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der Entschluss herangereift war. Die Zustimmung des Vaters fehlte ihm hiezu nicht.

Achtzehn Jahre alt bezog er die 1472 gegründete Universität seines Heimatlandes Ingolstadt. Am 21. Juni 1495 trug er seinen Namen in die Matrikel der Universität ein: Johannes Turmair ex Abensperg. Die Ingolstädter Hochschule hatte damals ganz den Charakter der übrigen Hochschulen in Deutschland. Die ihrem verdienten Ende entgegeneilende Scholastik steigerte auch hier ihre mit. dem Namen der Wissenschaft sich brüstende Abgeschmacktheit und Geistlosigkeit bis zum Unerhörten. Im Jahr 1492 z. B. lasen nicht weniger als 33 Docenten über Aristoteles, ein Anderer hielt es für nothwendig über die speculativa musica Ioannis de Muris seine Zuhörer zu unterrichten. Zu diesen und ähnlichen Thorheiten kam die Händelsucht und Trägheit der Professoren, Uebelstände, welche immer weiter vom rechten Weg abführten und einen so hohen Grad erreichten, dass 1497 eine herzogliche Commission Untersuchungen und Berathungen über die Mittel zur Abhilfe anstellte. 1) Aventin schildert nachmals selbst in seiner Chronik die Zustände in Ingolstadt, wobei er an den auch hier ausgebrochenen Streit der Nominalisten und Realisten, der Scotisten und Thomisten erinnert:,,seins darob uneins worden, immer einer anders gesagt dann der ander, hat sich ein jeglicher auf eine besondere meinung und monir gelegt, dermassen daß einer an einem sein lebenlang zu lernen hat, nichts anders lesen kann, anders nichts verstehet, die andern all veracht, mit in zanket, greint, kriegt, hadert." Die Versuche, dem Unwesen zu steuern, dauerten fort, aber sie blieben erfolglos. Aventin hat daran später selbst mehrfach Antheil genommen, wie er in seiner Chronik erzählt: ,,Was hertzog Ludwig, nachmals hertzog Georg, dergleichen hertzog Albrech(t) und unser gnediger herr hertzog Wilhelm, der Doctor Sebastian Ylsing und mich deshalb oft gen Ingelstatt geschickt hat,2) für mühe und arbeit gehabt, kosten darauf gelegt, damit sie die hohe schule zu Ingelstatt in einigkeit behielten, den alten tand abtheten, auf die rechte ban brechten, weiß ich wol, ist auch menniglich wissend. hertzog Ludwig hat offentlich für seinen rheten gesagt, ich habs dafür

1) Prantl: Geschichte der Ludw. Max.-Universität etc. I p. 102. 2) Zweimal nahm A., soviel nachzuweisen ist, an Untersuchungscommissionen und Visitationen Theil das erste Mal 1512 mit Dr. Ilsung und dem Franciscaner-Lector Schatzger, das zweite Mal 1515 mit Dr. Leonhard von Eck, Ilsung und Kölner. s. Prantl a. a. O. I. p. 110.

geacht, ich wölle mir eine hohe schul zu Ingelstett stiften und zurichten, die mir land und leuten rahten und helfen kündten aufziehen. aber ich sehe wol, daß sie baß deß rahts dürfen dann wir, und nötiger ist, daß man ihn raht und helf, denn daß sie andern leuten rahten und helfen möchten." Unter diesen Umständen konnte der lernbegierige Aventin in Ingolstadt nur wenig gewinnen.

Zum Glück für ihn gab es doch auch Ausnahmen unter den Lehrern der Universität. In erster Reihe ist hier Conrad Celtis zu nennen, der von 1492 bis 1497 in Ingolstadt lehrte und einen entscheidenden Einfluss auf Aventin gewann. Ausser Celtis gehörte auch Jakob Locher, Philomusus genannt, zu den tüchtigeren und anregenderen Lehrern; in wie weit aber auch dieser für Aventins Entwicklung von Bedeutung gewesen ist, lässt sich nicht angeben, da Aventin selbst nirgends davon spricht und in nähere persönliche Beziehungen zu ihm niemals, auch in seinen gereiften Jahren nicht, getreten zu sein scheint.

Die Studien, welche Aventin von Anfang an betrieb, gehörten keiner Fachwissenschaft im engern Sinn an und wendeten sich auch niemals einer solchen zu, obwohl Theologie und Jurisprudenz ihm das beste Auskommen und reiche Ehrenstellen in Aussicht gestellt hätten. Er strebte vielmehr, indem er der ziemlich allgemeinen Geschmacksrichtung der Gelehrten jener Zeit folgte, darnach sich eine universelle (encyclopädische) Bildung anzueignen und widmete sich hauptsächlich philologischen Studien, denen auch lange Zeit hernach, wie wir sehen werden, seine literarische Thätigkeit ausschliesslich angehörte, bis er durch äussere Umstände veranlasst, sich der Geschichte und historischen Forschungen zuwandte.

