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eben deshalb, dass die Ehe Clodia's mit Metellus bis zu dem Augenblicke, wo diese Verse geschrieben sind, bestanden haben muss.

Wir wissen nun weiter, dass Metellus Celer in dem auf sein Consulat folgenden J. 59 gestorben ist, und zwar nicht vor dem Mai d. J., denn vor diesem Monate war der bei Celers Tode anwesende Cicero (S. 104) noch nicht von seiner italischen Reise nach Rom zurückgekehrt, ad Attic. 2, 11. 17. Also die zweite Hälfte des Jahres 59 ist der letzte Termin, bis zu welchem das Enkomion an Allius geschrieben sein kann. Ebenso muss auch Catulls Bruder nothwendig vor diesem Termine gestorben sein.

Hiermit ist nun wieder ein anderes wichtiges Moment für die Catullische Chronologie festgestellt. Das zugleich vom Tode des Bruders und von der Liebe zu Clodia handelnde Gedicht 68 redet nämlich bereits von der Untreue, die Clodia an dem Dichter begeht und die dieser gutmüthig genug durch die Erwähnung ihres Gatten zu entschuldigen sucht.

Also ausser ihrem Gatten hatte damals Clodia neben Catull noch einen anderen Anbeter, dem sie ihre Gunst, wie wenigstens der eifersüchtige Catull vermuthet, keineswegs versagt. Er mag wohl Grund zu diesem Misstrauen gehabt haben, denn schon im vorausgehenden Jahre 60, wo sie als Gattin des ersten Consuls die oberste Ehrendame Roms sein sollte, war ihr Wandel schon so anstössig, dass Cicero, wie er an Atticus 2, 1 schreibt, sich über sie ein gar hartes Bonmot erlauben durfte, während er noch im Jahre 62 damit umging, sie an Stelle der Terentia zu seiner Gattin zu machen. Aber trotz des Argwohns, den Catull in diesem Gedichte ausspricht, ist hier Catulls Verhältniss zu Clodia immer noch ein nahes und ist wesentlich von der Stellung verschieden, welche er zu ihr in den Gedichten einnimmt, welche wir im dritten Capitel des ersten Abschnittes behandelt haben: 70. Nulli se dicit mulier mea nubere malle

72. Dicebas quondam solum te nosse Catullum
87. Nulla potest mulier tantum se dicere amatam
85. Odi et amo. quare id faciam, fortasse requiris
76. Siqua recordanti benefacta priora voluptas

Dort, im Gedichte 68, wird Clodia v. 136 noch verecunda genannt hier dagegen vilis, levis, es heisst von ihr: mens non bene velle queat tibi, odi u. s. w.

Nach dem S. 115 und 116 Gesagten kann die chronologische Reihenfolge dieser fünf Gedichte keine andere sein, als die von uns angegebene, und die beiden ersten von ihnen müssen in Folge des ,,nubere", von welchem sie reden, nach dem Tode des Metellus Celer geschrieben sein.

Während also das Gedicht 68 nicht später als in der zweiten Hälfte des Jahres 59 geschrieben ist, müssen die soeben von uns namhaft gemachten fünf Gedichte nach diesem Termine geschrieben sein; ebenfalls nach diesem Termine fallen auch die zahlreichen Gedichte, welche Catull gegen die begünstigten Rivalen in seiner Liebe zu Clodia verfasst hat. Wir können nun noch genauer sagen, dass sie in die zweite Hälfte des Jahres 59 und in das Jahr 58 fallen, denn nach Anfang des Jahres 57 reist Catull nach Bithynien, und über diese Reise hinaus darf keines jener Gedichte gerückt werden, denn mit ihr hat sich Catull von seiner Liebe und seinem Interesse für Clodia völlig frei gemacht und kann nach seiner Rückkehr mit leichtem Herzen neuen Liebesabenteuern entgegen gehen (Aufilena, Ameana, Juventius, Ipsitilla.) Man darf nicht einwenden, dass Catull auch in zwei Gedichten späteren Datums (58, an den Veroneser Caelius, und 11, an Furius und Aurelius) noch einmal von der einst so sehr von ihm geliebten und nun so tief gesunkenen Clodia redet; denn es ist nicht etwa der Gram um die tief Gesunkene, der ihn zur Abfassung dieser Gedichte treibt, sondern in beiden Gedichten weist er die Versuche zurück, die man gemacht hatte, um ihn durch Hinweisung auf die frühere Geliebte von seinen neuen Liebschaften (Aufilena, Juventius) abzuhalten. S. 176-178 und S. 201 u. 202.

Vergl.

Gehen wir nunmehr rückwärts von dem spätestens nach der ersten Hälfte des Jahres 59 geschriebenen Gedichte 68° zu den früheren Gedichten über. Dort (68) ruft Catull die Zeit seiner ersten Liebe zu Clodia noch einmal vor seine Erinnerung. Er unterscheidet gleichsam zwei Perioden. Zuerst die Zeit seiner unbefriedigten glühenden Sehnsucht, v. 54:

Cum tantum arderem quantum Trinacria rupes
lymphaque in Oetaeis Malia Thermopylis
maesta neque assiduo tabescere lumina fletu
cessarent tristique imbre madere genae.

Ihr gehören die beiden Catullischen Gedichte an, die wir S. 46 und 49 durch die Ueberschriften,,Vergeblicher Vorsatz" und „Vergeblicher Wunsch" bezeichnet haben:

51.

