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beiden treuen Kameraden befinden sich ja mit Anfang des J. 57 schon wieder auf der zweiten Reise nach Macedonien. Später als 59 oder 60 kann der Aufenthalt in Spanien nicht fallen. Damit harmoniren andre Thatsachen. In carm. 12 wird der junge Asinius Pollio, der seinem Bruder als Muster des Anstandes und feinen Witzes vorgehalten wird, puer genannt. Er ist vor dem Juli des Jahres 75 geboren, er steht also im Jahre 61 im 17., 60 im 18. und 59 im 19. Lebensjahre. *) In diese Zeit gehört auch die launige Einladung an Fabullus, die wir bereits oben besprochen. Es liegt nahe, wegen der facta, loca, nationes an einen Statthalter zu denken, der ein recht thatenreiches Jahr in der Provinz vollbracht hat und da bietet sich denn als Statthalter, dem Verannius und Fabullus nach Spanien gefolgt sein mögen, der Proprätor Caesar dar, der Anfang 61 nach Spanien ging und im Juni 60 wieder nach Rom zurückkehrte, und zwar um so mehr als die beiden Freunde ihre zweite Reise mit L. Calpurnius Piso Caesoninus, der ein naher Freund Caesars war und nicht lange nach Caesars Rückkehr dessen Schwiegervater wurde, unternommen haben.

*) Denn als er seine erste Rede hielt im Processe gegen C. Cato, welcher am 5. Juli 54 entschieden wurde, stand er nach Tac. dial. de orat. 34 anno aetatis altero et vicesimo. Ueber die Bedeutung von puer im Gegensatz zu adolescens, vergl. Cicero's Brief an den jungen Curio 2, 1 mit der Bemerkung von Manutius. Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass in Catulls Worten facetiarum disertus puer ac leporum eine Anspielung auf die ,,Jungfernrede" des Asinius Pollio, die er schon im 22. Jahre hielt, liegen soll es kommt kein Beispiel vor, dass für ein solches Alter noch der Name puer gebraucht wird. Es ist schon ungewöhnlich, dass ein 19jähriger noch puer genannt wird, denn wenn Cicero ad fam. 11, 17 und 10, 28 den Octavius als adolescentem vel puerum potius Caesarem puer egregius Caesar de quo spero equidem reliqua bezeichnet, so hat dies seinen ganz besonderen Grund in dem beabsichtigten knabenhaft-schüchternen Auftreten des Octavius, das für sein Alter von 19 Jahren nicht mehr recht passte. Wenn ferner Silius Italicus Pun. dem jungen Scipio, der erst 20 Jahre alt schon Feldherr war, die Benennung puer gibt, so will er damit den grossen Abstand zwischen hohem Amt und jugendlichem Alter symbolisch ausdrücken. In der Stelle Catulls ist aber etwas Aehnliches nicht der Fall: er wirft dem Asinius vor, du weisst selber nicht, wie abgeschmackt du handelst frag nur deinen jüngeren Bruder, der, obwohl noch puer, ein Mensch von Witz und Anstand ist und einsieht, was sich schickt. Uebrigens war es in der damaligen Zeit gar nicht auffallend, wenn ein 22 jähriger als Redner auftrat: unter Catulls näheren Bekannten hatte Licinius Calvus etwa in demselben Alter, Caelius Rufus im 23., Caesar sogar im 21. die Jungfernrede gehalten.

Der Denunciant Vettius.

Nach der Unterdrückung der Catilinarischen Verschwörung trat ein Mitverschworener, L. Vettius aus dem Ritterstande, gegen Zusicherung von Straflosigkeit als Denunciant auf, er nannte aber so viele Namen, dass der Senat ihm zuletzt keinen Glauben mehr schenken konnte und der weitern Denunciation Einhalt that. So berichtet ausführlich Dio Cass. 37, 41. Daher das Prädicat ille noster index“, Cic. ad Attic. 2, 24, „index" pro Sest. § 132, Suet. Caes. 17 cf. Ascon. in Divin. p. 114 Or: Index est qui facinoris cuius ipse est socius latebras indicat impunitate proposita. Im folgenden Jahre trat er auch mit der gleichen Denunciation gegen Caesar, damals Prätor, vor dem Quästor Novius auf (chirographum eius Catilinae datum pollicebatur), zu gleicher Zeit als Q. Curius im Senate die Mittheilung machte, er habe es auch aus Catilina's Munde, dass Caesar Mitverschworener gewesen sei. Während Caesar gegen den Letzteren sich das Zeugniss Cicero's erbat, machte er selber kraft seines Amtes als Prätor mit Vettius kurzen Process: Vettium pignoribus captis et direpta supellectile male mulctatum conjecit in carcerem, eodem Novium quaestorem quod compellari apud se maiorem potestatem passus esset, Sueton. Jul. 17.

