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so hoch trieb, war freilich schon seit lange über das Land ausgegossen. Schon Luther hatte bitter ge= flagt:,,Der Adel will die Fürsten lehren daß es nicht thue, ohne ihn die Welt zu re= gieren." So steif und stolz wie nirgends anderswo blickte der sächsische Edelmann auf jeden herab, der nicht seines Gleichen war, ja selbst auf seines Gleichen, wenn er ihm nicht gleich that. Als der Ahnherr der heutigen Fürsten von Lynar, der Graf Rochus von Lynar, der große Ingenieur, der die Festungen Dresden und Spandau gebaut hat, nach Sachsen gekommen war, vergingen nicht vier Jahre, so mußte er öffentlich der gemeinen Infinuationen sich zu erwehren suchen, mit denen der banale Kastengeist des sächsischen Adels sich wider ihn gesezt hatte. Er mußte 1574 in Pa= tentformat einen Bogen in Druck ausgehen lassen. darin er allen denen mit Hand und Recht die Stirn bot, ,,die da vermeinten ihn zu verachten und zu verstoßen, daß er ein Baumeister sei." Es heißt in diesem interessanten Document, das den Grafen Lynar zur Erwiederung gegen diesen sehr beschränkten Hochmuth abgenöthigt ward und das dem Buchhändler Nicolai, der es in seiner Geschichte von Berlin abdrucken ließ, von der Familie Lynar unter anderen Papieren mitgetheilt wurde, also: ,,Deshalb bekenne ich feierlich, daß ich nicht allein mich dafür ausgebe, sondern auch mir solches zu großen Ehren und Ruhm achte und Gott dem Herrn für solche Gnade nicht ge= nug zu danken wisse, in Betrachtung, solche Gabe und Kunst seltsam (selten), im Krieg und Frieden hoch

nöthig und dann einem Ritter und Kriegsmann so ehrlich urd rühmlich ist, daß in Italia, wie der Lande Art und des Kriegs Erfahrene wohl wissen, nicht allein die von Adel, sondern auch die fürnehmsten Fürsten und Herren sich darin wissentlich und zu Ruhm üben und gebrauchen lassen." Darauf bietet der Graf seinen Widersachern offne Fehde an, mit den Worten:,,Solches alles, was obsteht und schlüßlich, daß kein Mensch mich einiger Sachen und Thaten, die einem ehrlichen redlichen Mann nicht wohl anstehn, mit Recht beschulden kann, gedenke, wille und erbiete ich mich, vermittelst göttlicher Gnaden, jederzeit als lang ich das Leben haben werde, gegen männiglich mit Hand und Recht, wie einem rittermäBigen Ehrliebenden zustehet, zu vertheidigen und zu verfechten."

Vier Jahre aber, nachdem er diesen Absagebrief ausgehen lassen, ging Lynar doch noch aus dem Lande, er ging nach Brandenburg, um dort zu bauen.

Ein französischer Tourist Chappuzeau, der ein Jahrhundert später den Dresdner Hof im Jahre 1669 fah, beleuchtet den sächsischen Adelsgeist mit sehr freimüthiger Feder. Bei allem Vortheilhaften, was er über die Edelleute, durch die der sächsische Hof einen besonderen Glanz erhalte, fagt, entging ihm die große Schattenseite nicht. ~

,,Der Hof des Kurfürften von Sachsen, sagt er, ist einer der prächtigsten und glänzendften von Europa, er ist zugleich stattlich und galant und da es keinen Edelmann in Sachsen giebt, der sich nicht in der

