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ihren Betrieb schon seit längerer Zeit ganz eingestellt, andere haben Bankerott gemacht.

Verhältniss der Bahnen zum Staat.

Das Verhältniss der englischen Bahnen zum Staat ist ein gegen unsere Verhältnisse sehr lockeres und unabhängiges.

Die Erlaubniss zum Bau und Betrieb einer Bahn sowie zur Verschmelzung verschiedener Bahnen wird vom Parlament durch ein besonderes Gesetz in jedem einzelnen Falle ertheilt. Diese Gesetze sind für den Nachsuchenden ausserordentlich kostspielig. So kostete beispielsweise das später zurückgezogene Gesuch zur Verschmelzung der Midland und Glasgow und South Western Railway beiden Parteien täglich 30 000 M.

Mit der Ertheilung der Concession werden vom Parlamente auch die Maximaltarife nicht nur für die ganze Bahn, sondern, wenn es für nöthig gehalten wird, verschiedene Maximaltarife für einzelne Strecken derselben Bahn gesetzlich festgestellt. Die Maximaltarife enthalten die beliebig von den Eisenbahnen festzusetzenden Expeditionsgebühren, sowie das Rollgeld für Anund Abfuhr der Güter nicht, und sind meistentheils so hoch gegriffen, dass die Eisenbahnen dieselben selten in Anspruch nehmen. Sie schwanken je nach den verschiedenen Tarifclassen zwischen 0,46 bis 1,4 Pf. pro Kilometer und 50 Kilogramm. Ebenso wie die Maximaltarife werden die Abgaben für den in England sehr ausgedehnten Concurrenzbetrieb vom Parlament festgesetzt.

Bauliche Specialvorschriften werden den Eisenbahnen nur in geringem Umfange gemacht.

Wenn die Eisenbahnen nun auch bei ihren Bauten sich im Allgemeinen unabhängig von dem übrigen Verkehr machen, so fand ich doch Ende 1875 noch beispielsweise in Middlesborough eine Bahn, auf welcher täglich ausser einer Menge Güterzüge 26 Personenzüge nach beiden Richtungen gingen, eine Hauptverkehrsstrasse im Niveau durchschneidend. Auffallenderweise sperrte aber hier die Barriere die Bahn ab und wurde nur beim Durchgang der Züge geöffnet. Zu derselben Zeit fand ich südlich von Carlisle noch mehrere Bahnen einander im Niveau kreuzend.

Die härtesten Vorschriften der englischen Bahnen beruhen in der unbedingten Haftpflicht. Man wird später sehen, welche ungeheure Ausgaben für die Eisenbahnen durch dieses Gesetz verursacht werden. Die Eisenbahnen sind dem Handelsamt (Board of Trade) unterworfen. Die Hauptwirksamkeit des Handelsamtes beschränkt sich aber fast nur auf die Abnahme der fertigen Eisenbahnstrecken durch die Ingenieure des Amtes und die Ertheilung der Erlaubniss zum Betriebe derselben.

Seit 1873 ist eine Eisenbahn-Commission, bestehend aus einem Ausschuss beider Häuser des Parlamentes gebildet worden, welche die Interessen des Staates und des Publicums energischer und erfolgreicher als die früheren Einrichtungen den Eisenbahnen gegenüber ver

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in Preussen. Offenbar fahren wir so billig auf Kosten des wichtigsten Theiles des Eisenbahnbetriebes, auf Kosten des Güterverkehres.

Es bestätigt sich dies bei Betrachtung der Procentsätze der Reisenden, die auf die verschiedenen Classen fallen. Hier steigt sofort die Frage auf, ob es richtig ist, wegen der 1,5 pCt. Reisenden eine besondere Classe, die I. Classe beizubehalten. Ebenso liegt ein Missverhältniss mit der IV. Classe vor, die in Preussen nahezu ein Dritttheil sämmtlicher Reisenden transportirt, deren Einnahmen sich aber nur mit dem fünften bis sechsten Theil an den Gesammteinnahmen aus dem Personenverkehr betheiligen. Wenn ich auch nicht für Aufhebung der IV. Classe plädiren will, so scheint mir doch eine Einschränkung derselben auf eine geringere Zahl von Zügen und eine dadurch folgende Entlastung der Bahnen im Interesse der Allgemeinheit möglich. Thatsächlich fährt die IV. Classe in Preussen auf vielen Bahnen unter Selbstkosten.

