Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

seines Tribunates den Cicero durch Hinweisung auf Terentia zum Bleiben verleitet und die Rache, die Clodia während seines Tribunates an Terentia ausübt. Wir können deshalb nicht umhin, jenem Berichte des Plutarch unsern vollen Glauben zu schenken. Blos einen Umstand, der dort von ihm erzählt wird, haben wir unberücksichtigt gelassen. Clodia nämlich soll ihre Heirathsverhandlungen mit Cicero durch dessen Vertrauten Tullus, der in ihrer Nachbarschaft wohnte und ihr sehr ergeben gewesen sei, betrieben haben. Dies wird sicherlich richtig sein. Aber ebenso sicher steht, was dem Plutarch unbekannt zu sein scheint, dass Cicero zu jener Zeit auch persönlich mit Clodia verkehrte, denn wir wissen dies ja aus Cicero's Briefe an den Mann. Resumiren wir die chronologischen Data: Während seines Consulates (63) ist Cicero mit Clodia's Bruder Publius innigst befreundet, mit Anfang

des folgenden Jahres (62) zieht Metellus nach Gallien und Cicero geht aus und ein in dessen Hause bei Clodia; in demselben Jahre dauert der Verkehr zwischen Cicero und Publius Clodius bis zum Feste der bona Dea fort, denn an diesem Tage wird Cicero nach seinem gerichtlichen Zeugnisse von Publius in seinem Hause besucht; - in demselben Jahre findet aber auch der Freundschaftsbruch zwischen Publius und Cicero statt, mithin auch Terentia's eifersüchtiges Auftreten gegen Clodia, welches ja eben die unmittelbare Ursache dieses Bruches ist. Das drastische Ende der Liebe Clodia's zu Cicero fällt also in das Jahr 62; ihm geht der aus demselben Jahre datirende Briefwechsel zwischen Cicero und Clodia's abwesenden Gatten etwa um einige Monate voraus.

Ausser Cicero hat noch ein anderer von den berühmten Männern Roms mit Clodia Verkehr, nämlich Cicero's feiner und gebildeter Freund Pomponius Atticus. Sein Umgang mit Clodia dauert auch da noch fort, als Cicero längst mit ihr gebrochen hatte. Er ist es, mit dem sich Cicero in den Jahren 60 und den folgenden über Clodia unterhält, bei dem er anfragt, was die Boris mache, und der sie um die Pläne ihres Bruders ausfragen soll. Vgl. Cap. 3. Auch mit Clodia's Gatten steht Atticus in freundschaftlicher Beziehung, wie wir aus den Worten, die Cicero im Mai des Jahres 60 an Atticus schreibt (ad Attic. 1, 18): „Mettellus tuus est egrequis consul" schliessen müssen. Die Beziehung des Atticus zur Clodia spricht fast noch mehr für die geistige Bedeutung der Frau, als ihre Verherrlichung durch ihren jugendlichen Liebhaber Catull.

Catull.

[ocr errors]

Dass der Anfang von Catulls Liebe zu Metellus' Frau in das Jahr 62 fällt, also eben in das Jahr, welchem ihre mehr als freundschaftlichen Beziehungen zu Cicero angehören und in welchem dieselben zu Ende gehen, ist die Ansicht von Jungclaussen; es ist kaum eine Differenz zu nennen, wenn Schwabe jene Liebe Catulls im Jahre 61 beginnen lässt. Ich werde, was ich für diese Zeitbestimmung geltend zu machen habe, auf den chronologischen Ueberblick des zweiten Capitels aufsparen. In dem Register derjenigen, die Clodia geliebt hat es wird nach und nach eine gar nicht unansehnliche Länge einnehmen ist also Catull der unmittelbare Nachfolger Cicero's. Der bejahrtere Politiker und Sachwalter hat sich bei Zeiten zurückgezogen, der junge Dichter hat viele Jahre lang die Fesseln getragen, und konnte dennoch, was Clodia dem Cicero freiwillig anbot, eine Vereinigung durch Heirath, selbst dann nicht erlangen, als es dazu nach dem ihm sicher nicht unwillkommenen Tode des Ehegemahls einer Scheidung nicht mehr bedurft hätte. Catull war, wie gesagt, jünger als Clodia. Doch lässt sich weder sein Geburts- noch Todesjahr mit Sicherheit bestimmen; denn die Nachricht, welche wir darüber in der Chronik des Hieronymus finden, ist wenigstens theilweise unrichtig. Hier wird Olympiade 173, 287 (das Consulatsjahr des L. Cornelius Cinna und Cn. Octavius) als Geburtsjahr, und Ol. 180, 4=57 als Todesjahr des C. Valerius Catullus angegeben, das letztere mit dem Zusatze, dass er 30 Jahre alt gestorben sei (Catullus XXX aetatis anno Romae moritur). Von 87 bis 57 sind in der That 30 Jahre. Aber jenes Jahr kann unmöglich sein Todesjahr sein, denn nach demselben hat er noch manches Gedicht geschrieben und muss mindestens bis zum Jahre 54 gelebt haben, gegen dessen Ende, wie es scheint, die uns vorliegende Gedichtsammlung von ihm herausgegeben ist. Viel älter aber kann er nicht geworden sein, denn Ovid Amor. 3, 9, 61 lässt ihn als iuvenis sterben:

