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Der Hohn des Manlius auf die Philisterstadt Verona, den Catull in seiner Berechtigung erkennt: quod scribis Veronae turpe Catullo esse, quod hic quisquis de meliore nota frigida deserto tepefacit membra cubili ... id magis miserum est, und ebenso auch das eigene Geständniss Catulls, dass der Schmerz um den Tod des Bruders alle Liebesgedanken bei ihm vertrieben habe, würde der Annahme nicht im Wege stehen, dass das Aufilena-Abenteuer in jenen Aufenthalt zu Verona fällt. Wohl aber dürfen wir dies wegen einer anderen Aussage Catulls nicht annehmen, welche er in dem lange vorher, wahrscheinlich erst kurz vor seiner Bithynischen Reise geschriebenen carm. 70 und anderen oft wiederholt, dass er seinerseits der Clodia stete Treue bewahrt habe. Diese Versicherung ist sicher keine Unwahrheit. Da bleibt uns denn für die Liebschaft mit Aufilena schwerlich eine andere Aufenthaltszeit in Verona, als die nach seiner Rückkehr aus Asien. 100. Caelius Aufilenum et Quintius Aufilenam

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flos Veronensum depereunt iuvenum,

hic fratrem, ille sororem. hoc est, quod dicitur, illud
fraternum vere dulce sodalitium.

Cui faveam potius? Caeli, tibi: nam tua nobis

* perfecta exigitur unica amicitia,

cum vesana meas torreret flamma medullas.

Sis felix, Caeli, sis in amore potens.

Caelius liebt Aufilenus, Quintius liebt Aufilenen,

es vergeht Veronas Jugend ganz und gar in Liebessehnen; jener liebt der Schwester Bruder, dieser liebt des Bruders Schwester,

nimmer war ein zartes Bündniss von Geschwisterliebe fester. Aber ich, wem gönn' Erfolg ich? Caelius, dir wünsch' ich Glück, denn als treuer Freund bewährtest du dich meinem Missgeschick, als des Liebeswahnsinns Flammen aufgezehret mein Gebein. Caelius, mein Freund, du sollst in deiner Liebe glücklich sein.

Den corrupten v. 6 der Handschriften: perfecta exigitur unica amicitia corrigirt Lachmann folgendermaassen :

per facta exhibita est unica amicitia.

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Einfacher ist die alte Emendation, die aus amicitia perfecta ein amicitia perspecta macht und exigitur in exigit hoc verändert. Die Construction ist: Nam exigit hoc tua unica amicitia, perspecta nobis, cum vesana mens meas torreret flamma medullas. Diese Probe der Freundschaft braucht nach Catullischer Anschauung in weiter nichts als Werken des Trostes bestanden zu haben, auf die es ihm nach (carm. 38) ja so ausserordentlich viel ankommt. Dass Caelius zu solchem Troste Gelegenheit hatte, zeigt das kleine an ihn gerichtete Gedicht:

58. Caeli, Lesbia nostra, Lesbia illa,

illa Lesbia, quam Catullus unam

plus quam se atque suos amavit omnes,

nunc in quadriviis et angiportis

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Ich begreife nicht, weshalb man unter dem Caelius dieses Gedichtes den M. Caelius Rufus, den Rivalen Catulls in seiner Liebe zu Lesbia verstanden hat. Schon äusserlich liegt es näher an den Veronesen Caelius zu denken, denn jener Rival wird von Catull stets Rufus genannt, aber nicht Caelius wie der Liebhaber des Aufilenus aus Verona. Jener Caelius Rufus ist das gerade Gegentheil von dem Veroneser Caelius, jener ist das crudele venenum nostrae vitae, die pestis nostrae amicitiae, dieser bewies perspectam amicitiam cum vesana meas torreret flamma medullas, womit doch wohl etwas Aehnliches gemeint ist, wie carm. 68, 51: mihi quam dederit duplex Amathusia curam, scitis et in quo me corruerit genere, cum tantum arderem quantum Trinacria rupes lymphaque in Oetaeis Malia Thermopylis. Wir wissen also von Catull selber, dass ihm bei seiner Liebe zu Lesbia der Veroneser Caelius treue Freundschaft bewiesen hat und so ist ein Gedicht an ihn, in welchem Catull über Lesbia klagt, völlig motivirt. Was soll man da die Hypothese aufstellen, dass Caelius Rufus, jene pestis amicitiae, nachdem er mit Lesbia gebrochen, sich wieder mit Catull ausgesöhnt und dann jenes Gedicht 58 von Catull empfangen habe. Wissen wir doch, dass Rufus auch nach seinem Bruche mit Lesbia von Catull durch die bittersten und schadenfrohesten Schmähgedichte verfolgt wurde.