Eine weitere und sehr bedeutende Belastung der preussischen Bahnen liegt in der Verpflichtung des kostenfreien Transportes der Post. Fachleute haben die dadurch den preussischen Bahnen verursachten Kosten auf 20 Millionen Mark berechnet. Bei einer solchen Bonification scheint es allerdings nicht schwierig, im Postetat einige Millionen Mark Ueberschüsse jährlich zu haben.

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Sechs Bahnen sind hiernach im Erträgniss gestiegen, neun sind zurückgegangen; immerhin haben im letzten Jahre von diesen fünfzehn Bahnen, acht über 6 pCt. und zehn über 5 pCt. Dividende ezielt.

Um eine allgemeine Vorstellung von der Bedeutung und Grösse einzelner englischer Bahnen zu geben, führe ich die London und North Western Railway mit einer Länge von 2574km,4 und 1279 431 260 M Capital und 71 pCt. Dividende pro 1876 an. Die Bahn besitzt eigene Bessemer- und Walzwerke sowie bedeutende Maschinenfabriken mit einem Arbeiterpersonal von 7000 Mann in Crewe. Sie ist im Besitz von 2122 Locomotiven, von denen zur Zeit 748 Stück in ihren Haupttheilen, Kessel, Rahmen u. s. w. aus dem von ihr selbst hergestellten Bessemerstahl hergestellt sind.

Die Midland Railway hat bei einer Länge von 1792km, 992708020 M Capital, 1876 ein Erträgniss von 5 pCt. ergeben. Sie besitzt ebenfalls bedeutende Werkstätten in Derby und in London ein riesenhaftes Bahnhofshotel, das bei einem Kostenaufwand von 8760000 M noch eine leidliche Rente bringen soll.

Die Great Western Railway hat bei einer Länge von 2465 km, 1020443 040 M Capital, im Jahre 1876 eine Rente von 41 pCt. ergeben. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Bahn in den letzten Jahren die sehr theure Arbeit der Umlegung ihrer nach Brunnelschem System gebauten Bahn von 2,154 Spurweite in die Normalspur ausgeführt hat.

Organisation der Bahnen.

Die Organisation der Verwaltung der englischen Bahnen ist meistens unter einander wenig abweichend. An der Spitze der Verwaltung steht die Direction

(Board of directors). Dieselbe ist aus den Mitgliedern der Gesellschaft, aus Leuten der verschiedensten Berufsclassen zusammengesetzt. Selten befinden sich Juristen in derselben. Die Arbeit der Direction besteht in Berathungen und Beschlüssen in gemeinschaftlichen Sitzungen, welche, so oft es erforderlich ist, abgehalten werden. Die Beschlüsse der Direction werden von dem Secretär der Gesellschaft, welcher ebenfalls Sitz und Stimme bei den Directionssitzungen hat, ausgeführt. Unter der Direction steht der Betriebsdirector (General Manager). Derselbe ist der verantwortliche Leiter des Ganzen, und werden in erster Linie tüchtige gewandte Geschäftsleute, seltener Techniker und noch seltener Juristen zu diesem Posten herangezogen. Die weitere ausführende Verwaltung besteht bei den grösseren Bahnen aus den folgenden Abtheilungen:

1) Der Ingenieurabtheilung (Engineers Department) mit dem Oberingenieur an der Spitze; hat den gesammten technischen Bahndienst und das Bauwesen unter sich.

2) Der mechanischen Abtheilung (Locomotive Dep.) mit Chefs in den verschiedenen Unterabtheilungen; steht über dem Bahnmaterial, den Werkstätten und dem Transportdienst.

3) Der Personentransport-Abtheilung nebst der Betriebspolizei (Coaching and Police Dep.).

4) Der Güterverkehrsabtheilung (Goods Dep.) mit dem Güterverwalter an der Spitze (Goods Manager). 5) Der Buchhaltungs- und Magazin-Verwaltung (Finances and Store Dep.).

6) Der Grundstücks- und Gebäudeverwaltung (Estate Dep.).

7) Dem Controlbüreau (Audit and Chec Dep.) nebst der erforderlichen Anzahl von Unterbeamten.

