Morgen ausgesät.

Das Saatgut ist im Kriege zweifellos noch mehr entartet als vordem, und es wird einige Jahre dauern, bis wir wieder auf der alten Höhe angelangt sind.

An Gemüse- und Grassamen, die wir größtenteils vom Auslande bezogen haben, fehlt es gänzlich. Da aber deren Anbau während des Krieges gerade in Hauptanbaugebieten, nämlich den besetzten und Kampfgebieten der Westfront, ausgefallen ist, so ist auch unmittelbar nach dem Kriege mit einer normalen Einfuhr nicht zu rechnen. Durch die wesentliche Steigerung des Gemüsebaues in den letzten Jahren sind die letzten Reserven verbraucht, selbst in die besetzten Gebiete ist Saatgut abgegeben worden. Die Nachfrage nach Gemüse ist während des Krieges ganz erheblich gestiegen und wird nach dem Kriege kaum zurückgehen. Der beschleunigte Anbau von Gemüsesamen ist deswegen eine dringende Notwendigkeit. Da die Preise für Gemüsesamen zehnbis hundertmal so hoch sind wie im Frieden, so lohnt auch der Anbau trotz zu erwartender Fehlschläge, die durch Anlehnung an alte Saatgutwirtschaften vermindert werden können. Besonders scheinen Moore kräftiges und reines Saatgut zu geben. Die Frostgefahr ist dort aber größer als auf anderem Boden.

2) Planmäßige Einführung rationeller Düngung.

Wenn auch die Versuche über rationelle Düngung noch nicht als abgeschlossen gelten können, so ist es doch bedauerlich, daß die Verbreitung bisher gewonnener Kenntnisse auch im Frieden in den meisten Wirtschaften noch ganz unzulänglich war. Wollte man dem Boden die durch die Ernte entzogenen Nährsalze wieder zurückgeben, so müßten die geernteten Pflanzenstoffe entweder unmittelbar wie im Stroh des Stallmistes oder umgeformt als Fäkalien der Menschen und Tiere restlos auf den Acker zurückgebracht werden. Nun geht aber ein großer Teil dadurch verloren, daß die Ernte zur Ernährung der Großstadtbewohner dient und die Zurückführung der städtischen Abwässer auf das Land noch nicht durchgeführt ist. Auch ist die Frage der Aufbewahrung des Stalldüngers noch nicht gelöst. Noch immer gilt das Wort Soxhlets, der »>unsere Mistwirtschaft als die größte Mißwirtschaft« bezeichnet *

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hat. Fast 50 vH des Stickstoffes des Stallmistes gehen bei der Aufbewahrung, bei der Zufuhr zu den Äckern und beim Ausstreuen verloren. Die Werte dieser jährlichen Stickstoffverluste sind auf 600 Millionen bis 1 Milliarde M geschätzt worden, also höher, als der Kaufpreis für die stickstoffhaltigen künstlichen Düngemittel wie Salpeter, schwefelsaures Ammoniak, Kalkstickstoff usw. jährlich vor dem Kriege war. 1913 wurden dafür noch 350 Mill. M und insgesamt für sämtliche Düngemittel etwa 570 Mill. M in der Landwirtschaft verausgabt. Vielleicht wird es unseren Chemikern doch noch möglich sein, durch geeignete Konservierungsverfahren diesen großen Teil an Nationalvermögen, der heute noch verloren geht, festzuhalten.

Ein Ersatz der entzogenen Nährstoffe genügt für die meisten Böden nicht, um Höchstleistungen zu erreichen, wie sie zur Ernährung der vorhandenen Bevölkerung nötig sind. Es muß die Düngung durch den sogenannten künstlichen oder Handelsdünger ergänzt werden. Seiner Verwendung werden 50 vH der Produktionssteigerung während der letzten Jahrzehnte zugeschrieben. Es handelt sich besonders um die Zuführung von Stickstoff, Phosphorsäure, Kali und Kalk. Alle andern Pflanzennährstoffe sind in der Regel ausreichend im Boden vorhanden. Bis zu Beginn des Krieges wurde der Stickstoff vorwiegend im Chilisalpeter (jährlich 600 000 t) und im schwefelsauren Ammoniak (450 000 t) eingeführt, in geringeren Mengen im Norgesalpeter. 170000 t reiner Stickstoff wurden in ausländischen Futtermitteln dem Stalldünger zugeführt. Künstlicher Stickstoff war der Herstellungskosten wegen nicht wettbewerbfähig. Erst der Krieg hat der deutschen Stickstoffindustrie die Wege geebnet.

