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Der Bau eiserner Personenwagen

auf den Eisenbahnen der Vereinigten Staaten von Amerika.")

Von Regierungsbaumeister F. Gutbrod in Berlin.

I. Allgemeines. 1) Einleitung und geschichtliche Entwicklung. Während der amerikanische Lokomotivbau seit einer Reihe von Jahren wenig Eigenartiges mehr hervorgebracht hat, bieten die neueren Errungenschaften auf dem Gebiet des Wagenbaues eine Fülle des Lehrreichen und Interessanten.

Für die Richtung, welche der Lokomotivbau im letzten Jahrzehnt genommen hat, ist die fortgesetzte Steigerung der Abmessungen, die sich äußerlich schon durch die stetige Vermehrung der Achszahl und die Einführung der MalletBauart kundgibt, kennzeichnend. Die Mehrzahl aller Neuerungen bezüglich der Verbesserung des Kessels und der Dampfmaschine sind mit geringen Ausnahmen Nachbildungen europäischer Errungenschaften: Verbundanordnung, Dampfüberhitzung, Heusinger-Walschaert-Steuerung, Laufwerk nach Bauart Mallet, Verwertung des Auspuffdampfes und der Abgase für die Vorwärmung des Kesselspeisewassers und dergl.

Zwar

Anders auf dem Gebiet des Wagenbaues. Hier sind die Amerikaner bis zum heutigen Tag ihre eigenen Wege gegangen, und zwar sowohl im Güter- wie im Personenwagenbau. Für den Güterverkehr war von jeher maßgebend die Beförderung großer Mengen gleichartiger Rohstoffe und Erzeugnisse über lange Strecken: daher Güterwagen großer Tragfähigkeit, ohne Rücksicht auf Forderungen in konstruktiver oder betrieblicher Hinsicht. Sie bestanden aus einem hölzernen Kasten, der zwecks seiner Fortbewegung in einfachster Weise auf zwei Drehgestelle gesetzt wurde. wurden diese Wagen schon bei leichten Zusammenstößen stark beschädigt, bei schwereren in der Regel so vollständig zertrümmert, daß die Reste ohne Rücksicht auf den Wert des Materials verbrannt wurden. So lange aber an die Tragfähigkeit keine allzuhohen Forderungen gestellt wurden und Bauholz noch in großen Mengen zu billigem Preise zu haben war, legte man auf Verbesserungen der im Betrieb erkannten Mängel keinen großen Wert. Die Hauptsache blieb Billigkeit und Schnelligkeit in der Beschaffung. Ein Wandel trat erst ein, als die Tragfähigkeit entsprechend den Anforderungen an den Verkehr von 30 auf 40 und 50 t gesteigert werden mußte und gleichzeitig infolge des planmäßigen Raubbaues

1) Sonderabdrücke dieses Aufsatzes (Fachgebiet: Eisenbahnbetriebsmittel) werden abgegeben. Der Preis wird mit der Veröffentlichung des Schlusses bekannt gemacht werden.

in den Waldbeständen eine bedrohliche Verarmung an wertvollem Bauholz einzutreten begann. Für die Verwendung von Eisen war demnach in konstruktiver Hinsicht zunächst nur die statische, nicht die dynamische Belastung maßgebend. Man erzielte durch die Verwendung von Eisen ein erheblich günstigeres Verhältnis zwischen Totgewicht des Wagens und Nutzlast als bei Holz. Daß der Ersatz der Holz- durch Eisenkonstruktion für Güterwagen auch die Sicherheit gegen Beschädigungen beim Umsetzen auf den Verschiebebahnhöfen und bei Zugzusammenstößen und Entgleisungen erhöhte, sowie geringere Ausbesserungskosten im Gefolge hatte, lehrte erst die Erfahrung. Seitdem (etwa seit dem Jahr 1897) ging man auch bei den Güterwagen geringerer Tragfähigkeit allgemein zur Verwendung von Eisen über.

Von den 1907 in den Vereinigten Staaten und in Kanada gebauten 280 216 Güterwagen waren 72 vH aus Eisen gefertigt. Das entsprach einem Zuwachs an eisernen Güterwagen von mehr als 400 vH gegenüber dem Jahr 1901. Nachdem erst die Eisenbahnwerkstätten für die Ausbesserung derartiger Wagen sich in sachgemäßer Weise eingerichtet und den erforderlichen Stamm von sachkundigen Arbeitskräften herangezogen hatten, ging man mit dem Ersatz des vorhandenen hölzernen Materials durch eiserne Wagen mit der in den Vereinigten Staaten üblichen Gründlichkeit vor. So verbrennt beispielsweise die Pennsylvania-Eisenbahn in ihren Hauptwerkstätten in Altoona bei Pittsburg allnächtlich 12 bis 14 hölzerne Güterwagen.

