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Er war der erste grosse Dampfer, welcher aus so bedeutender Tiefe gehoben wurde, und die gelungene Ausführung erregte allgemeines Interesse. Man machte auch hierbei die Erfahrung, dass die Träger der Hebung insofern hinderlich waren, als die Aufbauten auf dem Deck erst sämmtlich abgenommen werden mussten, bevor das Schiff so hoch gehoben werden konnte als nöthig war, um dasselbe in ein Dock einführen zu können.

Diese Methode liess sich unter den Umständen, wie sie in Swinemünde vorlagen, nicht anwenden, weil dazu unverhältnissmässig hohe Pontons und ausserdem Docks mit sehr tief liegenden Drempeln nöthig gewesen

wären.

Lady Catharine". befanden sich je zwei Kocher, und über den Kochern ruhten starke Spillwellen (Fig. 3 bis 5, Taf. XXII) An den eisernen Ringen, womit diese Wellen gebunden waren, befanden sich die Spillgatten. Auf jeder Welle wurde eine Kette befestigt, deren zweites Ende durch den Kocher hinabgelassen, unter dem Schiffskörper durchgezogen, auf der gegenüberliegenden Seite des Schiffes durch den Kocher des anderen Pontons hochgenommen und dort ebenfalls auf der Welle festgesetzt wurde. Nachdem die Pontons durch Bodenventile, Fig. 4, Taf. XXIII, mit Wasser gefüllt und bis zum Schandeck gesenkt waren, wurden die Ketten durch Drehung der Wellen zur Vermeidung von Hubverlusten möglichst fest angezogen. Hiernach wurden zwei Kreiselpumpen, deren Schläuche durch die Luken in die Räume der beiden zusammengehörigen Prähme eingelassen wurden, gleichzeitig in Bewegung gesetzt, und ein Theil des Wasserballastes ausgeworfen. Mit der fortschreitenden Entleerung der Prähme nahm die Spannung der beiden Ketten zu, bis die Grenze der Tragfähigkeit erreicht war, alsdann wurde das benachbarte Prahmpaar und ebenso die folgenden der Reihe nach entlastet. War diese Operation bei einer hinreichenden Anzahl von Prähmen durchgeführt, so stiegen die Prähme nach und nach aus dem Wasser hervor, und mit ihnen hob sich das Schiff. Dem Aufsteigen der Prähme entsprechend nahm die Inanspruchnahme der Ketten ab, und es durfte deshalb mit der weiteren Entleerung der Prähme jedesmal innerhalb der zulässigen Kettenspannung fortgefahren werden, bis die Hebekraft, welche durch die Höhe der Prähme begrenzt war, vollständig ausgenutzt war. Die nutzbare Hebekraft der Prähme und ihre Längendimension wurde so bemessen, dass auf die ganze Länge des Schiffes eine Section mehr als zum Tragen desselben nöthig war, Raum hatte. Dadurch wurde erreicht, dass eine Section nach der anderen ausgeschaltet, dann herabgeballastet und in voller Tiefe wieder angesetzt werden konnte. So wurden die beschriebenen Operationen stufenweise wiederholt, bis die Hebung vollendet war.

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Die Anwendung von Luftsäcken ist schon seit fast 100 Jahren bekannt. Die Säcke werden jetzt aus Indiafaser und Canevas, streifenweise in abwechselnden Lagen angefertigt. An den russischen Küsten werden sie bei der Kriegs- und Handelsmarine, nicht nur zum Heben aus grosser Tiefe, sondern auch zum Leichten bei Untiefen und bei Reparaturen am Boden der Schiffe gebraucht. Die Säcke sind dort 5 bis 6" lang bei 4 bis 5m Durchmesser und haben eine Hebekraft von 1200 bis 2000 Ctr. Die Luftsackmethode erfordert einige Uebung. Es muss mit aller Behutsamkeit dabei verfahren werden, und es ist gut, wenn die Mannschaften darauf eingeübt sind. Für die eigentliche Hebung der "Lady" bis zur vollen Höhe war sie nicht anwendbar, und noch weniger für das der Hebung voraufgehende Aufrichten des Fahrzeuges, weil es unmöglich war, die Säcke so tief anzulegen, dass sie beim Aufsteigen nicht zu bald an die Wasseroberfläche gekommen wären, wodurch sie ihre nutzbare Schwimmkraft verloren hätten. Probeweise wurde ein kleiner Sack von Ocbm,5 Inhalt aus Segeltuch angefertigt, geölt und mit drei Gurten gebunden. Ein Versuch mit 10 Ctr. Eisenbelastung ergab seine vollkommene Luftdichtigkeit und stellte ausser Zweifel, dass solche Säcke von grösseren Dimensionen, wenn nöthig, in der Art zu Hilfe genommen werden konnten, dass sie, am Boden des Schiffes befestigt, oder in dem Raum unter die Decksbalken gebracht und dann aufgeblassen, das Wasser verdrängen würden, welches durch Auspumpen nicht zu beseitigen war, so lange die grossen Luken und andere Oeffnungen unter Wasser nicht genügend dicht gemacht werden