Steht hiernach die Identität des Caelius carm. 58 mit dem Veroneser Caelius fest, so kann doch die Veranlassung des Gedichtes noch immer fraglich bleiben. Wir haben zunächst angenommen, dass es in

eine frühere Zeit fällt, wo Catull noch vom tiefsten Schmerze über die Gesunkenheit der ehemals so hoch gestellten Geliebten ergriffen war, und dann würde es etwa vor carm. 76 geschrieben sein. Es ist aber auch möglich, dass es in der Periode der Liebe zu Aufilena geschrieben ist und unmittelbar hinter carm. 100 gehört. Zu dem Ende müssen wir zunächst das an Aufilenus gerichtete Gedicht betrachten:

82. Quinti, si tibi vis oculos debere Catullum
aut aliud si quid carius est oculis,
eripere ei noli, multo quod carius illi

est oculis seu quid carius est oculis.

Wir erhalten hier den Aufschluss, weshalb Catull nur von den beiden verliebten Freunden Caelius und Quintius, von denen der eine den Aufilenus und der andere die Aufilena liebt, nur dem Caelius Erfolg wünscht, aber nicht dem Quintius. Er thut das letztere nicht etwa aus dem Grunde, weil Quintius minder als Caelius in früherer Zeit seine Freundschaft zu Catull bewährt hätte, sondern der Grund ist der, dass auch Catull in Aufilena verliebt ist: denn das Gedicht 82 beschwört den Quintius ihm (dem Catull) die Geliebte nicht zu rauben, und dass unter dem quod carius illi est oculis Aufilena zu verstehen ist, leidet nach c. 100, 110 u. 111 keinen Zweifel. Ich bemerke, dass Rossbach's von Bergk vorgeschlagene Aenderung des zweiten seu quid carius est oculis in sei quid carius est oculis zurückzuweisen ist: es soll so ein Parallelismus zwischen dem zweiten und vierten Verse hergestellt werden, aber gerade wenn ein Parallelismus bestehen soll, so muss hier seu festgehalten werden, denn die Sätze aut aliud si quid carius est oculis und seu quid carius est oculis sind bereits einander identisch, diese Identität hört aber auf, wenn seu in sei verändert wird, dessen Bedeutung ich nicht einzusehen vermag.

Die Situation ist also diese: von den beiden Freunden Catulls, die wieder unter sich, wie wir aus carm. 100, 4 ersehen, in sehr innigem Verkehr standen, liebt der eine den Aufilenus, der andere des Aufilenus Schwester Aufilena. Dem einen, dem er ohnehin wegen früher bewiesener Treue zu Dank verpflichtet ist, gönnt er den Aufilenus von Herzen, nicht aber dem anderen die Aufilena, in die Catull selber verliebt ist: er ersucht diesen vielmehr, ihm die Aufilena zu lassen. Hier würde es nun sehr nahe liegen, dass Caelius im Interesse seines Freundes Quintius den Dichter bittet, von Aufilena ab

Westphal, Catulls Gedichte.

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das sei ja seine er

zulassen und ihn deshalb auf Lesbia verweist klärte Geliebte, er (Caelius) wisse das ja von früher her: zu Lesbia möge Catull zurückkehren. Da würde denn die Erwiderung Catulls Caeli, Lesbia nostra, Lesbia illa ... nunc in quadriviis etc. auf's beste motivirt sein, wir würden damit für dies Gedicht, wenn wir es in das Jahr 56 verlegen, die passendste Zeit gefunden haben: fand doch im Frühling dieses Jahres der berüchtigte Process statt, der ihre Schande als quadrantaria vor die gesammte Oeffentlichkeit brachte, denn sowohl Cicero's Rede wie die übrigen gegen sie gerichteten Angriffe des Caelius und Hortensius, wurden wie es bei diesen Reden Brauch war, alsbald veröffentlicht. Catull hat Lesbia zwar schon vor seiner Abreise nach Bithynien völlig aufgegeben, aber bis dahin, wo er noch in fortwährendem Kampfe mit seinen Nebenbuhlern ist und sich nur so ausserordentlich schwer von seiner Anhänglichkeit an Lesbia losmachen kann, würde er sie schwerlich mit solchen entehrenden Ausdrücken wie in diesem Gedichte bezeichnet haben. Wir werden daher das Gedicht wohl später zu setzen haben als jene Klagen und als jene Rivalen - Lieder und bei dieser Zeitannahme bleibt wohl kaum eine andere als der genannte Zusammenhang über, aus dem sich das Gedicht erklärt. Ganz ähnlich ist auch das Gedicht carm. 11 zu fassen, welches er im folgenden Jahre dem Furius und Aurelius, die ihn von seiner Liebe zu Juventius ebenfalls durch Verweisung auf Lesbia abzulenken suchen, entgegen hält.

