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29. September 1917.

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Abb. 41 zeigt das Filmbild eines Oberschenkelbeines, bei dem von 2700 Gesamtbildern 120 Auszugbilder zum Filmauszug Abb. 42 vereinigt sind.

Unsere ganze Arbeit bei der Konstruktion und Herstellung künstlicher Arme und Beine wird aber vergebens sein, wenn sie nicht für die Amputierten und durch die Amputierten zur wirklichen Ausnutzung gelangt. So seltsam es klingt, heute und nach den vorangegangenen Erörterungen einen solchen Satz überhaupt auszusprechen, so muß doch leider festgestellt werden, daß er zur Zeit noch eine erhebliche Berechtigung besitzt. Es ist nicht böser Wille seitens der Amputierten, insbesondere der Armamputierten, daß sie, auch wenn sie mit zweckmäßigem Armersatz ausgerüstet sind, von diesem meist noch so wenig Gebrauch machen. Es liegt wohl viel an der seelischen Bedrücktheit eines bisher gesunden Menschen, der durch den Verlust eines wichtigen Gliedes aus der Laufbahn geworfen ist, an dem langen Aufenthalt in Lazaretten nur unter Leidensgenossen, am Mangel an der Schulung, mit dem Ersatzglied richtig umzugehen, und am Mangel an Lehrmeistern, die einen gutwilli

deutscher Ingenieure.

verwaltung. Sobald sie aber aus dem militärischen Verhältnis ausscheiden, und auch schon in der Uebergangzeit tritt die bürgerliche Fürsorge neben der militärischen in Tätigkeit. Diese beiden Verwaltungsköpfe sind oben in Abb. 43 dargestellt. Innerhalb der Heeresverwaltung sorgen zunächst die Sanitätsämter mittels der Reserve- und andern Lazarette für die Heilung des Schwerbeschädigten und die Wiedergangbarmachung des Stumpfes, eine Fürsorge, die unter der Leitung der Chefärzte den Stationsärzten zufällt. Sobald der Stationsarzt den Heilungsprozeß bei einem Kriegsbeschädigten für so weit vorgeschritten hält, daß dieser im Sinn einer arbeitstherapeutischen Behandlung arbeitsfähig ist, benachrichtigt er den Vertrauensmann des Lazaretts, der sich seinerseits mit den in der bürgerlichen Fürsorge tätigen Orts- und Fachbeiräten in Verbindung setzt, die als Mitglieder der Fürsorge- bezw. Hauptfürsorgestellen nunmehr den Zusammenhang mit der bürgerlichen Fürsorge herstellen. Befindet sich im Bereich der Lazarette eine Prüfstelle für Ersatzglieder, deren Zusammensetzung aus Aerzten, Ingenieuren und Orthopädiemechanikern eine besonders sachgemäße Er

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Vorschlag zu einer die militärische und körperliche Fürsorge der Schwerbeschädigten umfassenden Organisation.

gen und mit einem zweckmäßigen Ersatzglied ausgerüsteten Schwerbeschädigten in den alten Beruf wieder einführen oder für einen neuen Beruf ausbilden können, daß so betrübende Mißerfolge auf dem Gebiete der Wiederertüchtigung Schwerbeschädigter zu verzeichnen sind. Wir stehen daher vor der großen Gefahr, daß sich aus den 25000 bis 30000 Schwerbeschädigten ein Proletariat bildet, das für unsere Landwirtschaft, unser Handwerk, unsere Industrie und darüber hinaus für die Gesamtheit unseres Volkes eine schwere Sorge während der nächsten 30 bis 40 Jahre werden kann.

Es handelt sich also darum, aus den wissenschaftlichen Ergebnissen der Ersatzgliederprüfung die organisatorischen Folgerungen zu ziehen, und es wäre eine mangelhafte und schlechte Arbeit des Ingenieurs, wenn er seine konstruktive und fabrikatorische Tätigkeit nicht durch die richtige Organisationstätigkeit krönte.

Es sei daher zum Schluß ein Vorschlag gemacht, wie eine solche Organisation wohl arbeiten müßte, Abb. 43.

