Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Ueber continuirliche Bremsen.

Von C. Schneider.

(Vorgetragen in der Versammlung des Siegener Bezirksvereines vom 9. December 1877.)
(Hierzu Tafel XIX und XX.)

Bei den meisten in Bewegung befindlichen Massen, namentlich bei den Transportfahrzeugen, ist man genöthigt, um den Gang derselben sicher leiten zu können, Mittel anzuwenden, welche die Bewegung derselben zu mässigen und, wenn nöthig, ganz aufzuheben vermögen.

Die hauptsächlichsten Vorrichtungen, welche diesem Zwecke dienen, sind die Bremsen.

Ihre Thätigkeit besteht darin, dass dem in Bewegung befindlichen Körper schädliche Widerstände zugeführt werden, welche derart gesteigert werden können, dass die Bewegung schliesslich ganz aufhört. Als schädlicher Widerstand bleibt hier hauptsächlich die Reibung fester Körper in Betracht zu ziehen. Die Reibung wandelt die aufgenommene Arbeit in Wärme und Abnutzung um, welche beide in der Regel ganz verloren gehen. Streng genommen ist demnach das Bremsen in dieser Art unökonomisch, und vielfache, schon frühzeitige Bestrebungen, das Bremsen durch nutzbar zu machende Widerstände zu bewirken, waren die Folge davon.

Schon in den ältesten Zeiten benutzte man bei gewöhnlichen Fuhrwerken den sogenannten Hemm- oder Bremsschuh, der wegen seiner Einfachheit auch heute noch weit verbreitete Anwendung findet. Vielfache Gründe, namentlich schlechte Handhabung, die Unmöglichkeit einer Druckregulirung u. s. w. liessen seine Anwendung bei Eisenbahnen gar nicht, oder doch nur in höchst beschränktem Masse aufkommen. Zunächst kam man nun auf Hebelbremsen. Diese verschafften sich auch bei Eisenbahnen vielfach Eingang, mussten aber bald der weit vollkommeneren Schraubenbremse Platz machen, welche ja auch heute noch bei Eisenbahnen und gewöhnlichen Fuhrwerken fast durchweg zur Anwendung kommt.

Bereits im ersten Stadium der Eisenbahntechnik sind wiederholt Constructionen zu Tage gefördert worden, welche nicht allein im Stande sein sollten, einen einzelnen Wagen, sondern womöglich einen ganzen Zug gleichzeitig zu bremsen, die sich aber fast alle mehr oder weniger theils als zu complicirt, theils als zu unsicher im Betriebe erwiesen; und da man auf einfache und dabei doch sichere Weise nicht zu einem günstigen Resultat gelangen konnte, hat man die Sache geraume Zeit hindurch ganz ruhen lassen.

Erst in neuerer Zeit, bei immer complicirter werdenden Betriebsverhältnissen und vergrösserten Fahrgeschwindigkeiten ging man wieder ernstlich an die Lösung der Bremsfrage. Es mussten durchaus Mittel gefunden werden, welche grössere Garantie für die Sicherheit des Betriebes gewährten, d. h. vermöge deren man die lebendige Kraft so kolossaler, in so grosse Geschwindigkeit versetzter Massen schneller, als es bei der ge

XXII.

wöhnlichen Schraubenbremse der Fall ist, vernichten und der damit verbundenen Gefahr wirksamer entgegentreten könnte.

Und in der That ist denn auch eine ganze Reihe von Erfindungen in dieser Art gemacht worden.

Zunächst benutzte man das Niederfallen schwerer zuvor aufgezogener Gewichte, dann die lebendige Kraft der Fahrzeuge selbst dazu, die Bremstheile in Bewegung zu setzen. Hierbei zeigt sich jedoch namentlich der Uebelstand, dass bei nicht sorgfältiger Anstellung der Bremse oft heftige Stösse schwer oder gar nicht zu vermeiden sind. Diesem Uebelstande abzuhelfen nahm man endlich zu elastischen Triebmitteln seine Zuflucht und verwendet jetzt vornehmlich

1) Luftleere,

2) Luftdruck,

3) Wasserdruck.

