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gaudente, vosque, o Lydiae lacus undae

ridete, quicquid est domi cachinnorum.

v. 5 zeigt, dass das Gedicht unmittelbar nach der Ankunft aus Bithynien geschrieben ist, wir müssen es demnach früher als carm. 10, worin er in Rom von seiner Reise erzählt, setzen, und es ergibt sich daraus, dass er nach seiner Rückkehr zuerst in Verona und erst dann in Rom verweilt hat.

Der See, den er begrüsst, wird in einigen interpolirten Codd. mit Lariae lacus undae bezeichnet: dies ist der Comer-See, an dessen Ufer in Comum novum Catulls Freund Caecilius wohnt (carm. 35, 4). Man hat in der That geglaubt, dass Catull auch die entlegnere Nachbarschaft zur Freude über seine Rückkehr auffordere, obwohl dies schon der folgende Vers nicht zulässt. Die Lesart Lydiae lacus undae ist die einzig historische, wenn auch corrupte Lesart. Wer sie vertheidigt, denkt daran, dass diese Gegenden Oberitaliens einst von den Etruskern besetzt wurden und dass diese angeblich Lydier sind. Ob aber Catull diese sicherlich unrichtige Annahme über den Ursprung der Etrusker bekannt ist, ist noch sehr unwahrscheinlich; war es aber auch der Fall, so hätte er deshalb doch noch den Garda-See nicht lydisch nennen können. Daher gab man es auf in Lydiae einen Eigennamen zu sehen, Avantius liest limpidae, Gurinus lucidae, Scaliger ludiae (die spielenden Wogen). Lachmann sieht wieder einen geographischen Namen darin, er schlägt Libuae lacus undae vor mit Rücksicht auf die Libui Galli, einem celtischen Stamm, der nördlich vom Padus wohnte. Liv. 5, 38; 21, 35; 33, 37. Ob mit einer dieser Conjecturen das richtige gefunden ist, ist fraglich, denn der ganze Vers lautet in den Handschriften:

Gaudete vos quoque Lydiae lacus undae.

Da vos quoque an sich ganz in der Ordnung ist und keineswegs der Aenderung in vosque oder vós o oder vos quoque o bedarf, so wird vielmehr statt des verdorbenen Lydiae ein vocalisch anlautendes Beiwort zu undae gestanden haben.

Die Bithynische Barke.

Viel Dunkles hat das Gedicht auf das bithynische Schiff, in welchem man dasselbe Schiff erblicken zu müssen glaubt, auf welchem Catull seine Rückreise gemacht:

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4. Phaselus ille, quem videtis, hospites, ait fuisse navium celerrimus,

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neque ullius natantis impetum trabis
nequisse praeterire, sive palmulis

5 opus foret volare sive linteo.

Et hoc negat minacis Adriatici

negare litus insulasve Cycladas

Rhodumque nobilem horridamque Thraciam Propontida trucemve Ponticum sinum, ubi iste post phaselus antea fuit comata silva: nam Cytorio in iugo loquente saepe sibilum edidit coma. Amastri Pontica et Cytore buxifer, tibi haec fuisse et esse cognitissima ait phaselus: ultima ex origine tuo stetisse dicit in cacumine, tuo imbuisse palmulas in aequore, et inde tot per impotentia freta herum tulisse, laeva sive dextera 20 vocaret aura, sive utrunque Iuppiter simul secundus incidisset in pedem; neque ulla vota litoralibus diis

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sibi esse facta, cum veniret a marei
novissime hunc ad usque limpidum lacum.

Sed haec prius fuere: nunc recondita

senet quiete seque dedicat tibi,
gemelle Castor et gemelle Castoris.

