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fürsten gehaltenen Fußturniere heißt es in den Frankfurter Relationen: haben alle Edelleute in ihren Schilden ihre sechszehn

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abeligen

Ahnen aufführen oder zurückbleiben müssen." Diese seize quarrées wurden das Medusen= haupt für alle auch noch so bedeutende bürgerliche Notabilitäten, sie nicht blos vom Turnier und Hof, sondern auch vom Cabinet auszuschließen. Einen Fuchs, einen Meinders, einen Dankelmann, einen Ilgen, einen Cocceii, einen Thulemeyer, wie in Brandenburg, gab es in Sachsen nicht - bis auf Gutschmidt herunter, der zur Zeit der französ fischen Revolution erst Cabinetsminister wurde, durfte kein Bürgerlicher das Cabinet entweihen.

Bereits im ersten Jahre der Regierung Johann Georg's III., im Jahre 1631 stellte der sächsische Adel auf dem Landtage ausdrücklich das Begehren, ,,daß Niemand, der nicht adelig und vom Ritter stande sei, folle Lehen- oder Rittergü= ter erwerben dürfen." Und dieses Begehren erhob man, ohnerachtet eine lange Praris dagegen war: die alten hochangesehenen bürgerlichen Kanzler, wie die Piftoris, Mordeisen, Krakau, Pfeiffer u. s. w., die Doctoren beider Rechte waren, was sle den Reichsbaronen gleichstellte, hatten unbestritten eine Menge Rittergüter besessen. Der Kanzler Mordeisen, wie erwähnt wurde, batte ein so großes Befißthum aus Gütern des secularisirten Klosters Zelle zusammengebracht, daß es eine große Standesherrschaft ausmachen konnte. Dem Kanzler Pistoris gehörte das

recularisirte Kloster Seußlig an der Elbe. Dem Geheimen Rath Dr. Krakau gehörte Schönfeld bei Dresden. Dr. Pfeiffer, der legte Kanzler aus bürgerlicher Reihe unter Christian I. saß auf dem alten Pfalzgrafenfiz Goseck in Thüringen. Noch die Wittwe des Geheimen Raths Martini, welcher 1694 starb, brachte das Rittergut Lungwiß ihrem zweiten Manne, dem Kammerherrn Adolf Friedrich von Belau zu.

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Der Grund, worauf damals 1681 der sächsische Adel auf dem Landtage sein Begehren gründete, war dürr und trocken weil dadurch der Adel merklich ruiniret werde." In demselben Jahre 1681, merkwürdig genug, gerade in dem Jahre, das auf das große Kometenjahr, wo die alte Peft ihre leßten Opfer verlangt hatte, folgte, verlangte der alte sächfische Adel auch die definitive Ausschließung des neuen Adels von den Landtagen. Zwanzig Jahre darauf. aber erst, unter August dem Starken 1700 wurden diese Forderungen mit Gesezeskraft gestempelt: August schloß alle diejenigen von den Landtagen aus, die nicht mindestens acht Ahnen, vier vom Vater und vier von der Mutter nachweisen könnten und die sich außer ihrem Stande verheiratheten. Dadurch Dadurch wurde wurde die sächsische Adelsaristocratie ein geschloffenes Corps, eine Kaste, und die einflußreichen Familien fanden es ihrem Intereffe gemäß, fortwährend streng das System zu befolgen, sich durch Heirathen unter einander immer mehr und enger zu verschwägern. Das geschah zu der Zeit,

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wo in England, dem einzigen Lande in Europa, wo die Adelsaristokratie mächtig, reich und populär geblieben ist, das entgegengesezte System festen Fuß faßte, die nobility durch die nachgehornen Söhne immer mit der gentry in freundlicher Verbindung zu er halten und dadurch, daß jede Frau, sie sei von einem Stande, von welchem sie wolle, sogleich nach ibrer Verheirathung aller Rechte und Ehren, auch na= mentlich der Hofehren des Mannes theilhaftig ward, sowohl eine physisch sehr wohlthätige Racenkreuzung, als eine politisch sehr wichtige Heranziehung der Reichthümer der niedern Stände in den höhern zu vermitteln.