Es darf wohl der Anziehungskraft des Celtis, dessen Geistesfrische auf alle, die mit ihm in Berührung kamen, bestimmend einwirkte, zugeschrieben werden, dass Aventin im Jahr 1497 Ingolstadt verliess und seinem Lehrer nach Wien gefolgt ist. Denn man findet hier Aventin nicht nur sofort wieder zu den Füssen des Meisters, sondern beide traten, was in Ingolstadt noch nicht der Fall gewesen zu sein scheint, in die engste persönliche Beziehung zu einander. Aventin zog in das Haus des Celtis und setzte unter der unmittelbaren Leitung desselben seine Studien fort. Voll Stolz darüber verzeichnete er in seinem Kalender die Bemerkung: Viennae literis operam dedi contubernalis Chunradi Celtis.

Neben letzterem wirkten aber noch andere bedeutende Männer an der aufblühenden und überaus zahlreich besuchten Wiener Universität,

unter ihnen der vielseitige Johannes Cuspinianus aus Schweinfurt, ausgezeichnet als Arzt und Naturforscher, wie als Staatsmann und Geschichtschreiber. Auch dessen Schüler wurde Aventin. Wie sehr ihn Cuspinian schätzen lernte, dafür haben wir ein Zeugniss aus seinem eignen Mund. In seinem Buch, betitelt Caesares, 1) sagt er nämlich, es gebe eine mit vielem Geschmack von einem unbekannten Verfasser geschriebene Biographie Heinrich's IV,,quam Johannes meus Aventinus reperit ac publicavit." Ebenso hörte Aventin die Vorlesungen des Mathematikers und kaiserlichen Historiographen Johannes Stabius, welcher von ihm später in seinen Annalen als sehr gelehrter Mann unmittelbar mit Conrad Celtis zusammengestellt und gerühmt wird: .,vates doctissimos nennt er sie beide quos ob eruditionem imperator Maximilianus in aulam ultro accivit." Drei Jahre lang dauerte dieser Aufenthalt Aventins, bis er am 10. Dezember 1500 Wien verliess, um seine Eltern wieder einmal zu besuchen.

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Nach 14tägiger Wanderung kam er in die Heimat, wo er bis zum 9. März 1501 verweilte. Ob damals schon Aventins Vater krank war, wissen wir nicht; aber soviel ist sicher, dass sie sich beide zum letzten Mal sahen; denn während Aventins unmittelbar jetzt folgenden Aufenthalts in Krakau starb Peter Turmair in Abensberg.

Seinen Weg in die polnische Stadt nahm Aventin über Wien, das er am 19. Mai verliess. Krakau gehörte damals zu den berühmtesten Universitäten in Europa, denn es erfreuten sich nicht allein die Alten hier einer hervorragenden Pflege, sondern hauptsächlich auch die Mathematik und Astronomie, so z. B. durch Albert von Brudzew, den Freund und Lehrer des grossen Kopernikus. Auch Aventin bezog die Hochschule, um vornehmlich die mathematischen Disciplinen kennen zu lernen, wie er selbst in seinen Annalen sagt: Cracoviae mathematicis disciplinis operam dedi. Er verblieb hier gerade so lang, als für die Erreichung seiner Absicht nöthig war. Am 28. März 1502, also nach einem zehnmonatlichen Aufenthalt, trat er die Heimreise an.

Ueber Warschau, Leipzig, Koburg und Bamberg nahm er seinen Weg und gelangte am 22. Mai nach Abensberg. Hier hatte der Tod des Vaters eine grosse Lücke gerissen und den Hinterbliebenen die Aufgabe gestellt, sich über die Vertheilung der Hinterlassenschaft desselben zu verständigen. Bei dieser Auseinandersetzung fiel der

1) ed. Hunger Bas. 1561.) Brudzew, nicht Brudler; s. Dittmar: Aventin, p. 76. Nördlingen 1862.

Schwester Aventins, Margaretha, das väterliche Anwesen zu und sie heiratete noch im September dieses Jahres ihren Verlobten, Wolfgang Tychner. Kleinere Ausflüge abgerechnet, verbrachte Aventin den Rest des Jahres 1502 im Vaterhaus, wo ihn zu seiner Freude am 7. Dez. Celtis besuchte.

Das neue Jahr aber sah ihn wieder auf der Wanderschaft. Er begab sich nämlich nach Paris, um diese älteste und berühmteste Universität in Europa zu besuchen. Hier schloss er sich hauptsächlich zwei Lehrern an, dem Jakob Faber und Jodokus Clitovæus. Beide gehörten zu denjenigen Humanisten, welche die griechischen Philosophen Plato und Aristoteles in der Ursprache lasen und dadurch eine Masse von falschen Meinungen in der landläufigen Philosophie und der mit ihr eng verbundenen Theologie aufdeckten, ein Verdienst, das Aventin noch in späteren Jahren ihnen nachrühmt. So schreibt er in seinen Annalen gelegentlich einer Bemerkung über Petrus Lombardus:,,Er hat zwar vier Bücher von der Theologie 1) geschrieben, aber die Wahrheit und den reinen Urquell der hochheiligen Philosophie hat er durch den Schmutz seiner falschen Fragen und abweichenden Meinungen getrübt, wie ich mehr als tausendmal von meinen Lehrern Jakob Faber und Jodokus Clitovæus gehört habe." Dem Einfluss dieser Männer darf es wohl auch zugeschrieben werden, dass Aventin, der damals des Griechischen noch nicht mächtig war, sich hernach mit dem ihm eignen Fleiss auf die Erlernung dieser Sprache geworfen hat. Indessen trug er noch einen andern Gewinn aus Paris davon.

