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von der Unterrichtserteilung nicht zurückhalten, Rektoratsgeschäfte besorgte er auf dem Krankenbette noch länger. Die von Tag zu Tag sich mehrenden Leiden ertrug er, zeitlebens ein frommer Christ im Herzen, von Aufsenwerk auch hier kein Freund, geduldig und gottergeben, gestärkt zugleich durch die Tröstungen seiner Religion. Bei vollem Bewusstsein und ohne Todeskampf hauchte er am frühen Morgen des 31. Dezember seinen reichen und hochverdienten Geist aus, eine Woche vor Beendigung des 53. Lebens-, einen Monat vor der Vollendung des 28. Dienstjahres.

Blicken wir hier nochmals zurück auf Bauers immense Arbeitskraft und Arbeitslust, auf seine werkthätige Vaterlandsliebe und Unterthanentreue, auf seine gleich unermüdliche, wie erfolggekrönte Wirksamkeit für Schule und Schüler, auf sein ausgeprägtes Standesbewusstsein und seine diesbezügliche Opferfreudigkeit, auf seine Wahrheit und Geradheit, auf seinen christlich frommen Sinn, sein tiefes Gemütsleben, seine zärtliche Sorgfalt für die Angehörigen, so wird die eingangs aufgestellte Behauptung gerechtfertigt erscheinen, dafs mit seinem Hingang König und Volk, Schule und Familie einen schweren Verlust erlitten haben. Gesegnet sei das Andenken des vorzüglichen Mannes, um eines seiner wärmst gefühlten Worte mit bestem Rechte auf ihn selbst anzuwenden, so lange es bayerische Gymnasien gibt"!

Speier.

Dr. Markhauser.

Das Thebanergrab bei Chaeronea.

Es war im September vor. Js. in München im Kreise befreundeter Kollegen, dafs aus einer Nummer der Beil. d. A. Z., die es dem Londoner Athenäum entnommen hatte, die Notiz vorgelesen wurde, Herr Stamatakis, Ephoros der Altertümer in Athen, von der athenischen archäologischen Gesellschaft behufs der Wiederaufrichtung des bekannten Löwen nach Chaeronea geschickt, habe „die Gebeine der in der denkwürdigen Schlacht Gefallenen" gefunden. Das Interesse, das der karge Bericht damals erweckte, gibt mir den Mut, nachdem ich vor wenigen Wochen an Ort und Stelle die Ausgrabungen gesehen, in diesen Blättern einem weiteren Kreise meine Beobachtungen mitzuteilen. Ich wage es, obwohl ich weifs, dafs über diesen Gegenstand in einer Unzahl von Büchern über Griechenland manch ein Wort zu finden ist und in ausführlicher Weise einer der Herausgeber der Zeitschrift der genannten archäologischen Gesellschaft, Herr Professor Euthymius Kastorchis in Athen, in dem letzten Jahrgang derselben darüber sich verbreitet hat.1) Den Erfolg nämlich, wenn sonst keinen anderen, hatte

1) S. 'Adpatov, VIII., 486 ff. v. März v. J. Vgl. auch p. 153 f. und B. IV. 304 ff. derselben Zeitschrift. Einen anderen Aufsatz:,ept TOD EV Xarpwveig héovtos' von Spyr. Lampros s. in der Zeitschrift,átov p. 97 ff. im Dezemberheft 1879. Eine kurze Notiz: Athenaeum IX. 2, 157 f.

die angestellte Nachgrabung, dafs für die unglücklichen Kämpfer von Chaeronea die Teilnahme neu erwacht ist und man sich gerne, wie über Nahestehende, nähere Angaben gefallen läfst. Kein Bericht aber, wenigstens keiner der mir zu Gesicht gekommenen, reicht weiter herauf als bis zum März vor. Js., während die eigentliche Ausgrabung erst im Mai nach unserer Rechnung begonnen wurde.

