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Qui nunc it per iter tenebricosum
Illuc, unde negant redire quemquam.
At vobis male sit, malae tenebrae
Orci, quae omnia bella devoratis:
Tam bellum mihi passerem abstulistis.
O factum male! io miselle passer!
Tua nunc opera meae puellae
Flendo turgiduli rubent ocelli.

Nr. XVII (c. 36).

Annales Volusi, cacata charta,

11. it per iter] vgl. transit iter c. 68b, 60; eine zierliche Wiederholung derselben Sylbe, wie v. 13 ('Doch dir mein Fluch, fluchwürdige Finsternis'). iter tenebricosum] der Weg in die finstere Unterwelt. Od. 20, 64 ήερόεντα xéleva von dem Weg in die Unterwelt. Schiller K. u. L. 5, 1 'aber Mut genug mufst du haben, eine finstere Strafse zu wandeln'.

12. Theokr. 17, 120 Aidi лávτα κέκρυπται, ὅθεν πάλιν οὐκέτι νόστος u. Philetas fr. 4 ἀτραπὸν εἰς Ἀΐδεω ἤνυσα, τὴν οὔπω τις ἐναντίον ἦλθεν ὁδίτης; Anakr. fr. 43b; Kallim. epigr. 14, 3. Shakesp. Hamlet 'the undiscover'd country, from whose bourn no traveller returns'. Goethe, Egm. 5 'Im Augenblick, da ich die dunkle Pforte eröffne, aus der kein Rückweg ist.'

13. at] leitet, wie oft, eine Verwünschung (male sit tibi) ein; 28, 14; Verg. A. 2, 535. Ter. Andr. 666 (Spengel).

14. Bion 1, 55 τὸ δὲ πᾶν καλὸν ἐς σὲ καταρρεῖ. Das ist das Los des Schönen auf der Erde.' Orcus, ὅρκος = έρκος von είργω, ἔργω, das rings umschlossene Gebiet, aus dem niemand entkommen kann (Hesych. ὅρκοι δεσμοί).

=

16. o fact. male] formula lugentis obitum alicuius (Boot zu Cic.

15

mis.]

ad Att. 12, 10; 15, 1a); das Gegenteil ist o factum bene! Tertull. de test. an. 4 cum alicuius defuncti recordaris, misellum vocas eum; Apul. met. 8, 1 (Friedl. Petron. 297).

17. tua opera] 'durch deine Schuld', Nep. Lys. 1, 3; Alcib. 6, 2.

18. Prop. I 21, 3 quid nostro gemitu turgentia lumina torques?

XVII.Catull blickte im Gefühl seiner eigenen Dichterkraft voll Verachtung auf das niedere Volk der Reimschmiede herab; dies wufste Lesbia, und so gelobte sie scherzend, wenn Catull, der mit ihr einen Zwist gehabt hatte, sich wieder mit ihr aussöhnen würde, den Göttern ein Dankopfer darzubringen: statt des Weihrauchs wollte sie die dicken Volumina des Volusius (des Bändereichen) der Venus als Rauchopfer darbringen. Catull erwähnt dessen Gedichte auch sonst (c. 95, 7—10), wo er von ihnen sagt, die Fischweiber würden bald ihre Fische in sie einwickeln. Es ist sehr wabrscheinlich, dafs der hier gegeifselte Volusius der als Annalenschreiber bekannte Tanusius Geminus ist; warum Catull ihn nicht bei seinem wahren Namen genannt hat, wissen wir nicht. Auch dieses Lied erlangte bald Berühmtheit; Seneca ep. 93, 11 spielt darauf an, indem

Votum solvite pro mea puella:
Nam sanctae Veneri Cupidinique
Vovit, si sibi restitutus essem
Desissemque truces vibrare iambos,
Electissima pessimi poetae
Scripta tardipedi deo daturam
Infelicibus ustulanda lignis.
Et hoc pessima se puella vidit
Iocose lepide vovere divis.
Nunc, o caeruleo creata ponto,
Quae sanctum Idalium Uriosque

er sagt: annales Tanusii scis quam
ponderosi sint et quid vocentur.

1. cacata charta] verfluchte Dreck papiere'.

5. vibrare] indem die Iamben mit einem geschleuderten Geschofs verglichen werden; Nr. XXVI 7 s. Der Iambus ward namentlich in Spott- und Schmähgedichten angewandt, so bereits von Archilochos.

