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nach Macedonien unternommenen, durch die er sich ein überaus grosses Verdienst um das Verständniss Catulls erworben hatich muss gestehen, dass das Verkennen dieser von Jungclaussen aufgedeckten Thatsache auch viele andere wesentliche Punkte mir verdeckt hat. Im Anfang des J. 1858 durfte ich eine erste vollständige Ausarbeitung meiner Ergebnisse wagen, die dann immer von Vierteljahr zu Vierteljahr durch Einschaltung neuer Momente anschwoll und sich endlich bequemen musste, auch einer Uebersetzung der Catullischen Gedichte als Stätte zu dienen. Zwar lagen fast schon mehr Uebersetzungen als Ausgaben des Catull vor und eine der neueren, die Uebersetzung in Catulls Buche der Lieder" des vortrefflichen, um diesen Dichter so hoch verdienten und wenn irgend ein Anderer ihm congenialen Theodor Heyse, ist ein fast bewunderungswürdiges Meisterwerk, die antiken Metra, ohne unserer Sprache Zwang anzuthun und ohne den glatten Fluss der Rede zu stören, in unserer deutschen Sprache nachzubilden. Dennoch habe ich eine neue Uebersetzung versucht. Es hat kaum eine andere Disciplin so sehr meine Thätigkeit in Anspruch genommen, wie die Metrik und Rhythmik der Alten: ich bewundere die rhythmische Kunst der Alten und beklage aufs tiefste, dass uns Modernen die Fähigkeit fehlt, uns in diesen Maassen der Alten zu bewegen, deren grosser Formenreichthum keineswegs bloss ein äusserer Schmuck der dichterischen Rede ist, sondern immer durch den jedesmaligen Ton und Inhalt der Poesie bedingt wird und wiederum seinerseits dem poetischen Gedanken immer eine ganz bestimmte individuelle Färbung verleiht und uns nicht selten den Fingerzeig gibt, von welcher Stimmung des Dichters aus wir seine Poesien zu fassen und zu verstehen haben. Je weiter ich aber in der Erkenntniss der metrischen Kunst der Alten vordrang, um so deutlicher erkannte ich auch, dass, wenn die moderne philologische Wissenschaft auch im Stande ist, die Eigenthümlichkeit der

antiken Metra theoretisch vollständig zu begreifen, dennoch niemals unsere Sprache sich den Normen antiker Metrik fügen kann. Uns fehlt vor Allem zweierlei (und das ist gerade dasjenige, wodurch in die Metra der Alten und namentlich in ihre lyrischen Metra eine so wunderbare Bewegung kommt), nämlich die Fähigkeit, eine betonte Länge in die Doppelkürze aufzulösen und das Princip der Synkope in der antiken Weise in Anwendung zu bringen. Unsere jambischen Trimeter, unsere Anapästen entbehren der den einzelnen Situationen angemessenen Mannigfaltigkeit der Bildung, denn selbst in diesen so vulgären antiken Metren vermögen wir niemals die Ictussilbe durch eine Doppelkürze auszudrücken, und unsere Nachbildungen dieser Verse könnten einem antiken Ohre nur den Eindruck einer peinlichen Monotonie verursachen. Zur völligen Unmöglichkeit gehört aus demselben Grunde die Nachbildung der Dochmien und der übrigen eigentlich lyrischen Metra. Der Mangel unserer Sprache an kurzen Silben macht eine Nachbildung der Ionici zu einem wirklichen Kunststücke, welches sich niemals über viele Verse ausdehnen lassen wird und immerhin unserer Sprache, unserer Wortstellung und der für die Poesie so nothwendigen Leichtigkeit des Redeflusses den äussersten Zwang anzuthun befiehlt. Die Römer und so auch Catull haben mit wenig Ausnahmen nur solche Metra der Griechen gewählt, bei denen die Auflösung und die Synkope fern gehalten bleibt. Aber auch für diese Metra haben wir Modernen, da uns der allgemeine Boden der griechischen Metrik fehlt, so wie wir sie in unsere Sprache übertragen, keinen Sinn; lassen wir einen alten Dichter in antiker rhythmischer Form unsere Sprache reden, so bleibt er uns immer etwas Fremdes und kann niemals auf unser Gefühl den bewältigenden Eindruck machen, wie auf seine Zeitgenossen.