Während des Krieges wurde der im Lande vorhandene und hergestellte Stickstoff fast ausschließlich für die Munitionserzeugung in Anspruch genommen. Die Stickstoffeinfuhr hatte aufgehört, und der Stallmist hat infolge des Rückganges des Viehbestandes und aus Mangel an Streu und Futter ebenfalls abgenommen. Acker und Wiesen haben infolgedessen erheblich geringere Stickstoffmengen erhalten als im Frieden. An Phosphorsäure (Verbrauch 1913: 650000 t feine Phosphorsäure), vorwiegend aus den Vereinigten Staaten, Nordafrika, der Südsee und Belgien, hat es ebenfalls gefehlt, und auch der Kaliverbrauch ist infolge des Arbeitermangels und der Transportschwierigkeiten hinter dem des Friedens zurückgeblieben. Nach dem Kriege muß das alles wieder gut gemacht werden. Durch Belehrung der Verbraucher ist dafür zu sorgen, daß die jetzt für die Pulverbereitung erforderliche Stickstoffmenge von der Landwirtschaft aufgenommen werden kann und auch muß, da dadurch, ganz abgesehen von der landwirtschaftlichen Produktionssteigerung, der Fiskus, der die Bürgschaften für die Salpeterfabriken übernommen hat, entlastet werden kann. Deren Leistungen haben bereits eine Höhe erreicht, die die Einfuhr vor dem Kriege, die sich im letzten Jahrzehnte verdoppelt hatte, bei weitem übertrifft. Nach den Erfahrungen vor dem Kriege dürfte aber auch feststehen, daß der Stickstoffverbrauch der Landwirtschaft (vor dem Kriege jährlich 200 000 t reiner Stickstoff) auf mindestens das Dreifache gesteigert werden muß. Dem Mehrverbrauch von jedem Doppelzentner Stickstoffsalz (z. B. Chilisalpeter mit 16 ̊ vH N-Gehalt) entspricht auf stickstoffbedürftigem Boden ein Mehrertrag von durchschnittlich 3 bis 4 dz Körnern, 20 dz Kartoffeln und Zuckerrüben und 40 dz Futterrüben.

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Erwünscht und erforderlich ist es, schleunigst festzustellen, für welche Bodenarten und zu welchen Jahreszeiten, ob vor der Aussaat oder als Kopfdünger, der in bezug auf seine Wirkung noch wenig erforschte Luftstickstoff gegeben werden darf. Ganz abgesehen von der möglichen Beeinträchtigung des Wachstums der ersten mit Stickstoff behandelten Saaten würden die Landwirte durch Fehlernten kopfscheu gemacht werden. Die Herstellung des auf den meisten Böden wegen seiner Nebenwirkungen als Dünger wenig bewährten Kalkstickstoffes (nach Frank-Caro) ist während des Krieges zurückgeblieben zugunsten des für die Landwirtschaft zweifellos wertvolleren Ammoniakstickstoffes (nach Haber).

Der Kalibedarf, durch Ausdehnung des Hackfruchtbaues steigerungsfähig, kann in jeder Menge im eigenen Lande gedeckt werden, und wir können auch Kali zum Eintausch von Phosphorsäure, die wir im eigenen Lande bis jetzt nur in geringen Mengen gewinnen können, ausführen, da das Ausland auf uns angewiesen ist. Wenn allerdings Elsaß-Lothringen vom Reiche losgelöst würde, so wäre dadurch das deutsche Kalimonopol durchbrochen. Über das Bedürfnis des Bodens an Phosphorsäure gehen die Ansichten noch auseinander. Die Steigerung einzelner Düngergaben führt bekanntlich zu unnützen Ausgaben, wenn der Boden Mangel und die Pflanzen Bedarf an einer andern Düngerart haben, die nicht gegeben wird. Der beabsichtigten Steigerung der Stickstoff

Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure.

düngung müßte auch eine höhere Phosphorsäuregabe entsprechen. Doch neigt man der Ansicht zu, daß das vielfach als erwünscht bezeichnete Verhältnis von 3 zu 5 (Stickstoff zu Phosphorsäure) übertrieben sei, und daß wir mit einer geringeren Menge Phosphorsäure auskommen können, weil der Boden im allgemeinen viel mehr stickstoff- als phosphorsäurebedürftig sei. Immerhin wird uns die Phosphorsäuredeckung noch Kopfzerbrechen machen, und wir wissen, daß unsere Feinde gerade auf unseren Phosphorsäurebedarf große Hoffnungen für ihren Wirtschaftskrieg setzen.

Das Düngerbedürfnis der Landwirtschaft hat ganze Industrien neu entwickelt, die in Zukunft noch mehr als zuvor einen wichtigen Teil unserer produktiven Volkswirtschaft bilden und viele Arbeiter beschäftigen werden.

Ein besonderes Düngungsproblem ist in den letzten Jahren mit der Unterbringung städtischen Abwassers aufgerollt. Rieselfelder werden ja über das erforderliche Maß gedüngt, sie haben eben nur den Zweck, das städtische Abwasser ohne Schädigung der Gesundheit der benachbarten Bevölkerung aufzunehmen. Seit wenigen Jahren haben einige kleinere Stadtgemeinden das Rieselwasser zur rationellen Nutzung den benachbarten Gütern zugeleitet, wo es dann nach verschiedenen Verfahren, in der Regel durch Sprengen (Eduardsfelder System), verwendet wird. Wenn dabei auch die Zuführung der Dungstoffe das Primäre ist, so dürfen doch auch Wirkung und Bedeutung der Bewässerung nicht übersehen werden.

Die noch wenig bekannten Ergebnisse der Forschungen Mitscherlichs u. a. aus den letzten Jahren über die Rentabilität verschieden großer Düngergaben geben gute Anhaltspunkte für die rationelle Verteilung des Düngers nach der Fläche.

Auf die nach neueren Erfahrungen nicht gering zu veranschlagenden, aber ziemlich unerforschten Reizwirkungen einzelner in geringen Mengen zuzuführender Stoffe wie Zucker, Blei und Bor, Mangan-Kupfersulfat usw. soll nur hingewiesen werden. Größere praktische Bedeutung hat die Bodenimpfung, besonders die mit Stickstoffbakterien, erlangt.

Zur Fracht- und Fuhrkostenverbilligung ist die Verwendung nur hochwertiger Düngemittel erwünscht (z. B. 40- und 50prozentigen Kalisalzes anstatt Kainits mit 12,6 vH Gehalt); jedoch ist die Wirkung des Prozentgehalts an reinem Dünger noch nicht ganz geklärt.