Die Anwendung des Wasserdruckes ist natürlich in den nördlicheren Ländern ausgeschlossen, da das Wasser zu leicht im Winter in den Rohrleitungen einfriert und die Bremse unbrauchbar macht.

Alle diese neueren Erfindungen zielen hauptsächlich darauf hin, die Handhabung sämmtlicher am Zuge befindlicher Bremsen dem Locomotivführer als der Person zu überlassen, welche in den allermeisten Fällen die Gefahr zuerst sieht, und von hier aus sämmtliche Bremsen mit einem Schlage zur Wirkung zu bringen. Bremsen, welche diese Bedingung erfüllen, nennt man continuirlich wirkend.

Eine zweite Forderung ist die, dass die Bremsung in möglichst kurzer Zeit erfolge, ja dass unter Umständen der während des Bremsens zurückgelegte We eg nur bis zu ein Viertel von dem betrage, welcher bei der gewöhnlichen Schraubenbremse zurückgelegt wird. Kann z. B. ein Courierzug auf 300 statt 1200m zum Stehen gebracht werden, so erhellt daraus, dass sich mancher Unfall noch rechtzeitig wird vermeiden lassen können.

Zuletzt bleibt noch hervorzuheben, dass sich der Bremsdruck, namentlich bei den Bremsen mit elastischen Triebmitteln, sehr leicht reguliren lässt, dieselben also ebenso gut im gewöhnlichen Verkehr, wie im Augenblicke der Gefahr anwendbar sind.

In Amerika und England haben sich die continuirlichen Bremsen schon geraume Zeit eingebürgert, ja die zur Untersuchung von Eisenbahnunfällen eingesetzte Commission in England nennt dieselben eines der wichtigsten Verhütungsmittel solcher Unfälle. Ebenso legt dieselbe grosses Gewicht darauf, dass sämmtliche Bremsen von der Locomotive aus ohne Weiteres zur Wirkung gebracht werden können. Und in der That! Der geringste Zeitverlust kann oft eine Lebensfrage für einen

23

Zug sein, wenn man bedenkt, dass bei einer Geschwindigkeit von beispielsweise 60 km pro Stunde jede nutzlos 60km verflossene Secunde den Zug um etwa 16" dem Punkte der Gefahr näher bringt.

In England und Amerika sind bis jetzt hauptsächlich die Luftdruckbremsen von Steel und Westinghouse, sowie die Vacuumbremse von Smith zur Anwendung gekommen; in Deutschland vereinzelt die Reibungsbremse von Heberlein.

1) Heberlein - Bremse.

Bei der in Fig. 1, Taf. XIX, dargestellten Heberlein-Bremse wird die lebendige Kraft des Fahrzeuges dazu benutzt, die Bremse zur Wirkung zu bringen; sie ist eine Frictionsbremse. Auf einer der Achsen a sind zwei feste Holzrollen c aufgekeilt. Ein Hebel, welcher um den festen Punkt e drehbar ist, trägt auf dem freien Ende zwei entsprechende Holzrollen 6 mit dazwischenliegender Kettenscheibe. Ueber letztere läuft eine aufwickelbare Kette, welche auf dem anderen Ende mit dem Bremsgestänge in Verbindung steht.

Sollen die Bremsklötze angedrückt werden, so lässt man das Gewicht g langsam an der Kette h herab, bis sich die Holzrollen berühren. Infolge dessen werden die Rollen 6 durch die Rollen c in Rotation versetzt, b die Kette wickelt sich auf und veranlasst die Bewegung der Bremstheile. Soll die Bremse gelöst werden, so wird das Gewicht g vermittelst der Kette h einfach wieder in die Höhe gezogen.

Wollte man das Gewicht plötzlich herabfallen lassen, so würde die Wirkung der Bremse eine zu schnelle sein und heftige, für die Reisenden unangenehme Stösse wären die unvermeidlichen Folgen.

Bei der Heberlein-Bremse kann sowol jeder einzelne Wagen als auch ein ganzer Zug gleichzeitig und von einem Punkte aus gebremst werden, sobald sämmtliche Bremsen durch eine Zugschnur mit einander in Verbindung stehen.

2) Vacuumbremse von Smith.