Eine Cassenabtheiltung ist nicht vorhanden. Das Cassenwesen ist vollständig von der Bahnverwaltung getrennt und einem mit der Gesellschaft in Verbindung stehenden Bankinstitut übertragen.

Das Clearing house.

Ganz abweichend von unserer Einrichtung und als äusserst interessant und wichtig ist die Art der Abrechnung der Bahnen unter einander hervorzuheben.

97 Bahnen Englands, Schottlands und Irlands haben zu diesem Zweck in London ein Institut, das Centralabrechnungsbüreau für den Uebergangsverkehr (Clearing house) gebildet. Zweck desselben ist:

Abrechnung des Personen-, Güter- und Vieh-Verkehres und Ausgleichung der Beträge.

Controle der Wagen, Decken, Ketten u. s. w. und Feststellung der Miethen.

Regelung der Entschädigung für verlorene und beschädigte Güter.

Regelung der Entschädigung für beschädigte Fahr

zeuge.

Anordnung des Versicherungswesens für Päckereien und Güter im durchgehenden Verkehre.

Die Verwaltung des Clearing house geschieht durch ein Hauptcomité, welches aus Delegirten sämmtlicher betheiligten Bahnen besteht und seine Geschäfte in Generalconferenzen erledigt. Von diesem Hauptcomité werden die Untercomités gewählt und bestehen aus:

1) Comité für Entschädigung des Betriebsmaterials (Damaged stock arbitration committee). Dasselbe besteht aus zwölf Mitgliedern, welche sämmtlich Betriebsdirectoren sind.

2) Comité für verlorene und beschädigte Güter (Goods claims arbitration committee).

3) Comité für die Reclamationen im Wagenverkehr (Superintendents claims arbitration committee).

An der Spitze des Clearing house steht ein Director (secretary). Demselben sind etwa 1300 Buchhalter (clerks) in den verschiedenen Abtheilungen untergeordnet.

Ausserdem ist auf den einzelnen Uebergangsund Controlstationen eine grosse Anzahl Controlbeamte (numbermen) angestellt, welche bezirksweise einem Bezirksinspector untergestellt sind.

Die Stations- und Controlbeamten haben nun an das Clearing house innerhalb der ersten sechs Tage eines jeden Monats den Nachweis des durchgegangenen Personenverkehrs, der abgenommenen Billets sowie des gefundenen Gepäcks;

monatlich an den bestimmten Tagen den Nachweis des Pferde-, Equipagen-, Hunde- und Päckereiverkehres nebst Begleitscheinen;

monatlich an bestimmten Tagen den Nachweis der angekommenen und abgesandten Güter nebst zugehörigen Frachtbriefen, eingegangene Reclamationen aber wöchentlich und endlich

wöchentlich die Nachweisung sämmtlicher übergegangenen Wagen und Wagendecken nebst Angabe der nicht bezettelten Wagen und der Dienststunden jedes Controlbeamten, einzureichen.

Die Nachweisungen über den Personen-, Pferde-, Equipagen-, Hunde-, Päckerei- und Güterverkehr geschehen von den Beamten der einzelnen Gesellschaften, die Nachweisung über Controle der Wagen, Decken u. s. w. von den Controlbeamten des Clearing house.

Auf Grund dieser Materialien geschieht nun die Abrechnung nach Massgabe speciell vereinbarter Bestimmungen. Die Einzahlungen werden von den Eisenbahngesellschaften an den Bankier des Clearing house bewirkt und die Einnahmen von demselben vertheilt bezw. gut geschrieben.

Die ausserordentlichen Vortheile dieser Einrichtung, die wesentlich einfache und billige Art der Abwickelungen ist von allen Seiten anerkannt, sie wird augenscheinlich bestätigt durch die Thatsache, dass es den englischen Bahnen möglich ist, halbjährige Rechnungslegung zu führen und die Dividenden schon zwei Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahres auszuzahlen. Es ist überraschend, dass eine solche Einrichtung bei den deutschen Bahnen, die sich ja schon in so Vielem vereinbart haben, noch keine Nachahmung gefunden hat.

Verwaltungsgrundsätze.