Erheblich langsamer ist die Entwicklung der eisernen Personenwagen vonstatten gegangen. Der Grund hierfür liegt in erster Linie in der wesentlich verschiedenen Verwendungsart dieser Wagengattung. Während bei den Güterwagen eine möglichst hohe Tragfähigkeit anzustreben ist und hier die Verwendung von Eisen die Möglichkeit eines günstigen Verhältnisses zwischen Nutzlast und Totgewicht gewährt, spielt dieses Verhältnis bei den Personenwagen eine untergeordnetere Rolle. Der Zahlenwert dieses Faktors ist ja an und für sich so ungünstig, daß die Verwendung von Eisen an Stelle von Holz als Baustoff in dieser Hinsicht zunächst eher mit einer Gewichtvermehrung verbunden ist, wenn auch bie Unterschiede, wie später noch gezeigt wird, gering sind. Eine Vermehrung des Nutzgewichtes bezw. der Zahl der Sitzplätze bedingt eine Steigerung der Wagenlänge, die aus bautechnischen Gründen einen bestimmten Betrag

nicht überschreiten darf. Ueber dieses Maß hinausgehende Forderungen können nur durch weitere Einstellung von Wagen in den Zug befriedigt werden. Ein andrer Punkt ist es vielmehr, in dem an den Personenwagen im Lauf seiner Entwicklung von Jahr zu Jahr höhere Anforderungen gestellt worden sind: die Steigerung der Geschwindigkeit der Personenzüge und damit das Anwachsen der lebendigen Kraft, die bei Zugunfällen plötzlich ausgelöst wird und die höchsten Anforderungen an die Festigkeit des Wagens stellt.

Grundsätzlich ist die Konstruktion namentlich der älteren amerikanischen Personenwagen von der der Güterwagen kaum verschieden. Auch hier besteht das Fahrzeug im wesentlichen aus einem Wagenkasten mit ungeteiltem Innenraum, der auf zwei Drehgestellen gelagert ist. Für die Abmessung der Teile sind lediglich statische Beanspruchungen in Rechnung gestellt. Als Baustoff wird ausschließlich Holz verwendet, auch für den Wagenkastenboden, der gleichzeitig als Wagenuntergestell ausgebildet ist. Zur Erzielung ausreichender Festigkeit gegen die Beanspruchungen in senkrechter Richtung durch Eigengewicht und Nutzlast werden die Seitenwände des Wagenkastens mit herangezogen. Diese Konstruktionsweise bietet auf der einen Seite den Vorteil, daß die Untergestelle dementsprechend leichter und damit das Gewicht der Wagen niedrig gehalten werden kann. Der ganzen Bauart haftet jedoch schon mit Rücksicht darauf, daß die überwiegende Mehrzahl der amerikanischen Personenwagen keine durch Querwände abgetrennten Abteile hat, der schwere Uebelstand an, daß namentlich bei der beträchtlichen Länge der Wagen unzureichende Steifigkeit in der Quer- und Uebereckrichtung erzielt wird. Diese Mängel treten in besonderm Maß bei den gewöhnlichen vierachsigen Personenwagen, den sogenannten day-coaches, in die Erscheinung, die in der Mehrzahl auch heute noch eine ganz unzulässig leichte Bauart der Untergestelle zeigen. In diesem Uebelstand, zu dem noch der Nachteil der innigen Verbindung zwischen Untergestell und Wagenkasten tritt, ist die Ursache für die schweren Beschädigungen und die fast regelmäßig eintretende teleskopartige Zertrümmerung dieser Wagen bei Zugentgleisungen und Zusammenstößen zu suchen. Der Grundsatz, die Seitenwände zur Aufnahme der Kräfte mit heranzuziehen, geht bei älteren Bauarten sogar so weit, daß die Seitenwände nicht nur die Belastungen in senkrechter Richtung (durch Eigengewicht und Nutzlast), sondern auch in wagerechter Richtung in der Längsachse des Wagens (durch Zug und Stoß der Kupplung) aufzunehmen haben. Unter dieser Voraussetzung besteht das Untergestell in der Hauptsache aus zwei kräftigen äußeren Längsträgern, auf denen sich die Seitenwände aufbauen, und auf die alle auf das Untergestell ausgeübten Kräfte durch eine Reihe von Querbalken übertragen werden; vergl. Fig. 1 bis 4.