konnten.

Bei Swinemünde findet ein Fluthwechsel nicht statt. Docks sind dort nicht vorhanden und Hellinge, welche geeignet wären, Fahrzeuge von grosser Tieflage aufzunehmen, ebenfalls nicht. Es musste also eine andere Methode gefunden werden, welche gestattete, das Schiff stetig und so weit über Wasser zu heben, dass diejenigen Reparaturen vorgenommen werden konnten, welche nöthig waren, um das Schiff lenzen zu können und zum Schwimmen zu bringen. Diese Methode bestand darin, dass nach Art der Sections docks einzelne Docksysteme gebildet wurden. Jede Section bestand aus zwei gedeckten Pontons. In der Axe der Pontons.

Eine nähere Angabe der angewendeten Hilfsmittel und des ganzen Herganges bei den Hebungsarbeiten wird dazu beitragen, die Methode zu veranschaulichen.

Es musste Vorsorge getroffen werden, dass ein Gelingen des Werkes, auch unter den ungünstigsten Zufälligkeiten, welche im Verlaufe der Arbeiten eintreten konnten, jedenfalls gesichert war. Schwächliche und deshalb vergebliche Versuche hätten nothwendig eine Erschwerung der Situation, eine Verzögerung der Ausführung, eine Vermehrung der Kosten und schliesslich, als letztes Mittel, noch die Zerstörung des Schiffes unter Wasser und die Hebung der einzelnen Theile zur Folge haben müssen. Dieses sollte unter allen Umständen vermieden werden, und dazu bedurfte es der Anschaffung kräftiger Hilfsmittel und der Bereithaltung der nöthigen Reservetheile.

Die Hebezeuge, Maschinen und Utensilien, welche neu beschafft wurden, bestanden in der Hauptsache aus:

17 Hebeprähmen,

2 eisernen Hebeladen zu 1000 Ctr. Tragkraft,

3 Kreiselpumpen,

2 Druckpumpen,

3 Locomobilen zum Betriebe der Kreisel-, Druckund Luftpumpen, sowie der Winden und Krahne zum Heben der Kohlen u. s. w.

Die Hebeketten wurden von der Marine-Verwaltung entliehen. Andere Apparate, darunter ein schwimmender Dampfkrahn, befanden sich im Inventarium der Wasserbau-Verwaltung.

Die Hebeprähme mussten eigens für den Zweck gebaut werden. Ihre Dimensionen waren zu bestimmen nach der Länge des Schiffes. 16 Hebeprähme, auf jeder Seite des Schiffes 8 Stück, waren, wie Fig. 1 und 2, Taf. XXIII zeigen, dazu bestimmt, die 32 Kettenenden von 16 Hebeketten aufzunehmen. Der siebzehnte Prahm diente als Reserve. Die Länge des Schiffes betrug 63TM. Jeder Prahm durfte also 7" lang werden, wobei auf 1m Zwischenraum für die freie Bewegung der Systeme gerechnet war. Das Gewicht des Schiffes unter Wasser, auf 14000 Ctr. annähernd angegeben, sollte, wie bereits erwähnt, auf sieben Prahmpaare übertragen werden. Jeder Prahm hatte also 1000 Ctr. aufzunehmen und dafür an Deplacement 50cbm abzugeben. Bei 5m Breite der Prähme betrug die entsprechende Eintauchung rund 1,5

Dazu kamen:

50 5.7

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Die Kettenschaken bestanden aus 45 mm starkem Eisen und waren durch Stege verstärkt.