Was nun die allgemeinen Verwaltungsprincipien der englischen Bahnen angeht, so unterscheiden sie sich ganz wesentlich von denen der deutschen Bahnen, sie geben den englischen Bahnen einen ganz anderen Charakter, der sich in äusserst schneller Erledigung aller Zuschriften und im directen Verkehr des Publicums mit den Beamten in persönlich angenehm berührender Weise äussert. Als ersten Grundsatz finden wir eine grosse Machtvollkommenheit aber auch entsprechende Verantwortlichkeit des Einzelnen geltend. Die Folge davon ist völliger Ausschluss collegialischer Verwaltung. Natürlich müssen bei solchen Grundsätzen die Tüchtigkeit und die Leistungen des Einzelnen in hohem Grade entwickelt sein. Da indessen die Salarirung der Beamten eine hohe ist, so ist der Zudrang zu diesen Stellen ein starker und die Auswahl eine den Anforderungen entsprechende. Uebereinstimmend mit der Selbstständigkeit der Einzelnen zeichnen sich der Dienst und Geschäftsgang, sowie die Instructionen der Beamten durch Einfachheit und Naturwüchsigkeit sowie durch vollständigen Ausschluss eines jeden büreaukratischen Wesens

aus.

Alle unnöthigen Schreibereien werden möglichst zu vermeiden gesucht, mündliche Anweisung, persönliche Controle, kurze klare Schriftstücke und Instructionen, wo sie nöthig sind, Vermeidung aller unnöthigen Formen in persönlichem und schriftlichem Verkehr, das sind die charakterisirenden Eigenschaften der englischen Verwaltung, durch die es den Beamten möglich ist, den Hauptzweck ernst und fest im Auge zu behalten und den Bahnen sowie dem Publicum am besten zu dienen.

Bei der Anstellung und dem Avancement ist in erster Linie eine tüchtige und selbstständige Dienstpraxis massgebend.

Dass bei solchen Anforderungen und solcher Art des Dienstes die Angestellten äusserst in Anspruch genommen werden, ist natürlich; die Bahnen erzielen aber das vortheilhafteste Resultat einer ausserordentlichen Oekonomie in der Zahl der Beamten, eines schnellen und exacten Geschäftsbetriebes.

Entsprechend den Anforderungen ist die Ausbildung der englichen Bahnbeamten lediglich eine praktische. Die jungen Leute treten mit dem vierzehnten Lebensjahre ein, machen nach und nach den Dienst in allen Betriebszweigen ohne jedwede Unterbrechung durch und können also, ohne höhere Bildung erlangt zu haben, nach dem Grade ihrer Leistungen ziemlich hoch avanciren.

Mit den gewandten und tüchtigen Beamten, die aus dieser Schule hervorgehen, können die deutschen Eisenbahnbeamten schwer einen Vergleich aushalten. Die deutschen Subalternbeamten sind meistentheils Leute, welche nach Ablauf einer längeren Dienstzeit im Heere als versorgungsberechtigt in den Eisenbahndienst treten; die besten und gesundesten Jahre sind vorüber, und vor Allem befinden sie sich in einem Zustande, in dem die

Neigung zum Lernen, zur eifrigen Einarbeitung in eine ganz neue, körperliche und geistige Aufmerksamkeit erfordernde Thätigkeit mehr oder weniger geschwunden ist. Der Wunsch nach Bequemlichkeit ist vorherrschend. Welchen moralischen Einfluss der Aufenthalt in der Armee und die Beziehungen zu den einjährig Freiwilligen auf die späteren Eisenbahnbeamten haben, will ich hier nicht weiter ausführen. Schlimm genug scheint es mir nach meinen Erfahrungen zu sein.

Dass bei solchen Beamten der Verkehr mit den englischen Bahnen leichter und glatter ist, dass sowol die Interessen des Publicums wie der Bahnen besser gewahrt werden, ist leicht erklärlich. Die deutsche Industrie ist überhaupt in vielen Punkten gegen die der benachbarten Länder zurückgesetzt.

Ich erwähne die Entziehung der Arbeitskräfte durch das grosse stehende Heer; die Entziehung eines grossen Theiles der gebildeten Jugend durch den Offizierstand, meistens Leute, die durch ihre Charaktereigenschaft dem Techniker nahe verwandt sind, der beständige Kampf mit dem Büreaukratismus der höheren Eisenbahnbeamten, der schwierige Verkehr der Eisenbahnsubalternbeamten, Mangel an Wasserstrassen, dies sind alles Punkte, durch welche wir gegenüber England, Amerika, Belgien und theilweise auch Frankreich, sehr zurückstehen und die, wenn wir auch einen Theil der Lasten gern tragen, doch uns die ungleiche Concurrenz, der wir ausgesetzt sind, noch weit mehr erschweren.

aus.

