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der Krankheit sieht der Schielende gewöhnlich doppelt, weil derselbe mit dem aus der Sehaxe verrückten Bulbus nicht denselben Punct, welchen das normale Auge beobachtet, fixirt. — Aufser den angegebenen Arten des Schielens ist noch das unvollkommene und das periodische Schielen zu berücksichtigen. Das erste findet nur in einer bestimmten Richtung des Auges und bei gewisser Entfernung der Gegenstände Statt, wo hingegen das letzte durch vorübergehende Ursache gesetzt, aufhört und wiederkehrt.

1) BOYER, im a. W. S. 599. 5. B.

S. 223.

Man hat geglaubt, die Ursache des Schielens beruhe auf einem fehlerhaften Baue der Häute des Auges oder auf einer abnormen Insertionsstelle des Sehnervens des leidenden Auges, was aber dadurch schon widerlegt wird, dafs dann das Schielen immer angeboren seyn müfste, was es jedoch selten ist. Es geht aus den Erscheinungen, welche dieses Uebel darbietet, deutlich hervor, dafs eine Affection der Muskeln hier zu Grunde liege, dafs eine Störung in der harmonischen Zusammenwirkung derselben bestehe. Das Leiden geht entweder von den Muskeln direct aus, oder wird durch ein abnormes Sensationsverhältnifs veranlafst, welches alsdann die Muskelaction alienirt, so dafs die letzte indirect und secundär leidet. Das Schielen von krankhafter Muskelaction vermag durch Gehirn- und Nervenleiden, durch Catalepsie, Hydrocephalus, Epilepsie, durch entferntere Reize, durch Würmer, dann durch Lähmung eines oder des andern Augenmuskels, durch Verkürzung, welche entweder angeboren ist, oder, wie oben gezeigt wurde, durch Entzündung eines der Muskeln entsteht 1), hervorgerufen zu werden. Daher wird bei der fehlerhaften Gewohnheit, den Kindern die Gegenstände zu nahe, oder immer in einer Richtung

vorzuhalten, leicht durch vermehrte Contractilität des thätigen, bewegten Augenmuskels ein Schielen hervorgebracht, daher wird durch Verduuklungen der Hornhaut, der Linse etc., indem das Auge nur in einer gewissen Stellung die Gegenstände gewahrt, das Schielen bedingt. Eine fehlerhafte Gewohnheit zum Schielen entsteht durch den Nachahmungstrieb der Kinder, wenn die Individuen, welche in der Umgebung der Kinder sich befinden, schielen. SAUVAGES 2) bemerkt, dafs durch Lähmung, Verwundung, Geschwüre etc. der eine Muskel erschlafft werde, der Antagonist aber convulsivisch sich contrahire und das Schielen sich bilde. VILLERME 3) behandelte einen Kranken, welcher auf den linken zitzenförmigen Fortsatz gefallen war, und welcher unmittelbar darauf auf dem linken Auge schielte und an einer unvollkommenen Lähmung des musculus rectus internus litt. Es erfolgte hierauf Doppeltsehen, welches beim Schliefsen des einen Auges verschwand. Das Schielen hob sich allmählig. DEMOURS bemerkt, dafs bei Contusionen, welche die äufsere Seite der Orbita treffen, das vierte Nervenpaar in Anspruch genommen, der nervus oc. motorius gelähmt werde, wodurch Schielen entstehe. DELPECH *) giebt die Verkürzung der Muskeln als vorzügliche Ursache an. ST. YVES 5) beschreibt ein Schielen, welches Folge des rheumatischen Leidens ist, und empfiehlt Aderlässe, Abführund Brechmittel zur Hebung desselben.

1) Vergl. §. 144.

2) Nosologia methodica. T. 1. p. 528.

3) Journ, der Chirurg. und Augenheilk. von GRÄFE und Walther. 12. B. 3. Hft. P. 498.

4) Précis élémentaire des maladies réputées chirurgicales. T. 1. p. 651.

5) Nouveau traité des maladies des yeux. Pag. 164.

§. 224.

Der fehlerhafte Zustand der Sehkraft vermag das Schielen zu bedingen. BÜFFON 1) hat bemerkt,