Die Smith'sche Bremse benutzt den Druck der äusseren Luft, um die Bremstheile in Bewegung zu setzen, ist also eine Vacuumbremse. Sie ist in Fig. 4 und 5, Taf. XIX, in ihren wesentlichen Theilen dargestellt und hat folgende Einrichtung und Wirkungsweise.

Unter jedem der zu bremsenden Fahrzeuge befinden sich gewöhnlich zwei Bremscylinder, cylindrische innen durch schmiedeeiserne Ringe versteifte Gummibehälter mit gusseisernen Böden, Fig. 4, von denen der obere mit dem Gestell des Fahrzeuges fest verbunden ist und die Rohrleitung aufnimmt, der untere bewegliche dagegen mit dem Bremsgestänge unmittelbar in Verbindung steht. Sobald nun ein genügendes Vacuum in diesen Bremscylindern erzielt ist, drückt die äussere Luft den Gummibehälter zusammen und die Bremsklötze werden angedrückt.

Die Luftverdünnung erfolgt durch einen in Fig. 5 gezeichneten Ejector, welcher sich vorn auf der Locomotive befindet und von dem Führer angestellt wird. Dies geschieht auf folgende Weise.

Der in den Ejector eintretende Dampf reisst vermöge seiner lebendigen Kraft die Luft aus sämmtlichen Rohrleitungen und Bremscylindern an sich und heraus und bewirkt auf diese Weise ein Vacuum in den Bremscylindern, worauf sofort der äussere Luftdruck die Gummibehälter zusammendrückt und die Bremse zur Wirkung bringt. Im höchsten Falle wird ein Vacuum von 2/3 erzeugt.

Soll die Bremse gelöst werden, so wird die Dampfzuleitung zum Ejector geschlossen und in der Leitung ein Lufthahn geöffnet, wodurch eine Druckausgleichung stattfindet. Durch passend angebrachte Gegengewichte werden die Bremsklötze von den Rädern abgedrückt.

3) Compressionsbremse von Westinghouse.

Die Westinghouse'sche Bremse ist eine Luftdruckbremse und wirkt selbstthätig.

Durch eine auf der Locomotive befindliche Druckpumpe wird die Luft in ein unter dem Führerstande der Locomotive liegendes Hauptreservoir gedrückt und dort je nach Bedürfniss bis auf 8 Atm. comprimirt. Von diesem Hauptreservoir werden die einzelnen unter den Fahrzeugen liegenden Hilfsreservoire gespeist. Aus jedem der letzteren tritt die comprimirte Luft durch das automatische Ventil in den Bremscylinder und veranlasst die Bewegung des Kolbens, welcher mit dem Bremsgestänge in Verbindung steht.

Zwischen dem Hauptreservoir und der Hauptleitung befindet sich ein in Fig. 3, Taf. XX, dargestellter Dreiweghahn, welcher auf der Locomotive gestellt wird. Ferner ist zwischen der Hauptleitung und dem Hilfsreservoir einerseits, sowie zwischen dem Hilfsreservoir und Bremscylinder andererseits das automatische Ventil eingeschaltet.

Unter normalen Verhältnissen sind alle Leitungen und Hilfsreservoire mit gepresster Luft gefüllt. Diese kann jedoch nur dann in den Bremscylinder treten und auf den Kolben wirken, wenn eine Druckverminderung in der Hauptleitung stattfindet.

Soll die Bremse zum Gebrauch fertig gehalten werden, so wird der Dreiweghahn so gestellt, dass die Ansätze a und b (Fig. 3, Taf. XX) communiciren. In dieser Stellung kann die comprimirte Luft ungehindert aus dem Hauptreservoir durch das automatische Ventil in das Hilfsreservoir eintreten.

Das automatische Ventil, von welchem Fig. 4, Taf. XX, eine Abbildung giebt, steht bei b mit der Hauptleitung, bei d mit dem Bremscylinder und bei e mit dem Hilfsreservoir in Verbindung; die Oeffnung ƒ führt in die freie Luft. Das Ventil besteht aus dem Gehäuse, einem Absperrhahn h und dem Kolben k nebst Vertheilungsschieber t. Die comprimirte Luft aus dem Hauptreservoir tritt also durch den Ansatz b unter den Kolben des automatischen Ventils, schiebt denselben

aufwärts, tritt durch die Oeffnung o des Kolbens in den Schieberkasten und von da durch e in das Hilfsreservoir.