Welt umgesehen hat, begreift es sich wohl, daß man in Dresden lauter wohlgebildete Leute trifft und die auf angenehmem Fuße leben. Der ganze sächsische Adek ist galant und es giebt keinen noch so wenig reichen Vater, der nicht Sorge trüge, feine Kinder gut zu er= ziehen, fie auf hohe Schulen zu schicken, und sie fremde Länder sehen zu lassen, vornehmlich Frankreich, für welches Land fie natürlich Zuneigung haben können, wenn es wahr ist, daß Hugo Capet aus sächsischer Familie herstammt. Es ist die große Zahl wohlge= bildeter Edelleute, die den sächsischen Hof groß macht. Dieser Adel ist einer der ältesten und er trägt eine ganz besondere Sorge, fich rein und unvermischt zu erhalten ein sächsischer Edelmann, ehe er eine MigHeirath thut und eine Frau nimmt, die nicht von väterlicher und mütterlicher Seite sechszehn Ahnen hat, schlägt oftmals sehr reiche Parthieen aus. Daher kommt es, daß es in Sachsen mehrere Edelleute in bedrängten Umständen gibt, die große Mühe haben, ihrer Geburt gemäß sich zu halten und hierin scheint es mir, die Wahrheit zu sagen, geht man etwas zu weit, da der Sohn ein genug guter Edelmann ist, wenn der Vater es ist und wenn dieser eine Reihe Ahnen aufzählen kann, die nicht aus der Art geschlagen sind, was den Adel und die Tugend anbelangt. Ich nehme beides Adel und Tugend zuz sammen, weil nach meiner Meinung, um ein guter Edelmann zu sein, man tugendlich sein muß und der Edelmann hauptsächlich an diesem Merkzeichen sich er= kennen lassen muß."

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Selbst der weit eher zu Lob als Tadel geneigte bekannte italienische Historiograph Gregorio Leti bestätigt dieses Urtheil des französischen Touristen über die vorherrschende Neigung des sächsischen Adels, fich als Kafte abzusperren. Leti war im Jahre 1687 am sächsischen Hofe, um Kurfürst Johann Georg III. seine Ritratti historico politiche della casa di Brandeburgo unter dem großen Kurfürsten zu überreichen; er publizirte darauf im folgenden Jahre ein ähnliches Werk über das sächsische Haus, das wie jenes durchaus panegyristisch gehalten ist. Nichtsdestoweniger fiel ihm der ganz absonderliche sächsische Adelsstolz auf: In Frankreich, in England, in Italien, sagt er, sind die, die im Stande sind, öffentlich so gänzend, als wenn sie von Adel wären, aufzutreten, von den Adeligen wie ihres Gleichen geachtet, man lebt mit ihnen in aller Familiarität, ja auf dem Fuße der Gleichheit. In Sachsen aber herrscht eine ganz andere Sitte. Wenn hier andre Leute dem Adel durch ihren Reichthum an Dienerschaft, Kleidern u. f. w. fich gleichstellen wollen, zieht der Adel sofort sich von ihnen zurück und hat keinen Umgang mehr mit ihnen, ja er läßt es ihnen bei erster Gelegenheit mit einer gewissen kalten Manier fühlen, daß er nicht liebe mit Leuten, die nicht von Adel find, in vertrau= ten Umgang zu kommen."

Es fiel den Franzosen, bei denen der Adel doch so viel galt, besonders auf, daß, während ihr großer König Ludwig XIV. Bürgerliche, wie den großen

Colbert, zu Staatsministern', ja sogar Bürgerliche wie Vauban und Catinat zu Marschällen zu ernennen nicht verschmähte und seinem Adel durch ein besonderes Edict vom Jahre 1669 ausdrücklich erlaubt hatte, Großhandlung zu treiben, der kleine sächsische Adel noch immer sich völlig hermetisch vom Bürger= thum absperrte und fern hielt. So äußert sich Carl Jordan, einer von der Familie Jordan, die nach Preußen emigrirte, wo sie durch die Freundschaft Friedrich's des Großen mit dem Geheimen Rath Carl Stephan berühmt ward, in seinen historischen Reisen, die im Jahre 1701 ans Licht traten: „Die sächsischen Edelleute machen viel Rühmens von ihrem Adel, fie treiben keinen Handel und verheirathen sich nicht einmal mit Kaufleuten und Roturiers, wenn sie auch sehr reiche Parthieen finden können, dergestalt, daß wenn einer zur Schande seines adeligen Blutes eine Bürgerliche heirathet, deren Vermögen sein Haus wieterherstellen könnte, man ihn Pfeffersack schimpft. Er läuft Gefahr, durch die an= dern Edelleute sein Leben einzubüßen."

Seit der Beseitigung Crell's und der bürgerlichen Kanzler und seit der dreißigjährige Krieg vollends den Adelsdespotismus befestigt hatte, hielt der sächsische Adel mit einer Zähheit, die eines würdigeren Gegen= standes werth gewesen wäre, auf seine altadelige Abkunft. Wer sie nicht nachweisen konnte, konnte und durfte der Hofehren nicht theilhaft werden. Schon unter Jo= hann Georg I. im Jahre 1650 bei einem während der Doppelhochzeit der beiden jüngsten Prinzen des Kur=

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