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z. T. Bischofsfakultäten oder endlich in Ordensvollmachten Beziehungen zu den Befugnissen der Nr. 3-7, 8, 9 und 11 des zehnten Formulars erblickte, so ist es doch nur so aufzufassen, dass ähnliche Fakultäten wie die unseres Schemas schon vor 1634 in den genannten Fakultätenkategorien zu verzeichnen seien. Dass diese ähnlichen älteren Indulte Beziehungen zu den Fakultäten der formula X hätten, dass gerade sie die Vorbilder derselben gewesen seien, das vermochte ich nicht darzutun.

Dieses Ergebnis, so wenig befriedigend es auf den ersten Blick erscheint, ist das einzig richtige.

Wir haben ja gesehen, wie die Revisionskongregation bei der Feststellung der Formularien arbeitete 1). In fast dreijährigem Bemühen sammelte sie alle bisherigen Fakultätentexte, die für Deutschland wie die für Amerika und Indien und für die ganze Welt. Als sie aber dieses gesamte Material beisammen hatte, sah sie ein, dass sie damit kein zweckentsprechendes neues Fakultätenrecht zu stande bringen könne. Sie beschloss deshalb, alle alten Fakultätenformen fallen zu lassen und auf neuem Boden völlig Neues zu schaffen.

Sogar die alten Inquisitionsfakultäten von 1624 sind nicht direkt in die formula X übergegangen. Eine ganze Reihe von Bestimmungen der alten Urkunden wurden fortgelassen 2) und die den Nr. 1, 2 und 10 der formula X entsprechenden in bemerkenswerter Weise umgearbeitet 3).

Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den bisherigen Fakultäten und den neuen Formularien lässt sich also aus dem Grunde nicht feststellen, weil es einen solchen überhaupt nicht gibt. Aus völlig neuen Erwägungen, in völlig neuer Fassung hat man ja die formulae, somit auch unsere formula X, zusammengestellt. Es mussten daher alle unsere Bemühungen einen Zusammenhang zwischen den früheren deutschen Fakul

1) Vgl. oben Bd. II, S. 69 f.

2) Vgl. die Urkunde unten Anhang Nr. XXXV.
3) Vgl. die Gegenüberstellung oben Bd. I, S. 181 ff.

täten und der zehnten Formel zu finden, notwendig erfolglos bleiben.

Dazu kommt noch ein zweites. Bis 1634 waren die Fakultäten grösstenteils Vergabungen einzelner Befugnisse, für Deutschland speziell festgelegt, auf Deutschland speziell zugeschnitten. Auch damit wurde jetzt gebrochen. Die Revision stellt sich nicht nur formaljuristisch als ein Uebergang von der kasuellen Jurisprudenz zur Kodifikation dar, sondern auch als eine Ueberleitung aus dem partikulären System zu einem gemeinen und allgemeinen.

Die einzelnen Befugnisse, wie z. B. die facultas absolvendi ab haeresi et a schismate et ab Apostasia a Fide wurden mit genau den gleichen Worten u. a. in die formula I 1), in die formula III 2), in die formula VIII 3) wie in die formula X und in die anderen Formularien eingesetzt. Da galt es, einen Fakultätentext aufzustellen, der ebenso gut für die orientalischen Bischöfe wie für alle Missionäre wie für die Nuntien und für die deutschen Ordinarien passte. Der leitende Gedanke war dabei sicher nicht, gerade für Deutschland zugeschnittene Schemata herzustellen. Viel wichtiger war es, den Behörden der entfernteren Länder brauchbare Formeln zu delegieren. Die facultas absolvendi ab Apostasia a Fide z. B. war sicher eher für Asien als für das Kölner Ordinariat bestimmt.

Der Unterschied zwischen den einzelnen Formularien bestand in der Hauptsache darin, dass die einen weniger Befugnisse als die anderen enthielten. Wie die anderen Schemata ist auch formula X kein speziell deutsches Fakultätendiplom, sondern aus allgemeinen Gesichtspunkten heraus abgefasst; wohl aber ist es ein solches, das für die Bedürfnisse Deutschlands im grossen und ganzen als passend und genügend angesehen wurde.

Man darf nämlich auf der anderen Seite wiederum nicht

1) Vgl. hierzu oben Bd. II, S. 79.

2) Vgl. den Text unten im Anhange Nr. LIII.

3) Vgl. den Text unten im Anhange Nr. L.

so weit gehen, zu behaupten, dass die Revision bei der Feststellung der formula X das deutsche Fakultätenrecht völlig ausser acht gelassen habe. Wäre das geschehen, so hätte die Revisionskongregation gröblich ihre Pflicht verletzt; denn für alle Gegenden und für alle Gelegenheiten wollte sie passende Formulare schaffen.

In ihrer vorbereitenden Sammelarbeit hatte sie ja auch das Material des deutschen Fakultätenrechtes vor sich. Sie kannte sicherlich alle bisherigen Fakultäten deutscher Bischöfe, Nuntien oder Ordenspriester. Diese bildeten einerseits einen Teil des Gesamtmaterials und waren für die Abfassung der einzelnen Fakultäten mit von Bedeutung, ich erinnere nur an Nr. 7 unserer formula X. Anderseits waren sie auch das spezielle Material, nach dem gerade der Umfang der formula X als für Deutschland geeignet bestimmt wurde.

