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sehensten römisch-katholischen Schriftstellern selbst aufgestellt worden sind. Es wird jedoch hinreichend seyn, die Erklärungen anzuführen, welche von dem Cardinal Bellarmin in seinen Werken, und in den theologischen Vorlesungen in dem Collegium zu Maynooth, gegeben worden sind. *) Wir können uns auf Bellarmin berufen, als deu scharfsinnigsten, gewandtesten, umsichtsvollsten und zugleich auch einen der aufrichtigsten Polemiker der römisch-katholischen Kirche. Zugleich aber berufen wir uns auch auf die theologischen Vorlesungen, die itzt gehalten worden sind in dem Collegium zu Maynooth, da sie auf eine officielle Art, (auf eine solche Kunde kommt es uns vorzüglich an,) das Religionssystem darstellen, wie es itzt der Geistlichkeit dieser Kirche in dem vereinigten Königreiche vorgetragen wird. ) Wenn ferner solche angesehene Männer in einer Lehre übereinstimmen, wie diefs in Absicht der Tradition der Fall ist so kann man ihre Erklärung, als die Darstellung der herrschenden Vorstellung dieser Kirche betrachten. Allein die Werke. Bellarmins, die Vorlesungen in Maynooth, und die Erläuterung Bossuets, (die wir nicht unerwähnt lassen wollen,) 2) werden hier, in Bezug auf die Tradition, blos in der Absicht angeführt, um die wahre Beschaffenheit unserer

*) Siehe die Beylage Nro. 1.

1) Der wesentliche Inhalt dieser Vorlesungen ist zu finden in folgendem Werke: Tractatus de ecclesia Christi ad usum Theologiae Candidatorum. Accedunt duae appendices, de Traditione et de Conciliis generalibus, auctore L. Ae, Delahogue, Dublinii 1809. 8.

2) Auch des Cardinal Baronius in Annal. eccles. ad annum LIII. Num. III. seqq. vergleiche mit Christ. Kortholti Disquisitiones Anti- Baronianae Lips. 1708. 4. Disquis. VII. De traditionibus non scriptis. p. 182-309.

Frage zu erklären. Ist diese Frage bestimmt und erläutert, welches allein unsere Absicht in diesem Capitel ist so werden wir uns dann in dem folgenden Capitel auf die Beschlüsse und Regeln des Conciliums zu Trident berufen, welche auf eine officielle Weise die Lehrsätze der römisch-catholischen Kirche erklären.

Die Erklärungen Bellarmins aber sind befindlich seiner Abhandlung: De verbo Dei. Die drey ersten Bücher dieser Abhandlung verbreiten sich über das geschriebene Wort Gottes, (verbum Dei scriptum,) als enthalten in dem Alten und Neuen Testament. Alein das vierte Buch, welches sich ganz mit der Tradition beschäftigt, ist betitelt: von dem ungeschriebenen Worte Gottes, (de verbo Dei non scripto,) und setzt überdiefs, nach der strengeren Bedeutung des Worts, die Eigenschaften der Tradition auseinander, welches der Hauptinhalt dieses Buches ist. In dem zweyten Capitel dieses Werks macht Bellarmin die Bemerkung, dass, obgleich der Ausdruck Tradition, im weitesten Sinne dieses Wortes, sowohl auf schriftlich aufgezeichnete, als ungeschriebene Lehren angewendet werden könnte, er doch gewöhnlich in letzterem Sinne gebraucht würde. 3) Allein er bemerkt ferner, solche Lehren würden ungeschriebene genennt, im Gegensatze der schriftlich aufgezeichneten, nicht

3) Nomen traditionis generale est, et significat omnem doctrinam sive scriptam, sive non scriptam, quae ab uno communicatur alteri. Tametsi vero traditionis nomen generale sit, tamen hoc ipsum accommodatum est a theologis ad significandam tantum doctrinam non scriptam lib. IV. c. 2. Auch in Bellarmins Polemik: Disputationes R. Bellarmini de controversiis christianae fidei adversus hujus temporis haereticos, tribus tomis comprehensae. Ingolstadii, 1587. Tom. I. p. 249 befindlich.

als wenn Lehren der Tradition nirgends aufgezeichnet wären, sondern weil die Urheber selbst sie nicht schriftlich abgefafst hätten. 4) Sie wären aber schriftlich aufgezeichnet worden von den griechischen und lateinischen Kirchenvätern. ")

Bellarmin geht nun über zur Beschreibung der Arten der Tradition. Die erste nennt er die göttliche Tradition; sie betreffe von Jesu selbst den Aposteln ertheilte Lehren, die aber, obgleich die Apostel sie ebenfalls mündlich vorgetragen hätten, von ihnen nicht selbst aufgezeichnet worden wären. 6)

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Die zweyte Art nennt er apostolische Tradition, welche Lehren betreffe, die zwar ebenfalls von den Aposteln vorgetragen worden, und auf dieselbe Weise unaufgezeichnet geblieben wären; die aber insofern von der ersten Art sich unterscheiden, dafs die Apostel sie nicht aus der Unterweisung Jesú, sondern durch die Eingebungen des heiligen Geistes empfangen hätten. 7) Jedoch werden auch Lehren,

