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keines seiner Gedichte Ereignisse, die über das J. 16 v. Chr. hinausliegen, erwähnt, so ist anzunehmen, dafs er kurze Zeit nach diesem Jahr gestorben ist.

Seine Gedichte zeichnen sich aus durch leidenschaftliche Glut der Sprache, verbunden mit gelehrten mythologischen Anspielungen, durch welche jene gemäfsigt und geadelt wird. Das letzte Buch enthält zum Teil Gedichte, in denen Properz nach der Art der Atria des Kallimachos 1) die alten Sagen Roms besingt. Durch diese Gedichte erhielt wahrscheinlich Ovid die erste Anregung zu seinen Fasten), in denen er ähnliche Stoffe behandelte, vielleicht auch zu seinen Heroiden (Nr. XXIV)').

1) Die Altia des Kallimachos (Susem. Alex. 1, 353 ff.), in elegischem Versmafs geschrieben, erklärten Gebräuche des Privatlebens und des Kultus, Denkmäler und Heiligtümer und dergl. nach ihrem Ursprung und Namen. Die einzelnen Elegieen, in vier Bücher zusammengefasst, erzählten die Ursprungsgeschichten von Spielen, Völkern und heiligen Gebräuchen und die Gründungslegenden von Städten, d) Prop. IV 1, 69 sacra diesque canam et cognomina prisca locorum. Ähnlich waren die origines des M. Porcius Cato, die Aetia des M. Terentius Varro und die Fasti des Ovid.

PROPERZ.

Nr. I (c. I 22).

DER GEBURTSORT DES DICHTERS.

Qualis et unde genus, qui sint mihi, Tulle, penates,
Quaeris pro nostra semper amicitia.

Si Perusina tibi patriae sunt nota sepulcra,
Italiae duris funera temporibus,

Cum Romana suos egit discordia cives

(Sic mihi praecipue, pulvis Etrusca, dolor: Tu proiecta mei perpessa es membra propinqui,

I. Am Ende des ersten Buches hängt der Dichter ein kleines Gedicht an, in welchem er dem Leser erzählt, wo er geboren ist; gerichtet ist es an seinen Freund Tullus. Ähnlich berichten andere Dichter über ihre persönlichen Verhältnisse, so Hor. epp. I 20, 20 ss.; Verg. ge. 4, 559 ss.; Ov. Nr. 1; am. 3, 15.

1. Anklang an Hom. Od. 19, 105 τις πόθεν εἷς ἀνδρῶν; πόθι τοι πόλις ἠδὲ τοκῆες ; genus] τὸ yévos acc. Verg. A. 8, 114; Ov. f. 4, 66. Das Wort gehört auch zu qualis, zu dem aus sint sim zu ergänzen ist.

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2. semper] adjektivisch gebraucht nach griechischem Sprachgebrauch continua; Verg. A. 1, 198 neque ignari sumus ante malorum u. z. Cat. Nr. III 10. Auch in der Prosa ist dieser Gebrauch gar nicht selten, namentlich findet er sich bei Livius (z. B. 5, 51); Cic. n. d. 2, 66 deorum saepe praesentiae; Caes. b. G. III 29, 1; V 40, 4; b. c. III 56, 1.

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Tu nullo miseri contegis ossa solo):

Proxima supposito contingens Umbria campo Me genuit terris fertilis uberibus.

I. Tarpeja.

Nr. II (c. IV 4).

Tarpeium nemus et Tarpeiae turpe sepulcrum

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9. Umbria proxima supposito campo] (Dativ). Er stammte also aus dem gebirgigen Teil Umbriens, welcher an die perusinische Ebene stöfst. Welchen Ort der Dichter meint, steht nicht fest, wahrscheinlich Asisium. Sen. Herc. 0. 317 terras suppositas; häufiger steht subiectus in diesem Sinne (Caes. b. c. III 79, 3; Liv. Il 38, 1; Tac. h. 3, 63, u. o.). — contingens steht absolut = daran stofsend.-Z. Nr. XXII 7.

10. Ov. f. 4, 422 culto fertilis Henna solo; Liv. XXVIII 37, 8. Die Fruchtbarkeit Umbriens loben Strabo 5, 217; Pers. 3, 74; Athen. 12, 526 s.