Einen erheblichen Fortschritt bedeutete der zu Anfang der sechziger Jahre von der Pennsylvania-Bahn gebaute Personenwagen, dessen Untergestell, wie Fig. 5 bis 8 zeigen, den auftretenden Beanspruchungen schon erheblich besser gewachsen ist. Die in dieser Anordnung zum Ausdruck gebrachten Grundgedanken fanden allseitig schnellen Eingang. Im allgemeinen läßt sich sagen, daß die Durchbildung des Personenwagens in Amerika in baulicher Hinsicht schon vor 1870 zu einem gewissen Abschluß gelangt war, und daß die nächsten 35 Jahre im großen und ganzen nur Abänderungen in den Einzelheiten des Grundgedankens gezeitigt haben, die den verschiedenen Anforderungen des Betriebes Rechnung tragen sollten. Die Figuren 9 bis 14 zeigen verschiedene Bauarten während des Entwicklungsganges bis zu der heutigen Normalbauart. Während dieser ganzen Zeit war das Hauptaugenmerk der Erbauer und der Bahnen hauptsächlich auf die Fragen der Lüftung, Heizung, Beleuchtung, Bremsung und Kupplung und nicht zum wenigsten auf die innere Ausstattung des Wagens gerichtet. Es ist nicht nur in Fachkreisen bekannt, welchen Wert das amerikanische Reisepublikum auf ein vornehmes und behagliches Aussehen der Wageninnenräume legt. Gerade hier kommt den Amerikanern nicht nur die Mannigfaltigkeit ihrer Holzarten, sondern vor allem die vorzügliche Beschaffenheit des Holzes für Schnitzarbeiten und dekorative Kunst zustatten. Wer Gelegenheit gehabt hat, die beiden von der Pullman-Gesellschaft auf

Fig. 1 bis 4.

deutscher Ingenieure.

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2. Dezember 1911.

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von

64 Personen weisen ein Gewicht von 65 bis 70 t auf. Obschon ein Fortschreiten in dieser Richtung im Lauf der Zeit zweifellos zur Verwendung von Eisen in einem größeren Umfang geführt hätte, kam der Anstoß zum Bau eiserner Personenwagen doch von andrer Seite. Im Jahre 1902 lenkte kein geringerer als George Westinghouse unter dem frischen Eindruck der Katastrophe in der Pariser Untergrundbahn die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Feuergefährlichkeit elektrisch betriebener Motorwagen hin und empfahl namentlich für Unterpflaster- und Tunnelbahnen die ausschließliche Verwendung von feuersicheren Bahnwagen. Die Illinois Central Railroad Co. in Chicago und die Pressed Steel Car Co. in Pittsburg waren die ersten, welche darauf

hin unabhängig voneinander Entwürfe für eiserne Personenwagen ausarbeiteten. Die erstgenannte Gesellschaft stellte im Sommer 1903 mehrere derartige Wagen mit Seitentüren (die Ausführung ist an zahlreichen Stellen der technischen Literatur veröffentlicht)1) auf den in Chicago einmündenden Vorortstrecken in Betrieb. Die Pressed Steel Car Co. baute in demselben Jahr 35 eiserne Personenwagen für die Northwestern Elevated Railway in Chicago. Zu der Entwicklung des eisernen Personenwagens haben beide Bauarten nicht sonderlich viel beigetragen, da sie, für Hochbahnbetrieb bestimmt, die Forderung der Verwendung feuerbeständigen Baustoffes nicht streng erfüllen. Die Untergestelle sind zwar ganz aus Eisen, dagegen ist für den Wagenkasten Holz noch in beträchtlichem Umfang verwendet.

Das Verdienst, den ersten vollständig aus Eisen gebauten Wagen eingeführt zu haben, gebührt der Interborough Rapid Transit Co., der Untergrundbahn von New York. Schon 1902 hatte George Gibbs, beratender Ingenieur des Board of Rapid Transit Commission, die Konstruktionszeichnungen den städtischen Behörden vorgelegt. Da jedoch die Beschaffung der Wagen bis zu der Eröffnung der Bahn im Jahre 1904 drängte und sich die Gesellschaft bei dem Umfang der Beschaffung ohne vorangegangene sorgfältige Versuche mit einem Probewagen zu einem so gewagten Unternehmen nicht entschließen konnte, wurde die Ausführung eines derartigen Wagens bis zum Jahre 1904 hinausgeschoben und auch dies nur durch das Entgegenkommen der Pennsylvania-Eisenbahn ermöglicht, die nach der ablehnenden Haltung der amerikanischen Wagenbaugesellschaften sich bereit erklärte, den Wagen in ihren Werkstätten in Altoona zu bauen. Nach verschiedenen Abänderungen wurden zunächst 20 Wagen bei der American Car and Foundry Company in Berwick in Bestellung gegeben und nach ihrer Bewährung im Betrieb im Laufe der nächsten Jahre weitere 150 Wagen beschafft.