4) Vocatur autem doctrina non scripta, non ea, quae nusquam scripta est, sed quae non scripta est a primo auctore, 1. 1. 5) Ein Verzeichniss der Kirchenväter, die man für die vorzüglichsten Quellen des ungeschriebenen Wortes hält, hat Baronius in den Annal. ecclesiast. T. I. p. 412-418 geliefert. Vergl. Oelrichsii Commentarius de scriptoribus ecclesiae Lätinae priorum sex seculorum. Lips. 1791. und Schoenemanni Bibliotheca historico- literaria Latinorum Patrum. Tom. II, Lips. 1792. und 1794.

6) Die Unglültigkeit derselben hat erwiesen Körner: De sermonibus Christi dypáçois. Lips. 1776.

7) Divinae dicuntur, quae acceptae sunt ab ipso Christo, Apostolos docente, et nusquam in divinis literis inveniuntur. Apostolicae traditiones proprie dicuntur illae, quae ab Apostolis institutae sunt, non tamen sine assistentia Spiritus Sancti, et nihilominus non extant scriptae in eorum epistolis, 1. 1.

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mitgetheilt von den Aposteln, sie mögen sie entweder ursprünglich von Christo selbst empfangen haben, oder dieselben später ihnen von dem heiligen Geiste eingegeben worden seyn, in beyden Fallen, apostolische Lehren genennt; und daher wird der Ausdruck, apostolisch, ob er gleich als ein umschreibendes Beywort der zweyten Art gebraucht wird, oft auch auf die Tradition der ersten angewendet — denn Lehren, den Aposteln mitgetheilt durch den heiligen Geist, sind eben sowohl göttlich, 8) als die Lehren, welche sie von Jesu selbst empfangen hatten. Es ergiebt sich hieraus, dafs beyde Arten eigentlich zu einer und derselben Classe gerechnet werden können, und auch oft zu derselben gerechnet werden. In der That sind sie jederzeit in dem Ausdrucke Tradition begriffen, wenn die Tradition, wie hier, in dem Sinne gebraucht wird, dafs sie das ungeschriebene Wort Gottes bedeutet; denn sie sind eben so viel, als die wesentlichen Bestandtheile des ungeschriebenen Wortes 9).

Doch ausser den beyden Arten der Tradition, welche folglich das ungeschriebene Wort Gottes umfassen (wenigstens es umfassen sollen), giebt es noch eine dritte Art von Tradition, nach Bellarmin, die sorgfaltig von den beyden ersteren unterschieden werden mufs, da sie völlig von denselben verschieden ist, sowohl in Absicht ihres Ursprungs, als ihrer Beschaffenheit. Die beyden ersteren nämlich, machen Anspruch, wie wir eben gesehen haben, auf einen göttlichen Ursprung; und schriebe man denselben keinen göttlichen Ursprung zu, so könnten sie in der

8) Solent tamen interdum etiam divinae traditiones dici apostolicae, et apostolicae dicuntur divinae.

9) Diese Eintheilung Bellarmins wird unten, in der Anmerkung 11, noch deutlicher erklärt werden.

That nicht als ein Theil des göttlichen Wortes betrachtet werden. Allein die dritte Art ist, wie man auch anerkennt, menschlichen Ursprungs, und wird auch als eine solche von den römisch-katholischen Schriftstellern selbst beschrieben. Diese dritte Art der Tradition ist eben sowohl der Beschaffenheit, als auch dem Ursprunge nach, von den vorigen verschieden. Die beyden ersteren nämlich haben Beziehung auf die Lehren oder Glaubensartikel, und werden von der römisch-katholischen Kirche als 'Glaubensnorm angenommen; allein die dritte erstreckt sich blos auf Kirchengebräuche, und heifst daher auch die Tradition der Kirche, oder die kirchliche Tradition. Diese kirchliche Tradition nun beschreibt. Bellarmin, als in gewissen alten Gewohnheiten bestehend, die ihren Ursprung theils der Ausübung der Bischöfe, theils dem Verfahren des Volkes verdankten, und die nach und nach, und mit stillschweigender Beystimmung, gesetzliche Kraft erlangt hätten 10).

Dieselbe dreyfache Eintheilung der Tradition, welche der Cardinal Bellarmin vorgetragen hat, findet auch in den Vorlesungen zu Meynooth statt, wie man aus der Abhandlung: De ecclesia Christi 11) sehen kann, wo die Tradition ebenfalls in drey Arten, die göttliche, apostolische und kirchliche eingetheilt wird. Da nun die Aufschlüsse, welche hier über die Tradition gegeben werden, völlig mit denen von Bellarmin übereinstimmen: so ist es nicht nothwen

10) Ecclesiasticae traditiones proprie dicuntur consuetudines quaedam antiquae, vel a praelatis, vel a populis inchoatae, quae paulatim, tacito consensu populorum, vim legis obtinuerunt, 1, 1.

11) p. 398.

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