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Zweite Klasse.

Organische Krankheiten.

Erster Abschnitt.

Hypertrophien.
S. 278.

Die organischen Krankheiten des Auges und der Umgebung desselben, bei welchen die Structur- und Formveränderung durch Ueberschufs der organischen Masse, durch Vergröfserung des Umfangs sich ausspricht, werden hier aufgeführt. Diese werden bedingt durch den wuchernden Ernährungs- und Bildungsprocefs, und zwar 1) durch einseitige Entwickelung der productiven Sphäre, durch gesteigertes Vegetationsleben; 2) durch Anhäufung secernirter Stoffe, wobei die Structurverhältnisse der secernirenden Theile, mehr oder weniger vom normalen Typus abweichen können; 3) durch Umbildung eines Theiles, durch Bildung eines neuen Organes, wobei das ursprüngliche Bildungsgewebe schwindet, auf mechanische oder vitale Weise zerstört, oder von dem neugebildeten Theile in die krankhafte Bildungssphäre hineingezogen wird. Das ursprüngliche Bildungsgewebe liefert das Material für die abweichenden plastischen Erzeugnisse oder giebt den Boden ab, auf welchem diese sich entwickeln. Die Krankheiten kommen demnach in folgende Gruppen:

I. Wucherungen.

1) Ectropium, Sarcoma palpebræ.

2) Pannus.

3) Pterygium.

4) Encanthis fungosa.

II. Organisationsveründerung mit und durch Anhäufung der secernirten Flüssigkeiten.

1) Oedema calidum et frigidum palpebrarum. 2) Emphysema palpebrarum.

3) Hydrophthalmos, Buphthalmos.

4) Staphyloma pellucidum.

III. Umbildungen der Theile und Bildung neuer Organe.

1) Tylosis, Hydatis, Milium, Morum, Veruca

palpebrarum.

2) Chalacion, tumores cystici.

3) Staphyloma totale et partiale.

4) Cirsophthalmia, Staphyloma scleroticæ.

5) Tumores in, orbita.

6) Cancer palpebræ et oculi.

S. 279.

1) Ectropium und Sarcoma palpebrae.

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Unter Ectropium versteht man die Auswärtswendung der innern Fläche eines oder des andern, gewöhnlich des untern Augenliedes. Aufser der Entstellung, welche durch die, einer rohen Fleischmasse vergleichbare, ausgestülpte Conjunctiva hervorgebracht wird, erleidet der Patient in Folge des Ectropium des untern Augenliedes Thränenträufeln, weil die durch dieses Augenlied gebildete Rinne fehlt, Trockenheit des Augapfels und, das Ectropium mag am obern oder untern Augenliede haften, häufiges Wiederkehren entzündlicher Zufälle, in deren

Folge die Cornea an Glanz und Durchsichtigkeit einbüfst.

§. 280.

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Wir müssen die Verschiedenheit der Zustände und Gestalten, unter welchen dieses Leiden sich ausspricht, berücksichtigen, da hiernach das Heilverfahren eingerichtet werden mufs. Diese verschiedenen Gestalten sind selbstständige Zustände, die in ihrer Form ursprünglich aufzutreten, und sich zu behaupten vermögen, zuweilen jedoch ein stufenweises Durchlaufen durch die einzelnen Zustände zeigen. In Folge chronischer Reizung der Conjunctiva entwickelt sich in diesem Gebilde ein gesteigerter Vegetationsprocefs mit Auflockerung und vermehrter Absonderung. Es drängt sich die aufgelockerte Con-junctiva in Form eines röthlichten Wulstes hervor. Dieser Zustand erhält die Benennung des unvollkommenen Ectropiums. Durch die vermehrte Schleimsecretion sind die Augenlieder verklebt und mit Krusten bedeckt. Es findet sich diese Art des Ectropiums bei Alten, bei Wüstlingen, bei unreinlichen cachectischen Individuen. Sie wird, im geringsten Grade bestehend, als Lippitudo, wenn sie bei alten Individuen vorkömmt, was oft der Fall ist, als Triefauge der Alten, Ectropium senile, beschrieben. Aufser der Auflockerung der Conjunctiva wird noch die Lähmung des Orbicularis als Ursache derselben aufgeführt.

§. 281.