Wird die Bremse in dieser Stellung nicht benutzt, und hat unterdessen zwischen dem Haupt- und Hilfsreservoir Druckausgleichung stattgefunden, so sinkt der Kolben nebst Vertheilungsschieber langsam herunter, jedoch nur so weit, dass die Oberkante des Schiebers mit der Oberkante des Canals d eben abschneidet, denn sobald nur eine geringe Oeffnung im Canal vorhanden ist, entweicht Luft aus dem Schieberkasten in die Leitung zum Bremscylinder und strömt durch das Leckventil, welches sich zwischen dem automatischen Ventil und dem Bremscylinder befindet und kleinen Luftmengen den Austritt gestattet, sich jedoch bei einem grösseren Luftstrom schliesst, aus. Hierdurch entsteht jedoch Druckverminderung im Schieberkasten, der Kolben wird sich demnach wieder heben müssen und frische gepresste Luft durch die Oeffnung o in den Schieberkasten gelangen. Dieses Spiel wiederholt sich dann bald darauf

von neuem.

Wie bereits vorher gesagt, muss, wenn die Bremse zur Wirkung kommen soll, eine Druckverminderung in der Hauptleitung hergestellt werden.

Zu diesem Zweck wird der Dreiweghahn auf der Locomotive so gestellt, dass die Ansätze b und c, von denen c in die freie Luft führt, communiciren; sofort entweicht die gepresste Luft aus der Rohrleitung, der Kolben k wird abwärts geschoben, wobei die Oeffnung o durch die Nadel s verschlossen wird. Gleichzeitig mit dem Kolben bewegt sich aber auch der Vertheilungsschieber abwärts, infolge dessen tritt die gepresste Luft aus dem Hilfsreservoir durch den nunmehr frei gewordenen Canal d in den Bremscylinder, schiebt den Kolben vorwärts, und die Bremsklötze werden angedrückt.

Eine ältere Anordnung des automatischen Ventils dieser Bremse wurde bereits in Bd. XVII, S. 499 d. Z. beschrieben.

Soll die Bremse gelöst werden, sọ lässt man wieder die Ansätze b und a des Dreiweghahns communiciren, die gepresste Luft tritt von neuem unter den Kolben k, schiebt denselben nebst Vertheilungsschieber in die Höhe und tritt durch die Oeffnung o in den Schieberkasten und damit zugleich in das Hilfsreservoir. Gleichzeitig kommt dadurch der Canal d mit t in Verbindung; die gepresste Luft entweicht aus dem Bremscylinder durch f in die freie Luft, und durch den Einfluss der Rückzugfeder werden die Bremsklötze von den Rädern abgedrückt.

Aus dem soeben Gesagten erhellt ohne Weiteres, dass die Bremse auch sofort zur Wirkung kommt, sobald eine Kuppelung und damit zugleich die Hauptrohrleitung zerreisst, da ja dadurch die Bedingung einer Druckverminderung in der Hauptleitung erfüllt wird.

Ursprünglich war die Westinghouse'sche Bremse ohne Hilfsreservoire angeordnet; dies hatte jedoch den grossen Nachtheil, dass die Bremsen nicht gleichmässig genug zur Wirkung kamen, da die Füllung der letzten

[blocks in formation]

4) Compressionsbremse von Steel.

Die Steel'sche Bremse ist ebenfalls eine Luftdruckbremse und arbeitet wie die vorhergehende automatisch, d. h. sie tritt bei Unfällen u. s. w., sobald ein Theil der Leitung zerreisst, sofort in Thätigkeit.

Wie bei der Westinghouse-Bremse wird auch hier die Luft durch eine Druckpumpe in das unter dem Führerstande der Locomotive liegende Hauptreservoir gedrückt, von welchem aus sämmtliche Hilfsreservoire gespeist werden. Der Druck der Luft kann je nach Bedürfniss bis auf 8 Atm. gesteigert werden.

