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Erstes Capitel.

Gott.

Wolfram erfasst den Gottesbegriff durchaus nach der Lehre der Kirche, also im theistischen Sinne. Sein Epitheton ornans ist „der herhste", so P. 119, 14. 816, 29. 817, 13. Wh. 213, 3. 260, 6. 310, 18. 331, 5. Dieser Ausdruck ist biblisch und bezeichnet Gott als das höchste und oberste Wesen. An zahlreichen Stellen der hl. Schrift wird dies Adjectivum substantivisch gebraucht, wie ein Nomen proprium für Gott.') Aus der Bibel gieng dies Wort in den Sprachgebrauch der Kirche über, in das,Gloria', das bei der Messe gebetet wird, und in kirchliche Hymnen und Gebete. Auch Wolfram bedient sich des gleichen Ausdruckes,Altissimus an verschiedenen Stellen. So betet Gyburc: „Ich weiz wol, Altissimus, daz du got der hochste bist." Wh. 100, 28. 29.2) Nur einmal gebraucht Wolfram den Ausdruck,Tetragramaton' als Bezeichnung Gottes nach den vier Consonanten des hebräischen Jehovah, nämlich Wh. 309, 9: unser vater Tetragramatón. Tetragramaton, so erklärt der hl. Isidorus Hisp. in seinen Etymol. 1. 7 c. 1 (Migne 82, 261) diesen Namen, hoc est, quatuor litterarum, quod proprie apud Hebraeos in Deo ponitur id est duabus Пia, ia, quae duplicata ineffabile illud et gloriosum nomen Dei efficiunt; dicitur autem ineffabilis, non quia dici non potest, sed quia finiri sensu et intellectu humano nullatenus potest, et ideo quia de eo nihil digne dici potest, ineffabilis est.3)

1) Cf. Num. 24, 16. Deut. 32, 8. Psalm. 9, 3. 17, 14. 20, 8. 45, 5. etc. Sap.

5, 16. 6, 4. Eccli. 4, 11. 5, 4 etc.

2) Cf. ferner Wh. 216, 5. 434, 23. 454, 22.

3) Rabanus Maurus hat diese Definition wörtlich entlehnt. Cf. De uni

verso 1. 1 c. 1 (Migne 111. 15).

1.

Der

höch

ste.

Lehre der christlichen Kirche war es von jeher, ut unum

deum in trinitate et trinitatem in unitate veneremur.) Das Christentät. thum bekennt die Einheit Gottes seinem Wesen, die Dreiheit den Personen nach. Wo daher Wolfram diese Dreipersönlichkeit Gottes im Auge hat, bedient er sich des Ausdruckes driralte, Trinitas, oder des Reimes wegen Trinitat; so P. 471, 17: Lucifer unt Trinitas. P. 798, 4: sin endelósiu Trinitat. Ebenso P. 795, 25. Dieses Geheimnis der Dreifaltigkeit bildet das Grunddogma des Christenthums. Das gläubige Bekenntnis dessen forderte die christliche Kirche stets von allen, welche die Taufe verlangten. Daher fordert auch der Priester von Feirefiz, dem Halbbruder des Parzival, als er die Taufe begehrt:

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Es enthalten diese Worte zugleich ein ausdrückliches Bekenntnis Wolframs: Es gibt einen Gott der hohste got al eine aber drei Personen, cater, suon (kint), geist. Ist auch die Person des Vaters eine andere als die des Sohnes, als die des hl. Geistes, sie sind doch al geliche geêret und ebenhêre, also gleich an Ruhm, gleich an Majestät, gleich an Macht etc., weil sie im Besitze der einen, ungetheilten Wesenheit sind. Des Dichters Anschauung stimmt getreu überein mit dem im Mittelalter allgemein bekannten) Symbolum Ps.-Athanasianum :

3. Fides autem catholica hæc est, ut unum deum in Trinitate et Trinitatem in unitate veneremur.

1) Symbolum Ps.-Athanasianum v. 3. Durch das ganze Mittelalter hindurch und selbst noch in der neueren Zeit hielt man dies Symbolum für ein Werk des hl. Athanasius (296-373). Es gilt nun als wissenschaftlich ausgemacht, dass es einer späteren Zeit, dem 5. oder 6. Jahrhundert, angehört.

2) Fr. A. Specht, Geschichte des Unterrichtswesens in Deutschland Stuttgart 1885. S. 59.

4. Neque confundentes personas, neque substantiam separantes. 5. Alia enim est persona Patris, alia Filii, alia Spiritus sancti. 6. Sed Patris et Filii et Spiritus sancti una est divinitas, æqualis gloria, æqualis maiestas.

7. Qualis Pater, talis Filius, talis Spiritus sanctus . . 15. Ita deus Pater, deus Filius et deus Spiritus sanctus. 16. Et tamen non tres dii, sed unus est deus etc.