[ocr errors]

obvius huic (Tibullo) venias hedera iuvenilia cinctus
tempora cum Calvo docte Catulle tuo.

Catulls Freund Licinius Calvus, der hier mit ihm genannt wird, starb im Jahre 48. Gewiss wissen wir nur, dass Catull zur Zeit der

obist

Antonianischen Proscription im Jahre 43 nicht mehr am Leben war, denn Cornelius Nepos sagt im Leben des Atticus c. 12 von dem damals getödteten Dichter L. Julius Calidius: quem post Lucretii Catullique mortem multo elegantissimum poetam nostram tulisse aetatem vere videor posse contendere. Lucrez starb nach Eusebius im Jahre 51; vielleicht darf man schliessen, dass der Tod Catulls, der von dem auf Chronologie sehr bedachten Cornelius erst nach dem des Lucrez genannt wird, erst nach dem Jahre 51 fällt. In der obigen Angabe des Hieronymus kann also das Geburtsjahr richtig sein, dann aber ist die dort angegebene Lebensdauer zu erweitern; ist aber dort die Lebensdauer von dreissig Jahren richtig angegeben, dann fällt seine Geburt um einige Jahre später. Eine Zeitangabe, die wir bei Catull selber finden, dass er nämlich gleich nach Anlegung seiner Männertoga zu lieben angefangen, kann erst weiter unten erörtert werden. Gaius Valerius Catullus das ist sein voller Name *) wohl einem Zweige einer der ältesten römischen Gentes angehörig, kein geborener Römer, sondern ein Veronese, Ovid. amor. 3, 15, 17, Plin. 36, 6, und nennt die Transpadaner seine Landsleute, carm. 39. Seine Familie lebte zu Verona oder wenigstens in der Nähe von Verona, denn nachweislich besass sie hier an den Ufern des Garda-Sees auf der Halbinsel Sirmio ein Landgut. Doch war die Beziehung derselben mit Rom nicht unterbrochen; wir wissen wenigstens, dass Catulls Vater mit Cäsar in Verbindung stand; wenn dieser nach Verona kam und das mochte namentlich in den Jahren seiner oberitalischen und gallischen Statthalterschaft häufig geschehen war er der Gast des alten Catull, Suet. Jul. 78. Bei Rom, zwischen Tibur und dem Sabinerlande, hatte Catulls Familie ein Landgut, wo der junge Catull von Rom aus häufig verweilte; wahrscheinlich war es eine Besitzung, die der Familie aus der Zeit geblieben war, wo sie noch in Rom lebte. Catulls Aufenthalt ist zwischen Rom und Verona getheilt, er selbst betrachtet zwar Rom als seinen eigentlichen Wohnsitz (hier hat er seine

*) Der Vorname Gaius kommt ihm nach den S. 34 u. 42 angeführten Stellen des Apuleius und Hieronymus zu. Von den Catullischen Handschriften nennt ihn der Cod. Dotatus, Riccardianus, Cuiacianus in der Ueberschrift Quintus; derselbe Name findet sich auch bei Plin. 37, 6, 81 in einigen, doch nicht in allen und nicht in den besten, Handschriften. Scaliger und Lachmann haben sich für das Pränomen Quintus entschieden, in neuester Zeit ist von Ohann de praenomine Catulli p. 13 und Schwabe p. 8 ff. mit Recht der Name Gaius wieder zu Ehren gebracht.

Bibliothek, carm. 68), aber eine grosse Zahl seiner Gedichte und namentlich der späteren Gedichte ist in Verona geschrieben; Quintilian 1, 5 macht auf transpadanische Provincialismen in Catulls Sprache aufmerksam: Sicut Catullus ploxemum circa Padum invenit. cf. carm. 97, 6.