Bei der Steel'schen Bremse wird jedoch jede Achse für sich gebremst, und befindet sich zu dem Zweck auf jeder Stirnwand des zu bremsenden Fahrzeuges ein Bremscylinder nebst Hilfsreservoir. Die Anordnung beider ist in Fig. 2 und 3, Taf. XIX, dargestellt.

Die gepresste Luft befindet sich sowol über wie unter dem Kolben des Bremscylinders 6 mit gleicher b Spannung, und kann die Bremse nur dann zur Thätigkeit gelangen, wenn eine Druckverminderung über dem Kolben stattfindet, bezw. die Luft aus der Hauptleitung entfernt wird, was durch Stellung des Dreiweghahns auf der Locomotive oder beim Zerreissen der Kuppelung stattfindet. Die Wirkungsweise ist folgende.

Aus dem Hauptreservoir tritt die gepresste Luft durch den Dreiweghahn in das Gehäuse a des automatischen Ventils ein, drückt das Ventil c herab, tritt in den Bremscylinder über den Kolben und treibt denselben abwärts. Gleichzeitig tritt auch die comprimirte Luft durch das Ventil e und die Leitung ƒ (Fig. 2) in das Hilfsreservoir h und von da unter den Bremskolben. Sollen die Bremsklötze angedrückt werden, so wird der Dreiweghahn auf der Locomotive so gestellt, dass die Luft aus der Hauptleitung entweichen kann, dadurch entsteht im Gehäuse a eine Druckverminderung, infolge deren das Ventil c sich schliesst; das Ventil g jedoch, welches mit dem Gehäuse durch eine Kautschukplatte in Verbindung steht, hebt sich, und die Luft über dem Kolben entweicht durch die Oeffnungen q. Durch Expansion der gepressten Luft unter dem Kolben hebt sich derselbe und die Bremsklötze werden angedrückt. Soll die Bremse gelöst werden, so wird die gepresste Luft aus dem Hauptreservoir wieder über den Kolben in den Bremscylinder geleitet, der Kolben wird abwärts getrieben und die Bremse ist wieder zum Gebrauch fertig.

Sämmtliche Bremsen können sowol von der Locomotive wie einzeln in Thätigkeit gesetzt werden, sobald an dem einzelnen Fahrzeug in die Hauptleitung ein Dreiweghahn eingeschaltet wird.

Mit den vorbeschriebenen vier Bremsen sind, wie in der Wochenschrift" mehrfach berichtet, Anfang August 1877 auf einer Strecke zwischen Guntershausen

[ocr errors]

und Gensungen eingehende Proben vorgenommen worden, über welche seitens des Hrn. Ober- Maschinenmeister Büte in Cassel ein ausführlicher Bericht erstattet ist. Das in Fig. 1, Taf. XX, gezeichnete Diagramm stellt die mit den einzelnen Bremsen bei verschiedenen Fahrgeschwindigkeiten erzielten Wirkungen graphisch dar. Im Uebrigen mag betreffs der Einzelheiten der Versuche und der dabei getroffenen Einrichtungen auf die Mittheilungen in No. 9 und 14 d. W. verwiesen werden.

Die Einwirkung der Bremse auf die Mitfahrenden

soll im Allgemeinen günstig gewesen sein. Bei einigen Versuchen war die Abnahme der Geschwindigkeit keine gleichmässige, und fanden sanfte Bewegungen der Reisenden vor- und rückwärts statt. Bei Allen wurde kurz vor Stillstand und noch während desselben ein lebhafter Ruck gefühlt.

Welches von diesen oder etwa später auftretenden Systemen sich am besten im Betriebe bewähren wird, bei welchem die Vortheile nach Abzug aller Nachtheile, das günstigste Resultat liefern werden, kann nur eine längere Erfahrung lehren.

Einiges über den Kraftaufwand leerlaufender Walzenstrecken.
Von E. Freytag, Maschineningenieur der badischen Bahn.

Im Februarheft dieser Zeitschrift findet sich ein Aufsatz von R. M. Daelen „Der Dampfmangel und die Dampfersparniss in Walzwerken." In diesem Aufsatze ist darauf hingewiesen, dass es für die gesammte Walzwerkstechnik von dem grössten Interesse ist, über den Kraftverbrauch schwerer Walzenstrassen bei ihrem Leerlauf genaue Kenntniss zu erlangen.

