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Albius Tibullus.

Die Nachrichten vom Leben dieses Dichters verdanken wir zum gröfsten Teil seinen eigenen Angaben und aufserdem zwei Gedichten des Horaz (c. 1,33; epp. 1, 4), welche dieser dem ihm befreundeten Tibull gewidmet hat.

Albius Tibullus (sein Vorname ist unbekannt) ward um das Jahr 54 v. Chr. geboren. Seine Vaterstadt kennen wir nicht; jedenfalls wanderte er, wie die besten Talente in damaliger Zeit, jung aus der Provinz nach Rom, wo er mit den hervorragendsten Dichtern der Hauptstadt, namentlich mit Horaz, befreundet ward. Er stammte aus einer nicht unbemittelten Familie; doch ward sein Erbgut, wir wissen nicht genau bei welcher Gelegenheit,1) bedeutend geschmälert. Trotzdem war er nicht verarmt.2) Wir wissen, dafs er ein Landgut im ager Pedanus (in regione Pedana, Hor. epp. I 4, 2) 3) in der Nähe von Tibur in Latium besass, wohin er sich gern von dem geräuschvollen Treiben der Weltstadt zurückzog, um das von ihm hochgepriesene Landleben zu genielsen. Früh erwarb er sich die Freundschaft des als Redner und Staatsmann ausgezeichneten M.Valerius Messalla Corvinus 4),

1) Wahrscheinlich bei der Ackerverteilung des Jahres 41 (Gardth. Aug. 1, 188 ff.; Marx in Pauly-Wiss. Realencycl.), bei der auch Properz u. Virgil ihr väterliches Gut verloren.

2) Hor. epp. 14, 7 di tibi divitias dederunt artemque fruendi; Stat. silv. I 2, 255 dives foco lucente Tibullus.

3) Pedum, eine frühzeitig verfallene Latinerstadt (Porpo. ad for. epp. 14, 2) an der via Labicana, zwischen Tibur und Praeneste gelegen (Liv. 8, 13).

4) Messalla, geb. um 64 v. Chr., hatte bei Philippi unter Brutus und Cassius mitgekämpft und sich dann dem Antonius angeschlossen. Er ging jedoch bald zum Octavian über, von dessen Flotte er bei Actium 31 v. Chr. das Centrum (Gardth. 1, 379) befehligte. Nach seinen Feldzügen im Orient und in Aquitanien lebte er in Rom seiner litterarischen Thätigkeit und zeichnete sich namentlich als Redner (Orator) aus. Sein

welcher den Dichter wiederholt aufforderte, ihn auf seinen Feldzügen zu begleiten. Als daher Messalla nach der Schlacht bei Actium im J. 31 von Octavian nach dem Osten entsandt wurde, wollte Tibull seinem Gönner dorthin folgen (Dio LI 7, 7). Er erkrankte jedoch während der Überfahrt und mufste von Corcyra allein nach Rom zurückreisen,1) Nachdem Messalla in Ägypten, Syrien und Cilicien geordnete Verhältnisse hergestellt hatte und im J. 29 nach Rom heimgekehrt war, wurde er von Augustus im J. 28 gegen die aufständischen Aquitanier nach Gallien geschickt, wohin ihn Tibull begleitete. Für den glänzenden Sieg über die Aquitanier, die Messalla im Herbst des J. 28 am Atax unweit Narbonne in offener Feldschlacht überwand, wurde ihm im Herbst des J. 27 die Ehre des Triumphes zu teil. 2)) - In seinen Liedern feiert Tibull aufser dem Landleben eine Libertine Plania, welche er unter dem Namen Delia besingt. Wie unsere mittelhochdeutschen Dichter es für eine ‘unzuhť' hielten, den Namen der Geliebten offen zu nennen, so war es auch bei den römischen Dichtern Sitte, statt des wahren Namens der Gefeierten einen erdichteten zu wählen, welcher an Silbenzahl und Silbenmafs jenem genau entsprechen mufste (Bentley Hor. c. II 12, 13). Tibull nannte seine Geliebte Delia 3), indem er wahrscheinlich den römischen Namen Plania gräcisierte (planus =dños) und dabei zugleich an die auf Delos geborene Artemis, der Plania an Schönheit gleichkommen sollte, erinnerte. In seinen späteren Gedichten finden wir sie nicht mehr erwähnt; eine zweite Geliebte hatte ihre Stelle eingenommen, welche Tibull unter dem Namen Nemesis feiert. Horaz erwähnt ausserdem als Geliebte des Dichters eine Glycera ), die wahrscheinlich mit einer der beiden genannten identisch ist. Tibull starb