II. Properz behandelte in einer Reihe von Elegieen nach dem Muster der Altia des Kallimachos (s. Einl.) die ältesten Sagen Roms; erhalten sind von diesen origines urbis noch fünf Gedichte, zu denen das vorliegende gehört. Es behandelt die Sage von der Tarpeja. Als im Kriege gegen die Sabiner Tarpejus auf Befehl des Romulus den Hügel des Kapitols, der damals noch aufserhalb Roms lag, besetzt hielt, verriet seine Tochter Tarpeja den Berg

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an den König der Sabiner, Tatius; Liv. 1, 11; Ov. f. 1, 261 ss.; m. 8, 1 ss. (vgl. v. 21 ss. mit Prop. v. 19 ss.; 44 ss. mit 31 ss.; 48 mit 34). Man vergleiche die poetische Darstellung des Properz, der vielfach von der volkstümlichen Überlieferung abweicht, mit der Erzählung bei Livius, namentlich die Worte: huius (Tarpei) filiam virginem auro corrumpit Tatius. Das sentimentale Moment der Liebe hat zuerst Prop. in diese Sage hineingetragen. Das erste Distichon enthält das Thema der Elegie, v. 3-30 die Exposition der Erzählung, v. 31-66 den Monolog der Tarpeja, v. 67 - 92 den Fortgang der Erzählung; mit dem letzten Distichon kehrt der Dichter zum Anfang zurück.

1. Tarp. nemus] dieser Hain wird zu Properz' Zeiten kaum noch bestanden haben; wohl aber erinnerte der Name der Gegend (inter duos lucos und Tarpeii luci: c. IV 8, 31; Verg. A. 8, 342; Ov. f.3, 429 s.; Cic. de div. 2,40) noch an den alten Hain. Jedenfalls waren die Hügel Roms in alter Zeit bewaldet gewesen, wie schon die Namen lehren (Querquetulanus, Viminalis, Esquilinus von aesculus: Liv. V 53, 9). Plut. Rom. 18 тñs Таρëηtas ἐκεῖ ταφείσης ὁ λόφος ὠνομάζετο Ταρπήϊος. turpe sepulcrum] wegen des Verrats der Tarpeja; sie ward auf dem Kapitol begraben.

Fabor et antiqui limina capta Iovis.
Lucus erat felix hederoso conditus antro,
Multaque nativis obstrepit arbor aquis,
Silvani ramosa domus, quo dulcis ab aestu
Fistula poturas ire iubebat oves.
Hunc Tatius fontem vallo praecingit acerno,
Fidaque suggesta castra coronat humo.
Quid tum Roma fuit, tubicen vicina Curetis
Cum quateret lento murmure saxa Iovis,
Atque ubi nunc terris dicuntur iura subactis,
Stabant Romano pila Sabina foro?

Murus erant montes: ubi nunc est curia saepta,
Bellicus ex illo fonte bibebat equus.
Hinc Tarpeia deae fontem libavit: at illi
Urgebat medium fictilis urna caput.

2. Der Kapitolinische Hügel, auf dem sich später der Tempel des luppiter Capitolinus erhob.

3. lucus] der Dichter denkt sich den Kapitolin. Hügel mit dichtem (felix) Gebüsch bewachsen und die Thalschlucht (antrum) an seinem Fufse mit einem Hain bestanden: nemus v. 1, 28, 48 und Verg. A. 8, 348 ss. Vielleicht ist an das alte Asylum, eine Vertiefung zwischen den beiden Höhen des Kapitolin. Hügels, zu denken; Liv. 1 8, 5. Am Rande des Hains ist die Quelle. Das Lager des Tatius befindet sich auf dem Forum (v. 11 s.). Nach der Seite des Marsfeldes fällt der Hügel steil ab (v. 28 und 83). - felix] fruchtbar, so silvae Verg. ge. 4, 329; rami 2, 81; arbores Liv. 5, 24. ditus] versteckt liegend, einsam.

con

4. nativ.] von einer Quelle, im Gegensatz zu künstlich herbeigeleitetem Wasser. obstrep.] Hor. ep. 2, 27.

5. Silvanus] der Gott des Waldes. 7. Tatius rückt mit seinem Lager bis dicht an die Quelle heran, die aus dem Kapitolinischen Hügel herVorbricht und zwischen den feindlichen Lagern liegt. - fons] die Quelle und das von ihr durch

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flossene Gelände; z. Nr. III 11. Die Vestalinnen schöpften gewöhnlich aus einer Quelle in einem Hain bei der porta Capena, die den Camenae heilig war; Liv. I 11, 6; 21, 3.

8. coronare] ringsum einschliefsen; Ov. met. 5, 388 silva coronat aquas cingens latus omne; στεφανόω. In Prosa findet sich corona cingere und ähnliches bei Livius. Vgl. corona vom Kreise der Zuhörer. Bisweilen bezeichnet coron. nur eine teilweise Einschliefsung (Liv. XXIV 2,10; XXVI 45,5) wie auch claudere (Liv. XXII 47,10). 9. tubicen] z. Tib. Nr. IV 47. Curetis] Adj. zu Cures, der Hauptstadt der Sabiner; vgl. Quiritis, Caeretis. lentum] langgezogen.

