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geblichen Mordversuch auf Clodia vorbehalten, und hierbei liefert er denn eine schon oben von uns excerpirte schauerliche Schilderung ihrer Thaten, wobei er nicht blos als Anwalt eines Freundes, sondern als vieljähriger erbitterter Feind der Clodia Alles vorführt, was er früher über sie erfahren und was er später als ihr Nachbar auf dem Palatin grösstentheils mit eigenen Augen angesehen.

Caelius wird freigesprochen, aber zwei Jahre später (54) wird eine neue Anklage durch die Clodier gegen ihn anhängig gemacht, ad Quint. fratr. 2, 13: Decimus erat Caelio dies. Domitius ad numerum iudices non habuit. vereor ne homo taeter et ferus Pola Servius ad accusationem veniat. nam noster Caelius valde oppugnatur a gente Clodia, certe nihil est adhuc, sed veremur. Die Einzelheiten und das Resultat dieses Processes sind uns unbekannt.

Die harten Urtheile, welche Cicero über Clodia fällt, finden nun durchweg in einer Reihe Catullischer Gedichte, die von Lesbia's Untreue reden, ihre Bestätigung, so dass wir an deren Richtigkeit, so viel auch in manchem Einzelnen übertrieben sein mag, nicht zweifeln können. Freilich ist es immer ein grosser Unterschied, wenn wir den aus einem ehemaligen Liebhaber zum allerbittersten Feinde gewordenen Cicero, und wenn wir Catull über Lesbia reden hören, der, so tief er auch durch ihre Treulosigkeit verletzt ist, dennoch nicht aufhören kann sie zu lieben und eine lange Zeit vergeblichen Kampf mit sich selber führt, um das Andenken an die ihm persönlich jetzt völlig Entfremdete aus seinem Herzen zu verdrängen. Schmähungen spricht er nur gegen Diejenigen aus, durch welche ihm die Geliebte entfremdet ist, aber ihr selber gegenüber entfährt ihm kein lästerndes Wort, er vermag ihr nur den Jammer seines grässlichen Elends in rührenden Klagen auszusprechen. Diese Schmerzensschreie eines verlassenen Dichterherzens haben nicht blos ein hohes psychologisches, sondern sogar ein historisches Interesse, sie bilden gewissermaassen eine Epoche im Gefühlsleben der Menschheit. Denn so oft auch späterhin solch Elend eine Meuschenbrust zerrissen und in Liedern von verrathener Liebe seinen Ausdruck gefunden hat: so weit wir die Geschichte der leidenden Menschheit kennen, ist eben Catull der früheste Repräsentant dieser Romantik des Liebesjammers und gerade dies sichert ihm für ewig eine so ausserordentlich hervorragende Stellung in der Geschichte der Poesie aller Völker, und wird auch das Andenken an Clodius' Schwester unvergesslich erhalten. Soviel auch lange Zeit vor Catull Archilochus,

Mimnermus, Ibykus, Alcäus, Sappho, Anakreon und wer weiss wie viele andere von ihren Liebesschmerzen gesungen und in gewaltiger Eifersucht getobt haben, es lässt sich doch nichts, was von der Poesie dieser älteren Lyriker erhalten ist, und was sich ähnliches bei den Dramatikern findet, an wirklicher Gefühlstiefe auch nur entfernt mit Catulls Klagen um Lesbia vergleichen. Suchen wir hierfür Analoga bei Catull, so bieten sich dieselben in seinen späteren erotischen Poesien dar, die er nach seiner Rückkehr aus Bithynien geschrieben. Aber wie gross ist auch deren Abstand von unseren Lesbia-Liedern! Und Catull selber muss es sich gefallen lassen, dass seine Erklärer und Beurtheiler von jenen in ihrer Art so einzig dastehenden Lesbia-Gedichten auf diese seine späteren Liebesgedichte recurriren, in denen er sich als ein Mann von keineswegs edlen Empfindungen zeigt, der von neuer Liebe immer wieder zu neuer Liebe flattert und sich hierbei wohl eben so tief entwürdigt hat, als es Lesbia zufolge des langen Sündenregisters ihrer Herzensangelegenheiten jemals gethan. Wir empfinden innige Theilnahme bei den Qualen, die der Dichter auszustehen hat, wenn Lesbia gegen ihn kalt wird, wenn sie nach dem Tode ihres Mannes, die jetzt möglich gemachte dauernde Vereinigung mit ihm verschmäht, und sich bald diesem, bald jenem neuen Anbeter zuwendet. Aber so geistlos, abgeschmackt und unliebenswürdig wie Catull diese seine glücklichen Nachfolger sammt und sonders prädicirt, sind sie sicherlich nicht gewesen, und wir haben allen Grund den unglücklichen Dichter hierbei der grössten Ungerechtigkeit zu beschuldigen. Was würde die neuere Zeit sagen, wenn bei ähnlichen Veranlassungen, die doch häufig genug sind, solch' lästerliche Schmähgedichte geschrieben und veröffentlicht würden? Hat doch eine der berühmtesten Frauen eines unserer Nachbarländer, deren wahrhaft poetischen Schriften wir wohl nicht mit Unrecht den Vorzug vor allen übrigen belletristischen Werken ihrer Nation zugestehen, in der Reihenfolge ihrer Freunde kaum längere Fristen eingehalten als Catulls berühmte Freundin, und nach einander bald diesem, bald jenem unter den grossen Virtuosen, Componisten, Malern und anderen berühmten Zeitgenossen ihre Gunst geschenkt, aber nur ein Einziger von ihnen hat ein Buch „Lui et elle“ geschrieben, nachdem sie selben durch ihr „Elle et lui" so empfindlich gereizt hatte. Wir haben nicht ohne Absicht auf diese Parallele der neuesten Zeit hingewiesen; denn ich glaube, dass man durchaus nicht tiefer hinabsteigen darf, wenn man das Verhältniss von Catull und

Lesbia und ihren übrigen Liebhabern richtig auffassen und die Klagen über verrathene Liebe, die wir nunmehr folgen lassen, unparteiisch beurtheilen will.