3) Die Regelung des Wasserhaushalts. Ueberlegt man sich die wirtschaftlichen Erfolge, die durch eine Regelung des Wasserhaushalts sehr oft ohne erheblichen Aufwand erreicht werden können, so kann man sich des Gefühls nicht erwehren, daß wir noch im Anfang des Ausbaues unserer Wasserwirtschaft stehen. Für den Landwirt ist das Wasser ein Kulturfaktor von nicht geringerer Bedeutung als die Düngung, die Bodenbearbeitung u. a. m. Entwässerungsanlagen, offene Gräben wie Dränagen, sind zwar bei uns sehr verbreitet, aber doch finden wir weite Flächen, deren Grundwasserstand noch so hoch ist, daß infolgedessen der Boden versumpft und eine Bearbeitung nicht möglich ist oder doch infolge des nassen und »kalten« Untergrundes nicht lohnt. Viele Entwässerungen sind wieder ohne Sachverständnis sehr unzulänglich angelegt worden und haben oft mehr Schaden als Nutzen gebracht. Durch Bewässerungsanlagen im großen Stile sind schon im Altertum tropische und subtropische Gebiete in fruchtbare Kornkammern umgewandelt worden, und mit dem Verfall der Anlagen ging Hand in Hand der Verfall der von ihnen abhängigen Kulturstaaten. Die Kenntnis davon, die Ergebnisse neuzeitlicher Anlagen in Aegypten und andern wärmeren Ländern, sowie schließlich die großen Erfolge unseres Siegener Wiesenbaues haben nur zu vereinzelten Anlagen in geringem Umfange bei uns Veranlassung gegeben. Dabei haben Versuche aus den letzten Jahren gezeigt, daß Wiesen und Weiden zu ihrer vollständigen Entwicklung, sehr oft bis zur Verdoppelung ihrer Erträge, der künstlichen Zuführung von Wasser, und zwar in Höhe von 50 bis 100 vH der während der Vegetationszeit fallenden natürlichen Niederschläge bedürfen. Außerdem weiß jeder Landwirt aus der Erfahrung, daß er die Felder im besten Düngerzustande halten kann und daß dennoch in trockenen Jahren alle Mühe, Arbeit und Unkosten vergebens aufgewandt sein können. Durch allgemeine Einführung der Ackerbewässerung (Beregnungsanlagen) würden die Sorgen der Landwirte in trockenen Jahreszeiten fast aufhören können, und das ist für die östlichen Provinzen Deutschlands umso wichtiger, als dort gerade trockene Perioden während der Frühjahrsmonate regelmäßig aufzutreten pflegen.

Einfachen Bewässerungsanlagen dienen àm fließenden Wasser oberschlächtige und unterschlächtige Wasserräder, außerdem Kropfräder mit Überfallschützen und Turbinen als

15. März 1919.

hydraulische Motoren, bei starkem Gefäll und geringer Wassermenge der hydraulische Widder. Die neueren Konstruktionen des Windmotors haben sich als ganz besonders geeignet für Ent- wie Bewässerung erwiesen. Er hat den hydraulischen Motoren gegenüber den Vorteil, daß er auch bei fließendem und tief unter der Oberfläche stehendem Wasser zu verwenden ist. Von noch größerem Wirkungsgrad und unabhängiger von den Naturkräften als hydraulische und Windmotoren sind Dampf-, Benzin-, Gas- und Heißluftmotoren. Anschaffung, Betrieb und Unterhaltung stellen sich aber teurer, weshalb ihre Verwendung zeitlich nicht zu sehr beschränkt sein darf. Stauteiche für Bewässerungszwecke haben für Deutschland geringere Bedeutung. Die Anlagen erfordern verhältnismänig großes Gefälle, wie wir es bei uns nur an den Abhängen der Gebirge haben. Dort aber sorgen schon in der Regel die Niederschläge für eine reichliche Wasserversorgung, und in der Ebene überwiegen die Nachteile der Stauanlagen meistens die Vorteile; krankt doch das flache Land an den vielen Mühlenstauen, durch die mancherlei Kulturland versumpft und unverhältnismäßig viel Schaden für die Landeskultur angerichtet wird.

Dagegen wird man das stärkere Gefälle der Wasserläufe im Gebirge für Kraft und Licht ausbauen müssen. Die elektrischen Ueberlandzentralen, die den Landwirten beides gebracht haben, haben sich wider Erwarten schnell die Liebe der Landbewohner errungen, obwohl die dafür gebildeten Genossenschaften wirtschaftlich keineswegs glänzend, meistens sogar sehr unbefriedigend abgeschnitten haben. Noch liegen etwa 41/2 Millionen Pferdestärken deutscher Wasserkraft brach, davon ein Drittel in Bayern, die ohne große Umstände und Unkosten ausgebaut werden könnten. Infolge des fiskalischen und rein rationalistischen Standpunktes unserer führenden Regierungsbeamten wurde die Erschließung der » Wasserelektrizität<< gegenüber der »Braunkohlenelektrizität« vernachlässigt. Der Krieg hat uns in dieser Hinsicht gelehrt, daß wir nicht ausschließlich die Herstellungskosten entscheiden lassen dürfen. Der Abbau der Braunkohle bleibt immer ein Raubbau. Die Nichtbenutzung aber der ungeleuren Wassermengen, die Stunde um Stunde und jahraus jahrein dem Meere zufließen, ist eine Verschwendung von nationalem Gut, der wohl nach den Erfahrungen dieses Krieges niemand mehr das Wort zu reden wagen wird. Hätten wir die Wasserkräfte des Landes zum größeren Teil schon im Frieden ausgebaut, so wäre uns die Kohlennot und manches andere in diesem Krieg erspart geblieben. Wir sollen auch bedenken, daß sich die Anlagen umso teurer stellen und die Verzinsung umso geringer sein wird, je länger wir mit der Aufschließung warten.