=

7. scripta] Gedichte, wie Hor. s. I 10, 55; epp. I 19, 42. tardipedi deo (= Vulcano) daturam] ergänze se. tardus (βραδύς) claudus, so Prop. Nr. XXV 59. 'Hephaistos ist lahm, weil die Schmiede meist lahm sind. Denn in naturwüchsigen Verhältnissen ist die Berufswahl sehr wesentlich von körperlichen Zuständen abhängig: der Blinde wird Sänger, der Lahme, der einen kräftigen Oberkörper hat, kann zwar nicht den Acker bestellen und das Vieh weiden, wohl aber mit Hammer und Blasebalg hantieren'. Ed. Meyer, die wirtsch. Entwick. des Alt. 1895, 16.

8. infelicia ligna] Holz von einer arbor infelix, wie es bei der Vollstreckung einer Strafe verwandt ward. Macrob. sat. 3, 20 arbores quae inferum deorum avertentiumque in tutela sunt, eas infelices nominant; quibus portenta prodigiaque mala comburi iubere oportet. Solche Bäume waren der wilde Birnbaum, Dornen u. namentlich Bäume mit schwarzen Früchten.

apertos

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Dagegen ist z. B. die Olive arbor felix (f. oliva Verg. A. 6, 230) nach der Grundbedeutung des Wortes 'fruchtbar' d. h. mit geniessbaren Früchten (desselben Stammes, wie femina, fenus, fetus, fecundus). Vgl. unser 'edel' und 'wild'. Arabia felix; Tib. Nr. I 1, 19; Verg. ge. 2, 81; Tac. h. IV 53, 7; Plin. n. h. 16, 108 infelices existimantur damnataeque religione, quae neque seruntur unquam neque fructum ferunt. Cic. p. Mil. 13, 33 infelicissimis lignis semustilatum.

9. pessima p.] das lose Mädchen'; so auch mala 'schalkhaft', 'schlau' (Lor. Plaut. mil. gl. 192).

10. iocose lepide] Das Asyndeton, das im älteren Latein sehr üblich war, hat sich in der Umgangssprache namentlich in Formeln und Redensarten (ventis remis) und da erhalten, wo es sich um zwei gleichartige oder entgegengesetzte Begriffe, die sich gegenseitig ergänzen (oro obsecro, summi infimi), handelt.

12. Nach dem Brauche griech. Hymnendichtung bezeichnet Cat. die Göttin durch Nennung ihrer vorzüglichsten Kultstätten (Verg. A. 10, 51 s.). Zwischen die Anrufung der Göttin und die Bitte, die man an sie richtet, wird als Begründung die Verkündigung ihrer Macht und Bedeutung eingeschoben. 'Idálov] ein bewaldetes Vorgebirge und eine Stadt auf Cypern

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Quaeque Ancona Cnidumque harundinosam
Colis quaeque Amathunta quaeque Golgos
Quaeque Durrachium Hadriae tabernam,
Acceptum face redditumque votum,

Si non inlepidum neque invenustum est.
At vos interea venite in ignem,
Pleni ruris et inficetiarum

Annales Volusi, cacata charta.

Nr. XVIII (c. S).

Miser Catulle, desinas ineptire,

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mit berühmtem Tempel der VeΟὔριον, Οὔρειον, Urii, ein Hafen an der apulischen Küste (sinus Urias), an der Nordseite des mons Garganus (Mela II 4, 7; Ptol. III 1, 17). apertos] der sinus Ur. öffnet sich weit nach dem Adriatischen Meere zu. Caes. b. G. III 9, 7 in vastissimo atque ap. Oceano; 8, 1; Verg. A. 5, 212; Ov. m. 11, 397.

am

13. Ayxov] oder Ancona Adriatischen Meere; Venus war die Schutzgöttin der Stadt. Prisc. 5, 23 in multis videmus commutatione terminationis genera quoque esse conversa, ut & xoaτno, haec cratera; vgl. Crotona (Koóra), statera (oravno), panthera (rávne), lanterna (lauτń), diota (dlovs), amphora (au popeus), crepida (xonлis) u. a. Kvldos] in Karien, berühmt durch seine Statue der Venus von Praxiteles. Das Schilf

von Cnidus war gleichfalls bekannt; man verarbeitete es zu Papier, das Rohr zu Pfeilen.

