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Chommoda dicebat, si quando commoda vellet Dicere, et insidias Arrius hinsidias,

XXIII. Das von Catull mit diesen Worten dem Cicero gespendete Lob ist schwerlich ernstlich gemeint. Eine Bescheidenheit, wie sie sich hier in dem Urteil, das Catull über sich selbst fällt, zeigen würde, wenn man das Gedicht ernst nähme, war dem Altertume völlig fremd. Der Sinn ist: 'so wenig ich, Catull, der schlechteste der römischen Dichter bin, so wenig bist du, Cicero, der bedeutendste Anwalt Roms'. Vielleicht antwortete Catull hiermit auf Angriffe, die er und seine Dichterschule, die veάTEQo, wiederholt von Cicero erfahren hatten; so hat Cicero namentlich über die bei diesen nach alexandrinischer Manier öfter wiederkehrenden versus sponsiaci gespottet; vgl. Einl. S. 9.

1. disertus] zu sein war nicht das höchste Lob des Redners; so sagt der Redner M. Antonius bei Cic. or. 5, 18 disertos se vidisse multos, eloquentem omnino neminem; de orat. I 21, 95 existat talis orator qualem quaerimus, qui iure non solum disertus, sed etiam eloquens dici possit. Romuli nepotes für Romani ist spöttisch; ähnlich gebraucht Catull Remi nepotes c. 58, 5.

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2. quot sunt quotque fuere etc.] Diese der Umgangssprache ent

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lehnte breite Wendung findet sich öfter bei Catull. Cic. p. red. ad pop. 7, 16 vir omnium qui sunt, fuerunt, erunt princeps. Die Anrede M. Tulli hat etwas auffallend Feierliches, da sonst in der Poesie in der Regel nur das cognomen oder nomen gentilicium hierzu verwandt ward.

7. patronus] statt patr. es; hier ist die der Umgangssprache entlehnte Auslassung der Form von esse durch tu entschuldigt. tantoquanto] eo meiden die Dichter, wie überhaupt die Formen von is; Cat. 29, 20 Bährens; Ov. tr. III 4, 27 Owen.

XXIV. Wie in England der Ungebildete oft in Zweifel ist, ob er das h am Anfang der Wörter aussprechen soll oder nicht (to drop the h), so war dies auch in Rom der Fall, wiewohl hier die Aspiration ein selbst von Gebildeten viel umstrittenes Kapitel der Grammatik war. Cäsar widmete in seiner grammatischen Schrift de analogia der Aspiration einen eigenen Abschnitt. Doch scheinen auch in Rom die Gebildeten in der Aussprache des h meist übereingestimmt zu haben. Wenigstens sagt Nigidius Figulus, ein Grammatiker aus der Zeit des Cicero: rusticus fit sermo, si ad

Et tum mirifice sperabat se esse locutum,
Cum quantum poterat dixerat hinsidias.
Credo, sic mater, sic liber avunculus eius,
Sic maternus avus dixerat atque avia.
Hoc misso in Syriam requierant omnibus aures:
Audibant eadem haec leniter et leviter,
Nec sibi postilla metuebant talia verba,
Cum subito adfertur nuntius horribilis,
Ionios fluctus, postquam illuc Arrius isset,
Iam non Ionios esse, sed Hionios.

Nr. XXV (c. 93).

Nil nimium studeo, Caesar, tibi velle placere,
Nec scire utrum sis albus an ater homo.

spires perperam.- Catull verspottet in diesem Gedicht einen gewissen Arrius, vielleicht den von Cic. Brut. 69, 242 genannten unbedeutenden Redner, der mit der Aussprache des h Unglück hatte. Das kleine Gedicht ward bald berühmt und wird bereits von Quintilian I 5, 20 erwähnt: erupit brevi tempore nimius usus (des h), ut choronae, chenturiones, praechones adhuc quibusdam inscriptionibus maneant, qua de re Catulli nobile epigramma est.

3. sperabat] er bildete sich ein. 4. quantum poterat] mit aller Kraft.

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leise'; len. bezeichnet den milden Klang der Stimme im Gegensatz zum rauhen, lev. den leisen im Gegensatz zum lauten; c. 64, 273; Prop. IV 8, 50.