Die Barke hier, die ihr Genossen schaut,

war einst, so rühmt sie sich, der schnellste Kahn, besiegte jedes Schiff, ob sich's auf seiner Bahn den Rudern, ob es sich dem Segel anvertraut. Das sei bekannt den drohenden Gestaden des Adriat'schen Meeres, den Cycladen,

dem stolzen Rhodus, Thraciens kühlem Strand,
wie der Propontis und dem Uferland
des trotz'gen Pontus, wo die Buxusbäume
dereinst gegrünt, aus dem der Kahn entstand.
Denn des Cytorus hohe Waldesräume
ertönten oft von ihrer Zweige Wehen.
Du Pontisches Amastris, spricht der Kahn,
und du Cytorus hast von Anfang an

ihn wohl gekannt. Er wuchs auf deinen Höhen,
die Ruder taucht er ein an deinem Strand

und trug von dort durch ungestüme Seen,

den Herrn, mocht' rechter, mochte linker Hand
der Wind ihn leiten, mocht' die vollen Segel bläh'n
ein günstiger Jupiter; nie braucht' er anzufleh'n

die Ufergötter, da vom fernen Ocean

zu diesem glatten See ihn trug die Bahn.
Doch jetzt hat seine Arbeit er gethan,
jetzt weiht in stiller Ruh er seine Jahre
der Dioskuren trautem Brüderpaare.

Das Schiff ist von Bithynien aus nach Italien gefahren. Catull beschreibt hier in der That die Stationen seiner Bithynischen Reise, und zwar in umgekehrter Ordnung, er überschaut seine Reise rückwärts von dem limpidus lacus aus, in welchem das Schiff jetzt ruht: das Adriatische Meer, die Cycladen, Rhodus, der nördliche Theil des Aegeischen Meeres an der Küste Thraciens, die Propontis, den Pontus Euxinus und die Küste Bithyniens oder vielmehr des mit Bithynien zu derselben Prätur vereinigten Paphlagoniens. Wir sagten Stationen, denn es ist nicht der gerade Weg, den das Schiff genommen, der Umweg von Bithynien nach den Cycladen über Rhodus lässt sich nur so erklären. Dennoch aber kann dies nicht völlig die Reise Catulls sein. Wir wissen, dass Catull, als er von Bithyniens Hauptstadt aus von den Freunden, die sich auf anderen Wegen (direct auf dem Seewege) nach der Heimath wandten, Abschied nahm, zunächst den Landweg einschlug, er ging nach Troas und wollte die clarae Asiae urbes, also etwa Pergamus, Smyrna, Ephesus u. s. w. durchreisen. Wir können dies mit dem Wege jenes Bithynischen Schiffes nur so vereinigen, dass

er es in Rhodus bestiegen, dann von hier aus nach einem Umwege über die Cycladen ins Adriatische Meer eingelaufen sei. Dass dies Schiff, welches ihn aus Rhodus mitnimmt, ein Bithynisches ist, ist wohl nicht zufällig, wahrscheinlich wird er bei seiner Abreise aus Bithynien diese Fahrgelegenheit bei einem von dort absegelnden Schiffsherrn, dem herus unseres Gedichtes, ausgemacht haben.

Es bleibt noch ein zweites Bedenken. Man ist der Ansicht, der limpidus lacus, wo das Schiff jetzt in Ruhe seine ferneren Tage zubringt, sei der lacus Benacus bei Sirmio, und der Ausdruck verglichen mit 31, 13 deutet allerdings zunächst auf den Garda-See. Aber wie kommt das Schiff aus Bithynien in den Garda-See? Er steht allerdings mit dem Adriatischen Meere in Verbindung: er wird vom Mincius durchflossen, der dann unterhalb Mantua in den Po mündet und mit diesem ins Adriatische Meer sich ergiesst. Aber konnte ein Seeschiff den Po und den kleinen Mincius durchfahren? Es wird zwar Phasalus genannt und damit als ein kleines Schiff bezeichnet, aber es wird doch schwerlich in Wahrheit eine blosse Barke gewesen sein; wie hätte Catull in einem anderen Schiffe als einem Seeschiffe die Reise unternehmen sollen, zumal bei den vielen Umwegen, die das Schiff machte und deutlich auf seine Bestimmung eines Handelsschiffes schliessen lassen? Müssen wir deshalb bei dem limpidus lacus nicht vielmehr an einen Hafen des Adriatischen Meeres denken? Es kann sogar der Hafen eines Handelsplatzes an der griechischen Küste gewesen sein. Die hospites, denen Catull das Schiff zeigt, sind dann nicht Gäste, die er in Verona beherbergt, auch nicht die Reisegenossen, sondern Gastfreunde, bei denen er gleich nach seiner Landung an der Küste Aufnahme gefunden hat.

