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Ein entsprechender Erfolg dieses Unterrichts in den Naturwissenschaften dürfte freilich nur in dem Falle zu erwarten sein, wenn es gelingt, geeignete Lehrkräfte dafür zu gewinnen und heranzubilden. Dies ist eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit; wenn man in Preussen auf den öden Gedächtniskram hinwies, auf den häufig der naturwissenschaftliche Unterricht hinauslaufe, so wird man den Grund des Mifserfolgs nicht zum wenigsten in der verkehrten Behandlung der Sache von seiten der Lehrer zu suchen haben. Hier kommt es dem Lehrer in erhöhtem Mafse zu, das Bedeutende aus der Masse der Einzelheiten herauszugreifen und auf dessen Verständnis und Aneignung alle Mühe zu verwenden; es kommt darauf an, Freude zu erwecken an Beobachtung und Vergleichung, an dem physikalischen und chemischen Experiment; bei der Prüfung der Kandidaten für diesen Unterricht müfste daher, abgesehen von der Probe des eigenen Wissens noch ganz besonders eine solche über die Fähigkeit der Mitteilung abgelegt werden. Wer aber so als Lehrer die Klippe unfruchtbarer Häufung des Wissenswerten zu vermeiden weifs, der mufs andererseits nicht minder acht haben, dafs er nicht Gefahr läuft, gehaltlose Spielerei an Stelle ernsten Unterrichts zu setzen. Dieser Gefahr aber ist derjenige am ersten ausgesetzt, der nicht im stande ist, sich den Schülern gegenüber volle Autorität zu wahren; in Rücksicht darauf müfste daher auch die äufsere Stellung und die Beförderung dieser Lehrer geordnet werden. Wir verkennen nicht die Schwierigkeit der Sache gerade in diesem Falle; scheitert ja doch auch sonst an diesem Kardinalpunkt jedes wahrhaft fruchtbaren Unterrichts, der Wahrung der vollen Autorität, manchmal der beste Wille. Niemand aber wird behaupten wollen, dafs die Schwierigkeit, tüchtige Lehrer zu bekommen, von der Ausführung überhaupt abschrecken dürfe. Erweist sich die Sache als unumgängliche Forderung, so liegt dem Staate auch die Pflicht ob, für Lehrer und Lehrmittel in ausreichender Weise zu sorgen. Oder ist nicht die gedeihliche Entwicklung der Gymnasien ein wesentliches Interesse jedes geordneten Staatswesens? Hat man seinerzeit Mittel gehabt znr Errichtung der Realgymnasien, von denen eines bereits entschlafen ist, so dafs wir vielleicht die Erbschaft der vorhandenen naturwissenschaftlichen Lehrmittel antreten können, warum sollte der Staat eine berechtigte Forderung unserer Gymnasien unberücksichtigt lassen?

Die Auswahl und Bestimmung desjenigen, was von den Naturwissenschaften auf dem Gymnasium mitgeteilt werden soll, dürfte natürlich nicht den Vertretern der Naturwissenschaften allein überlassen werden, wenn sie auch von denselben auszugehen hat. Auf die Gefahr hin, hiebei in unserem Laienverstande irre zu gehen, wollen wir noch einige Grundzüge eines etwaigen Lehrplanes andeuten.

Auf der ersten Stufe hat der naturwissenschaftliche Unterricht zu beginnen mit der Belehrung über die hervorragendsten Pflanzen, Tiere und Mineralien unseres heimatlichen Bodens; dieselbe müfste durchaus auf

Anschauung gegründet und auch darauf gerichtet sein, die wesentlichen Merkmale durch wiederholtes Beobachten dem Gedächtnis einzuprägen; im Sommer würden damit kleinere Ausflüge in die umliegende Gegend zu verbinden sein.

Auf der zweiten Stufe ist dann für die drei Reiche der Natur zur wissenschaftlichen Klassifikation anzuleiten; die Ausbildung des Vermögens der vergleichenden Beobachtung käme hier besonders in Betracht, und es wäre auch auf die geographische Verbreitung der Pflanzen und Tiere, auf die Entwicklung unserer Erde in den Grundzügen einzugehen. Die Auswahl des systematischen Teiles und die stete Verknüpfung des wissenschaftlichen Erkennens mit dem, was durch die Anschauung erreichbar ist, ferner die Aneignung der Prinzipien des Einteilens dürfte hier Gegenstand besonderer Sorgfalt sein.