Personal.

Zurückkehrend von dieser kleinen Abschweifung, will ich hier nicht unerwähnt lassen, dass nach einer Aeusserung des Hrn. Oberbaurath Buresch die englischen Bahnen ungefähr die Hälfte an Personal gebrauchen wie gleichartige Bahnen in Preussen. Allerdings wird diese Gleichartigkeit sich schwer feststellen lassen, da dieselbe auf einer Unzahl von Factoren beruht. Augenscheinlich ist die Ersparniss an Personal eine Folge der baulichen Einrichtungen. Die Kreuzung von Wegen und Eisenbahnen im Niveau ist äusserst selten und findet sich fast nur bei Feldwegen vor. Die ganze Bahnlinie ist eingefriedigt. Es fällt dadurch fast das ganze bei uns nöthige Bahnbewachungs - Personal Während in Preussen pro Bahnmeile, nur Tagesdienst angenommen, 7 bis 9 Bahnwärter und 9 bis 10 Arbeiter zur Bahnunterhaltung erforderlich sind, befinden sich in England auf derselben Strecke zwei Vorarbeiter mit 8 bis 10 Arbeitern. Die englischen Bahnen sind in Längen von 50 bis 60km einem Bahnmeister unterstellt. Unter diesem Bahnmeister finden sich auf Längen von 3 bis 5 km ein Vorarbeiter mit 3 bis 5 Arbeitern. Aehnlich ist das Verhältniss mit dem Bahnhofspersonal. Die Weichen sind mit wenigen Ausnahmen in selten gebrauchten Nebengleisen zu Gruppenweichen nach dem System Saxby & Farmer vereinigt. Die Gruppen, welche bis zu 60 Weichen zusammenfasssen, werden von ein oder zwei ganz zuverlässigen Leuten bedient. Diese bedienen zugleich die Signale und besitzen zu

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weilen eine verhältnissmässig grosse Selbstständigkeit in der Anordnung der Ein- und Ausfahrten der Züge bei vorkommenden Unregelmässigkeiten des Betriebes. Neuerdings fängt man an, pneumatische Weichen einzuführen.

Auch das Zugpersonal ist an Zahl bedeutend geringer als in Deutschland. Die Personenzüge werden nur von einem Beamten im Colliwagen hinter der Locomotive und dem Zugführer, welche zugleich Bremsdienst versehen, begleitet. Billetcontrole auf der Strecke kommt nicht vor. Die Wagen werden auf den Stationen geöffnet und bei der Abfahrt fest verschlossen. Die Güterzüge werden nur von einem Beamten begleitet. Da die Geschwindigkeit derselben eine grössere, die Stärke aber eine wesentlich geringere als bei uns ist, so kann der Bremsdienst genügend von der gut construirten Bremse an der Locomotive versehen werden.

Weitere wesentliche Ersparnisse an Personal werden durch die ganz vorzüglichen Lade- und Entladevorrichtungen, sowie durch ungemein zweckmässige Arbeitseintheilung erzielt.

Da die An- und Abfuhr der Stückgüter in den grösseren Städten stets von den Bahnen selbst geschieht, so kann dies mit grösserer Regelmässigkeit und besserer Ordnung auf den Bahnhöfen ausgeführt werden. Das Laden der Züge concentrirt sich gewöhnlich äusserst schnell auf nur wenige Abendstunden aber mit Aufgebot bedeutender Kräfte an Menschen und mechanischen Einrichtungen.

Bauliche Einrichtungen.

Die Spurweite der englischen Bahnen beträgt mit geringen Ausnahmen des oben erwähnten Brunel'schen Systems 1,435. Der Oberbau ist durchgängig mit ausserordentlicher Sorgfalt ausgeführt und unterhalten. Die Kiesbettung hat mindestens 450mm Tiefe. Nach mehreren abweichenden Versuchen ist man heute fast allgemein wieder zu den Stuhlschienen zurückgekehrt. Eiserner Oberbau kommt auffallender Weise nicht vor.