Die Versorgung der Kriegsbeschädigten übernimmt, solange sie im militärischen Verhältnis stehen, die Heeres

satzgliedberatung ermöglicht, so wird unter Hinzuziehung des Berufsberaters und des Bandagisten das richtige Arbeitsglied für den vorliegenden Amputations- oder Lähmungsfall herausgesucht und von dem Bandagisten angefertigt werden. Da die Beziehungen der Prüfstellen zur Industrie in der Regel sehr innig sein werden, so wird sich bei der Beratung auch sofort die Möglichkeit ergeben, den Kriegsbeschädigten in einer geeigneten Fabrik zur Wiedereinführung in die Arbeit unterzubringen, sobald er durch den Bandagisten mit dem Ersatz- oder wenigstens dem Behelfsglied ausgerüstet ist. Die Beamten der Prüfstelle oder der Berufsberater und die Fachbeiräte werden dann die Ueberwachung oder Anlernung des Kriegsbeschädigten an der Arbeitstelle in die Hand nehmen müssen. Hier tritt also sofort eine innige Berührung mit den Arbeitgebern, mögen sie nun aus Industrie, Handwerk oder Landwirtschaft stammen, ein, da es sich nach unsern Erfahrungen als zweckmäßig erwiesen hat, die Schwerbeschädigten nur möglichst kurze Zeit mit Leidensgenossen allein arbeiten zu lassen. Man muß sie vielmehr möglichst schnell in das pulsierende Leben der Wirklichkeit

zurückführen und daran gewöhnen, inmitten von gesunden Arbeitern im üblichen Wettbewerb wieder zu wirken und sich in dem Gebrauch ihrer Kunstglieder zu üben. Durch diese praktische Tätigkeit zeigt sich auch am schnellsten, ob das Ersatzglied richtig ausgewählt war, ob der Stumpf wirklich wieder arbeitsfähig ist und ob die Nerven des Kriegsbeschädigten schon so gekräftigt sind, daß sie dauernde Arbeit im Beruf wieder aushalten. Daher müssen während dieser Uebergangszeit die Aerzte auch noch die Ueberwachung in der Hand halten, denn nur unter ärztlicher Obhut werden körperliche und seelische Schädigungen durch vorzeitige Ueberanstrengungen eines solchen Mannes verhindert. Auf der andern Seite wird es sehr leicht möglich sein, den an die Arbeit bereits gewöhnten Mann endgültig in der Fabrik, in der er angelernt worden ist, zu belassen; jedenfalls wird eine Ueberführung in eine geeignete endgültige Stellung nunmehr sehr erleichtert sein. Ja, es ist sogar möglich, von vornherein auf die Heimatfabrik des Beschädigten Rücksicht zu nehmen und ihn, wenn möglich, gleich in diese zu leiten; denn jede Fabrik hat nicht nur ein moralisches, sondern ein eigenes lebendiges Interesse daran, die aus ihrer früheren Arbeitsheimat Gerissenen wieder in die alte Beschäftigung zurückzunehmen, an die sie durch Ort, Gewohnheit und Anhänglichkeit gefesselt sind. Seien wir auch der Zeitverhältnisse eingedenk! Heute sind die Herzen noch offen, die Dankbarkeit gegen die Schärfstgetroffenen ist noch groß, heute ist daher die gegebene Zeit, unter der Einwirkung dieser moralischen Triebkräfte die schwere Uebergangzeit zu überwinden, Zeit, Mühe und Kosten für die Wiedergewinnung der Schwerbeschädigten für wirkliche Arbeit aufzuwenden, heute wird ja auch jede Vierteloder halbe Arbeitskraft notwendigst gebraucht. Warten wir aber mit der Wiedereinstellung der Schwerbeschädigten zu lange, so wird man versuchen, sich durch materielle Hilfe von moralischen Verpflichtungen loszukaufen, und wird darüber vergessen, daß nur die Arbeit im Berufe den Menschen auf die Dauer glücklich macht und geistig hochhält, daß es möglich ist, auf diesem Gebiete bei unablässiger Bemühung Erhebliches zu leisten, sei es mit Oberarm-, sei es mit Unterarm-Amputierten, mit Wirkungsgraden, die zwischen 40 und 100 vH schwanken. Dies zeigen Abb. 44 bis 46, Textblatt 2, für den Maler und Tapezierer, 47 52, >> 2, » Stellmacher, 2,