Im September und October 1875 mussten die Arbeiten darauf beschränkt werden, das Schiff soweit als möglich zu entlasten. Es waren dabei beschäftigt drei, zeitweise auch vier Taucher, von denen abwechselnd zwei zusammen arbeiteten, um die unter Wasser lös-baren Theile der Schiffsrüstung, der Takelage und einen Theil der Kohlenladung zu bergen. Mittelst einer 6 pferdigen Dampfwinde wurden mehrere schwere Anker, Schiffsketten, Tauwerk, Raaen, Segel, Boote, zwei Dampfwinschen u. s. w. und 232 cbm Kohlen gehoben. Im nächsten Frühjahr wurden diese Arbeiten vom 24. April bis 8. Juni mit Erfolg fortgesetzt, und es

wurden ausser einer Menge von Ausrüstungsgegenständen noch 208 cbm Kohlen zu Tage gefördert.

Unterdessen waren die Hebeprähme angelangt und ausgerüstet. Dieselben wurden vom Bug bis zum Heck des Schiffes nach den Nummern I bis VIII geordnet, Fig. 1 und 2, Taf. XXII, und an der auf festem Thonboden aufliegenden Schiffswand wurden diejenigen Stellen bezeichnet, wo die Ketten unter das Schiff gebracht werden sollten. Alsdann wurde ein starker Wasserstrahl vermittelst eines Spritzenschlauches auf diese Stellen geführt, um den Boden aufzuweichen und fortzuspülen. Hierdurch wurden in kurzer Zeit Oeffnungen erzeugt, durch welche die Ketten mit Leichtigkeit hindurch gezogen werden konnten. Selbst da, wo das Schiff 2m tief eingebettet lag, machte es keine Mühe, die nöthigen Oeffnungen auf diese Weise durchzutreiben.

Die nächste Aufgabe war, das Schiff wieder auf den Kiel zu bringen. Dieses geschah mit vereinten Kräften von verschiedenen Angriffspunkten aus, wie in Fig. 1 und 2, Taf. XXIII skizzirt.

Zwei auf Prähmen stehende Hebeladen wirkten hebelartig jede mit einer Zugkraft von 1000 Ctr. an Ketten, die um die Sadlinge der beiden Masten geschlungen waren. In derselben Weise und ebenfalls mit 1000 Ctr. wirkte ein Hebeprahm mit seinen beiden Ketten, welche in die beiden Augen eines Kanthakens eingeschäkelt waren. Der Kanthaken wurde auf den Kiel gehakt, um den die Drehung erfolgen sollte. Vier andere Zugkräfte wurden vom Ufer aus in Thätigkeit gesetzt. Vier Ketten einerseits an den Pollern auf Steuerbordseite des Schiffes befestigt, dann durch die Klüsen genommen und andererseits auf die Blockhaken von vier Flaschenzügen gebracht, wurden angezogen durch vier Dampfwinden, welche an Flaschenzügen arbeiteten, die auf die Gienläufer der erstgenannten vier Flaschenzüge gesetzt waren. Die stehenden Gienblöcke waren am Ufer an 50 cm starken eichenen Haltepfählen festgelegt. Diese Pfähle wurden nach dem Lande hin von schweren eingegrabenen Ankern gehalten, nach dem Bohlwerk hin waren sie gegen eingegrabene lange Balken abgestrebt, welche den Druck auf eine grössere Zahl der gut verankerten Gordungspfähle vertheilten. Diese Festpunkte gewährten hinreichende Sicherheit, nicht aber die Angriffspunkte an Bord des Schiffes. Hier gaben die Klüsen in dem Schanzkleid nach. Auf jeden Poller wirkte eine Kraft von 500 Ctr., auf das Schiff also 4.500 2000 Ctr. an etwa 5m langen Hebelsarmen.

Endlich wurden auch noch die Prahmsysteme II, III und VI zum Anlüften in Thätigkeit gebracht.

Am Abend des 6. Juli kamen alle Kräfte gleichzeitig zur Wirkung. Von den Dampfwinden wurden 20TM Läufertaue eingeholt, und die Mastenden hoben sich um 80 cm. In der Hauptsache ging dabei die Drehung um den Kiel von dem Kanthaken aus, wurde deshalb ein zweiter und später noch ein dritter Kanthaken angesetzt. Die Wirkung derselben zeigte sich sofort an dem Schlafferwerden der vier nach dem

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Am 11. Juli wurden die Mastenden und der Schornstein über Wasser sichtbar. Die Hebeladen wurden jetzt unwirksam und deshalb abgenommen und an ihrer Stelle die beiden Uferketten, welche an den Pollern keinen genügenden Halt fanden, an den Sadlingen befestigt, nachdem zuvor die Masten gegen das Steuerbord-Schandeck abgesteift waren.

