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B. Beschlüsse und Vorschriften des Concils zu Trient.

Von diesen einleitenden Bemerkungen über den Gebrauch der Kunstausdrücke, wollen wir nun fortgehen zu den Beschlüssen und Regeln selbst. Das erste unter den Decreten, welche sich auf die heilige Schrift und die Tradition beziehen, wurde abgefafst in der vierten Sitzung des Concils, die gehalten wurde am 8. April 1546, nur wenig Wochen nach Luthers Tod 9). Da dieses Decret von der gröfsten Wichtigkeit ist: so wird es nothwendig seyn, die Worte desselben genau anzuführen. Es lautet also: ,,Diese heilige, ökumenische und allgemeine Versamm„lung zu Trient, gesetzmäfsig versammelt durch den ,,heiligen Geist, und unter dem Vorsitz dreyer Le,,gaten des apostolischen Stuhls, hat stets den Zweck ,,vor Augen, dafs nach Entfernung der Irrthümer, ,,die reine Wahrheit des Evangeliums möge erhalten werden in der Kirche; welche Verheifsung, ehemals ,,von den Propheten in der heiligen Schrift gegeben, ,,unser Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, zuerst ,,mit seinem eigenen Munde bekannt gemacht hat, „und nachher den Aposteln befohlen hat, sie zu pre,,digen aller Kreatur, da sie die Quelle ist sowohl ,,der Erkenntnifs der Wahrheit, als der Belehrung ,,über unser Verhalten; und da die Synode ferner ,,wohl weifs, dafs diese Wahrheit und Anweisung ent,,halten ist in den geschriebenen Büchern, und in den „ungeschriebenen Traditionen, welche, da die Aposteľ ,,sie empfangen haben, entweder aus dem Munde Chri,,sti selbst, oder sie ihnen dictirt worden sind von ,,dem heiligen Geist, gleichsam von Hand zu Hand

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9) Luther starb am 18. Februar d. J. Siehe Walchs Leben Luthers; Seite 219. vor dem 23. Th, von Luthers Schriften, und Schroeckhs Kirchengeschichte, 1 Th. S. 616.

„übergeben und fortgepflanzt worden sind, selbst bis „auf uns. Dem Beyspiele der rechtgläubigen Kir,,chenväter folgend, nimmt die Synode an, und ver„ehret mit gleichen Gefühlen der Frömmigkeit und „Ehrfurcht (pari pietatis affectu ac reverentia); alle ,,Bücher, sowohl des alten als des neuen Testaments, ,,da Gott Urheber von beyden ist; desgleichen auch ,,die Traditionen, welche sowohl die Glaubens- als ,,Sittenlehre betreffen, weil sie auf gleiche Weise, ,,aus dem Munde Jesu selbst, oder von dem heili,,gen Geist dictirt, und in der katholischen Kirche, ,,in ununterbrochener Nachfolge erhalten worden „sind.“10) Hierauf folgt,― nach einer Angabe der Bü

10),,Sacrosancta, oecumenica et generalis Tridentina Synodus, ,,in spiritu sancto legitime congregata praesidentibus in ea ,,iisdem tribus Apostolicae sedis legatis, hoc sibi perpetuo ,,ante oculos proponens, ut sublatis erroribus puritas ipsa ,,evangelii in ecclesia conservetur; quod promissum ante per prophetas in scripturis sanctis Dominus noster Jesus ,,Christus, Dei filius, proprio ore primum promulgavit, de,,inde per suos Apostolos, tanquam fontem omnis et saluta,,ris veritatis, et morum disciplinae, omni creaturae praedi,,cari jussit; perspiciensque hanc veritatem et disciplinam ,,contineri in libris scriptis, et sine scripto traditionibus, ,,quae ab ipsius Christi ore ab Apostolis acceptae, aut ab ,,ipsis Apostolis Spiritu sancto dictante, quasi per manus ,,traditae, ad nos usque pervenerunt; orthodoxorum patrum „exempla secuta, omnes libros tam veteris, quam novi testa,,menti, cum utriusque unus Deus sit auctor, nec non Tra,,ditiones ipsas, tum ad fidem, tum ad mores pertinentes, ,,tanquam vel ore tenus a Christo, vel a spiritu sanctò dicta,,tas et continua successione conservatas, pari pietatis affectu ,,ac reverentia suscipit et veneratur;" Conf. Canones et decreta sacrosancti oecumenici, et generalis Concilii Triden tini, sub Paulo III., Julio III., Pio IV., Pontificibus Max., index dogmatum et reformationis; Romae apud Paul. Manutium 1564. p. XX. Ich habe nicht allein nach dieser Ori

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cher, welche den Canon der heiligen Schrift, nach dem Lehrbegriff der römisch-katholischen Kirche bilden, und welcher Gegenstand einer künftigen Untersuchung seyn wird, - dieses Bestättigungsdecret: „Allein, Wenn Jemand nicht als heilig und kanonisch anneh,,men sollte, alle diese Bucher, mit allen ihren Thei,,len, so wie sie gewöhnlich vorgelesen werden in ,,der katholischen Kirche, und enthalten sind in der „Ausgabe der alten lateinischen Vulgata, oder, wenn ,,er wissentlich und absichtlich verachten sollte die ,,obenerwähnten Traditionen, der sey verflucht. Da,,her soll Jedermann wissen, in welcher Ordnung und ,,auf welche Weise diese Synode, nachdem sie den ,,Grund eines Bekenntnisses des Glaubens ) gelegt „hat, gesonnen ist zu verfahren, und welche Zeugnisse ,,und Autoritäten sie vorzüglich Willens ist, anzu,,wenden zum Beweis der Glaubenslehren und zur ,,Begründung der Moral nach dem Siun der Kir