dafs durch Ungleichheit der Sehkraft der Augen das Schielen begründet werde, da, im Falle das eine Auge fern, das andere kurzsichtig ist, die Eindrücke, die das Individuum erhält, wenn es mit beiden Augen die Gegenstände betrachtet, verwirrt sind, woher es dann genöthiget ist, das schwächere Auge von der Sehachse des stärkern abzuziehen, wodurch Ungleichheit in der Thätigkeit der Muskeln entsteht. Durch parzielle Amaurose des einen Auges kann ebenfalls Schielen hervorgebracht werden, so dafs der Kranke die in gerader Linie vor dem Auge liegenden Gegenstände nicht, wohl aber diejenigen, welche von der Seite einfallen, sehen kann 2). Mit diesem Schielen stimmt überein der Strabismus, veranlafst durch den seltenen Zustand der Retina, wo deren empfindlichste Stelle sich nicht in der Achse des Auges befindet, wo dann das Auge die seiner Achse entsprechenden Objecte schwächer als die nebenanstehenden wahrnimmt. Ueberhaupt wird das schielende Auge vernachläfsiget und schwächer, als das gesunde, was bei der Behandlung zu berücksichtigen ist und nach und nach vermindert sich immer mehr und mehr der willkührliche Einflufs auf die Muskeln. Ist das Auge durch die mechanische Gewalt einer in der Augengrube oder in der Umgebung sich entwickelnden Geschwulst schielend, so ist gewöhnlich Exophthalmus gleichzeitig vorhanden. Gemeiniglich entwickelt sich der Strabismus im kindlichen Alter zur Zeit des Zahngeschäftes. Die Luscitas ist die höhere Stufe des Strabismus, und unterscheidet sich von diesem durch das Unvermögen, den fehlerhaft gestellten Bulbus in die der fehlerhaften Stellung entgegengesetzte Richtung zu bringen 3). Der Strabismus ist gewöhnlich Vorläufer und Begleiter der Amaurose. Wenn ein Auge im Zustande der Amblyopie sich befindet, so entsteht ein Schielen, das schwächere Auge wird von der Sehachse des stärkern abgestellt.

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1) Mémoires de l'Acad. des Sc. ann. 1743.

2) Vergl. KRIMER im Journ, der Chirurg. und Augenh. 10. B. P. 618.

3) BEER, i. a. W. S 667. 2. B.

§. 225.

Bei der Behandlung trachte man die Ursache des Uebels, die krankhafte Nervenstimmung, den consensuellen Reiz, jenen Einflufs, welcher die fehlerhafte Gewohnheit weckte, zu entfernen. Vorzüglich hat man auf den gestörten Antagonismus der Muskeln und auf die angeborne oder erworbene Schwäche des Auges Rücksicht zu nehmen. Man suche die Willkühr der Bewegung und das Zusammenstimmen der Bewegung beider Augen herzustellen. Die durchlöcherten Schalen, die Röhrenbrillen und andere Vorrichtungen, vermöge welchen das Auge gezwungen wird, den Gegenstand in gerader Richtung zu betrachten, werden empfohlen, allein die Anwendung derselben gewährt keinen günstigen Erfolg, da das Individuum nur mit dem gesunden Auge sieht, und das schielende von dessen Achse entfernt ist; sie können vielmehr nachtheilig werden, da gewöhnlich zur Seite der Schalen einiger Raum für das Eintreten der Lichtstrahlen besteht, wohin das schielende Auge sich wendet, und wodurch der krankhafte Zustand erhöht wird. Das schwarze Pflaster auf die Nasenspitze geklebt, gewährt beim Strabismus divergens eben so wenig Nutzen, als die von VERDUC 1) vorgeschlagenen kleinen auf die Seite des Auges befestigten Spiegel. Das Verfahren von BUFFON, das in neuern Zeiten von Roux 2) mit Erfolg angewandt wurde, verdient Nachahmung; es wird das gesunde Auge bedeckt, das schwächere auf eine passende Weise geübt, um dadurch die Gleichheit der Energie der Netzhaut beider Augen und die Harmonie der Wirkung der Muskeln zu erhalten. Die Kraft des Willens, das Betrachten vor einem Spiegel, bei Kindern öftere ernsthafte Ermahnung leisten manchmal guten Nutzen. Die Wirkung dieser Verfahren

wird durch geistige Einreibungen in die Augengegend, durch Galvanismus oder Electricität u. dgl. zweckmässig unterstützt.

1) Pathologie. T. 2 p. 50.

2) Obs. sur un Strabisme diverg. gueri sur un sujet adulte, qui en était affecté depuis son enfance. Paris, 1814.

Strabismus, στραβιςμος, das Schielen, von στρέφω, στραβω, drehen, verdrehen etc.

Literatur.

Neben den angegebenen Schriften:

Taylor, Joh., de vera causa Strabismi. Lisb. 1739.

Zweite Abtheilung. Nevrosen, bei welchen die Sensation krankhaft verändert ist. §. 226.

Bei den hier aufgestellten Krankheitsformen spricht sich die Receptivität der sensibeln Sphäre entweder erhöht oder vermindert, die Erregbarkeit verändert aus. Die hierher gehörigen Krankheitsformen sind: die Amaurose, die Amblyopie, die Visio phantasmatum, die Diplopie, die Hemiopie, die Hemeralopie, die Nyctalopie. Die Amaurose fafst bisweilen alle diese Krankheitsformen, welche selbstständig aufzutreten vermögen, als Symptome in sich, sie ist daher auch die wichtigste der hier aufgestellten Krankheiten. Obgleich die Myopie und Presbyopie gewöhnlich durch den Bau des ganzen Auges hervorgerufen werden, so ist die Veränderung der Sensation, wenn schon hier nur symptomatisch, doch so auffallend ausgedrückt, dafs diese Zustände hier aufgestellt zu werden verdienen.

§. 227.

1) Amaurose.

Die Beschränkung oder vollkommene Aufhebung des Sehvermögens, gesetzt durch den abnormen Zustand des Sehnervengebildes, wird Amaurose genannt.

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