Da ich nun in meiner früheren Stellung als Ingenieur im Hüttenwerke Borsigwerk O/Schl. an grösseren Walzenzugmaschinen zahlreiche Indicator-Untersuchungen gemacht habe, und mir von dem Director jenes Werkes, Hrn. Brätsch, die Veröffentlichung der dort gewonnenen Resultate bereitwilligst gestattet wurde, so hoffe ich, einiges zur Lösung oben genannter Frage beitragen zu können.

Ich glaubte anfangs, als ich das vorhandene Material für diesen Aufsatz zusammensuchte, über die Reibungscoefficienten in den verschiedenen Theilen der Walzenstrasse und ihre Abhängigkeit von dem jeweiligen Zustande der Walzenstrasse numerische Resultate zu gewinnen, da ich von drei Maschinen bei verschiedener Belastung Diagramme genommen hatte; bei näherer Bearbeitung des Materials fand ich aber, dass ich bei den einzelnen Diagrammen, (welche s. Z. einem anderen Zwecke dienten) nicht alle die Erhebungen gemacht hatte, welche zur genauen Bestimmung der Reibungsverhältnisse in den Walzenstrassen nothwendig sind. Wenn ich daher die dort gewonnenen Resultate veröffentliche, so geschieht es mehr, um meinen Fachgenossen, welche diese Arbeit aufzunehmen gedenken, einige Anhaltspunkte für ihre Experimente zu geben und einige Beispiele über den ungeheuren Kraftverbrauch leerlaufender Walzenstrassen anzuführen, als um selbst eine abgeschlossene Arbeit über diesen Gegenstand zu liefern. Nichts desto weniger lassen sich doch aus meinen Versuchen einige interessante Schlüsse ziehen.

Im Winter 1875/76 und im Frühling und Sommer 1876 wurden von mir drei Walzenstrecken mit dem Indicator untersucht.

1) Eine mittlere Grobstrecke mit vier Walzenpaaren von 497mm Durchm. Sie wurde getrieben von einer

Schwungradmaschine, welche 948mm Durchm. und 1106mm
Hub hatte.

2) Eine schwere Blechstrecke bestehend aus einem Walzenpaar von 730mm Durchm. und 2500 mm Ballenlänge. Sie wurde von einer Reversirmaschine von 1046mm Durchm. bei 1570mm Hub mittelst Zahnräder getrieben, welche die Umsetzung auf 2/3 ins Langsame bewirken.

3) Eine schwere Grobstrecke für Universal- und schwerstes Profileisen, bestehend entweder aus einer Universalwalzenstrasse und drei profilirten Walzenpaaren oder aus vier profilirten Walzenpaaren allein. Sie wurde durch eine Maschine getrieben, welche identisch mit derjenigen ist, welche die Blechstrecke treibt, nur ist die Zahnradumsetzung hier 3/2.

Die Diagramme wurden mit einem Richards'schen Indicator genommen, die Arbeitsflächen mit einem Planimeter gemessen und die Mittelwerthe aus mehreren Diagrammen in Rechnung gezogen. Die Arbeitsflächen einer Maschine variirten übrigens nicht wesentlich, wenn sie mit derselben Belastung in demselben Sinne umlief, während beim Reversiren grössere Differenzen im Kraftaufwand eintraten. Diagramme selbst lege ich nicht bei, weil sie nichts Besonderes zeigen.

Die angeführten Gewichte sind theils auf der Wage ermittelt, theils berechnet, theils geschätzt, sie sind daher nur angenähert richtig.

Den Dampfverbrauch der Maschine, für sich ohne Strasse laufend, habe ich nur ein Mal bestimmt; ich habe denselben daher nach der Formel von Völckers berechnet.

Bei den Zwillingsmaschinen wurde nur an einem Cylinder indicirt und angenommen, dass in dem anderen dieselbe Arbeit geleistet wird.

I. Kleinere Grobstrecke.

Die Maschine bewegte mit den Kuppelungsgetrieben, den Kuppelspindeln und Muffen und den vier Walzenpaaren ein Gesammtgewicht von rund 580 Centner 29 000k.

Das ganze Gewicht ruht auf Zapfen von 305mm

Durchm.