Nichts destoweniger soll Caesar nun in seinem Consulatsjahre 59 denselben Vettius durch den Tribunen Vatinius zu einer Denunciation veranlasst haben, zufolge der eine grosse Zahl von Männern der Optimatenpartei eine Verschwörung gegen das Leben des Pompejus angezettelt hätten. Wir besitzen darüber einen bald darauf geschriebenen Brief des Cicero an Atticus (2, 24), der übrigens damals noch nichts von der Urheberschaft des Caesar und Vatinius weiss, so wie eine längere Stelle in der Rede gegen Vatinius § 24-26, ferner die Berichte pro Sest. § 132, pro Cael. § 71, Suet. Jul. 20, Dio Cass. 38, 9, Appian 2, 13, Plut. Lucull. 42, Schol. Bob. Cic. p. 308. 320 Or. Zuerst theilte Vettius diese angebliche Verschwörung, für die er selbst gewonnen zu sein behauptete, dem jungen Curio mit, dieser seinem Vater, der den Pompejus davon benachrichtigte. Vor dem Senate und am Tage darauf unter Caesars Schutz von der Rostra aus nannte er folgende Namen als Verschworene: den Consul M. Bibulus, L. Lucullus, die beiden Curio's, L. Domitius, C. Fannius, L. Lentulus den Flamen Martialis nebst Sohn, den L. Paulus, Cicero's Schwiegersohn C. Piso, M.

Juventius Laterensis, auch den Cicero selber unter der versteckten Bezeichnung: consularem disertum, vicinum consulis, sibi dixisse, Ahalam Servilium aliquem aut Brutum opus esse reperiri. Ihm, dem Vettius, habe der Consul Bibulus durch dessen Scriba C. Septimius bereits den Dolch zu der That einhändigen lassen. Aber die vielen Widersprüche, die sich aus der Denunciation ergaben, liessen bei Niemandem Glauben daran aufkommen; weil er selbst gestanden, dass er einen Dolch bekommen, wurde er ins Gefängniss geworfen, wo man ihn todt fand - wie Cicero zu Vatinius sagt: fregerisne in carcere cervices ipsi illi Vettio, ne quod indicium corrupti indicii extaret eiusque sceleris in te ipsum quaestio flagitaretur? Wir besitzen nun folgendes Gedicht Catulls:

98.

5

In

te, si in quenquam, dici pote, putide Vetti,
id quod verbosis dicitur et fatuis.

Ista cum lingua, si usus veniat tibi, possis
culos et crepidas lingere carbatinas.
Si nos omnino vis omnes perdere, Vetti,
hiscas: omnino quod cupis efficies.

Die Veränderung des handschriftlich überlieferten Victi in Vetti ist so einfach wie möglich und um so eher erlaubt, als eine grosse Zahl der von Catull gebrauchten Eigennamen in der Ueberlieferung unserer Handschriften entstellt ist. Ohnehin ist Victius kein nachweisbarer Name. Die ganze Verachtung, welche Jedermann gegen den boshaften Lügner empfand (quibus rebus omnium mortalium non voluntate sed convicio repudiatis) drückt dann Catull in den Worten aus: „auf dich passt, was man faden Schwätzern sagt: wenn sich Gelegenheit fände, könntest du mit deiner Zunge Steisse und schmutzige Schuhe ablecken" - jedenfalls passt dies auf den Denuncianten besser, als wenn der hiermit Angeredete selber ein Schwätzer wäre (so hat man es bisher aufgefasst). Die Worte si nos omnino vis perdere finden nun ebenfalls ihre passende Stelle im Zusammenhange: war ja doch fast keiner vor der Denunciation des Mordversuches sicher, er wolle ja fast Alle in's Verderben stürzen. Catull selber muss an einer der denunciirten Persönlichkeiten ein näheres Interesse genommen haben. Dies ist wahrscheinlich C. Septimius, der Scriba des Consuls Bibulus, von welchem Vettius den Dolch erhalten haben wollte, denn den Namen

Septimius finden wir unter den engeren Freunden des Catull, der dessen treue Liebe zu Acme in einem seiner schönsten Gedichte gefeiert hat. Das vorliegende Gedicht würde also im Jahre 59 kurz vor Cicero's Briefe ad Attic. 2, 24 am Tage des hierin besprochenen Volksgerichtes geschrieben sein.

Zweiter Abschnitt.

Die Gedichte seit der Reise nach Bithynien.

Erstes Capitel.

Catull in Asien und seine Rückkehr nach Verona und Rom.

Von den höheren Magistraten des Jahres 58 erhielt der Consul L. Calpurnius Piso Caesoninus, der Freund und Schwiegervater Caesars, der mit seinem Collegen A. Gabinius und dem Tribunen Publ. Clodius die Hauptursache von Cicero's Verbannung war, die Provinz Macedonien zugewiesen; dem Prätor C. Memmius Gemellus, der umgekehrt Caesars Feind und getreuer Anhänger der Optimatenpartei war, wurde Bithynien als Provinz zu Theil. Als sie zu Anfang des Jahres 57 Rom verliessen, schloss sich der Cohorte des Piso das engverbundene Freundespaar Verannius und Fabullus an, die einige Jahre vorher in gleicher Weise schon in Spanien gewesen waren; Catull und Helvius Cinna (carm. 10) folgten dem Memmius nach Bithynien. Ist es wahr, dass Verannius und Fabullus als Comites des Caesar in Spanien gewesen, so erklärt sich leicht, weshalb sie sich dessen Freund und Schwiegervater Piso anschlossen. Wenn Catull sich einem Hauptrepräsentanten der Gegenpartei zuwandte, so dürfen wir darin trotz Catulls späterer Gedichte gegen Caesar wohl schwerlich ein politisches Motiv suchen; vielleicht war es ihm darum zu thun, gerade nach Kleinasien zu kommen, um hier das Grab seines geliebten Bruders zu besuchen ; ein Band, das ihn an Memmius Gemellus fesseln konnte, lag in der gemeinsamen Neigung zur Poesie, denn es ist dies derselbe Memmius, der nicht nur als anmuthiger gräcisirender Redner nach Cicero Brut.

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