Catull ist mit den ersten Männern Roms befreundet, doch sucht er am meisten den Umgang mit literarischen Notabilitäten. Er ist bekannt mit Cicero, mit dessen berühmten Rivalen Q. Hortensius Hortalus, der auf seine poetische Beschäftigung nicht ohne Einfluss ist, obwohl derselbe nicht der vortheilhafteste war, mit dem Historiker Cornelius Nepos, der schon früh den jungen Dichter anerkennt und lange vor der Herausgabe seiner Gedichte die hohe Bedeutung desselben in seinen Geschichtsbüchern hervorhebt. Gross ist die Zahl von engvertrauten jüngeren Freunden; der ganze Kreis der jungen Dichter Roms hat sich an ihn angeschlossen. Es ist wohl zufällig, wenn wir aus der Zeit vor seiner Bithynischen Reise nur seine Beziehung zu Hortensius, Manlius Torquatus, Verannius dem Lieblingsfreunde, Fabullus und zu Septimus dem Scriba des Bibulus kennen lernen und die vielen übrigen Freunde erst in den Gedichten der späteren Jahre wird ja doch in einem früher an Verannius gerichteten Gedichte die Zahl der Freunde, wenn auch sehr hyperbolisch, als mille trecenti bezeichnet. Doch nichts ist für Catull so bedeutungsvoll, wie sein Zutritt im Hause des Q. Metellus Celer. Wurden dort Männer wie Cicero und Pomponius Atticus durch die geistreiche Frau gefesselt, der die Unterhaltung ihres biederen, doch etwas öden und groben Mannes, der stets das Steckenpferd des hochconservativen Patriotismus ritt, nicht immer ausreichen mochte, so dürfen wir uns billig nicht wundern, dass ein freundliches Entgegenkommen der Clodia, welches von dem practischen Cicero, als es sich um eine Scheidung handelte, zurückgewiesen wurde, bei dem jungen feurigen Poeten-Gemüth ganz andere Wirkung haben musste. Es hat Catulls Lebensglück untergraben, aber der römischen Welt hat es eine ihr bis dahin noch unbekannte Gattung der Literatur, die Lyrik, gewonnen und hat ihr zugleich auf diesem Gebiete in Catull den ersten wirklich schöpferischen Dichter gegeben. Denn bis dahin war alle Poesie, mit Ausnahme von Lucilius' Versuchen und dem possenhaften Lustspiel, nur eine ganz und gar unselbstständige Nachbildung der griechischen. Rom hatte Verse genug gemacht, aber erst an Catull hatte es einen Dichter. Als das Interesse für Clodia ihm dies erste

[ocr errors]

Gedicht an sie entlockt, ist auch er noch Nachbildner, ja sogar nur Uebersetzer des Griechischen er ist zwar schon ein grosser Neuerer, denn er hat es zum ersten Male gewagt, die Strophen der griechischen Lyrik ins Römische umzugiessen, und das war wohl etwas Bedeutendes für Rom aber wahrhaft gewaltig ist der Fortschritt der darauf folgenden Gedichte, zu welchen er durch Clodia's Liebe begeistert wird: der volle Strom der Poesie, der hier zum ersten Male nach dem Untergange des hellenischen Geistes in diesen kleinen Liedern wieder zu rauschen beginnt, musste in der That die volle Bewunderung des Cornelius hervorrufen. So streng auch das Urtheil ausgefallen, welches man einige Jahre später über Clodia aussprach, Rom würde ohne sie diesen wahrhaften Dichter nicht gewonnen haben. Catull würde ohne die Liebe zu ihr über seine alexandrinische Poesie nicht hinaus gekommen sein, und seine Erotik würde es nicht viel weiter als bis zu einem Hetärenliede auf Ipsitilla gebracht haben. Auch der Archilochische Geist, der ihn späterhin durchathmet, ist durch die Kämpfe des Gemüthes, die sich an jene Liebe anschlossen, geweckt worden.

Die beiden frühesten Gedichte sind diejenigen, in welchen er noch gegen seine Liebe zu Clodia einen, wenn auch vergeblichen Kampf wagt, carm. 51 und 2. Man könnte ihnen die Ueberschriften vergeblicher Vorsatz“ und „vergeblicher Wunsch" geben. Das eine ist jene Uebersetzug von einem Liede der Sappho:

[blocks in formation]
[ocr errors]
« ZurückWeiter »