Ebenso vernachlässigt wie die Versorgung der Pflanze mit Wasser ist die Wasserversorgung von Mensch und Tier. Erst in den letzten Jahren hat man begonnen, den offenen Brunnen, sehr oft die Quelle von Krankheit und Seuchen, durch hygienische, mechanisch betriebene Wasseranlagen zu ersetzen. Man hat sich dann allerdings schnell davon überzeugen können, daß durch die Gruppenwasserversorgung die hygienischen Verhältnisse auf dem Lande ganz erheblich verbessert worden sind, daß besonders der Gesundheitszustand der Tiere gehoben wird, deren Sterblichkeit in weit höherem Maße, als man gewöhnlich annimmt, auf schlechtes und ungünstig temperiertes Wasser zurückzuführen ist. Die Milchergiebigkeit aber hat immer ganz erheblich zugenommen, wenn die Wasserversorgung unabhängig von menschlicher und tierischer Arbeitsleistung der mechanischen Arbeit überlassen worden ist.

Auf die Bedeutung der Anlage von Fischteichen für die Volksernährung und als gewinnbringende Kapitalanlage soll nur hingewiesen werden.

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Der feste »gewachsene« Boden genügt wohl als Standort für niedere und wild wachsende Pflanzen; die höheren Kulturpflanzen erfordern ein gelockertes und sonst gut vorbereitetes Saatbett, damit der Energieverlust, den die Pflanzenwurzeln beim Eindringen in den Boden erleiden, auf ein Mindestmaß herabgesetzt wird. Durch die Lockerung sollen außerdem der Boden durchlüftet, die Verwitterung beschleunigt und die Nährstoffe auch in den tieferen Schichten erschlossen und gleichmäßig verteilt werden. Die Bearbeitung an sich zerstört die Unkrautwurzeln oder bringt sie doch wenigstens an die Oberfläche, wo sie dann verdörren. Vor allem aber trägt die Bodenbearbeitung zur Regulierung des Wassergehaltes im Boden ganz wesentlich bei, was bisher noch wenig bekannt geworden ist.

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Der Bodenbearbeitung vorausgehen muß die Absenkung des Grundwasserstandes auf die den anzubauenden Pflanzen zusagende Tiefe. Nassen Untergrund zu bearbeiten, ist nicht allein zwecklos, sondern zuweilen auch schädlich. So muß besonders bindiger schwerer Boden vor der Bearbeitung abgetrocknet sein, weil er sonst Schollen bildet und schmiert, wodurch die Bodenporen verschlemmt werden.

Um uns über den Einfluß der Bearbeitungsverfahren auf die Regelung des Bodenwassers klar zu werden, müssen wir zunächst überlegen, daß jeder Boden das Bestreben hat, der Schwerkraft zu folgen und sich, soweit er nicht im Wasser aufgelöst ist, festzulagern. Dabei bilden sich die Bodenporen, in denen die Kapillarkraft das Wasser des Untergrundes nach der Oberfläche hebt, wo es zur Auflösung der Pflanzennährstoffe und den Pflanzen selbst unmittelbar als Nahrung dient. Aber ein Teil der an die Oberfläche gehobenen Feuchtigkeit verdunstet. Die Verdunstung kann dadurch unterbrochen werden, daß die Kapillarröhren durch Lockerung des Bodens an der Oberfläche durch Pflügen, Eggen, durch Anwendung der Scheibenegge und durch Hacken zerstört werden. Vor wie während der Vegetationszeit an der Oberfläche gebildete Krusten besonders bei starkem Sonnenbrand nach heftigen Regengüssen müssen immer wieder durch Eggen zerstört werden, weil sie die fruchtbaren Niederschläge am Eindringen in den Boden verhindern und sie zum oberirdischen Abfluß zwingen.