[merged small][ocr errors][ocr errors]

wo d den Durchmesser der Maschine in Centimeter, G das Gewicht des Schwungrades in Kilogramm und r den Reibungswiderstand der leeren Maschine in Atmosphären auf den Dampfkolben ausgedrückt bezeichnet. Hiernach ist r = Ok,114 pro Quadratcentimeter.

Der zur Bewegung der Maschine mit der Walzenstrasse (leerlaufend) erforderliche Dampfdruck betrug bei Geschwindigkeiten von 20 bis 90 Umgängen pro Minute durchschnittlich P= 0,34 pro Quadratcentimeter.

Nehmen wir nun nach Pambour den Reibungscoefficienten des nutzbaren Widerstandes zu 0,14 an und bezeichnen mit q die wirksame Kolbenfläche in Quadratcentimeter, mit den Hub der Maschine in Meter, so wird von der Arbeit Lь P.q.21, welche der Dampf während einer Umdrehung leistet, die Arbeit (P—r) q 2l in Meterkilogramm zur Bewegung der 1,14 Walzenstrasse allein dienen.

[ocr errors]
[merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small]

Die Reibungsarbeit, welche die Walzenstrasse verbraucht, wird sich zusammensetzen:

A. Aus der Zapfenreibung in den Walzenlagern und aus der Reibung in den Muffenkuppelungen, welche die benachbarten Walzenpaare mit einander verbinden. B. Aus der Zahnflankenreibung der Kuppelungsgetriebe.

C. Aus der vom Zahndruck herrührenden Zapfenreibung in den Lagern der Kuppelungsgetriebe.

Die Reibung in den Muffenkuppelungen, d. i. die Reibung der Kuppelspindeln und Muffen unter sich und an den Walzenköpfen, lässt sich kaum nach den Abmessungen dieser Theile bestimmen, ich will sie daher der Reibung der Walzenzapfen zuschlagen, wodurch der Reibungscoefficient für die Zapfenreibung entsprechend erhöht wird.

Dieser so erhöhte Reibungscoefficient, welcher mit u bezeichnet werden soll, wird uns Aufschluss geben, ob die Walzenstrecke mehr oder weniger günstig arbeitet; er würde gleich dem Reibungscoefficienten für gewöhnliche Zapfen werden, wenn die Mittellinien beider Walzenstränge mit den Mittellinien der Kuppelungsgetriebe zusammenfallen, und wenn dann noch die Muffen an den Walzenköpfen und den Spindeln so befestigt würden, dass keine störenden Bewegungen möglich wären; er wird aber das 3 bis 4 fache dieses Minimalwerthes haben, wenn die Walzenabstände der einzelnen Walzenpaare sehr differiren und wenn die Kuppelungstheile grosse störende Bewegungen machen.

[merged small][merged small][ocr errors][subsumed][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]
[ocr errors]
[ocr errors]

0,10.

II. Schwere Blechstrecke.

[ocr errors]

305

05/497

Auch hier besitze ich keine Indicatordiagramme der Maschine ohne Strecke, es soll daher der Reibungswiderstand der leeren Maschine nach der unter I. genannten Formel berechnet werden: danach ergiebt sich 0,060 pro Quadratcentimeter. Der zur Bewegung der Maschine mit der leeren Walzenstrasse nothwendige Dampfdruck variirte in den verschiedenen Diagrammen ziemlich bedeutend, was seinen Grund sowol in der verschiedenen Höhenstellung der Walze, über welche ich keine Notizen besitze, als auch in der Einwirkung der bewegten Massen haben mag, deren Geschwindigkeit, während ich die verschiedenen Diagramme nahm, wol nicht immer constant gewesen sein dürfte. Als mittlerer nutzbarer Dampfdruck ergab sich für jeden Cylinder: P 0,31 pro Quadratcentimeter.

Nehmen wir wieder den Reibungscoefficienten des nutzbaren Widerstandes zu 0,14 an und bezeichnen mit q die wirksame Kolbenfläche, mit 7 den Hub der Maschine, so wird von der Arbeit L P.2q.21, welche der Dampf pro Umdrehung leistet, die Arbeit

[blocks in formation]
« ZurückWeiter »