Auf der dritten Stufe würde anknüpfend an die Betrachtung der wichtigsten Elemente die chemische Zusammensetzung und die Gewinnungsweise der im täglichen Leben am häufigsten vorkommenden Substanzen, Mineralien und Kunstprodukte durchaus auf Grund einfacher, leicht verständlicher Experimente zu behandeln sein. Der Unterricht in der Physik wäre noch auf hervorragende Erscheinungen der Optik. z. B. Strahlenbrechung und Farbenspektrum, der Wärmelehre, des Magnetismus und der Elektrizität auszudehnen; den Abschlufs der mathematischen Geographie könnten vielleicht Elemente der Kosmographie bilden.

Gelingt es überall die Grundbegriffe deutlich zu machen, so dürfte es auch ermöglicht werden, Hervorragendes aus dem einzelnen wissenschaftlichen System herauszugreifen und zum Bewusstsein zu bringen. Der Gymnasialunterricht mufs ja auch in den übrigen Lehrfächern von der streng wissenschaftlichen Methode absehen; dieselbe ist für den hier zu erreichenden Zweck nicht einmal geeignet. Denn nicht die Masse des Wissens, nicht die Umfassung des Systems kann das Ziel des auf allgemeine höhere Bildung gerichteten Gymnasialunterrichts sein, sondern an bedeutendem, dem Gesamtgebiet der Wissenschaft und Kunst entnommenem Inhalt das wissenschaftliche und ästhetische Interesse zu wecken. Dafs dieser Inhalt in Zukunft in ausgedehnterer Weise auch den Naturwissenschaften entnommen werde, erscheint als berechtigte und für den Gesamtunterricht erspriefsliche Forderung.

Nürnberg.

Dr. Joh. Karl Fleischmann.

Wir stimmen der Ansicht des Herrn Verfassers, dafs die Kenntnis der uns umgebenden Natur, ihrer wichtigsten Kräfte und Gesetze ein Postulat der allgemeinen Bildung sei, aus voller Überzeugung bei und möchten wünschen, dass jeder Abiturient des Gymnasiums jene Kenntnis als wertvolles Besitztum zur Universität und ins Leben mitbringe. Jedoch können wir uns der Einsicht nicht verschliefsen, dafs bei der dermaligen Organi

sation des humanistischen Gymnasiums, dessen bisherige Grundlage ja auch der Herr Verfasser beibehalten wissen will, einer Einführung der Naturwissenschaften auf der von demselben gewünschten breiten Grundlage erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Wir erlauben uns insbesondere, in Betreff der Beseitigung mehrerer fakultativer Lehrgegenstände auf die in der heurigen (XII.) Generalversammlung der bayer. Gymnasiallehrer dagegen erhobenen Bedenken hinzuweisen. D. Red.

Lokalisierung homerischer Inseln.

In der neugegründeten „Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie" ist soeben (Bd. II S. 10-18) ein Aufsatz von Dr. K. Jarz erschienen mit dem Titel: Wo sind die homerischen Inseln Trinakie, Scheria, Ogygie, Aiaie zu suchen?" Da der Inhalt dieser Abhandlung auch für die Leser dieser Blätter von Interesse sein dürfte, so wollen wir ihn auszugsweise hier mitteilen.

Es handelt sich also um die geographische Lokalisierung der oben genannten und noch einiger kleinerer Eilande, welche von Odysseus auf seinen Irrfahrten berührt worden sind. Der Verfasser sucht dieselben in der kanarischen Inselgruppe an der nordwestlichen Küste von Afrika. Hier, meint er, müsse sich der Schauplatz jener odysseischen Abenteuer befinden, weil die betreffenden Schilderungen im Homer auf keine andere Gegend der alten Welt so gut passen wie auf diese. Und um das zu beweisen vergleicht er die Schilderungen der Odyssee mit einer modernen Beschreibung der kanarischen Inseln, nämlich mit der von Dr. Bolle, welche in der Berliner Zeitschrift für allgemeine Erdkunde (Bd. X-XII) erschienen und nach Autopsie abgefafst ist, also in jeder Hinsicht als authentisch gelten darf. Die Ähnlichkeiten zwischen beiden Gemälden sind allerdings frappant genug, wie folgende Zusammenstellung zeigen wird.