Diese Wagen waren dank den Bemühungen der Pennsylvania-Bahn ein solcher Erfolg, daß die Bahnen nunmehr nacheinander aus ihrer abwartenden Haltung heraustraten und sich die Ausarbeitung für ihre Zwecke geeigneter Entwürfe angelegen sein ließen. So bestellte die Long Island Railroad 1905 für ihre elektrisch betriebenen Vorortlinien auf Long Island bei der American Car and Foundry Co. 134 eiserne Personenwagen, die sich in ihrer Ausführung eng an die Konstruktion der Wagen der New Yorker Untergrundbahn anschließen. Ihrem Beispiel folgte die New York Central and Hudson River Railroad mit 125 Motorwagen für ihre in New York als Untergrundbahn einmündende Hauptstrecke, die Hudson Terminal Co. mit 50 Motorwagen für den HudsonTunnel, die Hochbahngesellschaft in Boston mit 45 und die Hochbahngesellschaft in Philadelphia (die Philadelphia Electric Elevated Railway) mit 80 Motorwagen. Sie sind sämtlich aus den Werkstätten der American Car and Foundry Co. hervorgegangen.

Bis dahin erstreckte sich die Einführung eiserner Personenwagen lediglich auf elektrischen Vorortbetrieb. Der durchgehende Fersonenwagenverkehr blieb noch unberührt und mußte es bleiben, so lange das Gebot der Feuersicherheit in den Vordergrund gestellt wurde. Bald aber gewann die Frage allgemeinere Bedeutung. Daß die Aufgabe, Personenwagen im äußeren Aufbau vollständig aus Eisen her zustellen, lösbar war, und zwar lösbar trotz der vielen Schwierigkeiten, die die Eigenart dieses Baustoffes mit sich bringt, hatte der Bau der zahlreichen Motorwagen, die auf Hauptstrecken liefen, bewiesen. Die hier gesammelten Erfahrungen ließen sich auf Personenwagen für Durchgangverkehr in der Hauptsache ohne weiteres anwenden, zumal bei der großen Ausdehnung des elektrischen Vorortbetriebes auf Hauptbahnen die Größe und Bauart der Wagen derjenigen der Wagen für Fernverkehr nur wenig nachsteht und nicht selten die Wagen aus dem einen Verkehr in den andern unmittelbar übergehen. (Die Verhältnisse auf den amerikanischen Bahnen decken sich in dieser Hinsicht nicht mit denjenigen auf unsern Bahnen.) Zudem hatte aus den seit Jahren im Großen eingeführten eisernen

man

1) s. Z. 1903 S. 1720.

Güterwagen gelernt, daß der Ersatz des Holzes durch Eisen noch weitere, im Betrieb sehr ins Gewicht fallende Vorteile mit sich bringt. Um diese Vorteile und die bisher gesammelten Erfahrungen auch dem Bau von Durchgang-Personenwagen zunutze zu machen, bedurfte es daher nur eines äußeren Anstoßes. Er kam von dem verstorbenen Präsidenten Alexander Cassat der Pennsylvania Railroad, einer der weitestschauenden Persönlichkeiten im amerikanischen Eisenbahnwesen, der namentlich auch auf technischem Gebiet vorzüglich beschlagen war. Er erkannte für die nach dem Umbau der gewaltigen Bahnhofsanlagen der PennsylvaniaEisenbahn in New York in langen Unterwasser-Tunnelröhren einmündenden Hauptstrecken dieser Bahngesellschaft die Notwendigkeit, das gesamte, die Millionenstadt berührende Zugmaterial mit Rücksicht auf die Sicherheit der Fahrgäste aus Eisen herzustellen, und zwar nicht nur für den Vorort-, sondern auch für den Fernverkehr. Die Mehrzahl der verkehrenden Züge sind Fernzüge, und da es zu großen Unzuträglichkeiten geführt hätte, die Fahrgäste an der Grenze der Vorortzone umsteigen zu lassen, schien die Einführung eiserner Personenwagen auch für den Fernverkehr, und zwar selbst für die zwischen New York und Chicago verkehrenden Expreßzüge, geboten. Alsbald wurden die nötigen Entwürfe ausgearbeitet und der Bau von Versuchswagen in den eigenen Werkstätten in Altoona und in Wagenbauanstalten in Angriff genommen. Es handelte sich um die Beschaffung von gewöhnlichen Personenwagen (sogenannten day-coaches), Schlafwagen, Speisewagen, Gepäck- und Postwagen. ganzen sollen zunächst 1500 eiserne Personenwagen, und zwar 1000 gewöhnliche und 500 Pullman-Wagen, gebaut werden. In diese Bestellung teilen sich, soweit sie nicht in eigenen Werkstätten ausgeführt wird, die American Car and Foundry Co., die Pressed Steel Car Co. und die PullmanGesellschaft. 1907 waren die ersten Versuchswagen fertiggestellt, die im folgenden Jahr im regelrechten Betrieb nach allen Richtungen hin ausgeprobt wurden. Erst dann wurde mit der Ausführung der Bestellungen im Großen begonnen.