9. postilla statt postea, gehört der Umgangssprache an.

XXV. Catull stand als eifriger Republikaner den Bestrebungen Čäsars schroff gegenüber und verfolgte ihn und seine Anhänger mit beifsenden Epigrammen. Tac. ann. 4, 34 carmina Bibaculi et Catulli referta contumeliis Caesarum leguntur. Suet. Iul. Caes. 73 Valerium Catullum, a quo sibi versiculis de Mamurra perpetua stigmata imposita non dissimulaverat, satisfacientem eadem die adhibuit cenae, hospitioque patris eius sicut consuerat uti perseveravit.

1. velle] steht pleonastisch. Dies ist der Umgangssprache entlehnt, findet sich aber auch bei Dichtern öfter; Ov. met. 10, 132 velle mori statuit; f. 2, 261 s.; nolle met. 10, 39; Cic. p. Mur. 50 nolite velle. Hor. s. II 6, 43.

2. albus an ater] sprichwörtlich; Phaedr. III 15,10; Cic. Phil. II 16, 41; Tusc. 5, 114; Hor. epp. II 2, 189;

Nr. XXVI (c. 116).

Saepe tibi studioso animo venante requirens
Carmina uti possem mittere Battiadae,
Qui te lenirem nobis, neu conarere

Telis infestum mittere in usque caput,

Hunc video mihi nunc frustra sumptum esse laborem,
Gelli, nec nostras hic valuisse preces.
Contra nos tela ista tua evitamus amictu:
At fixus nostris tu dabi' supplicium.

IV. Ariadne auf Dia.

Nr. XXVII (c. 64, 50-265).

Haec vestis priscis hominum variata figuris

Apul. apol. 482. Die Redensart bezeichnet, dafs jemand einem ganz gleichgültig ist.

XXVI. Catull hatte sich vergeblich bemüht einen gewissen Gellius, vielleicht den Konsul des J. 36 L. Gellius, einen Sohn des Konsuls G. vom J. 72, durch Übersendung von Übersetzungen aus Kallimachos für sich zu gewinnen. Nunmehr droht der Dichter mit den Pfeilen seiner lamben. Es sind mehrere dieser an Gellius gerichteten Epigramme erhalten.

1. tibi] das nachdrucksvoll vorangestellt ist, gehört zu mittere. studioso animo venante] — animo studiose venante.

2. uti] Er sucht nach einem schicklichen Anlafs, wie er ihm die Übersetzung widmen (mitt.) könne. Battiadae] z. Nr X 16.

3. Der Vers besteht nur aus Spondeen. Ennius ann. 1, 66 olli respondit rex Albai longai. qui] st. quibus gehört der älteren Sprache an. Beachte nobis neben lenirem und mihi.

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4. telis] gehört zu mittere zielen. Tac. dial. 12 eloquentiae usus in locum teli repertus. Hor. s. II 1, 39 ss. nennt seine Satiren stilus u. ensis; Ov. Ib. 44ss. (vgl.

=

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in

iambus von ιάπτειν = iactare, von
den Pfeilen des Spottes). Prop. II
8, 15 s. usque in nostrum iacies
verba superba caput? Schiller Br.
v. M. 1 ausgeleert hab' ich der
Worte Köcher', 'den bittern Pfeil
des raschen Worts senden'.
festum] passiv 'gefährdet' wie Cic.
p. Rosc. A. 11, 30 filii vita infesta,
saepe ferro atque insidiis adpetita;
Liv. VII 25, 4. Gell. IX 12, 2 et
is infestus appellatur, qui malum
infert cuipiam, et contra, cui aliunde
impendet malum, is quoque infestus
dicitur. in usque] Nr. III 24.

5. Caes. b. G. III 14, 1 intellexit frustra tantum laborem sumi.

6. hic] 'in diesem Bestreben dich mir geneigt zu machen'.

8. dabi'] nur hier gestattet sich Catull die Elision des s; dies galt damals für subrusticum (Cic. or. 48, 161) und ward gerade von den poetae novi vermieden, während die im älteren Stil schreibenden Dichter, wie Cicero selbst in seinem Jugendgedicht Aratea, diese Elision noch zuliefsen. Hier findet sie darin eine gewisse Entschuldigung, dafs sie vor einem s stattfindet.