Als das Schiff auf dem abschüssigen Grunde soweit bergan gerollt war, dass der Kiel aufsetzte, hatten die weiteren Bemühungen, eine Drehung herbeizuführen, nur noch wenig Erfolg. Die Neigung des Schiffes gegen den Horizont betrug 40 Grad.

Am 17. Juli war der Zeitpunkt gekommen, um mit allen Kräften die eigentliche Hebung zu beginnen.

Am 19. Juli hob sich das Schiff, von sechs Prahmsystemen getragen, vom Grunde ab und folgte dem Zuge der Uferketten, wodurch es dem Bohlwerk um 3m näher gerückt wurde. Vorder- und Hinteranker wurden ausgebracht, um zu verhüten, dass eine nicht beabsichtigte Veränderung der Lage durch die Strömung herbeigeführt werde.

Bis zum 27. Juli ging die Hebung und mit ihr die Annäherung an das Bohlwerk gleichmässig von Statten. Die guten Erfolge verleiteten dazu, die bei dem Entleeren der Prähme gebotene Vorsicht ausser Augen zu lassen, und wiederholt kam es vor, dass einzelne Prähme in einem Zuge vollständig ausgepumpt wurden. Folge davon waren Kettenbrüche, Undichtigkeit der Prähme und Zeitverluste. Bei einem solchen Bruche ereignete es sich, dass ein Prahm ganz über die Wasserfläche heraufgeschnellt wurde.

Die

Am 3. August, als das Schiff auf 8m Tiefe in der Schwebe lag, trieb es bei starker Ostbriese um 30m nach dem Lande zu. Mit dem Vordersteven blieb es 35", mit dem Achtersteven 25m vom Bohlwerk entfernt.

Die Backbord-Prähme, mit Ausnahme von zweien, welche Theile des Hochdecks berührten, schwammen frei über ihren Angriffspunkten. Die Steuerbord-Prähme setzten aber schon auf die Schiffs wand auf. Dieser Umstand war günstig, um das Schiff weiter aufzurichten. Die Bodenventile der Steuerbord-Prähme wurden geöffnet, und nach zwei Stunden waren die Prähme um 50cm, das Schiff um 30cm heruntergegangen, und letzteres hatte sich dabei der aufrechten Stellung um 130 genähert.

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Am 10. August wurde dasselbe Verfahren mit demselben Erfolge wiederholt. Die gesammte senkrechte Hebung betrug 5,92. Mit Hilfe ausgehängter Reibhölzer konnten jetzt auch die Backbord-Prähme an die Schiffswand sicher angelegt werden, so dass nunmehr sämmtliche Prähme und das Schiff zu einem festen System vereinigt waren.

Am 11. August kam das Vordertheil des Schiffes so hoch aus dem Wasser heraus, dass die vordere Ankerkette um das Pumpspill genommen und eingewunden werden konnte. Grosse Schlamm- und Sandwelche besonders unter der Back aufgehäuft massen, lagen, wurden mit der Spritze und später mit Schaufeln beseitigt.

Am 14. August wurde der vordere etwa 30 cbm fassende Ballasttank ausgepumpt und nach angestrengter und gefahrvoller Arbeit abgedichtet.

Bis zum 17. August betrug die Hebung 7,32.

Die grössere Kreiselpumpe förderte 4cbm, die kleinere 2cbm pro Minute. Der Fassungsraum der Prähme betrug 200 cbm Die Pumpen dienten nicht nur zum Entleeren, sondern auch zum Füllen der Prähme, weil die Füllung durch die Bodenventile allein etwa 4 Stunden dauerte und deshalb, im Vergleich zu den Fortschritten der übrigen Arbeiten, zu viel Zeit in Anspruch nahm.