Klotz macht auf die Worte sed haec prius fuere aufmerksam, die er der handschriftlichen Lesart cum veniret a marei novissime hunc ad usque limpidum lacum. Er will deshalb mit Scaliger u. A. novissimo lesen (so haben auch bereits einige interpolirte Codices),, vom fernsten Meere". Doch besteht, glaube ich, ein solcher Widerspruch nicht; haec prius fuere etc. heisst: das ist jetzt vergangen, die Arbeit ist zu Ende, jetzt kann das Schiff von seinen Mühen ausruhen. Wie man die Kinderkleider, die Puppen, die Gürtel u. s. w., nachdem sie ausgedient, einer Gottheit weihte, so weiht sich auch dies Schiff, nachdem es seine Fahrt glücklich vollbracht, den Dioskuren, die es glücklich geschützt hatten. Der Begriff einer solchen Weihe, mag sie auch

von Catull nur in Gedanken vorgenommen werden, ist es jedenfalls, der ihn zu diesem Gedichte veranlasst.

Catull in Verona, Aufilena.

Die kleine Liebesgeschichte Catulls, die sich an den Namen Aufilena anknüpft und nach seiner eigenen Angabe später fällt als seine Liebe zu Lesbia, ist völlig aller idealen Züge baar, die wesentlich das Grundmoment seiner Lesbia-Lieder bildeten, dafür aber auch ohne alle Einwirkung auf Catulls Gemüth bleibt, als sie in einer recht schmutzigen Weise endet. Aufilena war eine junge Dame seiner Vaterstadt Verona, auch sie war gleich Clodia verheirathet und zwar, wie sich nicht ohne Wahrscheinlichkeit ergeben wird, an den alten schläfrigen municeps des carm. 17, der sein junges Weib treiben lässt was es will, obwohl er es sorgfältiger als jungen Wein hätte hüten müssen. Ein junger Veronese Quintius strebt ihrer Liebe nach, wie andererseits ihr Bruder Aufilenus von einem anderen Freunde Catulls, dem Caelius umworben wird. Catull ist Quintius' Rivale, er glaubt so sehr an die Wahrheit seiner Gefühle für Aufilena, dass er sie nennt multo quod carius illi est oculis seu quid carius est oculis. Es bedurfte aber mehr als der eigenen Liebenswürdigkeit, um die junge Frau sich geneigt zu machen, durch Geschenke war es dem Dichter endlich gelungen, sie zu einer zärtlichen Zusage zu bewegen. Da muss denn Catull den Aerger erleben, dass Aufilena trotzdem ihr Wort nicht hält und jetzt kann der Dichter über sie, die ihm vor kurzem noch theurer als seine Augen war, seine volle Galle ergiessen, ganz besonders da das neue Verhältniss Aufilena's, dem Catull geopfert wird, ein incestuoses ist, denn es ist ihr eigener patruus, dem sie ihre Gunst zuwendet. Die Verse Catulls, welche sich hierauf beziehen, sind so nichtssagend wie möglich, dass es uns mit Recht Wunder nimmt, wie er dieselben in seine Sammlung mit aufnehmen konnte.

Als Ort der Handlung steht Verona fest, für die Zeit ist uns nur überliefert, dass Catull vorher schon durch Liebe zur Lesbia verzehrt worden ist, cum vesana meas torreret flamma medullas. Catull war zur Zeit des Todes seines Bruders in Verona und wir wissen, dass er schon damals die Qualen der Liebe kennen gelernt hatte, wie er an Manlius schreibt, 68, 17:

Multa satis lusi, non est dea nescia nostri,

quae dulcem curis miscet amaritiem.

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