Ille mi par esse deo videtur

2. Passer, deliciae meae puellae.

Dann folgt die glückliche Zeit, in welcher der Freund, dem jenes Gedicht 68 gewidmet ist, dem Dichter den glücklichen Besitz der Clodia vermittelt. v. 67:

Zum vielersehnten Lande hat er mir den Pfad
eröffnet, den man mir so fest verschlossen,
er hat das Haus, die Herrin mir gegeben,
das Haus, wo wir der Liebe durften leben,
wohin von lichtem Götterglanz umflossen
sie leisen Schritts dem Harrenden genaht.
Da ist die Schwelle, die ihr weisser Fuss betrat,
wo knisternd mit der Sohle sie gestanden.

v. 131:

Umstrahlt von Himmelsglanze

flog damals Lesbia an meine Brust,
und rosigen Gewands, in frohem Tanze
umschwärmte sie der Gott der Liebeslust.

v. 143:

Nicht ihres Vaters Hand hat sie mir angetraut,
nicht kam sie in mein Haus als holde Braut,
nein, auf verstohlnem Pfad, in wunderbarer Nacht

wenn sie sich heimlich aus des Gatten Arm entwunden,
hat sie der Liebe Gaben mir gebracht.

Diese glückliche Zeit ist es, in deren Anfange Catull die überseligen Gedichte schreibt:

5. Vivamus mea Lesbia atque amemus.

7. Quaeris quot mihi basiationes.

Wir wissen nunmehr, dass der Schauplatz dieser Gedichte das Haus des Manlius ist. Dort harrte in der Dunkelheit Catull sehnsüchtig

der Geliebten, bis sie endlich sich nahte, „heimlich sich aus den Umarmungen ihres Gatten stehlend"; der getäuschte Metellus daheim auf seinem Lager wusste nichts von dieser Untreue seiner Gattin. In den beiden ersten Gedichten dieser Periode wird freilich des Gattens der Lesbia nicht gedacht, wohl aber in einem der folgenden. Es bricht nämlich alsbald ein kleiner Zwist unter den Liebenden aus und Catull thut trotzig genug, als ob mit diesem Zerwürfniss Alles zu Ende sei:

8. Miser Catule, desinas ineptire.

Aber dies Pochen auf seine Charakterstärke war, wie er selbst wohl wusste, nicht ernst gemeint; er sieht die Geliebte dennoch in Gegenwart ihres Mannes, sie spricht mit ihm, aber nicht in freundlichen Worten: es ist nichts als Bosheit, was sie ihm zu sagen hat, und der Gatte freut sich darüber, ein deutlicher Beweis, dass er eifersüchtig war. So berichtet dies Catull:

83. Lesbia mi praesente viro mala plurima dicit. Aehnlich die Gedichte:

92. Lesbia mi dicit semper mala nec tacet unquam 104. Credis me potuisse meae mala dicere vitae.

Die Versöhnung lässt nicht lange auf sich warten :

107. Si quicquam cupido optantique obtigit unquam.
109. Iucundum, mea vita, mihi proponis amorem

36. Annales Volusi, cacata charta.

Clodia selber war es, die dem Dichter mit ihrer Liebe entgegen kam und wie vorauszusetzen ist, die nächtlichen Rendez-vous in Manlius' Hause nahmen ihren Fortgang in derselben Weise, wie vor dem Zwist.

b

Die Chronologie dieser Gedichte, welche die von Manlius vermittelten Freuden, den Zwist und die Wiederversöhnung feiern, bestimmt sich durch die im Gedichte 68 und 83 verbürgte Thatsache, dass Clodia's Gatte zu dieser Zeit in seinem Hause in Rom anwesend ist. Sie können also nicht im Jahre 62 geschrieben sein, denn in diesem Jahre stand Metellus als Proconsul im Cisalpinischen Gallien, während seine Gattin Clodia zusammen mit ihrer Schwägerin Mucia, der geschiedenen Frau des Pompejus, im Hause des Metellus zu Rom zurück

gelassen war. Damals nahm sie, wie wir gesehen, Besuche von Cicero an, und wir wissen, zu welchem Ende diese geführt hätten, wenn nicht Cicero's Gattin Terentia energisch eingeschritten wäre. Es ist zwar wahrscheinlich, dass Catull schon in diesem Jahre zur Zeit der Abwesenheit des Metellus in seinem Hause aus- und einging, aber das eigentliche wirkliche Liebesverhältniss mit Metellus' Gattin begann erst, wie wir nunmehr wissen, zur Zeit seiner Anwesenheit in Rom, also erst nach Anfang des Jahres 61, wo Metellus aus Ober-Italien zurückgekehrt war. Dies Jahr also ist es, in welches wir die Gedichte 5 u. 7, ebenso auch die Gedichte vom ersten Zwist und von der Aussöhnung der Liebenden zu versetzen haben. Die beiden frühesten 51 und 2a können noch in das Ende des Jahres 62 fallen. Das Jahr 62 ist es, in welchem, wie wir oben aus Plutarch und Cicero's eigenem Briefe an Metellus gesehen haben, die Annäherung zwischen Cicero und Clodia fällt, und wir würden, nach den uns vorliegenden Thatsachen mit gutem Rechte sagen können, dass in der Reihenfolge von Clodia's zahlreichen Anbetern Cicero der unmittelbare Vorgänger Catulls ist.

Da tritt uns nun ein in gar mancher Beziehung auffälliges Gedicht Catulls entgegen, von welchem wir früher noch keine Notiz nehmen durften.

49. Disertissime Romuli nepotum,

quot sunt quotque fuere, Marce Tulli,
quotque post aliis erunt in annis,
gratias tibi maximas Catullus

5 agit pessimus omnium poeta,

tanto pessimus omnium poeta

quanto tu optimus omnium patronus.

Du grösster Redner unter Romulus'

gesammten Enkeln, Marcus Tullius,

Die jetzt am Leben sind und einst am Leben waren

und leben werden in zukünft'gen Jahren:

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