«

>> 53 » 58,

»

Schuhmacher,

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die sich durch ihre Unterschriften selbst erklären. Abb. 44 and 45 beweisen an einem 21 jährigen mit kurzem rechtem Unterarmstumpf geborenen Tapezierer, welche Erhöhung der Leistungsfähigkeit eintritt, wenn man den an die Arbeit mit dem nackten Stumpf gewöhnten Mann mit einem richtigen Ersatzglied ausrüstet. Der Betreffende schreibt heute begeisterte Briefe, um wieviel glücklicher er sich fühle, daß er schon im täglichen Leben wieder wie ein normaler Mensch aussehe, und wieviel mehr er leiste, nachdem ihm an Stelle des Stumpfes ein zweckmäßiges Ersatzglied - im vorliegenden Falle die Berliner Hand mit willkürlichem Daumenzug angesetzt ist.

So sicher es ist, daß ohne festen Willen des Amputierten nichts zu erreichen ist, so sicher ist auch, daß der willenstärkste Krüppel nichts im Beruf erreichen kann, wenn ihm nicht die richtigen Ersatzglieder zur Verfügung gestellt werden. In den Merkblätter 8 bis 14 der Prüfstelle sind über die einzelnen hier dargestellten und noch andre Berufe ausführliche Angaben gemacht. Es genügt daher, auf sie zu verweisen.

Nicht Trostesworte und auch nicht Geldhilfen allein genügen, um unsere schwerstgeprüften Krieger, die ein langes Leben mit zerschlagenen Gliedern vor sich sehen, wieder aufzurichten; ein Mensch, der das Leben ertragen will, braucht Arbeit, braucht ihre Anregung und die allein in der Arbeit liegende Befriedigung und Aufrichtung, sonst sinkt er von Stufe zu Stufe: zum Pförtner, zum Drehorgelspieler, zum Säufer. Das müssen wir verhindern. Darum muß heute schon die Organisation eingerichtet werden, die zunächst Arbeitsmöglichkeit, dann dauernde Arbeitsgelegenheit schafft. Wir müssen den Schwerbeschädigten an die Stelle setzen, an der er tätig sein kann, ohne Gefahr zu laufen, im Frieden wieder verdrängt zu werden; insbesondere muß der Satz aufgestellt werden, daß für Armamputierte in allen handwerklichen, industriellen und landwirtschaftlichen Betrieben die Plätze vorbehalten bleiben müssen, die ein Einarmiger oder ein mit einem Behelfsglied Versehener noch voll ausfüllen kann. Erst dann dürfen wir erwarten, daß von den Lippen dieser wiedererstandenen Männer erst leise und wehmütig, dann immer lauter und voller das deutsche Lied zum Himmel dringt: Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!

Bücherschau

Bei der Redaktion eingegangene Bücher. Eine Besprechung der eingesandten Bücher wird vorbehalten.) Flugschriften der Zentralstelle für Volkswohlfahrt. Heft 12: Psychologische Berufsberatung. Ziele, Grundlagen und Methoden. Von O. Lipmann. Berlin 1917, Carl Heymann. 30 S. Preis 40, 25 Stück 8,75 M, 50 Stück 15 M.

Englands Kampf um den naturwissenschaftlichen Unterricht. Von Prof. Dr. H. Großmann. Stuttgart 1917, Ferdinand Enke. 69 S. Preis geh. 3 M.

Sonderausgabe aus der Sammlung chemischer und chemisch-technischer Vorträge. Band XXIII.

Das Ablesen der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsmesser. Von P. Richards. Wittenberg 1917, R. Herrosé. 22 S. Preis 40 .

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