Die gröfste der kanarischen Inseln ist das dreieckige Teneriffa. Auf ihr erhebt sich ein vulkanischer Kegel der Pik el Teyde in einer Höhe von 7000 Fufs. Er bildet eine glatte gelbweifse Pyramide; sein Krater ist eine spaltenreiche Vertiefung, woraus beständig blaue Schwefeldämpfe emporwirbeln. Das Bild dieses Vulkans würde nun zu dem Skyllafelsen der Odyssee stimmen, der so glatt ist, dafs kein Sterblicher ihn erklimmen kann, auch wenn er 20 Hände und Füfse hätte"; eine bläuliche Wolke umkreist ihn beständig.

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In der Nähe jener Felspyramide befand sich die Charybdis, die salzige Flut schlürfend und sie dann wieder ausspeiend, so dafs das Wasser hoch emporspritzt also nichts als riesige Heber oder Siphons, die durch Höhlungen im Ufergestein entstehen. Sie finden sich wirklich unter dem

bezeichnenden Namen „Bufaderos“ d. h. Schnauber an der Südküste von Teneriffa, wo die Brandung donnernd an einen senkrechten Basaltwall anschlägt, wie die brüllenden Charybdis an die „Plankten“. Jene Bufaderos schlürfen periodisch die Flut und schleudern dann ihre Tromben wieder säulenförmig bis zu einer Höhe von 100 Fufs in die Lüfte.

Teneriffa selbst ist die Insel Scheria oder das Phäakenland. Odysseus erblickt von ferne dessen schattenwerfende Berge und sieht es liegen wie einen Schild im dunkelwogenden Meer. Bolle erzählt, wie der Schatten des Pik Morgens weithin über das Meer fällt, und wie der Kegel von weitem gesehen gerade so aus der Insel hervortritt, wie der Buckel auf einem griechischen Schilde. Odysseus landet an der Phäakeninsel bei der Stelle, wo ein schön wallender Strom mündet; er streckt seine matten Glieder erst müde auf die Binsen, sucht aber dann im dichten Gezweige des nahen Waldes Schutz. Hier findet ihn Nausikaa und führt ihn in die Stadt. Diese liegt zu beiden Seiten eines Hafens an einem Berge. Den Palast des Königs umgeben Gärten, worin die Blumen und Früchte das ganze Jahr über wachsen. Man überblickt von der Stadt aus nach Norden zu die Bucht und das Meer; vor der ersteren liegt eine kleine Insel, waldreich und von einer Menge wilder Ziegen durchstreift. Die so geschilderte Phäakenstadt mit ihrer Umgebung ist gewifs eine ganz charakteristische Landschaft. Und merkwürdig, sie findet sich Zug für Zug an der Westküste von Teneriffa. Die Stelle, wo Odysseus ans Land kam, ist die Mündung des Flusses von Silos. Bolle hebt in seiner Schilderung dieses Punktes die reiche Schilf- und Binsenvegetation hervor, sowie auch das waldige Versteck des Odysseus vorhanden ist in den früher so prächtigen, in neuerer Zeit durch Feuer verwüsteten Forsten des nahen Thales. Und die Phäakenstadt? Es ist das spätere Städtchen Garachico, das am 5. Mai 1706 durch einen vulkanischen Ausbruch des Pik zerstört wurde, von dem uns jedoch bei einem älteren spanischen Schriftsteller Viera eine Beschreibung erhalten ist. Dieser schildert wie Homer die Lage der Stadt an einem Berge, die subtropische Vegetation in den ewig blühenden Gärten, den Ausblick auf Meer und Hafen, welch letzterer durch ein Eiland gesperrt ist, auf dem die Spanier eine Masse wilder Ziegen fanden, als sie es zum erstenmale betraten. Auch die Nymphengrotte, von der Homer erzählt, mit ihren zwei Eingängen, ihren rieselnden Quellen, den steinernen Krügen und Webstühlen findet sich an dieser Küstenstelle: es ist die quellenreiche Stalaktitenhöhle von Ykod, deren seltsame Tropfsteingebilde ganz geeignet wären, die homerische Vorstellung von steinernem Hausgerät zu erzeugen. Aus der homerischen Schilderung des Phäakenvolkes heben wir nur die merkwürdige Sitte hervor, dafs bei demselben die Speise ohne die Würze des Salzes genossen wurde, was auch bei den eingebornen Guanchen der Fall ist, indem ihre Nationalspeise der Cofio, d. i. ein schwarzes Brod, noch heute ohne Salz bereitet wird.