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Die Ungetreue.
1.

70. Nulli se dicit mulier mea nubere malle

quam mihi, non si se Iuppiter ipse petat. Dicit: sed mulier cupido quod dicit amanti, in vento et rapida scribere oportet aqua.

Keinem will ich angehören, als nur ewig dir allein,

sollte auch der Götter höchster - also sprach sie - um mich frein.“ Ja sie sprach's, doch was die Weiber trunknen Liebenden geloben: Wind und Wellen sind die Stätten, wo's am besten aufgehoben.

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2.

72. Dicebas quondam solum te nosse Catullum,
Lesbia, nec prae me velle tenere Iovem.
Dilexi tum te non tantum ut vulgus amicam,
sed pater ut gnatos diligit et generos.

5 Nunc te cognovi: quare etsi impensius uror,
multo mi tamen es vilior et levior.

Qui potis est? inquis. quod amantem iniuria talis
cogit amare magis, sed bene velle minus.

Ewig seien meine Blicke dir, Catull, nur zugewandt,

vor Catull will ich verschmähen selbst des höchsten Gottes Hand." Damals fesselte mich an dich nicht der Sinne blosse Lust: wie ein Vater treu sein Kind liebt, solche Liebe barg die Brust. Du betrogst mich. Kann zwar nimmer von der Wahnsinnsgluth gesunden,

doch die wahre, hohe Liebe, die ich fühlte, ist verschwunden. Bist nicht fähig, es zu fassen. Wo man so die Treue bricht, tobt das Herz noch viel gewaltger, aber lieben kann es nicht.

3.

87. Nulla potest mulier tantum se dicere amatam

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vere, quantum a me Lesbia amata mea es.

Nulla fides nullo fuit unquam foedere tanta,

quanta in amore tuo ex parte reperta mea est.
5 Nunc est mens deducta tua, mea Lesbia, culpa,
atque ita se officio perdidit ipsa suo,

ut iam nec bene velle queat tibi, si optima fias,
nec desistere amare, omnia si facias.

Nie rühmt ein Weib sich je mit wahrem Munde,
so hoher Liebe, wie ich dir sie weihte,
nie zeigte sich bei einem heilgen Bunde

so reine Treue, wie von meiner Seite.
Doch meine Liebe hast du schnöd verrathen,
zu Tode martert sich die treue Seele.

Dich hass' ich, würdest du auch frei von jedem Fehle, und dennoch lieb' ich dich trotz deiner Missethaten.

4.

85. Odi et amo. quare id faciam, fortasse requiris.

Nescio sed fieri sentio et excrucior.

Ich hass' und liebe sie. Warum?

Antworten dieser Frage,

ich kann es nicht, allein so ist's; ich weiss es und ich klage.

5.

76. Siqua recordanti benefacta priora voluptas

est homini, cum se cogitat esse pium,

nec sanctam violasse fidem, nec foedere in ullo divum ad fallendos numine abusum homines,

5 multa parata manent in longa aetate, Catulle, ex hoc ingrato gaudia amore tibi.

Nam quaecunque homines bene cuiquam aut dicere possunt aut facere, haec a te dictaque factaque sunt,

Westphal, Catulls Gedichte.

8

10

15

20

omnia quae ingratae perierunt credita menti.

Quare iam te cur amplius excrucies?

quin tu animo affirmas teque istinc usque reducis, et deis invitis desinis esse miser? difficile est longum subito deponere amorem,

difficile est, verum hoc qua lubet efficias:

una salus haec est, hoc est tibi pervincendum,

hoc facias, sive id non pote sive pote.

O dii, si vestrum est misereri, aut si quibus unquam extremam iam ipsa morte tulistis opem,

me miserum aspicite (et, si vitam puriter egi,

eripite hanc pestem perniciemque mihi),

hei mihi surrepens imos ut torpor in artus.

expulit ex omni pectore laetitias.

Non iam illud quaero, contra ut me diligat illa, aut, quod non potis est, esse pudica velit: 25 ipse valere opto et tetrum hunc deponere morbum. O dii, reddite mi hoc pro pietate mea.

Kann das Bewusstsein, dass wir edle Thaten
vollbracht, dass schuldlos unser Leben,
kann das Bewusstsein Seligkeit uns geben,
dass wir die heil'ge Treue nie verrathen,
nie die getäuschet, die zum heil'gen Bunde
den Schwur gehört aus unserm Munde,

5 dann warten dein, Catull, noch viele Freuden,
die dir entspriessen aus der Liebe Leiden.
Denn hat man je in Worten und in Thaten
sich treu bewiesen, du bist treu geblieben,
obwohl sie dich voll Schnödigkeit verrathen,
die Undankbare, der du fest vertraut.
10 Darum, Catull, was jammerst du so laut?
Ermanne dich im Geist, hör' auf zu lieben,
und mögen selbst die Götter widerstreben,
o höre auf in dieser Qual zu leben!

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