Im

Noch während der Dauer dieser Versuche folgten andre Bahngesellschaften dem Beispiel der Pennsylvania Railroad und begannen mit der probeweisen Einstellung von eisernen Versuchswagen. So die Erie-Bahn mit einem Gepäckwagen 1904 und einem Post- und Expreßwagen 1905 (der Postwagen war auf dem Internationalen Eisenbahnkongreß in Washington 1905 ausgestellt); ferner die Southern Railway und die New York, New Haven and Hartford Railway. Und nachdem erst die betriebliche Tüchtigkeit dieser neuen Wagen dargetan war, ging die Prophezeiung Cassats, daß man in Amerika dem eisernen Personenwagen einst ebenso den Vorzug geben werde wie dem eisernen Güterwagen, rasch genug in Erfüllung. Längst war nicht, wie anfangs, die Forderung unbedingter Feuersicherheit allein maßgebend. Die Mehrzahl der nacheifernden Bahnen war weder durch elektrische Betriebe, noch durch anderweitige besondere Betriebsbedingungen zur Einführung derartiger Wagen gezwungen. Die Gründe, die maßgebend waren, sollen in einem besondern Abschnitte besprochen werden. Da zurzeit auf den amerikanischen Bahnen über 4500 eiserne Personenwagen im Betrieb sind. gilt nach dem Urteil amerikanischer Fachleute die Versuchszeit für eiserne Personenwagen auf den amerikanischen Bahnen als abgeschlossen, so daß nunmehr der Bau derartiger Wagen von den Firmen im Großen betrieben werden kann. Daß dieses Urteil in mancher Hinsicht verfrüht ist, bleibt späteren Ausführungen vorbehalten.

Selten ist eine so einschneidende Umwälzung auf technischem Gebiet in einer so kurzen Spanne Zeit durchgeführt worden. Liegen doch zwischen dem ersten Anstoß von seiten Westinghouses und Cassats und der allgemeinen Einführung des eisernen Personenwagens nur wenig mehr als sechs Jahre. Gewiß, dem kommenden Ereignis war durch eine vorangegangene, ähnliche Umwälzung im Güterwagenbau in mancher Hinsicht vorgearbeitet. Trotzdem erschien der Gedanke, als er zum erstenmal ausgesprochen wurde, so ungeheuerlich, daß sowohl die Eisenbahnfachwelt wie die Wagenbaufirmen ihn aus praktischen Gründen für unausführbar erklärten. So groß war der anfängliche Widerstand von seiten der Werke, daß sie sogar den Bau der ersten Versuchswagen für die

deutscher Ingenieure.

New Yorker Untergrundbahn und für die Pennsylvania Railroad nach deren fertigen Entwürfen einmütig ablehnten, daß somit schon der erste Versuch gescheitert wäre, wenn nicht die Pennsylvania Railroad sich zum Bau beider Wagen in ihren Bahnwerkstätten entschlossen hätte. Als aber dank dem planmäßigen schrittweisen Vorgehen und sorgfältigen Erproben von seiten dieser beiden Gesellschaften der Erfolg gesichert war, zögerten weder die Eisenbahnen noch die Wagenbaufirmen einen Augenblick, sich diese neue Errungenschaft in vollem Umfang zunutze zu machen, obwohl der Bau im Großen namentlich für die Wagenbauanstalten mit umfangreichen betrieblichen Aenderungen und Neueinrichtungen verbunden war, über die an andrer Stelle berichtet wird. Hier sollen zunächst die zahlreichen Vorzüge besprochen werden, welche für die Verwendung von Eisen an Stelle von Holz beim Bau neuer Personenwagen maßgebend

waren.

