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P. OVIDÍ NASONIS

METAMORPHOSEON

LIBRI XV.

Mit kritischen und erläuternden Anmerkungen

von

E. C. Chr. Bach,

Director am Gymnasium zu Schaffhausen, wie auch Professor der lat. Sprache am
dasigen Colleg. Hum. und Mitgliede des Schulraths.

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Vorrede.

Dafs von Ovid's Gedichten die Metamorphosen, versteht sich mit Auswahl, für mittlere Classen der Gymnasien am meisten geeignet sind, darüber ist man ziemlich einverstanden. Ehemals wurden häufiger die Tristia gelesen. Erwägt man aber den Inhalt derselben genau, die beständige Wiederkehr der Klagen über sein Schicksal, den Mangel an Männlichkeit des Sinnes und an Adel des Gemüths, eine Schwäche, mit der die meistens kraft- und kunstlose Form des Ausdrucks, die Ueberladung müssiger Beispiele und zu gesuchter Bilder und Vergleichungen so ganz harmonirt, erwägt man, dass diese Elegien dem jungen Leser wenig Anziehendes, Belebendes, Geist und Character Kräftigendes darbieten, und dass die wenigen Tugenden, die sie besitzen, von dem Alter, mit dem sie gelesen werden, kaum gefühlt und gewürdigt werden können: so kann man es nur billigen, dass von diesem Producte heut zu Tage nur ein sparsamer Gebrauch gemacht

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wird. Mit weit mehr Recht räumt man den Metamorphosen eine Stelle ein. Sie sind ein wahres poetisches Kunstwerk, in welchem mehr als zweihundert, meistens in Verwandlungen endende, Mythen, die überdiefs an Form, Zeit und Ort oft ganz verschieden sind, in ziemlich chronologischer Folge und durch gröfstentheils leichte Uebergänge zu einem harmonischen Ganzen vereinigt, und mit ungemeiner Lebendigkeit und Anschaulichkeit dargestellt werden. Mag der Dichter zu seinem Stoffe griechische Vorgänger, besonders die Naturphilosophen und Alexandriner, ja selbst morgenländische Sagen benutzt haben: er bleibt immer originell, selbst schaffend und erfinderisch; er erhält und steigert des Lesers Interesse für seine Erzählungen, die gröfstentheils auf Eins, nemlich auf eine Verwandlung, hinausgehen, durch eingeschaltete Gemälde, Beschreibungen, Gespräche u. dgl.; er weils durch Kunst der Beredtsamkeit den Verstand zu überzeugen, wie das Herz zu rühren und zu erschüttern, zumal da ihm selbst Theilnahme und Gefühl des Mitleids nicht fremd ist; vorzüglich ist er glücklich in Schilderung menschlicher Charactere, Affecten und Leidenschaften. Lassen auch manche Stellen den Einflufs durchschimmern, den Rhetoren auf seine wissenschaftliche Bildung hatten; läfst er auch bisweilen dem Witz und der Phantasie zu freies Spiel: so werden doch solche Schattenseiten von weit lichtern Parthien überstrahlt. Aber noch einen besondern materiellen Nutzen hat dieses Werk für die Jugend, in sofern es dieselbe in den Mythenkreis der alten Welt einführt, und gewissermassen zur Grundlage des Studiums der Mythologie dienen kann. Daher kam es, dafs von Zeit zu Zeit für

Auszüge und Chrestomathien aus den Metamorphosen besonders gesorgt wurde, z. B. von Seidler, Gierig, Kaiser, Brorson, zuletzt von Kraft 1), der jedoch auch Stücke aus andern Werken des Dichters aufnahm. Indessen wurde auch eine vollständige Bearbeitung dieses trefflichen Dichterwerks ein Bedürfnifs, was mehrmals laut geäufsert wurde. Denn so viel auch Verdienstliches die durch Jahns sorgfältige Ueberarbeitung berichtigte und durch dessen gehaltreiche Zusätze bereicherte Ausgabe von Gierig in sich vereinigt, so entspricht sie doch nicht ganz den Forderungen, die man heut zu Tage mit Recht an die Bearbeitung eines Dichters besonders für Schüler macht. Diefs veranlafst mich, über den Zweck und Plan gegenwärtiger Ausgabe, zu deren Besorgung ich durch die Lectüre der Met. in meinem erstern Schulamte bewogen und darauf durch einen Antrag der achtungswerthen Verlagshandlung ermuntert wurde, das Nöthigste zu erinnern. Die Ausgabe ist bestimmt für Lehrer und reifende Schüler, die mit Liebe ihren Schriftsteller lesen, und denen es Ernst ist, in Geist und Sprache desselben einzudringen. Ich kenne und fühle gar wohl die Schwierigkeit, welche mit der Vereinigung beider Bestimmungen verbunden sind, und weils es auch, dass man sich besonders in neuester Zeit gegen die Verbindung der gelehrten und populären Behandlung ausgesprochen hat. Aber eben so fest bin ich auch überzeugt, dass man in

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Chrestomathia Ovidiana; oder: Ausgewählte Stücke aus des Ovidius Gedichten, mit Anmerk. versehen von Dr. Fr. K. Kraft, Lpz. 1829.“

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