14. Vgl. Paus. IX 41, 2 ori de Αμαθοῦς ἐν Κύπρῳ πόλις· Αδώ νίδος ἐν αὐτῇ καὶ Αφροδίτης ἱερόν ἐστιν ἀρχαῖον. Schon bei Homer (11. 5, 330) heifst Aphrodite KiTOS. Cypern galt als Geburtsort der Göttin, deren aus Phönizien stammender Kult sich von Paphos

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und Amathus (Verg. A. 10, 51) aus weiter verbreitet hatte. Tokyol, ein heiliger Bezirk auf Cypern, nach dem die Venus Tolyla hiefs. Theokr. id. 15, 100 déσποιν', ἃ Γολγώς τε καὶ Ἰδάλιον ἐφίλησας (später Paphos).

15. Strabo VII 5, 8 p. 316 'Exlδαμνος Κερκυραίων κτίσμα ἡ νῦν Δυρράχιον ὁμωνύμως τῇ Χεῤῥονήσῳ λεγομένη, ἐφ' ἡ ίδρυται; bei Plaut. (Men. II 1, 34) heifst es von dieser Seestadt, dem Hafen für die Überfahrt nach Brundisium: in Epidamniis voluptarii atque potatores maxumi; tum sycophantae et palpatores plurumi in urbe hac habitant; daher taberna. Hadria z. Nr. II 6.

16. accept. r. f.] kaufmännische Ausdrücke: schreibe gut und erkenne als geleistet an. face] beachte die alte Form.

17. inven.] áxúngov: was der Venus zuwider ist; Nr. XVI 2. 18. at] zu Prop. Nr. XXI 71.

19. rus] bezeichnet im Gegensatz zum verfeinerten Geschmack Roms, der urbanitas, den rohen Bauerngeschmack.

20. Das Gedicht endigt in Catulls Manier bekräftigend mit demselben Verse, mit dem es bgonnen.

XVIII. Ein Selbstgespräch des Catull, in welchem er sich ermahnt

Et quod vides perisse perditum ducas.
Fulsere quondam candidi tibi soles,
Cum ventitabas quo puella ducebat
Amata nobis quantum amabitur nulla.
Ibi illa multa tum iocosa fiebant,
Quae tu volebas nec puella nolebat.
Fulsere vere candidi tibi soles.

Nunc iam illa non vult: tu quoque, inpotens, noli,
Nec quae fugit sectare, nec miser vive,
Sed obstinata mente perfer, obdura.

die leichtsinnige und ungetreue Les-
bia aufzugeben. Macaulay Life 2,
448 The first lines of Miser C.;
the lines to Cornificius, written evi-
dently from a sick bed; and part
of the poem beginning 'Si qua r.'
(Nr. XX) affect me more than I
can explain. They always move
me to tears.

1. Die nachdenkliche Selbstanrede soll das Mitleid erwecken, wie Prop. II 8, 17 sic igitur prima moriere aetate, Properti?

2. Plaut. Cist. IV 2, 36 quod periit, periit; Trin. IV 3, 19 quin tu quod periit, perisse ducis? Hin ist hin, verloren ist verloren.' perisse perd.] Paronomasie (Lor. Plaut. Pseud. 291).

3. cand.] glücklich; so spricht Mart. VIII 45, 5 von einer nox candida. Das Gegenteil ist tenebrae (Trübsal'): Verg. A. 2, 92 tenebrae luctusque. candid, hell u. ater, niger dunkel zur Bezeichnung von Glück und Unglück. cand. ist das glänzende, leuchtende Weils gegenüber dem matten albus. candidi soles] glückliche Tage; ähnlich Aeschyl. Pers. 301 lev×Òv huaq. Hor. sat. I 9, 72s. huncine solem tam nigrum surrexe mihi. soles steht auch in Prosa häufig in der Bedeutung 'sonnige Tage'; ohne diesen Nebenbegriff und nur zur Bezeichnung des Tages im Gegensatz zur Nacht findet es sich nur bei Dichtern. Vgl. 'Monde' statt 'Monate'. Schiller Picc. 2, 2

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'die Sonnen also scheinen uns nicht
mehr'; Goethe Tasso 4, 1 es geht
die Sonne mir der schönsten Gunst
auf einmal unter'. Der Plural
nach der Anschauung, dass jeder
Tag seine eigene Sonne hat; Verg.
A. 1, 745. Goethe Epil. z. Schill.
Glocke und noch am Abend vor
den letzten Sonnen'; Schiller 'und
SO flohen dreissig Sonnen'.
fuls.] Liv. XXX 30, 15 et mihi
talis aliquando fortuna adfulsit.