2) Gründe für die Einführung eiserner
Personenwagen.

a) Feuersicherheit. Wie schon eingangs erwähnt trat bei dem Bau großer Tunnelanlagen in New York, in denen die Bahnzüge teils auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, teils aus betriebstechnischen Gründen mittels elektrischen Stromes zu befördern waren, die Forderung unbedingter Feuersicherheit der Betriebsmittel zum erstenmal in den Vordergrund. Die Zerstörung hölzerner Wagen durch Feuer infolge Kurzschlusses und die Entwicklung großer Rauchmengen in den langen Tunnelröhren kann, wie der Brand in der Untergrundbahn in Paris gelehrt hat, zu einer Katastrophe führen. Unter derartigen Bedingungen muß die Verwendung von Holz wie von jedem andern leicht entzündbaren Material für den Bau der Wagen grundsätzlich vermieden werden. Im äußeren Aufbau vollständig aus Eisen hergestellte Wagen genügen allein dieser Anforderung.

Die Einführung solcher Wagen auf andern Bahnen war, nachdem die Aufgabe einmal gelöst war, naheliegend, da Beispiele hundertfach gelehrt haben, daß bei Zugunfällen jeder Art die hölzernen Wagen der Zerstörung durch Feuer (herrührend von der Lokomotive oder der Zugbeleuchtung ausgesetzt sind und das Leben der eingeschlossenen Fahrgäste bedrohen.

b) Das Zersplittern des Holzes bei Zugentgleisungen und Zugzusammenstößen hat in der Regel schwere, nicht selten lebensgefährliche Verletzungen der Fahrgäste zur Folge. Diese Wirkung fällt bei der Verwendung von Eisen infolge seiner besondern Materialbeschaffenheit fort.

Die

c) Mangel an anderm geeignetem Baustoff. amerikanischen Bahnen haben Holz dank der Billigkeit dieses Materials in sehr viel größerem Umfang für den Wagenbau benutzt, als irgend ein andres Land. Nicht allein der Wagenkasten, sondern auch das Untergestell besteht größtenteils aus Holz. Erst infolge des unsinnigen Vernichtungskrieges gegen die großen Wälder stiegen die Preise selbst für gewöhnliche Hölzer gewaltig. So wurden für eine Reihe der für den Bau des Wagenuntergestelles gangbarsten Hölzer in den letzten Jahren mehr als die doppelten Preise gegen früher bezahlt. Bei den neueren Wagen großer Länge mußten die Längsträger des Untergestelles der großen Kosten wegen in der Regel zusammengesetzt werden. Die ausgedehnte Verwendung von Eisen, namentlich für das Untergestell, fand dadurch Eingang in den Wagenbau. Wohl sind im fernen Westen und vor allem in den Südstaaten noch große Bestände geeigneten Bauholzes vorhanden. Aber sie sind von den Verbrauchstellen so weit entfernt, daß die Marktpreise durch die hohen Versandkosten wesentlich beeinflußt werden. Zudem steigt die Nachfrage von Jahr zu Jahr so gewaltig, daß auch diese Vorräte in absehbarer Zeit verbraucht sein werden. Um ihren künftigen Bedarf einigermaßen decken zu können, haben sich deshalb verschiedene amerikanische Bahnen im Osten der Staaten seit Jahren mit dem Anbau geeigneter Holzarten auf bahneigenem Gelände in größerem Umfang befaßt, so z. B. die Pennsylvania R. R., die Big Four, die Louisville and Nashville, die Michigan Central R. R. und neuerdings die Atchison, Topeka and St. Fé R. R. Aber einmal sind die Erfolge sehr gering, da die Bahnen die für

2. Dezember 1911,

diese schwierige Aufgabe erforderliche Sachkenntnis und Erfahrung nicht besitzen und deshalb in der Mehrzahl zu Baumarten gegriffen haben, welche für die betreffende Bodenart ungeeignet waren. Außerdem sind diese Bemühungen noch so kurzen Datums (sie reichen, von einer verfehlten Pflanzung der Pennsylvania R. R. im Jahr 1883 abgesehen, über das Jahr 1900 nicht zurück), daß an eine Deckung auch nur der dringendsten Bedürfnisse in den nächsten Jahren nicht zu denken ist. An der bestehenden Notlage wird deshalb durch diese zu spät ergriffenen Vorsichtsmaßregeln nichts geändert.