12. pila] das Fufsvolk. 13. saepta] von Mauern eingeschlossen. In der Kurie versammelte sich der Senat.

14. illo] die oben erwähnte. 15. hinc] aus dieser Quelle. Tarpeia, die als Vestalin ewige Keuschheit gelobt hatte, ward schon dadurch strafbar, dafs sie sich in Tatius verliebte. — deae] der Vesta, deren Dienerin Tarpeja war. -fontem] Quellwasser. at] z. Tib. Nr. Ill 63.

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16. Ovid. f. 3, 13 s. (von der

Et satis una malae potuit mors esse puellae,
Quae voluit flammas fallere, Vesta, tuas?
Vidit harenosis Tatium proludere campis,
Pictaque per flavas arma levare iubas:
Obstupuit regis facie et regalibus armis,
Interque oblitas excidit urna manus.
Saepe illa inmeritae causata est omina lunae
Et sibi tinguendas dixit in amne comas:
Saepe tulit blandis argentea lilia nymphis,
Romula ne faciem laederet hasta Tati.
Dumque subit primo Capitolia nubila fumo,
Rettulit hirsutis bracchia secta rubis,
Et sua Tarpeia residens ita flevit ab arce
Vulnera, vicino non patienda Iovi:

Vestalin Ilia): ventum erat ad molli
declivem tramite ripam: ponitur e
summa fictilis urna coma; Val.
Max. IV 4, 11 aeternos Vestae fo-
cos fictilibus etiam nunc vasis con-
tentos; Pers. 2, 60. Man trug die
Urne auf dem Kopf oder der Schul-
ter, wenn man Wasser vom Brunnen
holte.

17 s. Et] leitet, wie xal, häufig eine Frage unwilliger Verwunderung ein (Ehwald Ov. m. 9, 203). una] = sola: konnte der Tod allein, ohne die Schande üblen Nachruhms, Strafe genug für so grofsen Frevel sein? Hor. c. III 27, 37 s. levis una mors est virginum culpae; Cic. p. Mur. 74 uno adventu nostri exercitus deleti sunt; Sen. Herc. 0. 866 levis una mors est; Liv. VIII 33, 8. Od. 22, 462 μǹ μὴν δὴ καθαρῷ θανάτῳ ἀπὸ θυ μὸν ἑλοίμην ; Soph. Ant. 308 οὐχ ὑμῖν "Αιδης μοῦνος ἀρκέσει.

In leidenschaftlichem Zorn über die pflichtvergessene Priesterin unterbricht der Dichter mit dieser Frage den Gang der Erzählung. Cic. p. Deiot. 9, 26 quae crux huic fugitivo potest satis supplicii adferre?

19. Verg. A. 8, 638 heifst Tatius senex. proludere] wie bei Parth. 21 ἡ γὰρ (Κύπρις) ἐπ' Αιακίδη κούρῃ φρένας ἐπτοίησεν Πεισι

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δίκῃ, ὅτε τόν γε μετὰ προμάχοισιν ̓Αχαιῶν χάρμῃ ἀγαλλόμενον θηέ

σκετο.

20. iubae] die Pferdemähne, wie v. 38. Der Singular bezeichnet den Helmbusch: IV 10,20; Verg. A. 7,785.

22. obl. man.] den Händen der Vestalin, die vor Staunen das Gefäfs, welches sie trägt, vergifst und fallen läfst (excid. urna; Tib. Nr. VIII 3 s.). Ov. m. 3, 39 effluxere urnae manibus.

23s. causari] προφασίζεσθαι ; Tib. Nr. III 17. omina lunae] Träume; Waschungen sollten verhindern, dafs sie in Erfüllung gingen; Verg. A. 8, 68 s. Luna schickt alle Träume; Lygd. 4, 9 nennt sie omina noctis.

24. Sie gab vor durch Abwaschungen die bösen Träume unschädlich machen zu wollen; in Wahrheit suchte sie nur eine Gelegenheit den Tatius zu sehen.

25. blandis] die sich leicht erbitten lassen, gefällig. 26. Romula] -- Romulea. 27. Capitolia] der Plur. bezeichnet die Gröfse. fumo] Nebel; ebenso Ov. met. 1, 570.

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29. Tarp.] proleptisch. dens] sie bleibt zurück, während alle andern sich zur Ruhe begeben. 30. luppiter, dessen Tempel in

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