Trotz der grossen Geschwindigkeit der Züge fahren sich die englischen Bahnen sehr ruhig. Die Hauptfahrgleise der englischen Bahnen sind möglichst frei, unabhängig von den Bahnhöfen gehalten und haben mit denselben nur die allernothwendigste Verbindung. Die Güterbahnhöfe sind vollständig von den Personenbahnhöfen getrennt. Wo es zweckmässig erschien, sind auch wieder von dem Güterbahnhofe einzelne Abtheilungen für einzelne Massenartikel abgetrennt. Bei bedeutendem Güterverkehr hat man sogar die Rangirstrecken vollständig von den Güterbahnhöfen getrennt und dadurch die erweiterte Anwendung mechanischer Hilfsmittel oder Rangiren auf geneigten Ebenen ermöglicht.

Personen Bahnhöfe.

Die allgemeine Anordnung der englischen Personen-Bahnhöfe ist stets derart, dass überall möglichst durchgehender einfacher Verkehr hergestellt wird, dass das ankommende Publicum andere Wege hat als das abgehende, und ebenso das Fuhrwerk.

Auf den Wegen zu den Perrons und Wartesälen liegen die Billetschalter nach den Fahrclassen getrennt und in grösserer Zahl, als wir es in Deutschland gewöhnt sind. Ebenso sind die Räume und Einrichtungen für das aufzugebende Gepäck disponirt. Die Perrons, oder auf grösseren Bahnhöfen die einzelnen Abtheilungen derselben sind abgeschlossen und nur mit Billet zu betreten. Die Wärtesäle und Restaurationen sind klein. Das Publicum benutzt sie weniger als bei uns, da es sich gewöhnt hat, nur kurz vor dem Abgang der Züge zu kommen und den Bahnhof schnell nach Ankunft zu verlassen. Erfrischungen in den Restaurationen werden nur stehend eingenommen. Durch diese sehr lobenswerthen Eigenschaften sparen die Bahnen an Räumlichkeiten, und der schnelle sichere Betrieb selbst wird wesentlich erleichtert.

Die Perrons sind bei allen Stationen von nur einiger Bedeutung überdeckt. Die Höhe derselben ist im Aeussersten 14 Zoll engl. unter dem Fussboden der Coupés, vielfach aber 940mm über Schienenoberkante. Zwischen Trittbrett und Perron ist nur 2 Zoll Spielraum. Diese Anordnung enthält eine ungemeine Bequemlichkeit für das Ein- und Aussteigen. Man fühlt dies doppelt, wenn man an das für Frauen und Kinder so gefährliche Klettern beim Ein- und Aussteigen bei den deutschen Zügen denkt. Aber nicht blos Bequemlichkeit bietet diese Einrichtung, sondern sie sichert auch der Bahn durch das schnelle Füllen und Entleeren der Züge eine schnelle Expedition der vielen Züge auf verhältnissmässig kleinen Bahnhöfen und trägt wesentlich zur Verminderung der Unglücksfälle bei. Die Perrons sind durchgängig schienenfrei. Bei durchgehenden Stationen sind Bahnhofsgebäude oder wenigstens Hallen an jeder Seite der Gleise so, dass an einer Seite. und nach einer Richtung eingestiegen wird. Die Verbindung beider Perrons geschieht entweder durch Ueberbrückung oder durch einen Tunnel unter dem Bahnkörper. Die Breite der Perrons ist geringer als bei uns. Es ist dies durch die oben erwähnten Eigenschaften des Publicums und durch Abschluss derselben ermöglicht.

Die allgemeine Lage der englischen Bahnhöfe in den Städten ist möglichst nahe den bevölkertsten Theilen derselben. Wenn dadurch auch die Bauten schwierig und theuer werden und dieselben mit der grössten Ausnutzung des kleinsten Raumes ausgeführt werden müssen, so lohnt sich dies doch durch den der bequemen Lage entsprechenden grösseren Localverkehr. Die ausserordentliche Entwickelung und Ausdehnung dieses Verkehres, der in grösseren Städten den Strassenomnibus sowie den Strassenbahnen starke Concurrenz macht, bildet einen ganz hervorragenden Unterschied zwischen englischem und deutschem Personenverkehr. Durch viele und bequem gelegene Stationen wird das Publicum aufgesucht, durch viele und für die kleinen Stationen sehr schnell fahrende Züge wird die Benutzung der Bahn im Localverkehr erleichtert.

Die Bahnhöfe Londons bieten ganz hervorragende

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