Unter diesen Umständen bietet Eisen, dessen Marktpreis keinen großen Schwankungen unterworfen ist, einen vollwertigen Ersatz.

erheblich

d) Größere Festigkeit. Die stetige Erhöhung der Geschwindigkeit und Länge der Züge sowie des Fassungsvermögens der Wagen erfordert kräftigere Konstruktion, als noch vor zehn bis zwölf Jahren üblich war, da infolge des größeren Gewichtes der längeren Wagen und infolge der höheren Geschwindigkeiten die lebendige Kraft und damit die Gefahr der Zerstörung der Wagen bei starken Stößen in der Fahrtrichtung und namentlich bei Zugunfällen erheblich zunimmt. Diese Tatsache ist durch Erfahrungen im Betrieb hinlänglich festgelegt. Schon die vollständig aus Eisen hergestellten Güterwagen für hohe Tragfähigkeit haben bewiesen, daß sie gegen Zertrümmerung bei Zugzusammenstößen widerstandsfähiger sind als hölzerne Wagen gleicher Bauart und Tragfähigkeit. Aus demselben Grund gingen auch namhafte amerikanische Bahnen (z. B. die Erie R. R. und die New York, New Haven and Hartford R. R.) in den letzten Jahren mehr und mehr zur Beschaffung eiserner Gepäckund Postwagen über. Diese Wagen, welche in der Regel unmittelbar hinter den schweren (vollständig aus Eisen und Stahl bestehenden) Lokomotiven und Tendern im Zuge laufen, leiden erfahrungsgemäß bei Zugzusammenstößen am stärksten. Aus dem gleichen Grund wird hinter einem eisernen Gepäckoder Postwagen stets ein aus Holz gebauter unbesetzter Notwagen eingestellt, der die folgenden hölzernen Personenwagen gegen Zertrümmerung möglichst schützen soll. Allgemein ergibt sich daraus bei allmählicher Einführung eiserner Wagen die beachtenswerte Vorschrift, daß eiserne und hölzerne Wagen in einem und demselben Zug nicht beliebig zusammengestellt werden dürfen.

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Ob der Forderung besserer Tragfähigkeit und größeren Widerstandes gegen Stöße in der Längsachse nur ein vollständig aus Eisen hergestellter Wagen entspricht, oder ob in diesem Fall die Herstellung des Traggestelles aus Eisen genügt, hängt zunächst nur von der Konstruktion ab. Zahlreiche, in den letzten Jahren gebaute Pullman-Wagen haben bei Eisenbahnunfällen (z. B. bei Entgleisungen, bei denen derartige Wagen meterhohe Böschungen heruntergestürzt sind) bewiesen, daß kräftig zusammengefügte Seitenwände aus Holz mit Eisenarmierung sehr hohen Anforderungen gewachsen sind. Das Gewicht derartiger Wagen ist aber auch erheblich höher als das der gewöhnlichen Personenwagen (day coaches). Es war das lehrten schon die eisernen Güterwagen vorauszusehen, daß vollständig aus Eisen hergestellte Personenwagen bei gleicher Festigkeit ein geringeres Gewicht, und umgekehrt Wagen von gleichem Gewicht größere Festigkeit aufweisen mußten als hölzerne Personenwagen. Die von verschiedenen Seiten erhobenen Einwendungen, daß das Gewicht fertiger eiserner Personenwagen durchgehends erheblich größer sei als das hölzerner Wagen von gleichem Fassungsvermögen, sind nicht zutreffend. Wohl sind die Gewichte vereinzelter Versuchswagen, namentlich das des ersten Schlafwagens der Pullman-Gesellschaft, über Gebühr hoch gewesen. Dieser Uebelstand ist aber bei den späteren Entwürfen durch zweckmäßige bauliche Abänderungen behoben worden. Im übrigen aber wird beim Vergleich der Gewichte übersehen, daß die eisernen Wagen, namentlich die der besten Konstruktion (z. B. der Pennsylvania Railroad und der Pullman-Gesellschaft) für wesentlich stärkere Beanspruchungen gebaut sind als die hölzernen Wagen älterer Bauart. Dagegen weisen die hölzernen Pullman-Wagen der letzten Jahre Gewichte auf, welche die der eisernen Wagen gleicher Type noch übertreffen, ohne deren hohe Festig

keit zu erreichen. Dieser Punkt wird an andrer Stelle noch ausführlicher besprochen werden.