Die weitere Geschichte von Catulls Liebe zu Aufilena enthält carm. 110. Durch Geschenke ist es ihm gelungen, sich die junge Frau geneigt zu machen, und Catull hat es keinen Hehl, dass er für dies pretium das ihm von Aufilena gegebene Versprechen einzufordern sich berechtigt hält. Aufilena hat die Geschenke genommen, aber was sie versprochen, hat sie nicht gehalten. In diesem Falle, sagt Catull unverblümt, hätte sie das Empfangene zurückstellen müssen: da sie es nicht gethan habe, sei sie eine gemeine Hetäre. Dies Gedicht, welches sehr corrupt überliefert ist, schreibe ich mit Aufnahme der von Bergk gemachten Besserungen folgendermaassen :

110. Aufilena, bonae semper laudantur amicae:

accipiunt pretium, quae facere instituunt.

Tu, quod promisti, mihi quod mentita inimica es,
quod nec das nec fers, saepe facis facinus.

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Aut facere ingenuae est, aut non promisse pudicae,
Aufilena, fuit: sed data corripere

fraudando officiis plus quam meretricis avarae,
quae sese toto corpore prostituit.

Aufilena, eine brave Freundin hält man stets in Ehren, mag auch gern ihr, trifft sie Anstalt, einen Liebeslohn gewähren, aber du bist meine Feindin, denn du brachest dein Versprechen: nicht gehalten, doch den Lohn behalten - ist ein grob Verbrechen. Willst du nicht gemein sein, musstest du der Schuld auch Rechnung tragen,

willst du keusch sein, Aufilena, war's nicht Recht, mir zuzusagen. Was man gibt, zusammenraffen und der Pflicht sich dann entwinden,

thun nur schmutzige Hetären, die sich auf der Gasse finden.

Dem laudantur amicae des v. 1 steht entgegen inimica es des v. 3 Catulls Freundin ist Aufilena nicht mehr, darauf beruht der ganze Gegensatz. Deshalb darf inimica nicht als adverbielle Apposition zu mentita es gefasst werden, es ist zu construiren mit Döring: Tu es inimica, quod (= quia) mihi mentita (sc. es) quod promisti. Mit Recht hat Bergk auf den schlechten Rhythmus des Verses aufmerksam gemacht, der bei der früheren Interpunction, welche mihi zu promisti zog, entsteht und deshalb das Comma hinter mihi getilgt und nach promisti gesetzt. Catull braucht in mihi quod mentita inimica dieselbe Redeweise wie Horat. Ep. 1, 1, 20 quibus mentitur amica. Der vierte Vers lautet in den Handschriften Quod nec das nec fers, saepe facis facinus. Sillig wollte ihn mit dem dritten Verse zu einem Satze verbinden: Tu saepe facis facinus, quod inimica (pro adverbio) mentita es id, quod mihi promisti et quod tamen nec das nec fers. Er gesteht aber selber, dass sich,,nec das nec fers" nicht verstehen lässt. Nach meiner Ansicht ist facis facinus ein neuer zu mentita es hinzukommender zweiter Hauptsatz, der durch quod nec das nec fers begründet wird. Der Sinn dieser letzteren Worte ergibt sich aus dem vorhergehenden. Das Object zu nec das ist nämlich in quod promisti enthalten und ergänzt sich aus diesem von selber. Ausser diesem nicht gehaltenen Versprechen hat Catull auch noch von den empfangenen Geschenken gesprochen, acci

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