Ein Versuch, das Wasser aus der Hintercajüte zu entfernen, nachdem die Fenster durch Taucher geschlossen und gedichtet waren, hatte erst dann einigen Erfolg, als das Hintertheil des Schiffes soweit gehoben war, dass um den Lucksüll eine Zimmerung gemacht werden konnte. Jetzt gelang es, mit drei Kreiselpumpen den Wasserspiegel um 50 cm zu senken und dadurch das Hinterschiff um 10cm heraufzubringen. Die Wasserhaltung war jedoch nicht kräftig genug, um mehr zu erreichen. Es wurden daher

am 21. August noch zwei Pumpen des Bergungsschiffes „Sequens" zu Hilfe genommen und binnen einer Stunde das Wasser aus dem Hinterschiff und aus der Cajüte entfernt. Das Schiff stieg hinten um 1,50 und konnte dem Bohlwerk so nahe geführt werden, dass zwischen diesem und den längsseit liegenden Prähmen nur noch der nöthige Zwischenraum von 3m verblieb. Bei dieser raschen Bewegung konnten die mittleren Prähme nicht schleunig genug nachgespannt und zum Mittragen gebracht werden, und so geschah es, dass auf das vordere Prahmpaar ein zu starker Druck übertragen wurde. Beide Ketten brachen und das Schiff setzte mit dem Kiel vorn auf den Grund.

An dem Tunnel der Schraubenwelle und an den Ballasttanks zeigten sich zahllose Leckstellen. Nachdem diese abgedichtet waren und im Maschinenraum ein Leck nach dem anderen verstopft war, konnte die Mitwirkung des Sequens" entbehrt werden. Zwei Kreiselpumpen arbeiteten im Maschinenraum, die dritte im Hinterraum, wo mit dem Sinken des Wasserspiegels die Kohlen gelöscht wurden.

Am 28. August waren der Winschkessel mit seiner Dampfpumpe und die beiden Donkeys so weit aus dem

Kohlenschlamm herausgegraben und in betriebsfähigen Zustand versetzt, dass sie zum Auspumpen der Schiffsräume mit benutzt werden konnten. Diese Arbeit war eine überaus anstrengende. Umhertreibende Polsterhaare und Putzbaumwolle verstopften die Siebe vor den Saugeköpfen und verursachten Betriebsstörungen, zumal nach erfolgter Reinigung der Siebe und der Bodenventile das Anfüllen der zum Theil abgelaufenen Schläuche bei 7,5 Saugehöhe immer längere Zeit dauerte. Um dieses Anfüllen, welches zwar von der Maschine aus geschah, weniger zeitraubend zu machen, wurde ein höheres Steigerohr aufgesetzt. Ein Versagen der Pumpen kam dann nicht mehr vor, nachdem auch noch einige Centner Putzbaumwolle aus dem Maschinenraum heraufgeschafft waren.

Am 30. August lag das Hinterschiff nur noch 1m tief; die Schraubenwelle ragte aus dem Wasser hervor. Aus dem Hinterraum waren etwa 100 cbm Kohlen gehoben, welche meist an Backbordseite gelegen hatten. Auch die Backbord-Kohlenbunker und der AchterBallasttank waren geleert. Dennoch hatten diese Entlastungen keine Veränderung in der Schieflage des Schiffes bewirkt.

Es wurden jetzt die Systeme II, III, IV nachgesetzt, und dadurch ein weiteres Aufkanten um 15o bewirkt. Die Seitenneigung des Schiffes betrug jetzt noch 9o.

Am 31. August konnte von dem grossen Leck am Backbord-Bug genaues Mass genommen werden. Derselbe hatte die Form eines Dreiecks von 4" Höhe und 1,4 Basis am Schandeck. Zur Dichtung wurde eine 4cm starke Tafel von doppelter Brettlage angefertigt.

Nach dem Brechen der Ketten des Systems V war das Vorderschiff so tief hinunter gegangen, dass die Vorderpiek sich wieder mit Wasser gefüllt hatte. Dieser Raum wurde geleert, nachdem um den vorderen Lucksüll ein Kasten aufgezimmert war. Das Schiff hob sich dabei um 30 cm und nachdem

am 1. September das System I wieder in Thätigkeit gesetzt war, um weitere 60cm.

I, II, III, IV wurden nachgesetzt, und die erwähnte Tafel, mit einem Wergtau versehen, vor die Oeffnung gebracht und dicht an die Schiffswand angezogen. Innerhalb 33/4 Stunden wurde das Vorderschiff gelenzt. Die Tafel hielt vollkommen dicht.