XXVII. In ein längeres Gedicht von der Hochzeit des Peleus und der Thetis fügte Catull nach alexan

Heroum mira virtutes indicat arte.
Namque fluentisono prospectans litore Diae
Thesea cedentem celeri cum classe tuetur
Indomitos in corde gerens Ariadna furores,
Necdum etiam sese quae visit visere credit,

drinischer Manier als Episode die Erzählung von Theseus und der Ariadne ein. Zur Feier der Vermählung des sterblichen Peleus mit der Göttin waren zu Pharsalus in Thessalien viele Gäste von nah und fern erschienen. Die Königsburg strahlt von Gold und Silber, vor allen anderen Schätzen aber lenkt ein Teppich die Aufmerksamkeit aller auf sich, auf welchem die Geschichte des Theseus und derAriadne dargestellt war (v. 50-265). Auch die Götter erscheinen zur frohen Feier, die Parzen singen feierlich ihr Schicksalslied. Mit einem Lob auf die gute alte Zeit, da die Götter noch unter dem frommen Menschengeschlecht auf Erden weilten, schliefst das Gedicht. Ähnlich ist bei Virgil (A. 5, 252 ss.) die Darstellung des Raubes des Ganymedes in einen Purpurmantel eingewebt; so spricht Ovid von pictae vestes (mit Bildern durchwebte Teppiche: met. 6, 131); schon Helena wirkt bei Homer Il. 3, 126 in ein Gewand die Kämpfe der Trojaner und Griechen; Andromache 22, 440 s. (Cic. Verr. IV 1, 1 pictura in textili, farbige Stickerei auf gewebtem Stoffe; acu pingere).· Das Gedicht ward bald berühmt und bereits von Lygdamus, einem Zeitgenossen des Tibull, erwähnt (6, 39 ss.). Es ist in alexandrinischem Geschmack gedichtet, ohne jedoch einem bestimmten Vorbilde entlehnt zu sein. Die Sage von der Ariadne war ein Lieblingsgegenstand für die griechischen und römischen Dichter und Künstler.

50. vestis] hier wie v. 163 u. 265 eine Purpurdecke, welche das Brautbett ziert. Sonst wurde die stra

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gula vestis (Guhl u. K.6 682) über die Polster der Speisesofas, lecti triclinares, gebreitet. Prop. I 4, 14; Ov. am. I 4, 48; a. a. 2, 618. priscis hominum figuris] dichterisch für: priscorum hom. figuris ; Ov. tr. 2, 521 s. prisca virorum corpora.

51. virtutes] Heldenthaten: Il. 9, 524s. κλέα ἀνδρῶν ἡρώων.

52. fluentisono] ἅπαξ λεγόμενον; Od. 11, 325 Δίῃ ἐν ἀμφιρύτῃ. Nach der älteren Sage stirbt Ariadne auf Dia, Od. 11, 321-325; hierzu bemerkt der Scholiast: Δια νῆσος πρὸς τῇ Κρήτῃ [ἥτις νῦν Νάξος καλεῖται]· ἱερὰ δὲ αὕτη τοῦ Διοvioov. Später dachte man wohl an die Cycladeninsel Naxos, welche gleichfalls ihres Weinreichtums wegen dem Dionysos geweiht war.

53. classis] Eine Flotte begleitet den Königssohn Theseus nach Kreta; ähnlich Hor. c. I 15, 1; Ov. f. 1, 539 u. öfter bei Homer, namentlich vom Paris. tuetur = intuetur.