Der Umstand, dass so gut wie sämtliche Befugnisse des zehnten Formulars in dem bisherigen deutschen Fakultätenrecht bereits in ähnlicher Form vorhanden waren, beweist gerade, dass dieses spezielle Material für die Begrenzung des zehnten Formulars nicht unbenutzt geblieben ist.

Nicht die Muster, wohl aber die Vorläufer der in formula X enthaltenen Befugnisse sind in den von uns verzeichneten Fakultäten der Vorgeschichte zu erblicken.

§ 14.

Das zehnte Formular in den Bischofs- und Nuntiaturfakultäten. Die Einführung der Quinquennalen.

Schon wiederholt haben wir darauf hingewiesen, dass sich die formula X in zwei ganz verschiedenen Diplomata des 17. Jahrhunderts findet. Erstlich sind die ältesten Quinquennal

fakultäten nach diesem Muster abgefasst 1), ebenso aber auch die Vollmachten, welche die Inquisition den Nuntien für ihr Gebiet zukommen liess 2).

In welchem Verhältnis stehen nun diese beiden Vergabungen zu einander?

Die Beantwortung dieser Frage ist sehr wichtig für unsere Untersuchung. Baut doch Mejer auf der Annahme, dass der fragliche Fakultätentext zunächst den Nuntien delegiert worden und erst wegen der Verleihung an diese auch in die Hände der Ordinarien gelangt sei, seine Darstellung von der Entstehung unserer Quinquennalen auf3).

Die Untersuchungen des vorigen Paragraphen haben uns bereits gezeigt nicht nur, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Nuntiaturfakultäten der Vorzeit und der zehnten Formel nicht besteht 1), sondern auch dass der indirekte Zusammenhang nur bis zu einem gewissen Grade vorhanden ist; waren doch Bischofs- und Nuntiaturfakultäten in gleicher Weise Vorläufer des zehnten Formulars, hatten doch bedeutsame Teile des letzteren nicht in den früheren Nuntiaturvollmachten ihre Wurzel, sondern in den älteren Bischofsvollmachten 5). Daraus erhellt, dass bei der Fakultätenreform der Jahre 1634-1637 formula X nicht aus den Nuntiaturfakultäten allein zusammengestellt worden sein kann, dass man die Quinquennalen also nicht als aus den Nuntiaturfakultäten der Vorzeit stammend anzusehen hat. Es liesse sich somit das Verhältnis der beiden Fakultätenarten, wenn wir bei Mejers Hypothese blieben, höchstens noch so denken, dass man bei der Revision die formula X zunächst für die Nuntien bestimmt

1) Vgl. den ältesten Quinquennalentext oben Bd. I, S. 15 ff. mit dem Text der formula X bei Konings-Putzer 1. c. S. 421.

2) Vgl. diese Nuntiaturfakultäten unten im Anhange Nr. L mit dem Text der formula X.

3) Siehe oben Bd. I, S. 8.

4) Siehe oben Bd. II, S. 109 f.

5) Siehe oben Bd. II, S. 83.

und diesen auch zuerst vergabt hätte, und dass sie im Laufe der weiteren Entwicklung gleicherweise auch den Bischöfen zugestellt worden wäre. Ist dem wirklich so?

Das urkundliche Material der Ausfertigungen gibt uns hier wenig Anhaltspunkte. Die Quinquennalen konnten wir urkundlich bis 1649, 1655 1), aus sonstigen Quellen bis 16402) zurückverfolgen. In den Händen der Nuntien fanden wir das zehnte Formular zuerst um 1652 3). Das Aktenmaterial führt uns also in beiden Fällen ungefähr gleich weit.

Der Vorsprung der Quinquennalen ist unbedeutend. Legte doch Sanfelice 1657 so wenig Wert auf diese Delegation, dass er sie nach Ablauf des Quinquenniums nicht erneuern lassen wollte 4). Demnach wird es auch wohl kaum dieser Nuntius gewesen sein, dem und auf dessen Bitten diese Inquisitionsvollmachten zum ersten Male gegeben wurden. Das Alter der Quinquennalen und dieser Art Nuntiaturfakultäten ist somit fast das gleiche.

Eine textliche Vergleichung der Fakultäten würde uns deshalb nicht weiter führen, weil die redaktionellen Aenderungen in den Ausfertigungen der verschiedenen Jahre differieren. Zudem kennen wir die Inquisitionsvollmachten der Nuntiatur im Wortlaut ja erst seit 16725).

Da aber beide Fakultätenarten bis fast unmittelbar auf die Revision zurückverfolgt wurden, müssen wir auch aus den Absichten der Revisoren das Verhältnis der Vergabungen zueinander erkunden. Haben doch die Revisoren ihre Formulare von vornherein zu ganz bestimmten Zwecken ausersehen. Wir kennen diese in die Ueberschriften gelegte Zweckbestimmung bei der formula X zwar an sich nicht. Jedoch dürfen wir, da unsere Formel nur die auf

1) Vgl. oben Bd. I, S. 19.
2) Vgl. oben Bd. I, S. 36 ff.
3) Vgl. oben Bd. I, S. 286 f.

) Vgl. oben Bd. I, S. 286, Anm. 3.

5) Vgl. oben Bd. I, S. 284; im authentischen Texte sogar erst 1680. Vgl. oben Bd. I, S. 285.

Mergentheim, Entstehung der Quinquennalen. II.

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