Haus stand, wie das des Maecenas, den Dichtern offen, von denen aufser Tibull namentlich Ovid ihm zu Dank verpflichtet war. Dieser nennt ihn ex P. 17, 28 hortator studii causaque faxque mei (II 3, 75 ss. u. II 2). Er starb vor dem J. 8 n. Chr. (ex P. I 7, 29 s.; s. z. Tib. Nr. VII; Ov. Nr. XVIII). Den Ursprung des cognomen Messalla im Hause der Valerii Corvini, die sich von M. Valerius, dem Helden der Samniterkriege herleiteten, lehrt Ov. f. 1, 595 hunc Numidae faciunt, illum Messana superbum: M. Valerius Maximus, cos. 263 v. Chr., hatte Messana von der punischen Besatzung befreit.

1) Nach anderen (Ribbeck und Belling Tib. 181 ff.) hat Tibull den Messalla auch nach dem Orient begleitet.

2) Triumphavit ex Gallia VII K. Oct. 727

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27 v. Chr.

3) Appulei, ap. 10 (Ehwald Phil. 1895, 455 ff.; Leo Phil. Untersuch. 2, 22).

in jugendlichem Alter bald nach Virgil, im Jahre 19 v. Chr. Während das erste ) und wohl auch das zweite ) Buch seiner Elegieen noch bei seinen Lebzeiten von ihm selbst veröffentlicht worden sind, wurden seine übrigen Gedichte erst nach seinem Tode herausgegeben und später mit denen eines jüngeren Zeitgenossen, des Lygdamus, e) und einigen andern vereint.

Ovid widmete dem früh verstorbenen Dichter einen poetischen Nachruf (Nr. V).

TIBULL.

I. An Delia (lib. I).

Nr. I (c. 1).

Divitias alius fulvo sibi congerat auro
Et teneat culti iugera multa soli,
Quem labor adsiduus vicino terreat hoste,
Martia cui somnos classica pulsa fugent:

I. Von Corcyra zurückgekehrt, entschuldigt sich Tibull mit dieser Elegie bei Messalla, dafs er ihm nicht nach dem Orient nachfolge, sondern in Rom bleibe. Ihm gilt die Mufse des Landlebens und die Liebe seiner Delia mehr als aller Reichtum : somit treten uns sogleich in der ersten Elegie die beiden Hauptthemata Tibullischer Poesie entgegen, und darum bildet sie sehr passend den Anfang des ersten Buches, obwohl sie der Zeit nach nicht die erste ist. Sie ist wahrscheinlich im Frühling des J. 30 v. Chr. gedichtet.

1-14. 'Gold und Schätze, mit Mühen des Krieges errungen, mögen andern zu teil werden: ich wünsche in friedlicher Ruhe ländlicher Arbeit bei mässigem Besitz mein Leben hinzubringen.'

1. fulvo auro] abl. instr.: divitias congerat congerendo auro. Ov. ber. 16, 224 congesto auri pondere dives ero? Beachte die zwei Arten des Reichtums; Hor. epp. II 3, 421 dives agris, dives positis in fenore nummis sat. I 2, 13; II 3, 184; epp. I 2, 47; Ov. f. 5, 280 s. aut pecus aut latam dives habebat humum (hinc etiam lo

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cuples, hinc ipsa pecunia dicta est

Viehstand). Schon Homer Il. 9, 125 s. unterscheidet den alios ȧvýę von dem ἀκτήμων ἐριτίμοιο χρυσοῖο 5, 613. 7, 473 ss. Varro 1. 1. 5, 95 in pecore pecunia tum pastoribus consistebat; r. r. II 1, 11 omnis pecuniae pecus fundamentum. Noch bei Cicero (p. Rosc. A. 2, 6) bezeichnet pecunia das gesamte Vermögen. Von dem ältesten geprägten Gelde heifst es bei Varro r. r. II 1, 9 aes antiquissimum quod est flatum pecore est notatum; got. faihu Vieh u. Geld. Goethe H. u. D. 4 es macht nicht das Glück der Haufe beim Haufen, nicht der Acker am Acker.' Den, der sich im Kriege Geld erworben, nennt Ov. a. III 8, 9s. recens dives parto per vulnera censu u. sanguine pastus eques. Nr. VII 6.

2. Das Gegenteil bei Ov. f. 3, 192 iugeraque inculti pauca tenere soli.

3. labor] лóvos, die Mühsal des Kampfes; so auch in Prosa (Caes. b. G. III 26, 2; VII 41, 2.

4. classicum] das Alarmsignal (von classis der Heerhaufen', 'das Aufgebot', eine Schar Krieger zu Lande oder zu Wasser, daher classes

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