Odysseus fährt zwischen den Plankten und der Sireneninsel durch. Hat man unter „Plankten“, wie oben dargelegt, die Basaltwände der Südküste von Teneriffa zu verstehen, so kann das Sireneneiland nur in der Insel Gomera gesucht werden, die jener Küstenstelle gegenüberliegt. Am Gestade, wo die Sirenen sitzen, liegen nach Homer viele Gebeine modernder Menschen, und rings verdorren die Häute. Es mag damit die Sitte der alten Guanchen auf Gomera gemeint sein, welche nach Bolles Erzählung die Leichname in Ziegentelle zu nähen und so aufzubewahren pflegten.

Gomera wäre zugleich auch die Insel der Kalypso Ogygie. Sowohl ihre Lage, da „wo der Nabel des Meeres ist", d. h. der Schildbuckel des Piks von Teneriffa, spräche dafür, als auch die besonders reiche Waldvegetation von Gomera, wodurch ja das homerische Ogygie ebenfalls ausgezeichnet war.

Aiaie, die Heimat der Kirke, liegt bei Homer weit nach Nordwesten, müfste also in dem nordwestlichsten Punkte der kanarischen Inselgruppe, in Palma, gesucht werden. In Zakynthos grofshundig" ist Gran Canaria zu erkennen, im Altertum durch Hunde von enormer Gröfse bekannt. Dulichion glaubt der Verfasser wegen des Epithetons oλórupos in Fuerteventura wiederzufinden, die „schnell entstandenen oder spitzigen Inseln" (visor doaí 0, 299) um Dulichion herum aber in den spitzigen Klippen rings um Fuerteventura, wo man noch im Jahre 1730 n. Chr. das Schauspiel erlebte, dafs bei Bildung eines Vulkans sich spitzige Inseln aus dem Meere erhoben.

Es ist nicht zu leugnen, dafs die von Jarz gezogenen Parallelen, von denen wir im Vorstehenden nur die Hauptpunkte hervorheben, zu überraschenden Resultaten führen; zu Resultaten, welche ganz und gar der traditionellen Anschauung widersprechen, wonach jene homerischen Eilande in der jonischen und sizilischen Inselgruppe zu suchen wären. Man kann aber auch mit diesen überlieferten Vorstellungen ohne Bedenken brechen; denn wie wäre es z. B. möglich, in einem zahmen Mittelmeerwirbel an der sizilischen Küste die Charybdis zu erkennen, wie es die alten Erklärer verlangen?

Der Analogien zwischen jenen griechisch-italischen Regionen und den homerischen Inseln sind ja überhaupt so wenige, dafs viele neuere Forscher die Gemälde der Odyssee geradezu als reine Phantasiestücke erklärt haben. Jedoch ein so bequemes Verfahren dürfte auch nicht zu empfehlen sein. Wer je sich etwas auf dem Gebiete des geographischen Romans umgesehen, angefangen von Euhemerus bis herab auf den Verfasser des Robinson und auf Jules Verne, und dabei die Wahrnehmung gemacht hat, dafs in die landschaftlichen Szenerien zu jenen Geschichten stets richtige geographische Nachrichten hineingearbeitet sind, der wird auch in den Landschaften der Odyssee keine blofsen Fiktionen suchen, sondern jedes Bestreben billigen, das diese Örtlichkeiten auf irgend einem

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