,,Nicht blos durch die Einwirkung der den königlichen Hoheitsrechten aufgelegten Beschränkungen, sagt Macauley, unterschied sich England vortheilhaft von seinen meisten Nachbarländern. Eine eben, so wichtige, wenn auch weniger beachtete Eigenthümlichkeit war das Verhältniß, in dem hier der hohe Adel zu den andern Classen stand. Es bestand eine starke erbliche Aristokratie, aber sie war von allen erblichen Aristofratieen die mindest anmaßende und ausschließende. Sie hatte nichts von dem gehässigen Charakter einer Kaste. Sie nahm fortwährend Mitglieder aus dem Volke auf und sendete fortwährend Mitglieder herab, um sich mit dem Volke zu vermischen. Jeder Gentleman konnte ein Peer werden. Der jüngere Sohn eines Peer war nur ein Gentle= Es galt für keine Schande, wenn ein Commoner die Tochter eines Herzogs, ja selbst eines Herzogs

man.

vom königlichen Geblüte heirathete. Sir John Ho= ward heirathete die Tochter des Herzogs von Norfolk, Sir Richard Pole die des Herzogs von Clarence. Gutes Blut stand allerdings in hohem Ansehen, aber zwischen gutem Blute und den Vorrechten der Peerswürde gab es, zum großen Glück für unser Land, keinen nothwendigen Zusam menhang. Außer dem Hause der Lords waren eben so lange Stammbäume und eben so alte Wappen zu finden, wie in ihm. Es gab neu emporgekommene Männer, die die höchsten Titel trugen. Es gab dage= gen wieder Vettern des Königsgeschlechts Planta= genet, die feinen höhern Titel als den eines Esquire genossen und keine anderen bürgerlichen Vorrechte, wie der gewöhnliche Pachter und Krämer. Es gab also hier keine solche Grenzlinie, wie in anderen Ländern den Patricier vom Plebejer scheidet. Der ge= meine Gutsbefizer war nicht geneigt über Würden zu murren, zu denen seine eignen Kinder emporkommen konnten und wieder der Mann vom hohen Adel war nicht geneigt mit Hochmuth eine Classe zu behandeln, in die seine eignen Kinder herabsteigen mußten."

Kurz nach der Zeit, wo der Adel zur Kafte sich in Sachsen abschloß, hing der berühmte Philipp Stanhope, Lord Chesterfield unter den Ahnenbildern seiner Vorfahren zwei alte Köpfe mit auf, mit der nachdenklichen Umschrift:,,Adam von Stanhope" und,,Eva von Stanhope.

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Dabei ist endlich gar wohl ins Gedächtniß zurückzurufen, daß der englische Adel, statt die Steuerfreiheit,

wie der sächsische, in Anspruch zu nehmen, gar nicht daran dachte, sich der Mitleidenheit an den Staatslasten zu entziehen, im Gegentheil, er trug fle in dem Verhältniß, daß er, der am meisten hatte, auch am meisten zahlte.

Indem der alte Adel mit den acht quarées in Sachsen so eine feft abgeschlossene Kaste ward, ausschließlich das Recht genoß, auf dem Landtage zu erscheinen und hier, selbst der Steuerfreiheit genießend, Solda = ten und Steuern nach Belieben zu verwillgen, beherrschte er das Land und den Herren des Landes. Die Städte, die neben dem Adel die Landtage beschickten, waren seit dem dreißigjährigen Kriege zu einem traurigen Servilismus herabgesunken und das Sprichwort ist sehr charakteristisch, das damals auffam : ,,Des Landtags Inbegriff faßt sich in einen Reim: Kommt und bewilliget und scheert euch wieder heim." Nur die beiden großen Städte Dresden und vornehmlich Leipzig hatten neben dem Adel einen Einfluß, aber die= sen Einfluß genoß nicht die Bürgerschaft dieser Städte, sondern die Stadträthe. Der Stadtrath zu Dresden erhielt unter Johann Georg II. sogar das Privilegium bestätigt, keine Rechnungen ablegen zu dürfen. [6. Septbr. 1675.]

2. Erste katholische Umtriebe in Sachsen.

In einem Punkte, der aber damals alle Gemüther beherrschte, gab Johann Georg II. gleich am Anfange seiner Regierung seinem Lande die bündigsten

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