Auf einer Reise also nach Delphi war ich am 17. Nov. mit zwei nichtdeutschen Fachgenossen in Chaeronea angelangt. Wir kamen von Lebadea, der nächstgröfsten Stadt, dem Ort, wo sich am Abend des unheilvollen Tages das zersprengte Heer der Griechen sammelte1). Die Entfernung beträgt zu Pferde etwas mehr als eine Stunde, von Athen aus zu Fufs etwa 24, so dafs Demosthenes2) sehr reichlich rechnet, wenn er in runder Summe 700 Stadien angibt. Es ist die alte Strafse, die zu Lande aus Attica und Boeotien über Lebadea und Chaeronea nach Delphi führte.3) Wenn man von den Höhen von Lebadea, den Ausläufern des alten Oosprov,4) herunterkommt, breitet sich vor den Blicken die in der Geschichte so oft genannte Ebene aus. Sie mag eine Stunde breit und drei- bis viermal so lang sein und ist nur nach Osten in der Richtung von Orchomenus offen. Von den Bergzügen, die sie umschliefsen, hiefsen im Altertum die nördlichen Hedylion, Hyphantion und Ptoon; im Süden ist das Thuriongebirge schon genannt, niedrige Hügel, unter denen der steil ansteigende Felsen Ilétpayos sehr in die Augen fällt, der einst die Burg von Chaeronea trug. Wahrhaft imposant schliefst im Südwesten der gewaltige Parnass die Ebene ab und läfst mit seinen Ausläufern nur einen schmalen Pafs von Elatea her, den eben, welchen die Griechen, von Philipp überlistet, so unvorsichtig im Stiche liefsen.5) Mitten durch die Ebene fliefst der Kephisus und nimmt von Süden her ein kleines Rinnsal auf (¿ɛvμátov sagt Plut. Thes. c. 28), das jetzt Ntop:otos6) genannt wird, bei den Alten aber Thermodon, später Haemon hiefs. Der Boden ist im ganzen kahl und dient Schafherden zur Weide; stellenweise sahen wir den Pflug darübergehen zum Anbau von Weizen, der hier gut gedeihen soll. Wie ein Strom drängt sich das Land im Nordwesten zwischen den einengenden Bergen durch und wie ein Strom verheerend drangen hier die Macedonier herein. Ein Blick auf die Ebene macht den Gang der Schlacht, so wenig wir auch aus den Berichten der Alten darüber wissen, in seinen Grundzügen klar.

1) S. Arnold Schäfer: Dem. u. s. Z. III. 4 und die dort zitierten Stellen. 2) De cor. 230, vgl. 195.

3) Bursian, Geographie von Griechenland I. 167 f.

4) Ibid. p. 205.

5) Polyaen. IV. 2. 14.

6) Kastorchis, 1. 1. p. 490 schreibt Ntopttoo. Obige Schreibweise gab mir Herr Eph. Stamatakis an.

Hart am Wege nun, der nach Daulis und Delphi führt, liegt, nach Norden offen, im Süden von niedrigen Hügeln eingerahmt, unweit des Dorfes, das jetzt einen Teil der Stätte des alten Chaeronea einnimmt, Kaprena oder Kapruna (auch Kaperna und Kapurna mit Umstellung des r) das so viel besprochene Grab. Hier hielten wir und blieben, bis die drückend heifse Sonne dieses Tages mit flammendem Rot hinter dem breiten Rücken des Parnaf's zur Rüste ging. Wir hatten das Glück, Herrn Stamatakis noch über seiner eigenartigen Arbeit anzutreffen. Wenige Tage später hätten wir nur noch die Grube gesehen, in die man den Kern und die Blüte Thebens gebettet hat. Denn schon waren die Leichen der letzten Ecke im Nordosten des Grabes an der Reihe. Alle übrigen waren wieder, wie es die fromme Sitte alter und neuer Zeit erheischt, mit Erde bedeckt, und nur an eingesteckten Steinen konnte man an den gröfseren die Lage der Köpfe, an den kleineren die Lage der Füfse erkennen.