1st der Boden bei Tiefkultur zu sehr gelockert, ohne daß er bald darauf durch starken Regen wieder zusammengedrückt wird, so muß die Kapillartätigkeit des Untergrundes durch schwere Walzen, besser noch durch den Untergrundpacker wieder hergestellt werden.

Zeitpunkt, Häufigkeit und Intensität, vor allem auch Tiefe der Bodenbearbeitung hängen ab von den Boden- und klimatischen Verhältnissen und der Wurzellänge der Pflanzen. Während Getreide im allgemeinen mit einer flachen Ackerkrume (10 bis 30 cm) auskommt, gehen die Wurzeln der Hackfrüchte bis in 11⁄2 bis 2 m und noch größere Tiefe. Die Zeit der Bearbeitung wird vor allem von der Erwägung bestimmt, daß die Bodenbearbeitung allein zwar ein wichtiger Faktor ist, daß aber ihre Hauptaufgabe ist, die Verwitterungsprozesse der Natur, Frost und Gare, zu unterstützen. Deshalb ist man schon immer bestrebt gewesen, die Hauptpflugarbeit in den Herbst zu legen, um durch die Vergrößerung der Bodenoberfläche dem Frost ein möglichst großes Angriffsfeld zu bieten. Es ist ja bekannt, daß das Volumen des Wassers in den Bodenporen durch Eisbildung vergrößert und dadurch die einschließenden Bodenwände gesprengt werden. Außerdem dringen in den durch die Herbstfurche gelockerten Boden die mit Regen und Schnee aus der Luft niedergehenden Nährstoffe leichter ein, und es kann sich zwischen Herbstbearbeitung und Frühjahrsbestellung der Boden wieder genügend lagern. Das ist wichtig für die schwereren Böden, deren Volumen sich beim Abtrocknen und Lagern ganz erheblich ändert, was eine Zerrung und Zerreißung der Wurzeln der aufgehenden Saat zur Folge hat.

Im Sommer, unmittelbar nach der Getreideernte, ist eine flache Furche mit dem Schälpfluge oder eine Bearbeitung mit der Scheibenegge am Platze. Durch die Lockerung wird die Austrocknung unterbunden, vorhandenes Unkraut an der Samenbildung verhindert, werden die im Juli und August bei uns besonders reichlichen Niederschläge ausgiebiger verwertet und vor allem die in den Sommermonaten besonders rege Tätigkeit der Garebakterien unterstützt.

Im Frühjahr bearbeitet man den Boden im allgemeinen nach vorangegangener Herbstfurche weniger intensiv, sehr oft genügt Eggen oder die Bearbeitung mit der Ackerschleife, nachdem der Unkrautsamen aufgegangen ist. Diese Arbeit muß allerdings je nach der Verunkrautung unter Umständen wiederholt werden, auch nach der Bestellung. Die Bestellung des Getreides, der Hülsenfrüchte, des Grassamens sowie der Samen der Wurzelgewächse, mit Ausnahme der Kartoffel, erfolgt am besten mit der Drillmaschine, wodurch der Gebrauch der Hacke, besonders der Pferdehacke, erleichtert oder überhaupt erst möglich wird. Für Kartoffeln wurden in den letzten Jahren Pflanzmaschinen konstruiert und in Gebrauch genommen. Breitsaat des Getreides usw. erfolgt entweder auf die rauhe Pflugfurche, oder nachdem diese geeggt ist. Der Einsaat selbst folgt die Egge, wobei auf die Größe der Saatkörner Rücksicht genommen werden muß. Je feiner das Saatkorn, desto weniger tief darf es untergebracht werden, weil sonst die Keimkraft zur Durchbrechung der darüber lagernden Bodenschicht nicht reicht. Meistens folgt der Aussaat noch die schwere Walze, die den Boden zusammendrückt, dadurch die relative Bodenfeuchtigkeit hebt und die oben liegengebliebenen Saatkörner mit dem Boden in innige Be

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