Während des Pumpens neigte sich das Schiff wieder bis zu 36o, weil etwa 400cbm Kohlen, welche im Vorderraume meist an Backbordseite lagen, über Wasser kamen. Zum Heben dieser Kohlen wurde die Steamwinsch auf ihrem früheren Platz, hinter dem Fockmast, wieder aufgestellt und in Betrieb gesetzt. Eine zweite Winsch arbeitete von einem längsseit gelegten Prahm aus. Nach drei Tagen waren die Kohlen gelöscht. Das Schiff schwamm vorn 3m, hinten 1,5 tief. Die tiefste Stelle des Lecks lag 0,65 über Wasser. Der Boden des Schiffes war unversehrt, nur die Backbordseite hatte gelitten.

Hier zeigten sich Einbiegungen und Rippenbrüche über der Wasserlinie.

Die eigentliche Aufgabe, das Fahrwasser zu räumen, war gelöst. Es kam noch darauf an, das gehobene Fahrzeug nothdürftig wieder herzustellen. Die arbeitenden Theile der Maschine konnten nur wenig gelitten haben, denn die Maschine war bis zu ihrem Untergange in Betrieb und darum gut geölt gewesen. Sie wurde gereinigt und mit der vorhandenen Drehvorrichtung mehrmals gedreht, nachdem zuvor Schieber, Ventile und Lager tüchtig eingeölt waren. Der Oberflächencondensator hielt die Druckprobe gut aus. Der Dampfkessel, welcher nach Backbord übergewichen war, wurde mit hydraulischen Pressen in seine Lage gebracht. Die Reparaturen an einigen gebogenen und zerbrochenen Röhren waren bald ausgeführt. Einzelne Maschinentheile, Hähne, Rohrstücke u. s. w. wurden aufgefunden, nachdem der Schlamm auf dem Boden mit Spritzen aufgerührt, dünnflüssig gemacht und ausgepumpt war.

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Am 13. September wurde die Maschine probirt. Sie arbeitete ganz vorzüglich und so ruhig, als wenn sie immer in guter Behandlung gewesen wäre. Es wurde jetzt die Ausrüstung und das Inventarium wieder an Bord gebracht, und

am 23. September legte das Schiff, unter eigenem Dampf, nach dem neuen Bohlwerk unterhalb Swinemünde. Die Hebung ist in 155 Arbeitstagen ausgeführt worden. Davon kommen auf: 1) Die Hebung von Kohlen. 2) Unterbringen der Hebeketten 3) Zurüstung zum Aufkanten 4) Das Aufkanten bis zu 40° Neigung 5) Desgleichen bis zur aufrechten

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80 Tage 12

6

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Stellung und die Hebung selbst Dass während dieser ganzen Zeit ein Verlust an Menschenleben nicht zu beklagen gewesen, überhaupt Niemand zu Schaden gekommen ist, ist der grossen Umsicht zu danken, mit welcher die mitunter gefahrvollen Arbeiten ausgeführt sind, und ist namentlich hier der Thätigkeit des Maschinenmeister Zander lobend zu gedenken, dem die ständige und specielle Aufsicht übertragen war, und der es verstanden hatte, mit Hingebung und Ausdauer und mit vielem Geschick die Arbeiten zu leiten.

Die Hebungskosten betrugen:
1) für 17 Hebeprähme .
2) für maschinelle Einrichtungen
3) für diverse Materialien.
4) für Arbeitslöhne .

76000 M 24 000

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15 000 29

50 000 "

165 000 M.

Aus dem Verkauf der geborgenen Kohlen, der Prähme, der Maschinen und des übrigen für den Zweck angekauften Inventars ergab sich ein Erlös von rund 50 000 M. Der Verkaufswerth des Schiffes, in dem Zustande nach der Hebung, wurde auf mindestens 184 000 M abgeschätzt.

Zur Theorie der Schiebersteuerungen.
Von Alfr. Seemann, Privatdocent am k. Polytechnicum in Stuttgart.
(Hierzu Blatt 19.)

Die Aufgabe, ein berechnetes Gesetz für die Schieberbewegung graphisch zum Ausdruck zu bringen, ist von Prof. Dr. Zeuner*) bekanntlich durch Einführung von Polarcoordinaten gelöst worden. Während nun aber die Resultate der Rechnung, welche naturgemäss die Grundlage des Verfahrens bilden, so lange allgemein giltig sind, als die Voraussetzungen und nachträglichen Vereinfachungen nicht geändert werden, stehen zur Construction der Diagramme immer noch verschiedene Wege offen. Es liegt daher die Frage nahe, ob nicht die Anwendung rechtwinkliger Coordinaten an Stelle jener polaren eine Vereinfachung der graphischen Darstellungsweise in sich schliesse, ähnlich wie auch in der Analysis meist das rechtwinklige System zu Grunde gelegt wird.