Wenn ich daher einen meinem Herzen nahestehenden antiken Dichter in mein geliebtes Deutsch übertragen will", so

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kann ich nicht umhin, ihn nicht bloss in fliessender deutscher Zunge, sondern auch in deutschen Reimen reden zu lassen; denn der Reim ist nun einmal das harmonische Element, welches der ganzen Richtung unserer musischen Kunst gemäss an die Stelle der rhythmischen Formenfülle des Alterthums getreten ist. Was nun aber diesen unsern Reim anbetrifft, so glaubte ich es bei der Manier bewenden lassen zu dürfen, in welcher unser Goethe und unsere anderen grossen Dichter ihre klassischen Productionen uns vorgeführt haben. Die neueren Epigonen stellen sich dieser Weise entgegen: sie verlangen die dort von ihnen vermissten strengen Reime, sie wollen nicht nur, dass die Vocale ihrem Klange nach, sondern sogar der Orthographie nach genau entsprechen, obwohl diese sogenannte Reinheit des Reimes, die dem deutschen Mittelalter allerdings unerlässlich war, von unserem modernen Ohre nicht nur nicht empfunden wird, sondern auch häufig genug den Mangel wirklicher Poesie ersetzen soll.

Der Leser mag beurtheilen, ob es mir gelungen ist, die Catullischen Gedichte derartig in unser Deutsch zu übertragen, dass diese Uebersetzung wirklich den Eindruck deutscher Poesie macht, einen Eindruck, den die Uebertragung in antike Metra auf mein an griechische Rhythmen gewöhntes Ohr niemals auszuüben im Stande ist.

Im Jahre 1861 hatte ich meiner Catull-Arbeit im Ganzen und Grossen die Form gegeben, in welcher sie jetzt dem Leser entgegentritt. So lag sie bereits längere Zeit in Buchhändlerhand, als die Einleitung der Catull-Ausgabe von Schwabe erschien. Durch dieses vortreffliche Buch war nun freilich Manches, was in meiner Ausgabe als neu erschienen sein würde, bereits ausgesprochen, und als zumal dann noch die in Kürze zusammenfassende geistvolle Schrift von Ribbeck über Catull erschien, so glaubte ich, dass es nicht mehr nöthig sei, meine Schrift zu veröffentlichen.

So lag sie denn auch längere Zeit wieder in meinen Händen. Sie würde wohl auf immer im Verborgenen geblieben sein, wenn nicht der verehrte Inhaber der Leuckart'schen Verlagshandlung, Herr Constantin Sander, meinen Catullischen Uebersetzungen und den damit verbundenen Erläuterungen dieselbe Freundlichkeit bewiesen hätte, wie einst Cornelius Nepos dem Originale,

meas esse aliquid putare nugas.

Er wünschte sie in seinem Verlage zu veröffentlichen. Ich sollte zwar auch noch den inzwischen herausgekommenen Arbeiten Heyse's und Ribbecks gebührende Rechnung tragen und ich habe in der That den Anfang dazu gemacht, aber mit vielen anderen heterogenen Arbeiten aufs Dringendste beschäftigt, habe ich diesen Versuch nicht zu Ende führen können. In einzelnen Punkten, wie in der Bestimmung von Clodia's Lebensalter, wie in der Frage über die Persönlichkeit des Manlius im 65. Gedichte, habe ich Schwabe's wohl zu beherzigende Ergebnisse in meine Arbeit aufgenommen; aber im Ganzen und Grossen musste sie bleiben, wie sie war; selbst solche Stellen, in welchen ich von Jungclaussen als dem neuesten Bearbeiter der Catullischen Chronologie gesprochen, habe ich nicht überall verändern können. So muss denn der Interpret sein Buch mit derselben Empfindung, wie Catull das Original dem Publikum gegenüber treten lassen:

Quare habe tibi, quidquid hoc libelli.

Doch ich weiss nicht, ob die Muse heutzutage die antike Poesie und die redliche Absicht, sie uns Modernen in ihrer Eigenthümlichkeit möglichst nahe ans Herz zu bringen, noch in der Weise in ihren Schutz nimmt, dass ich hoffen dürfte:

qualeicunque quidem patrona Virgo

plus uno maneat perenne seclo.

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