Das ganze Grab,1) wie es jetzt durch die mit schonendster Pietät vorgenommene Arbeit offen vor Augen liegt, bildet ein Rechteck von 24 m. Länge und 15 m. Breite. Orientiert ist es nicht, da die Köpfe der Bestatteten fast ohne Ausnahme von Norden nach Süden liegen. Die ganze Fläche ist eingeschlossen von einer ungefähr einen halben Meter dicken Mauer aus gewöhnlichen regelrecht behauenen Porossteinen in fünf Lagen in einer Gesammthöhe von etwas mehr als 2 m. Indessen ist von der Strafse aus nichts davon zu sehen, indem sie das umgebende Terrain nicht mehr überragt. Sie war, wie es scheint, eingerahmt von einer einfachen Marmoreinfassung, von der noch viele Stücke herumliegen, in einer Höhe von 0,70 m. Auf der Nordseite, der Strafse zu, sowie auf beiden Schmalseiten ist die Mauer nach innen an je zwei Stellen durch eine doppelte Steinlage gestützt. In der Mitte der nördlichen langen Seite ist aus den nämlichen Steinen, jetzt nur in gleicher Höhe mit der Mauer, gleichfalls nach innen die breite Basis, wie sie für den Löwenkolofs erforderlich war, aufgeführt. Noch liegt dort in unmittelbarer Nähe der Stein, auf welchem der Löwe safs und in welchem die Spuren der beiden Vordertatzen deutlich erhalten sind. Dieselben haben einen Umfang von fast 2 m. Der Löwe selbst, der vielleicht durch ein Erdbeben, wie sie in Boeotien nicht selten sind, oder durch die Länge der Zeit auseinandergefallen und ganz in der Erde versunken war,2) liegt jetzt oberhalb des Grabes an der südlichen

1) Ich verweise für das Folgende auf den bei Kastorchis 1. 1. p. 488 gegebenen Holzschnitt.

2) So kam es, dafs nach Welcker (Mon. ed annali dell' inst. 1856 p. 1) weder Dodwell, noch Clarke, noch Dr. Holland, die im Anfange dieses Jahrhunderts Griechenland bereisten, etwas von dem Löwen gesehen haben. Kastorchis schliefst daraus, dafs auch Meletius in seiner Geographie (II 333) vom Jahre 1728 den Löwen nicht erwähnt, dafs er schon im Anfange des 18. Jahrhunderts nicht mehr zu sehen war. Am 3. Juni 1818 entdeckte ihn der Engländer Cronoford, aber erst 1824 wurde seiner in verschiedenen Zeitschriften Englands und Deutschlands Erwähnung gethan.

Seite. Der gewaltige Kopf mit voller Mähne liegt aufrecht da und schaut mit grimmig aufgezogenen Lefzen über sich in das endlose Blau. Die Arbeit schien mir nicht die allerbeste, so dafs ich Overbecks1) vorsichtiges soll" hier sehr am Platze finde. Indessen wird der Totaleindruck des Werkes, als das mächtige Tier schön gefügt von oben auf den Beschauer niederblickte, ein anderer, günstigerer gewesen sein. Pausanias freilich, der ihn so gesehen, hat kein Wort dafür.2) Die Höhe des Kopfes beträgt allein fast 2 m., der untere Umfang 412, die Dicke des Marmors, indem das Bildwerk hobl gemeifselt ist, an dieser Stelle 0,35. Aufser dem Kopfe liegen da das Sitzteil des Tieres mit der einen Hintertatze und dem am Körper fest angelegten Schweif, die andere Hintertatze, bie beiden Vordertatzen, die aufrecht stehen, und zahlreiche kleinere Stücke. Dennoch scheint nicht alles erhalten und ist das Werk der Wiederaufrichtung, scheinbar so einfach, der mannigfachen Schwierigkeiten und grofsen Kosten wegen noch immer nicht gesichert.3) Die Rückenlänge des Löwen mag, soweit sich dafür ein Mafs angeben lässt, 5 m. betragen haben, die Höhe von der Basis bis zur Spitze des Kopfes nicht ganz 4 m. Ebenso lang war wohl die Fläche, die er sitzend bedeckte. Darnach bekämen wir, wenn es gestattet ist, den Umfang des Tieres mit geraden Linien zu bezeichnen, ein rechtwinkeliges Dreieck, dessen Hypotenuse über 5, die Katheten etwa 4 m. mäfsen. Ich bedauere, die Mafse des Münchener Löwen, der neben der patrona Bavariae lagert, nicht zur Vergleichung zur Hand zu haben. Doch gibt ein gutes Bild des Eindrucks, den der Kolofs, als er noch unerschüttert auf seinem Posten stand, auf den die Strafse Ziehenden schon aus der Ferne gemacht haben mufs, die Abbildung in den monumenti ed annali dell' instituto vom Jahre 1856, T. 1, entworfen von Bildhauer Siegel in Athen auf Veranlassung Welckers, der zuerst den Gedanken der Wiederaufrichtung mit Energie anregte und betrieb.4) So also safs er da, , versteinert im Leide", ein Sinnbild des Mutes, den die unter ihm Schlafenden in der Ebene vor ihm bewährt, wie Pausanias) es leichthin deutet, in der Meinung der Übelwollenden ein „Bapbs Nivos“, eine schwerdrückende Last für die Lebenden und Toten, ein Bild des Hohnes auf Marathon und Salamis.")