Wie das Symbolum Ps.-Athanasianum, so hebt auch Wolfram in seinem Glaubensbekenntnis besonders die Wesensgleichheit der Personen hervor. Dieser Umstand darf nicht übersehen werden. Denn, wie im 4. und 5. Jahrhundert dies Moment der Wesensgleichheit dem Arianismus gegenüber betont wurde, so im 12. Abälard gegenüber, der in seiner Introductio in theologiam' und der,Theologia christiana', wie Wilhelm de Thierry ihn dessen anklagt, gelehrt hatte: Der Vater sei die volle Potenz (Allmacht), der Sohn eine gewisse Potenz, der hl. Geist keine.1) Abälard bestritt zwar diese Anschuldigung und bekannte in seiner zweiten Apologie: 1. Was mir aus Unkenntnis oder Bosheit aufgebürdet wurde, ich hätte geschrieben: Pater plena potentia est, Filius quædam potentia, Spiritus sanctus nulla potentia, diese Worte verabscheue ich als diabolisch, nicht bloß häretisch etc. 2. Ich bekenne, dass Sohn und hl. Geist derselben Substanz sind mit dem Vater, desselben Willens und derselben Potenz . . . 14. Der Vater ist ebenso weise, der Sohn ebenso gütig als der hl. Geist; die Personen sind an Güte und Würde von einander. nicht verschieden. Cf. Hefele, C.-G. V, 432 f.

Auch die Prosen' eines Adam de St. Victor zeigen einen polemischen Charakter; denn offenbar mit Beziehung auf Abälard singt er z. B. De Trinitate (Migne 196, 1457 f.):

1) Der erste, welcher in Frankreich gegen Abälards Lehre auftrat, war Wilhelm, Abt von St. Theodorich († 1153), ein vertrauter Freund des hl. Bernhard. Besonders 13 Sätze hob er als anstößig, ja häretisch aus den Werken Abalards heraus und legte sie in einem Briefe seinen Freunden, dem Bischof Gaufried von Chartres und dem hl. Bernhard, zur Prüfung vor. Hæc sunt ergo capitula er opusculis eius (Abælardi) collecta, quæ vobis offerenda, putari. Das 3. Capitel, welches uns hier berührt, lautet: Quod Pater sit plena potentia; filius quædam potentia; spiritus sanctus nulla potentia. Dieser Brief ist in die Sammlung der Briefe des hl. Bernhard aufgenommen als Epistola 326 (Migne 182, 532). Das spätere Auftreten des hl. Bernhard gegen Abälard ist mit diesem Mahnrufe des Abtes Wilhelm in Zusammenhang zu bringen. Cf. Hefele, C.-G. V, 402. 416. 433.

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Aus der Einheit des Wesens folgert endlich Wolfram ganz richtig die Einheit des Wirkens, 2) welche in den Worten des Taufpriesters ihren Ansdruck findet:

P. 817, 20. Mit der drier volleiste

wert in diz wazzer heidenschaft
mit der Trinitâte kraft.'

Ähnlich Wh. 1, 1: Âne valsch du reiner

du dri unt doch einer,

schepfære über alle geschaft.

Weil Gott durchaus einfach ist, so besteht in Gott auch kein Unterschied zwischen Wesenheit und Attributen: Jedes Attribut, jede Vollkommenheit ist vielmehr die Wesenheit selbst. schaf Was Gott hat, sagt der hl. Augustinus (De civ. 1. 11 c. 10), 'das Gottes: ist er, und er der eine ist alles dieses', d. h. er ist jede seiner

3.

Eigen

ten

1) In ähnlicher Weise betonen auch Honorius Augustod. und andere Theologen die Wesens gleichheit des Sohnes mit dem Vater an verschiedenen Stellen. So lehrt z. B. Honorius in seiner Predigt am Weihnachtsfeste: et postea quadragesimo die sursum ad cœlos irit suis discipulis inspicientibus et ibi sedet ad dexteram Patris omnipotentis et coæternus et compotentialis. (Spec. eccles.. De nativ. dom. Migne 172, 823). In den altd. Predigten (ed. A E. Schönbach I, 42. 1 f.) lautet eine Stelle überraschend ähnlich:... an dem cirzichgesten tage uf vûr zu himel zu angesicht allen den die des wirdich waren und da sitzet ebenher und ebengeweldich und ebengelich sinem catere...

2) Cum dicimus, Deum principium creaturæ, intelligimus Patrem et Filium et Spiritum sanctum unum principium, non tria principia; sicut unum Creatorem, non tres creatores, quamvis tres sint. Pater et Filius et Spiritus anctus. S. Anselmus Cantuar., Dogmatica, c. 18 (Migne 158, 311).

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