5. Fast dieselben Worte gebraucht
Catull c. 37, 12. nobis] die erste
Person, während er vorher in der
zweiten Person zu sich sprach.
6. Verbinde ibi tum.

8. Zur Bestätigung wiederholt Catull die früheren Worte (v. 3); ähnlich Nr. XX 13s.; c. 80, 5 u. 7 nescio quid certe est: sic certe est; c. 38, 1 s. male est male est. Ähnlich bei Fragen; Nr. V 3 u. 5.

9. nunc] ist dem quondam v. 3 entgegengesetzt. Verb. iam non. inpotens] z. Nr. III 18.

10. quae] fem. sing. miser] weil vivere = esse. Cic. ad Att. 3, 5 vivo miserrimus; ad fam. XIV 1, 2 beatissimi viveremus (Niem. Plaut. Trin. 390). Hor. s. I 2, 108 fugientia captare; Theokr. 11, 75; Kallim. epigr. 31, 5 và pɛvyovrα διώκειν.

11. perfer, obdura] c. 55, 15 s. dic nobis, ede audacter, committe, crede luci; c. 42, 13 o lutum, lupanar; c. 54, 2 rustica semilauta; Nr. X 9 u. oft. Der zweite Impe

Vale, puella. iam Catullus obdurat,
Nec te requiret nec rogabit invitam:
At tu dolebis, cum rogaberis nulla.
Scelesta, vae te! quae tibi manet vita!
Quis nunc te adibit? cui videberis bella?
Quem nunc amabis? cuius esse diceris?
Quem basiabis? cui labella mordebis?
At tu, Catulle, destinatus obdura.

Nr. XIX (c. 85).

Odi et amo. quare id faciam, fortasse requiris.
Nescio, sed fieri sentio et excrucior.

Nr. XX (c. 76).

Siqua recordanti bene facta priora voluptas
Est homini, cum se cogitat esse pium,
Nec sanctam violasse fidem, nec foedere nullo
Divum ad fallendos numine abusum homines,

rativ bestimmt den ersten näher
(epexeget. Asyndeton). Dagegen
perfer et obdura Ov. am. III 11, 7;
a. a. 2, 178; tr. V 11, 7; Hor. s. II
5, 39. durare u. obdurare 'sich
verhärten' (Tac. ann. 1,6; 14,1 Nipp.).

14. nulla] statt non; ähnlich hodiernus venio, crastinus eo. 'nullus leugnet das Subjekt, während es doch existiert und nur das Prädikat geleugnet werden soll. Daher ist diese Redeweise unlogisch und wird von den späteren Dichtern gemieden. Aber es lebte in der Umgangssprache fort. Haupt. Niem. Plaut. Trin. 606.

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Und doch kann ich mich nicht von dir losreifsen.' 'In einem Distichon ein ganzes Menschenleben'. Haupt. Terenz Eun. I 1, 27 et taedet, et amore ardeo; Ov. am. III 11, 35 odero si potero, si non, invitus amabo; Publ. Syr. 6 aut amat aut odit mulier, nihil est tertium.

1. odi] absolut 'von Hafs erfüllt sein'; Lucr. 3, 1069; Hor. s. II 1, 23; Cic. Phil. XII 6, 15. Der Gegenstand des Hasses ist aus dem Zusammenhang zu entnehmen.

XX. Die Untreue der Lesbia zwingt den Dichter endlich, sich, wenn auch mit schwerem Herzen, von ihr loszureifsen. Wir fühlen dabei durch, dafs die Liebe trotz alledem noch nicht in ihm erloschen ist. Einen Trost findet er nur in dem Bewusstsein, ihr stets treu gewesen zu sein.

2. pius ist rein, sittlich rein; piare reinigen; purus ist stammverwandt.

3. Doppelte Negation, die im

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