1) Geschichte der griech. Plastik II. 129; cf. auch Burs. 1. 1. p. 206. 2) Er sagt IX, 40, 10 nur: ἐπίσημα δ' ἔπεστιν αὐτῷ (sc. τῷ τῶν Θηβαίων πολυανδρίω) λέων.

3) Nach Kastorchis 1. 1. 489, A. 1 kosteten die vorbereitenden Arbeiten allein schon 7000 Drachmen. Im Ganzen sollen sich die Kosten auf 20000 Fres. belaufen.

4) S. den erwähnten Bericht Welckers in den monumenti ed ann. dell' inst. 1856, p. 1-5.

5) Paus. 1. 1.

6) Epigr. des Geminus Anthol. IX, 288, das zwar dem Denkmal der Athener im äufseren Keramikus gilt, aber eben so gut von unserem Monument gesagt werden konnte.

Blätter f. d. bayer. Gymnasialschulw. XVII. Jahrg.

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Von den Neueren nennt ihn Göttling1) „einen Stachel der Mannheit zu blutiger Rache", während Welcker in ihm, wie aus zahlreichen anderen Löwenbildern erhellt, mehr nur den Wächter" erkennen will.2) Beides vereinigend sagt Kastorchis3) in der für solche Themen so ansprechenden griechischen Sprache: Μετὰ τὸν λέοντα τοῦτον (τῶν ἐν Θερμοπύλαις πεσόντων) ἔπεται ὁ τῶν ἐν Χαιρωνεία πεσόντων, ὅστις πιστεύομεν ὅτι εἶναι σύμβολον τῆς ἀνδρείας τῶν ἐνταῦθα πεσόντων καὶ ἄγρυπνος φύλαξ του πολυανδρίου. Die sonst nie fehlende Inschrift war, wie Pausanias) ausdrücklich hervorhebt, an diesem Denkmal vielsagend weggelassen.

Dafs dieser Löwe nun und das Grab, das er zierte, mit der Schlacht von Chaeronea in engster Verbindung stehe, war jederzeit aufser Zweifel. Aber über die da unten Ruhenden, ihre Zahl und Stammesangehörigkeit gingen schon im Altertum die Meinungen auseinander. Nach Strabos) Ansicht lagen da die an jenem Tage Gefallenen (und es müssen viele Tausende gewesen sein) alle zusammen. Ihm hat von den Neueren nur Ulrichs) beigestimmt. Indessen war es nicht schwer nachzuweisen, dafs zum mindesten die Athener auszunehmen seien, da von ihnen bestimmt bezeugt ist,7) dafs sie, wie die übrigen gefallenen Athener seit den Perserkriegen, feierlich im äufseren Keramikus bestattet wurden, wobei ihnen bekanntlich Demosthenes die Leichenrede hielt. Pausanias) nennt nur die Thebaner. Aber auch diese, die den Zorn des Siegers in seiner vollen Schwere zu fühlen hatten und nach Justin) selbst ihre Toten nicht ohne Lösegeld heimholen durften, müssen die Mehrzahl ihrer Gefallenen an anderer Stelle bestattet haben, da ihr Verlurst nach dem Gange der Schlacht sicherlich noch gröfser war als der der Athener, 10) in dem Grabe aber eine weit geringere Zahl gefunden wurde. Die Ausgrabung ergab nämlich (und ist es nicht wahrscheinlich, dafs die letzte Hand noch eine irgendwie abweichende Zahl veranlafst habe) das interessante Resultat, dafs in dem beschriebenem Raume im ganzen 254 ihren Platz gefunden. Demnach sollte es eine auszeichnende Stätte sein11) vor anderen ausgezeichneter Männer, und diese waren im Heere der Thebaner die bekannte „heilige Schaar".

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11) Thuk. II. 34: διαπρεπῆ τὴν ἀρετὴν κρίναντες αὐτοῦ καὶ τὸν τάφο ἐποίησαν.

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