Faber war unter den Ersten, welche auf das Studium der heiligen Schrift in der Ursprache drangen und ihre Schüler dazu anregten. Da Aventin hernachmals eine ganz gründliche Kenntniss der Bibel besass und in seinen Schriften mit Vorliebe Aussprüche derselben anführte, so wird man nicht fehlgehen, wenn man die Anregung zum Bibelstudium bei ihm auf den Pariser Aufenthalt zurückführt.

Mit wem sonst Aventin während jener Zeit, sowie auch früher auf den Universitäten Verkehr gepflogen, und welche Freunde er etwa unter den zahlreichen Hörern gehabt hat, darüber liegen keine Nachrichten vor. Nur von zweien ist es sicher, dass sie ihn in Paris gesehen haben, weil sie dessen selbst Erwähnung thun; ihre Worte mögen zugleich ein Zeugniss über Aventins Haltung abgeben. Der Humanist und Historiker Beatus Rhenanus frischt nämlich in einem Brief an Aventin einige Erinnerungen von ihrem gemeinsamen Aufenthalt in Paris auf, indem er am 4. Oktober 1525) von Basel aus

1) Sententiarum libri IV. Petrus † 1164. 2) Werke I p. 642.

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schreibt:,,Ich weiss nicht, ob du mich vom Sehen kennst. Während du fleissig bei Clitovæus hörtest, verbummelte ich meine schöne Zeit bei einem Präpositus, der viel besser zu einem Fuhrmann als zu einem Pädagogen gepasst hätte." Auch Michael Hummelberg erwähnt Aventins Fleiss, den er in Paris an den Tag legte, in einem Brief an seinen Freund Beatus Rhenanus mit folgenden Worten1): Was du mir von Joh. Aventinus schreibst, freut mich sehr. Ich begreife es, dass seine chronologischen Untersuchungen sehr genau und tadellos. sind. Denn mit diesen Dingen beschäftigte er sich immer auf das Eifrigste, schon vor vielen Jahren, als er zu Paris Philosophie studirte; von ihm ist, das bin ich überzeugt, das Beste und Gründlichste zu erwarten". Ein so anerkennendes Andenken bewahrten ihm seine Genossen noch nach so vielen Jahren, sicher ein Beweis, dass er fleissig seine Zeit ausgenützt hat. Aventin selbst erwähnt gelegentlich auch Urkunden, die er auf der Pariser Bibliothek gelesen habe. *) Caspar Bruschius spricht in seiner Chronik 3) über Aventins Fleiss und Sittsamkeit folgendes seiner ganzen Studienzeit geltende Lob aus: ,,Ist in seiner jugent ein ganz stiller und fleissiger mensch gewest, sich auch bulerei und metzengescheft, die doch die jugend am meisten jetzt pflegen zu erfaren, wenig geacht."

Aventin wollte die Universität zu Paris nicht verlassen, ohne den hochgehaltenen pariser Ehrentitel eines Magisters mit sich fortzunehmen. Das gelang ihm leicht. Am 27. März 1504 wurde er zum Meister der sogenannten freien Künste ernannt.,,Sonntag den 24. März empfing ich den Meisterkranz und Mittwoch den 27. zugleich mit achthundert das Birret." Mit dieser wohlverdienten Ehre geschmückt brach er am 30. März in die Heimat auf. Dort hatte man eben die Schrecken eines Krieges (des pfälzisch-bayrischen) gekostet, die Aventin in seinem Kalender genauer schildert. Sein Aufenthalt in Abensberg währte diesmal bis zum Anfang des Jahres 1505, nur unterbrochen von Ausflügen in die Umgegend hauptsächlich nach Straubing, ohne dass wir anzugeben im Stande wären, womit er sich beschäftigt und was ihn gerade nach Straubing wiederholt auf mehrere Wochen gezogen habe.

Aventin theilte den Wandertrieb seiner Zeitgenossen in hohem Grad. Auch jetzt fand er noch keine Ruhe, obwohl der 28jährige Magister mit mehr als hinreichenden Kenntnissen ausgestattet gewesen wäre, um eine Berufsstellung tüchtig auszufüllen. Wäre er nicht im glücklichen Besitz eines kaum unbedeutenden Vermögens gewesen, so 1) Wiedemann p. 12 A. 226. 2) Annales VII. lib. 3) Werke I p. 303.

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