Für mich speciell handelte es sich weiter darum, die Diagramme des Muschelschiebers mit gewöhnlicher Excentrikbewegung, wie sie seither an hiesiger Hochschule von Prof. Müller vorgetragen wurden, auch auf die Locomotivsteuerungen in Anwendung zu bringen. Die Lösung gestaltete sich sehr einfach durch ein Zurückgehen auf die Fundamentalgleichungen der Schieberbewegung, und es soll dies im zweiten Theile näher ausgeführt werden.

Der nachstehende Aufsatz giebt zuerst das Diagramm von Müller**); daran knüpfen sich einige Erweiterungen, welche auf die Berücksichtigung der Längen von Schub- bezw. Excentrikstangen Bezug haben.

I. Einfacher Muschelschieber.

Die Kurbel bewege sich von der Todlage O Ko, Fig. 1, Blatt 19, aus im angedeuteten Sinne; OA entspreche der Richtung des Kolbenschubes, OX der Schieberschubrichtung. Der äussere Kreis ist mit dem Kurbelradius OK R, der innere mit der Excentricität OEor beschrieben; das Excentrikmittel E befinde sich in Wo, während das Kurbelmittel K mit dem todten Punkte Ko zusammenfällt. Zieht man alsdann OY senkrecht zu OX, so ist WoOE = d der Voreilungswinkel der Steuerung.

Nimmt man vorerst sowol die Länge der Schubstange als der Excentrikstange unendlich gross an, so stimmt die Kolbenbewegung überein mit der Oscillation der Projection p des Kurbelmittels K auf Ko K1 zwischen den Endpunkten dieses Durchmessers; ähnlich bewegt sich der Schieber nach demselben Gesetze wie die Projection q des Excentrikmittels E auf OX.

Die Entfernung Oq giebt sonach unmittelbar die Ausweichung des Schiebers aus seiner mittleren Lage,

*) Dr. G. Zeuner: „Die Schiebersteuerungen". IV. Aufl. **) In neuerer Form, während in dem ähnlich überschriebenen Abschnitte des Zeuner'schen Werkes (S. 58) noch die ältere Darstellungsweise aufgeführt ist.

bei welcher das Excentrikmittel im Punkte Eo sich befindet, und es erscheint § im Systeme XOY als Abscisse des Punktes E, dessen Lage für jede Grösse der Kurbeldrehung bei gegebenem Voreilungswinkel d leicht festzulegen ist. Analytisch ausgedrückt folgt aus Fig. 1 die Schieberausweichung

ξ = r sin(+8) in bekannter Form. *)

= r sin d' cos +r cos d' sin f

=

Die Construction des Schieberdiagramms, wenn weiter die äussere Ueberdeckung a, die innere Ueberdeckung i gegeben sind, wird demnach folgende:

Man beschreibe aus dem Ursprung O des rechtwinkligen Systems XOY, Fig. 2, einen Kreis mit der Excentricität und ziehe E4 E1 im Abstande a, E2 Es im Abstande i parallel O Y; diese Parallelen sollen bezw. die Aussenkantenlinie und die Innenkantenlinie heissen. Die Gerade WoOW1 werde ferner so gezogen, dass WOOY= d ist.

1

Ein Blick auf das Diagramm, zumal wenn noch die Weite des Dampfcanals eingezeichnet wird, giebt sofort ein klares Bild der Dampfvertheilung. Ist w diese totale Canalweite, so hat die Bedingung vollständigen Oeffnens allgemein die Form

r > a+w;

beim Muschelschieber mit fester Expansion genügt
r = a + w,

was auch in Fig. 2 angenommen ist. Diese Figur zeigt
noch die mittlere Lage des Schiebers mit dessen Aussen-
kante in Eo angedeutet; von dort aus bewegt sich der-
selbe bei dem angenommenen Drehungssinn der Kurbel
vorwärts, d. h. von links nach rechts, und es ist dann,
dem Vorhergehenden gemäss, die Parallelbewegung nach
OX für Excentrikmittel und Schieber-Aussenkante eine
übereinstimmende. Man ersieht so aus dem Diagramm
die Weite der Einströmungsöffnung beim Vorwärtsgange:
a1 = § — a,
a1

sowie die Weite der Ausströmungsöffnung desselben
Canals beim Rückgange des Schiebers:

a2 § — i.

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