ginalausgabe citirt, welche unter Aufsicht des Papsts Pius IV. herausgegeben worden ist, sondern auch nach einer vidimirten Abschrift attested copy) dieser Ausgabe. Denn zu der päpstlichen Bestättigung des Concils, welche den Decreten beygefügt worden, ist noch die geschriebene Erklärung hinzugesetzt:,,Nos, sacri oecumenici et generalis Concilii Tridentini Secretarius, et Notarii infra› scripti, „decreta ipsius saori concilii, in praesenti volumine con,,tenta, cum originalibus contulimus; et, quia cum eis con,,cordantia reperimus, ideo sic in fidem, manu propria sub,,scripsimus." Nun folgen die Namen des Secretärs und der beyden Notarien. S. Marheinecke christl. Symbolik. Lib. II. S. 62-66. S. Salios historia literaria et polemica im 3 Th. seiner Historie des Tridentiner Concils S. 190. 11) Diefs bezieht sich auf das vorhergehende Decret, das in der dritten Sitzung gemacht worden, und welches die Ueberschrift hat: Decretum de symbolo fidei und sich auf das apostolische Credo in Deum Patrem etc. bezieht, welches hieher gesetzt worden, als der wirkliche Anfang ihrer Be

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,,che." (In confirmandis dogmatibus, et instaurandis in ecclesia moribus. 12)

Dieses Decret nun ist entscheidend über den Gegenstand der heiligen Schrift und der Tradition. Wir sehen, dafs die römisch-katholische Kirche sowohl das geschriebene als ungeschriebene Wort mit Gesinnungen einer gleichen Dankbarkeit und Ehrfurcht annimmt. Wir haben auch den Grund gesehen, warum das geschriebene und ungeschriebene Wort, als gleich angenommen worden sind; denn ihre Gleichheit ist auf die Erklärung gegründet, dafs das ungeschriebene Wort eben sowohl als das geschriebene hervorgegangen sey: ,,entweder aus dem Mundė Christi, oder aus der Eingebung des heiligen Gei= ,,stes." Hieraus erkennen wir nun ferner die Unabhängigkeit der Tradition von der heiligen Schrift; denn sie entspringen aus derselben Urquell, allein sie fliefsen vom Anfange ihres Laufes an durch verschiedene Canäle.

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Dagegen nun ist es offenbar, dafs dieses Decret sowohl göttliche als apostolische Tradition in sich fafst, ob es gleich sie nicht ausdrücklich mit den

rathschlagungen und mit Nachahmung der Art, wie sich die alten Kirchenväter auszudrücken pflegen: qui sacratioribus Conciliis hoc scutum contra,,omnes haereses in principio ,,suarum actionum apponere consuevere."

12) Si quis autem libros ipsos integros, cum omnibus suis partibus, prout in ecclesia catholicâ legi consueverunt, et in veteri Vulgata latina editione habentur, pro sacris et canonicis non susceperit, et Traditiones praedictas sciens et prudens contemserit, anathema sit. Omnes itaqué intelligant, quo ordine et via ipsa synodus, post jactum fidei confessionis fundamentum, sit progressura, et quibus potissimum testimoniis ac praesidiis, in confirmandis dogmatibus, et instaurandis in ecclesia moribus, sit usura. ibid. p. XXI.

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Worten: göttlich und apostolisch bezeichnet. Denn es hat nicht die mindeste Beziehung auf eine dritte Art, oder die kirchliche Tradition, und zwar aus dem wichtigen Grunde, weil wir hier mit keiner andern Tradition beschäftigt sind, als mit der Tradition, als Glaubensnorm, betrachtet. Wir dürfen ferner die Bemerkung hinzusetzen, dafs die Traditionen, die hier beschrieben worden sind, als kommend, theils aus dem Munde Christi, theils aus der Eingebung des heiligen Geistes, das heifst mit andern Worten, als göttliche und apostolische Traditionen, sowohl hier, als an andern Orten, das ungeschriebene Wort, oder die Tradition, als Glaubensnorm, ausmachen. Dieses Decret nun allein liefert einen hinreichenden Beweis für die Richtigkeit der Begriffsbestimmungen, die wir im vorhergehenden Capitel aufgestellt haben.

Der Satz, am Ende dieses Decrets, ist noch bemerkenswerth. Denn, wenn noch ein Beweis gefordert werden sollte, dafs die Tradition hier, als Glaubensnorm betrachtet worden ist, in demselben Maa-, se, als die heilige Schrift, so wird dieser Satz diefs beweisen. Das Decret nämlich endigt sich mit der Erklärung, dafs, was über die heilige Schrift und über die Tradition gesagt worden ist, in der Absicht gesagt worden sey, dafs jedermann einsehen möge, welche Zeugnisse und Autoritäten das Concilium vorzüglich anzuwenden gesonnen sey zum Beweis der Glaubenslehren, und zur Begründung der Moral nach dem Sinn der Kirche. 13)

13) Da die Decrete und Canonen des Trienter Concils die öffentliche Auslegung der Glaubenslehren der römisch-katholischen Kirche enthalten (officially declare the doctrines of the Church of Rome): so kann keine Autorität weiter verlangt werden für die Bestätigung dieser Decrete und Canonen. Indefs, da der römische Katechismus, welcher die

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