Diesem Zustande reihet sich an das Ectropium perfectum. Das Augenlied ist hier vollkommen ausgestülpt, die Conjunctiva desselben bildet zuweilen eine weiche, glatte, schlüpfrige, leicht blutende Fläche, ohne jedoch in ihrer Organisation auffallend gestört zu seyn. Diese Art der Ausstülpung, das glatte, Ectropium, geht gewöhnlich in das sarcomatöse Ectropium, welches jedoch auch gleich ursprünglich in der sarcomatösen Form aufzutreten vermag, über,

wobei die Anschwellung der Conjunctiva beträchtlich, und körnicht beschaffen ist. Durch das längere Bestehen dieses Zustandes wird die Conjunctiva so abgestumpft, dafs die rohesten Betastungen, ohne Schmerz zu erregen, vertragen werden.

§. 282.

Mit dem sarcomatösen Ectropium kommt die Ausbildung einzelner Fleischgewächse überein, welche der Bindehaut der Augenlieder entsprossen, und gewöhnlich eine theilweise oder gänzliche Umstülpung des Augenliedes, auf welchen sie ihren Sitz haben bedingen. Hier ist die sarcomatöse Verbildung nur auf einzelne Puncte der Conjunctiva beschränkt. Man unterscheidet das mit einer breiten Basis aufsitzende Sarcoma von jenem, welches einen Stiel oder Hals hat. So wie das sarcomatöse Ectropium oft schon während einer heftigen Entzündung sich zeigt, so dafs es selbst in diesem Zeitpuncte keine Einstülpung mehr erlaubt, eben so findet im Verlaufe der Entzündung die Bildung der Sarcome Statt, doch kann auch die Bildung der Sarcome ohne Entzündung erfolgen.

§. 283.

Der Lagophthalmos ist nichts anderes, als ein hoher Grad des Ectropiums, wobei die Integumente verkürzt sind, und das Augenlied ausgestülpt ist; es wird nun bald ein krankhafter, aufgewulsteter, durch chronische Entzündung bedingter Zustand der, den äufsern Schädlichkeiten ausgesetzten, Conjunctiva folgen. Der Patient ist bei hohem Grade des Uebels, die Augenliedspalte zu schliefsen, nicht vermögend. Befindet sich Verkürzung am obern Augenliede, so wird der Augapfel immer unbedeckt seyn; der Kranke wird mit offenem Auge schlafen. Dieser unbedeckte Zustand des Auges hat Trübung der Hornhaut und Verlust des Gesichts zur Folge.

S. 284.

SCARPA 1) giebt vorzüglich zwei Ursachen an, welche das Entstehen des Ectropium bedingen, die krankhafte Verlängerung der Conjunctiva, und die Verkürzung der äufsern Bedeckungen. Die erste ist Folge schleichender Entzündungen der Conjunctiva; die letzte entsteht durch zusammenfliefsende Pocken, Verbrennungen, Geschwüre, Abscesse, Furunkel, Carbunkel, welche einen Theil der Bedeckungen des Augenliedes zerstören, und einen Substanzverlust bedingen. Es scheint eine angeborne Disposition zum Ectropium durch Kürze der Bedeckungen des Augenliedes zu bestehen. SCHÜTTE 2) beobachtete ein angebornes Ectropium des obern und untern Augenliedes mit einer hornartigen Verbildung der Bedeckungshaut. Umschläge mit Bleiwasser sollen die Heilung bewirkt haben. Wenn eine oder die andere Ursache ursprünglich einzeln eingewirkt hat, so werden sie doch bei ausgebildeter Krankheit mehr oder weniger sich wechselseitig bedingen. -Wenn eine Conjunctivitis längere Zeit besteht, so giebt sie zuweilen Anlafs zu Ulcerationen, welche in die Commissuren der Augenlieder eingreifen, wodurch dann, bei dem aufgelockerten Zustande der Conjunctiva um so eher, ein Ectropium sich bildet. Die Lähmung des Orbicularis kann, so wie der Krampf dieses Muskels ebenfalls das Ectropium setzen. Ein krankhaft veränderter Zustand des Tarsus ist gewifs eine häufige Ursache des Ectropiums, vorzüglich wenn mit diesem ein abnormer Zustand des Muskels besteht. Küntzel3) hat durch Gründe diese Behauptung festgestellt. Auch kann in Folge der Ausdehnung des Augapfels, des Exophthalmos etc. eine Umstülpung des Augenliedes eintreten.

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1) Traité des principales maladies des yeux. PESCAY et BEGIN. Paris, 1821. T. 1. p. 165.

Trad. de FOURNIER

2) Journ. für Chirurg. und Augenh. 9. B. 1 Heft. p. 147.
3) Diss. Aetiologiæ Ectropii examen criticum continens,

1792. S. 27.

BECK, Augenheilkunde..

18

Hala,

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