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55. necdum etiam] 'und noch nicht'; Verg. A. 1, 25; 8, 697. Das zeitliche etiam 'noch' tritt zu Negationen (Cic. Verr. 3, 194), bisweilen pleonastisch zu den mit dum zusammengesetzten Adverbien nondum (Ter. Andr. 201; Hec. 192; Cic. p. Rosc. A. 8, 23; Prop. I 3, 11; II 10, 25), vixdum (Cic. Cat. 1, 10), nihildum (Verr. 4, 9), nequedum (Caes. b. c. I 58, 3). Ähnlich nec non et (Verg. A. 4, 140; Hand Turs. 4, 112), quoque et 'auch

Ut pote fallaci quae tunc primum excita somno
Desertam in sola miseram se cernat harena.
Inmemor at iuvenis fugiens pellit vada remis,
Inrita ventosae linquens promissa procellae.
Quem procul ex alga maestis Minois ocellis
Saxea ut effigies bacchantis prospicit euhoe,
Prospicit et magnis curarum fluctuat undis,
Non flavo retinens subtilem vertice mitram,
Non contecta levi velatum pectus amictu,
Non tereti strophio lactentis vincta papillas,

noch', 'dazu noch' (Verg. A. 1, 5;
ἔτι δὲ και).
visere] ein verstärk-
tes videre, scharf hinsehn'.

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56, ut pote quae] eigentlich: wie es möglich is bei einer, welche. somno] statt ex somno (Liv. 4, 27) wegen excita. Lygd. 4, 12. Sall. Jug. 72, 2 somno exitus.

57. sola] 'öde'; v. 133; 168. 58. inmem.] zu Nr. IX 1.

59. Eine bei römischen Dichtern häufig wiederkehrende Formel: so v. 142; Nr. IX 10. linquens] z.

v. 117.

60. alga] Theokr. id. 11, 14 nennt den mit Seetang bedeckten Strand ἀϊὼν φυκώεσσα; 7, 58 ἐσχατα φυκία. Mivals] Ariadne, die Tochter des Minos, des Königs von Kreta; Ap. Rh. 4, 433.

61. euhoe] gehört wie v. 255 zu bacchantis. prospicere c. acc. (Hor. epp. I 10, 23; Plin. ep. II 17, 12; Sen. ep. 86, 8) wie prospectare (Tac. ann. 14, 9).

62 s. Cat. wiederholt nach dem Vorbilde der Alexandriner und Homers mit Vorliebe am Anfange des Hexameters ein Wort des vorhergehenden Verses; s. 27, 133, 260, 286, 322, 404; 66, 75; 82; Nr. XXVIII 62 (Epanalepsis). - Verg. A. 4, 532 magno irarum fluctuat aestu; 8, 19 magno curarum fluctuat aestu. curae] die Sorgen der Liebe; v. 72; Nr. XV 10; Prop. Nr. XVII 3. Men. 264 toov boyû καὶ θάλασσα καὶ γυνή.

63. Schon Hesiod (Theog. 947 s.)

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nennt sie ξανθὴν Αριάδνην. Wie noch jetzt den Südländern, erschien auch dem Griechen das blonde Haar als besonders schön und edel, und er teilte es gern den Jünglingen und Frauen seines idealen Heldenund Götterkreises zu'; so flava Minerva. Ebenso candida von schönen Frauen und Jünglingen: Dido (A. 5,571), c. Venus, candens Apollo u. a. Bei Cat. Theseus (v. 98), Berenice und Protesilaus; Hor. c. I 5, 4 (Kiefsl.); so schon Hom. Il. 1, 197 ξανθῆς δὲ κόμης ἕλε Πηλείωνα.

mitram] eine bunte Schärpe, die in Griechenland von den Frauen um den Kopf und unter das Kinn geschlungen ward; μlvoa Guhl u. K.6 306; 739.

64 non gehört zu cont. u. vel.; v. 103. Verg. A. 7, 298; Tac. ann. 3, 11; 14, 32; Agr. 18. Goethe Tasso 4, 2 ihr kennt mich, ich kenne mich nicht mehr'; 4, 4 'du siehst, dafs ich mir selbst in diesem Augenblick, mir keine Macht der Welt gebieten kann'. - contecía] medial: die nicht verhüllt hat; ebenso vincta v. 65. Tib. Nr. II 28; V 14; VII 5. Bei Cat. findet sich dieser Gebrauch des inneren Objekts, der bei den august. Dichtern nach griech. Vorbilde so häufig erscheint, nur in diesem Gedicht (5 mal). contecta steht pleonast.; Caes. b. G. VII 59, 5.

65. σroógiov] Guhl u. K. 473. lactent.] weils wie Milch; Petron. 86 (sonst lacteus Verg. A. 8,

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