Als ein weiterer Vorteil, der für die Einführung der eisernen Personenwagen selbstverständlich nicht unmittelbar maßgebend war, mag hier noch die besondere Materialeigenschaft des Eisens erwähnt werden, die es gestattet, ihm durch verhältnismäßig einfache Prozesse jede gewünschte Form zu geben. Diese Eigenschaft ist namentlich für die Ausbildung der Wagendecke, des Untergestelles und vor allem für die Eckverbindungen von großem Wert. Im Gegensatz zu den sehr verwickelten Verzapfungen der Hölzer und Balken ist die Verbindung eiserner Träger und Bleche untereinander die denkbar einfachste.

Endlich bliebe an dieser Stelle noch die Frage zu erörtern, ob es für die Eisenbahnen andrer Staaten ratsam erscheint, dem Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika zu folgen. Diese Frage liegt nahe und ist hier um so mehr am Platze, als wir Deutschen leicht dazu neigen, die Neuerungen fremder Nationen, namentlich der Amerikaner, ohne ausreichende Kenntnis der jeweiligen Verhältnisse als nachahmenswert anzusehen. Dazu kommen nicht selten Sonderinteressen an der Frage besonders lebhaft beteiligter Industriezweige, welche die Lage aus Geschäftsrücksichten auszunutzen versuchen. Im vorliegenden Fall sind die Vorteile, die zugunsten des eisernen Personenwagens sprechen, einleuchtend genug.

Auch unsere Unfallstatistik hat Beispiele aufzuweisen, bei denen anläßlich eines Zugzusammenstoßes die hölzernen Personenwagen durch Feuer zerstört wurden und Menschenleben in den Flammen zugrunde gingen. Auch unsere Personenwagen werden trotz ihrer eisernen Untergestelle bei Zugentgleisungen und Zusammenstößen vielfach zertrümmert und fügen den Fahrgästen durch die splitternde Wirkung des Holzes schwere, oft lebensgefährliche Verletzungen zu. Unter diesen Umständen sind auch bei uns Einrichtungen, welche diese Uebelstände beseitigen, nur mit Freuden zu begrüßen. Nur darf man nicht übersehen, daß es stets vorteilhafter ist, statt geeignete Vorkehrungen gegen die Folgen zu ergreifen, die Ursachen zu beseitigen, namentlich dann, wenn es sich um ausgedehnte und einschneidende Abänderungen handelt. Statt für Umbau und Neubeschaffung des rollenden Materiales Millionen zu verausgaben, wäre es, falls ein Bedürfnis nach Verbesserungen anerkannt wird, zweckmäßiger, diese Summen zunächst für die weitere Vervollkommnung unserer Sicherheitseinrichtungen zu verwenden. Zudem erfahren die Bemerkungen bezüglich der Unfallstatistik unsrer Wagen insofern schon eine Einschränkung, als unsere schweren D-Zugwagen dank ihrer sehr soliden Verbindung zwischen Untergestell und Wagenkasten und des Einbaues besonders kräftiger Endvestibüle ähnlich wie die Pullman-Wagen der amerikanischen Bahnen sich bei Zugunfällen als sehr widerstandsfähig erwiesen haben und deshalb das Streben der preußischen Staatsbahnen in den letzten Jahren mehr und mehr darauf hinausgeht, in den schnell fahrenden Zügen nach Möglichkeit nur derartige Wagen zu verwenden. Bei der Berechnung der Ausgaben für die Neueinrichtung darf man nicht übersehen, daß es mit dem Umbau und Ersatz des rollenden Materiales allein nicht getan ist, sondern daß auch die Betriebe der Wagenbaufirmen und die Ausbesserungswerkstätten der Bahnen wesentliche Umgestaltungen erfahren müssen. Auch die Marktlage würde durch die gesteigerte Nachfrage nach Eisen und den Rückgang an Holzbedarf eine im voraus nicht übersehbare Verschiebung erfahren. Dazu kommt, daß die getroffenen Maßregeln ihren Zweck nur teilweise erfüllen, insofern als selbst eiserne Personenwagen bei hohen Geschwindigkeiten gegen Zertrümmerung nicht sicher sind und mit Verlusten an Menschenleben bei Zugunfällen unter diesen Umständen auch künftighin zu rechnen ist. Und zuletzt noch eines. Obschon die Zeit der Versuche mit den neuen Personenwagen nach Ansicht der amerikanischen Bahnen als abgeschlossen gilt, lassen sich eine Reihe wichtiger Fragen, die in späteren Abschnitten noch ausführlicher erörtert werden sollen, zurzeit noch nicht beantworten. So ist z. B. ein allen Bedürfnissen gerecht werdendes Isoliermittel für die innere Bekleidung der Wände noch nicht gefunden. Das gesteigerte Interesse an dieser

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